Key words
Polytraumadiagnostik - Multidetektor-CT - Untersuchungsprotokolle
Abkürzungen
a.–p.:
anterior–posterior
cCT:
Computertomografie des Schädels
eFAST:
Extended focused Assessment with Sonography for Trauma
EKG:
Elektrokardiografie
GCS:
Glasgow Coma Scale
GKCT:
Ganzkörper-Computertomografie
HWS:
Halswirbelsäule
i. v.:
intravenös
MDCT:
Multidetektor-Computertomografie
MIP:
Maximumintensitätsprojektion
MPR:
multiplanare Rekonstruktion
MRT:
Magnetresonanztomografie
PACS:
Bildarchivierungssystem
VRT:
Volume-Rendering-Technik
Einleitung
Die rasante technische Entwicklung in den letzten 2 Jahrzehnten (Einführung der Mehrzeilentechnik
im Jahr 1998) hat es heutzutage möglich gemacht, mit der MDCT (Multidetektor-Computertomografie)
eine Ganzkörperspirale in wenigen Sekunden Scan-Zeit zu akquirieren. Durch dieses
schnelle und sichere Bildgebungsverfahren ist es erst möglich geworden, den schwerverletzten
Patienten frühzeitig umfassend zu diagnostizieren und ihn schnellstmöglich einer prioritätenorientierten
Versorgung zuzuführen. Somit ist die moderne Bildgebung und insbesondere die CT einer
der relevanten Schlüsselbereiche in der Versorgung schwerverletzter Patienten.
Mittlerweile gibt es unzählige Studien, die den Vorteil der GKCT (Ganzkörper-Computertomografie)
bei stabilen, aber auch bei instabilen polytraumatisierten Patienten belegen. Der
hohe Stellenwert der GKCT wurde in der im Sommer 2016 neu überarbeiteten S3-Leitlinie
„Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung“ nochmals hervorgehoben.
Der Untersuchungsablauf bei einem polytraumatisierten Patienten und die genaue Protokollzusammenstellung
unterscheiden sich von Klinik zu Klinik. Dies liegt insbesondere an der variablen
Scanner-Ausstattung der jeweiligen Klinik mit den daraus resultierenden unterschiedlichen
Scan-Parametern und -Geschwindigkeiten (4- bis 512-Zeiler) und dadurch bedingt auch
unterschiedlichen Kontrastmittelprotokollen. Des Weiteren spielen die baulichen Voraussetzungen
eine Rolle in der Patientenversorgung und der Art der Bildgebung. Ist z. B. ein CT-Scanner
direkt im Schockraum integriert oder unmittelbar benachbart, kann mittlerweile auf
eine initiale konventionelle Röntgendiagnostik (Röntgenaufnahme von Becken und Thorax)
gemäß der 2016 überarbeiteten S3-Leitlinie verzichtet werden.
So kommt es zu einer Vielzahl etablierter und empfohlener CT-Protokolle, die aber
jeweils an die eigenen Bedürfnisse und Möglichkeiten vor Ort (Scanner- und nutzerspezifisch)
angepasst werden müssen. Die Arbeitsgemeinschaft Bildgebende Verfahren des Bewegungsapparats
der Deutschen Röntgengesellschaft hat darüber hinaus im Jahr 2017 Protokollempfehlungen
und Indikationshilfen zur GKCT bei polytraumatisierten Patienten herausgegeben.
Als gemeinsame Schnittmenge, die als Mindestanforderung allen Protokollen eigen sein
sollte, haben sich ein natives cCT (Schädel-CT), ein CT der knöchernen HWS (Halswirbelsäule)
und eine kontrastmittelverstärkte Darstellung von Thorax, Abdomen und Becken herauskristallisiert.
Aufgrund eigener langjähriger Erfahrung und zwischenzeitlich publizierter Daten sollte
der HWS-Scan, wenn möglich, in Kombination mit einer getriggerten Kontrastmittelgabe
erfolgen. Das ermöglicht gleichzeitig, die supraaortalen Gefäße darzustellen und ihre
Verletzungen (z. B. Dissektionen) frühzeitig zu diagnostizieren (supraaortale Angiografie).
Als technische Mindestanforderung wird zur Minimierung von Artefakten (z. B. Pulsationsartefakten
der Aortenwurzel) und für eine adäquate Scan-Zeit heutzutage ein 16-Zeilen-CT angesehen.
Indikation
Aufgrund der doch recht hohen Strahlenbelastung durch eine GKCT sollte die Durchführung
einer solchen Untersuchung nicht leichtfertig erfolgen und der Routineeinsatz sollte
bei Patienten mit geringeren Traumata unterbleiben. Bei schwerstverletzten Patienten
ist die erhöhte Strahlendosis natürlich zweitrangig. Hingegen sollte sie bei leichter
verletzten Patienten (nicht intubiert, stabil, wach und ansprechbar, GCS [Wert auf
der Glasgow Coma Scale] 15), bei denen das Risiko akut-traumatischer Veränderungen
deutlich geringer ist, mitberücksichtigt werden. Viele neuere Studien zeigen bei diesem
Patientenkollektiv keinen Überlebensvorteil der GKCT gegenüber der selektiven Einzelorganuntersuchung,
während sich durch die GKCT eine unnötige Überdiagnostik und vermeidbare Strahlenexposition
ergibt.
Merke
Ein Problem der schnellen Ganzkörperbildgebung liegt in der vermehrten Diagnose von
nicht outcomerelevanten Befunden sowie von nicht traumatisch bedingten Nebendiagnosen
([Abb. 1]), die zu dokumentieren und dem klinischen Zuweiser zu übermitteln sind.
Abb. 1 Nebendiagnose bei Polytraumaspirale. Im Rahmen der immer häufigeren Durchführung
von Polytraumauntersuchungen werden vermehrt nicht traumaassoziierte Befunde erhoben,
die oft eine weitere Diagnosespirale triggern (Überdiagnostik). Fall einer kolbenförmigen
Auftreibung der 7. Rippe links im Rahmen eines monoostotischen Rippenbefalls bei Morbus
Paget. Die Diagnose erfolgte im Rahmen einer Polytraumaspirale. Relevante traumatische
Läsionen lagen nicht vor.
Erste Algorithmen, die die Indikationsstellung erleichtern sollen, wurden in klinischen
Studien erfolgreich getestet (z. B. Manchester Trauma Imaging Protocol; [Abb. 2]), sind bisher aber nicht in Leitlinien berücksichtigt. Eine definitive Indikation
zur GKCT existiert auch in der S3-Leitlinie nur teilweise. Zwar sind die Kriterien
für eine Alarmierung des Schockraumteams fest geregelt, dies impliziert jedoch nicht
automatisch die Durchführung einer GKCT.
Abb. 2 Beispiel eines Algorithmus zur Schockraumbildgebung. Manchester Trauma Imaging Protocol
nach Davies und Mitarbeitern.1) Trauma-Scoring:Klinischer Befund:• > 2 Regionen verletzt
(Kopf, HWS, Thorax, Abdomen, Becken): + 2 Punkte• systolischer arterieller Blutdruck
< 100 mmHg oder Herzfrequenz > 100/min: + 2 Punkte• Atemfrequenz > 24/min, Sauerstoffsättigung
< 93%: + 3 Punkte• GCS < 14: + 3 PunkteUnfallmechanismus:• Fall aus ≤ 5 m Höhe: − 1
Punkt• Verkehrsunfall (im Pkw): + 1 Punkt• Verkehrsunfall (als Fahrradfahrer oder
Fußgänger): + 3 Punkte• Fall aus > 5 m Höhe: + 3 PunkteCT = Computertomografie; GKCT = Ganzkörper-Computertomografie
Ein Abweichen vom standardisierten Ablauf einer GKCT kann bei entsprechender klinischer
Konstellation im Rahmen eines fokussierten CT erfolgen. Dabei kann dann unter Umständen
auf eine i. v. (intravenöse) Kontrastmittelgabe verzichtet werden. Alternativ können
auch Low-Dose-CT-Untersuchungen durchgeführt werden, z. B. zur Abklärung von Wirbelkörperfrakturen.
Dies betrifft insbesondere Kinder und junge Erwachsene, da diese besonders strahlensensibel
sind. Die AG Bildgebende Verfahren des Bewegungsapparats der Deutschen Röntgengesellschaft
hat 2017 die Unterteilung in 3 Indikationsgruppen empfohlen:
-
instabile Patienten (mehrfach- und schwerstverletzte), die umgehend ein zeitoptimiertes
GKCT erhalten sollten
-
stabile, klinisch untersuchbare, wache und kooperative Patienten, bei denen abhängig
vom Ergebnis der klinischen Untersuchung die Entscheidung zur angemessenen Diagnostik
getroffen wird (Ultraschall, konventionelle Röntgendiagnostik, fokussiertes CT oder
dosisoptimiertes GKCT)
-
stabile, aber klinisch nicht untersuchbare Patienten, bei denen ein dosisoptimiertes
GKCT erfolgen sollte
Strahlenexposition
Abhängig von der Literatur variiert die angegebene Strahlenexposition pro GKCT zwischen
10 und 30 mSv, wobei Spitzenwerte teilweise bis zu 50 mSv erreichen können ([Abb. 3]). Moderne Scanner mit empfindlicheren Detektoren und die Einführung iterativer Rekonstruktionsverfahren
können zu einer deutlichen Dosisreduktion führen (30 – 75%; [Tab. 1]). Iterative Rekonstruktionsverfahren werden mittlerweile von allen Herstellern angeboten.
Bei ihnen werden die Roh- bzw. Bilddaten mehrfach berechnet, um das Bildrauschen von
der Bildinformation zu trennen.
Abb. 3 Topogramm mit Darstellung der Dosisverteilung.
a A.–p. (anterior–posteriores) Topogramm.
b Sagittales Topogramm.
Tab. 1 Möglichkeiten der Dosisreduktion in der Schockraumbildgebung.
Untersuchungsparameter
|
Möglichkeiten der Dosisreduktion
|
Erläuterungen/Anmerkungen
|
ALARA = „as low as reasonably achievable“; CT = Computertomografie; GKCT = Ganzkörper-Computertomografie
|
Indikation
|
ALARA-Prinzip
|
GKCT versus fokussiertes CT, Konsensabsprache im Traumateam
|
Lagerung
|
Patientenzentrierung
|
Verbesserung der Bildqualität und Dosisreduktion durch Lagerung des Patienten genau
im Isozentrum
|
Patientenlagerung
|
wenn möglich, Lagerung der Arme über dem Kopf während der Thorax-Abdomen-Spirale,
ansonsten Lagerung auf dem Bauch mit Schaumstoffmatte
|
Scan
|
kombinierte Bildgebung
|
|
Technik
|
Hardware
|
-
automatische Röhrenstrom- und Röhrenspannungsmodulation (Cave: Bei adipösen oder polytraumatisierten
Patienten mit Armlagerung neben dem Körper und vielen angrenzenden Fremdkörpern kann
das jedoch auch zu einer Dosismehrbelastung führen.)
-
Dual-Energy-CT (ermöglicht die Rekonstruktion eines virtuellen nativen Datensatzes;
bei modernen Scanner-Geräten ohne Dosismehrbelastung)
-
moderne Scanner mit empfindlicher Detektortechnik
|
Software
|
iterative Rekonstruktionsverfahren (Cave: Gegebenenfalls wegen längerer Rekonstruktionszeit
bei zeitkritischen Fragestellungen deaktivieren.)
|
Darüber hinaus bieten moderne Scanner die Möglichkeit der Modulation des Röhrenstroms
und auch gleichzeitig der Röhrenspannung. Das führt zu einer deutlichen Dosiseinsparung.
Zusätzlich erhöht sich aufgrund der niedrigeren Röhrenspannung als positiver Nebeneffekt
auch das Kontrastverhalten des applizierten Kontrastmittels. Bedenken sollte man jedoch,
dass es gerade bei adipösen Patienten oder polytraumatisierten Patienten mit körperparalleler
Armlagerung und vielen anliegenden Fremdkörpern (z. B. Vakuummatratze) durch die Automatismen
auch zu einer deutlichen Dosissteigerung kommen kann. Aus eigener Erfahrung erscheinen
Dosiswerte von 20 mSv trotz iterativer Rekonstruktionsverfahren und moderner Scanner-Technik
für ein GKCT trotzdem nach wie vor realistisch. Die zum Teil in der Literatur angegebenen
Werte von 5 – 10 mSv scheinen im Schockraum eher zu optimistisch angesetzt. Allein
die Lagerung der Arme auf bzw. neben dem Körper (und somit im Strahlenfeld) erhöht
die Dosis deutlich (um ca. 3 mSv). Auch Immobilisationshilfen, wie sie im Schockraum
eingesetzt werden (Spine Board), erhöhen die Dosis um bis zu 11% und führen zu einem
Verlust der Bildqualität, die durch höhere Dosis wieder ausgeglichen werden muss.
Patientenlagerung und Planung der Untersuchung
Patientenlagerung und Planung der Untersuchung
Nach Übergabe des Patienten durch den Notarzt bzw. Rettungsdienst an das Traumateam
in der Klinik erfolgt eine wirbelsäulenschonende Umlagerung des Patienten auf ein
strahlendurchlässiges Wirbelsäulenprotektionssystem (z. B. Spine Board), das direkt
auf der Untersuchungsliege aufliegt. Andere Lagerungshilfen, Vakuummatratzen o. Ä.,
sollten zur Verbesserung der Bildqualität entfernt werden ([Abb. 4]). Dies muss letztlich jedoch lageabhängig jeweils vor Ort beurteilt werden.
Abb. 4 Die Lagerung und die den Patienten umgebenden Lagerungshilfen und Fremdmaterialien
haben einen wichtigen Einfluss auf die Bildqualität sowie die applizierte Dosis bei
Verwendung von automatischer Röhrenstrom- bzw. Spannungsmodulation.
a Seitliches Topogramm eines Polytrauma-Scans mit erschwerten Lagerungsbedingungen auf
dem Spine Board und ohne Kopfschale. Der Kopf liegt auf Höhe des Endes des Patiententisches.
b Korrespondierender Scan. Deutliche Artefakte im Hirnparenchym.
c Kontrolluntersuchung im Verlauf. Regelrechte Lagerung in einer Kopfschale.
d Nun artefaktfreie Darstellung des Hirnparenchyms.
Merke
Die sorgfältige Lagerung des Patienten auf der Scanner-Liege hat großen Einfluss auf
die Bildqualität und die applizierte Strahlendosis. Daher ist eine isozentrische Patientenlagerung
äußerst wichtig.
Des Weiteren ist die Strahlenbelastung bei Positionierung der Arme entlang des Körpers,
wie vorher erwähnt, um 3 mSv höher, als wenn die Arme über den Kopf ausgelagert werden.
Selbst das Hochlagern eines einzelnen Armes führt schon zu einer relevanten Dosisreduktion.
Dieses Vorgehen ist jedoch nur bei hämodynamisch stabilen Patienten möglich, deren
Verletzungsmuster dies zulässt. Bei allen anderen Patienten und insbesondere bei instabilen
Patienten sollten die Arme aufgrund eigener Erfahrung langgestreckt parallel nach
vorn auf den Bauch geführt werden (diagonal) oder aber, wenn nicht anders möglich,
entlang des Körperstamms liegen ([Abb. 5]). Zur Reduktion von Bildartefakten ([Abb. 6]) durch die direkt auf dem Körperstamm aufliegenden Arme bietet sich darüber hinaus
die Auflage einer 2 – 3 cm dicken, strahlendurchlässigen Matte an.
Abb. 5 Lagerungsbild aus dem Schockraum.
Abb. 6 Bewegungsartefakte. Bewegungen während der Untersuchung und dadurch verursachte Artefakte
können eine Bildbefundung erschweren oder sogar komplett unmöglich machen. Daher ist
eine gute Patientenvorbereitung (z. B. Sedierung) und -lagerung in Zusammenarbeit
insbesondere mit den anästhesistischen Fachkollegen sehr wichtig.
a Koronale MPR (multiplanare Rekonstruktion) im Weichteilfenster.
b Transversale Schicht im Lungenfenster.
Kabel sowie Steckverbindungen und ähnliche, von außen aufliegende Materialien sollten
so gut wie möglich aus dem Untersuchungsfeld entfernt werden; z. B. sollte ein Kohlendioxidsensor
am Tubus für den Scan nach Rücksprache mit dem verantwortlichen Anästhesisten kurzzeitig
entfernt werden. Vor Scan-Beginn sollte unbedingt ein Testlauf durchgeführt werden,
um zu kontrollieren, ob die Kabelverbindungen und insbesondere der Beatmungsschlauch
lang genug sind. Sonst kann es nämlich z. B. zu einer unfreiwilligen Extubation des
Patienten während des Scan-Vorgangs kommen. Die Kontrolle der Durchgängigkeit des
Kontrastmittelsystems sowie die Verifizierung der korrekten Lage des Zugangs durch
einen Probebolus einer Kochsalzlösung sind ebenfalls obligat.
Praxistipp
Lagerungscheck
-
Patientenlagerung im Isozentrum
-
Armlagerung (über dem Kopf bzw. diagonal auf dem Bauch)
-
Probelauf mit Check der Kabel und des Beatmungsschlauchs
-
Prüfen der Lage und Durchgängigkeit des Zugangs und des Kontrastmittelsystems
-
Entfernen von Fremdkörpern aus dem Scan-Bereich (so gut wie möglich)
In der Regel erfolgt die Lagerung auf der Untersuchungsliege mit dem Kopf in Richtung
Gantry (Head first supine) Für eine optimale Planung der GKCT eignen sich 2 Topogramme
([Abb. 7]):
-
das erste als seitliches Topogramm des Schädels und der HWS (Scan-Richtung kaudokranial,
Einstellung auf das Manubrium sterni) und
-
das unmittelbar anschließende 2. Topogramm von der letzten Scan-Position (kranial)
bis unterhalb des Beckens (Scan-Richtung kraniokaudal).
Abb. 7 Topogramme mit eingezeichneten Scan-Bereichen. In diesem Fall handelt es sich um
einen nativen Scan des Schädels, um eine supraaortale Angiografie und eine gemischt
arteriell-venöse Untersuchung (Split-Bolus-Technik) des Körperstamms.
a A.–p. Topogramm.
b Seitliches Topogramm.
Im Anschluss kann die komplette GKCT-Untersuchung geplant werden.
Untersuchungsablauf
Zunächst erfolgen die initiale klinische Untersuchung (Primary Survey) und zeitgleich
eine Sonografie im Sinne eines eFAST, also eines Extended focused Assessment with
Sonography for Trauma. Danach kann abhängig von den lokalen Gegebenheiten und vom
Verletzungsgrad des Patienten eine Röntgenuntersuchung des Thorax und des Beckens
durchgeführt werden. Im Konsens mit dem Traumaleader wird abhängig vom Ergebnis des
Primary Survey die Indikation zur CT-Untersuchung gestellt. Abhängig vom Verletzungsgrad
und vom Traumamechanismus fällt dann die Entscheidung für eine GKCT oder eine traumafokussierte
CT-Untersuchung. Gleichzeitig sollten weitere Ergänzungen zum Untersuchungsprotokoll
abhängig vom Traumamechanismus im Vorfeld besprochen und geplant werden. Beispiele:
-
Durchführung einer Ausscheidungsphase bei Verletzungen der ableitenden Harnwege
-
Angiografie der Extremitäten zur Beurteilung einer Gefäßverletzung
-
nötige EKG-Triggerung (elektrokardiografische Triggerung) des Thorax zur Ausschaltung
von Pulsationsartefakten der Aortenwurzel
Postprocessing und Befundung
Postprocessing und Befundung
Noch während oder unmittelbar nach dem Scan sollten das Topogramm ([Abb. 8]) und die akquirierten Rohdaten auf relevante Pathologien, die eine unmittelbare
Konsequenz haben, gemustert werden. Beispiele:
Abb. 8 Topogramme zweier Polytrauma-Scans.
a Deutliche Verbreiterung des oberen Mediastinums als Zeichen einer mediastinalen Gefäßverletzung.
b Asymmetrische massive Auftreibung der Weichteile der linken Schulter. In diesem Fall
lag eine Ruptur der A. axillaris vor.
Danach erfolgt die systematische Durchsicht der rekonstruierten Daten. Auch dabei
unterscheidet sich die Herangehensweise abhängig von der zur Verfügung stehenden technischen
Ausstattung und dem Scanner-Hersteller. In der Regel werden unterschiedliche axiale
Rekonstruktionen in Weichteil- und Knochenfensterlage sowie MPR erstellt und im PACS
(Bildarchivierungssystem) betrachtet. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, Server-basiert
an dünnen Schichten (z. B. mit 0,6 mm Schichtdicke) an entsprechenden Befundungskonsolen
den kompletten Datensatz zu betrachten, gleichzeitig nachzuverarbeiten und jeweils
Rekonstruktionen zu erstellen (MPR, MIP [Maximumintensitätsprojektion], VRT [Volume-Rendering-Technik]).
Merke
Ein mündlicher Befund mit den relevantesten Diagnosen sollte innerhalb weniger Minuten
an den Traumaleader übermittelt werden. Der ausführliche schriftliche Befund sollte
innerhalb von 1 h vorliegen.
Nach Abschluss der Befundung sollten alle Befunde nochmals interdisziplinär besprochen
werden. Das weitere Prozedere sollte im Konsens beschlossen werden. Ein entscheidender
Punkt für den Radiologen ist dabei z. B. die Notwendigkeit der Durchführung von Zusatzuntersuchungen
wie einer MRT (Magnetresonanztomografie) oder einer angiografischen Intervention.
Untersuchungsprotokolle
Ein GKCT sollte aus einem nativen cCT, einer HWS-Untersuchung nach Kontrastmittelgabe
zur Beurteilung der supraaortalen Gefäße und einer kontrastmittelverstärkten Untersuchung
von Thorax, Abdomen und Becken bestehen. Aufgrund der vielen unterschiedlich verfügbaren
Scanner-Typen kann an dieser Stelle nur eine Empfehlung für ein Protokoll gegeben
werden.
Computertomografie des Schädels
Das cCT wird primär nativdiagnostisch zum Nachweis und zur Beurteilung intrakranieller
Blutungen durchgeführt. Die aktuellen Empfehlungen fordern eine Kontrastmitteluntersuchung
der supraaortalen Gefäße, die mindestens bis zum Circulus Willisii reichen sollte,
ggf. auch die ganze Kalotte einschließt. Diese Untersuchung erfolgt in der HWS- oder
der GKCT-Spirale. Es muss unterschieden werden, ob die Untersuchung in sequenzieller
Technik oder in Spiraltechnik durchgeführt wird und ob der Scanner über die Möglichkeit
einer Gantry-Kippung verfügt ([Abb. 9]).
Abb. 9 Schnittebenen des Schädels im axialen CT. Axiale CT-Aufnahmen des Schädels bzw. des
Gehirns werden in der Regel um etwa 19° nach dorsal gekippt (entlang der sog. Kanthomeatalebene).
Diese Ebene verläuft vom Oberrand des Meatus acusticus externus zum Kanthus (Augenwinkel)
und schützt den Inhalt der Orbita vor zu starker Röntgenstrahlung.
a Schematische Darstellung.
b CT mit Schnittebenen.(Quelle: Schünke M, Schulte E, Schumacher U et al. Prometheus
LernAtlas – Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. 4. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2014)
Scan-Bereich
Der Scan-Bereich reicht von der Schädelbasis (Foramen magnum) bis zum Kalottendach.
Sequenzielle Technik
Spiraltechnik
-
Hirnparenchymfensterung in 3 Ebenen in 3 – 5 mm Schichtdicke:
-
Knochenfenster in einer Ebene in 1 – 2 mm Schichtdicke:
-
Vorteil: durch Kollimation im Submillimeterbereich perfekte Rekonstruktionsmöglichkeit in
allen gewünschten Raumrichtungen (MPR)
-
Nachteil: wenn Scanner-bedingt keine Kippung möglich, orbitale Strukturen im Untersuchungsfeld,
evtl. negativer Einfluss durch Zahnmetallartefakte im Untersuchungsfeld
Computertomografie der Halswirbelsäule
Die Untersuchung der HWS erfolgt als Spiral-CT und sollte zur Beurteilung der supraaortalen
Gefäße mit i. v. Kontrastmittel durchgeführt werden ([Abb. 10]). Abhängig davon, ob als gesonderte Untersuchung (nativ oder als supraaortale Angiografie)
oder aber in einer zusammenhängenden Spirale mit der Thorax-Abdomen-Becken-Spirale
durchgeführt, unterscheiden sich auch die Rekonstruktionsmöglichkeiten.
Abb. 10 CT-Untersuchung der HWS in Kombination mit einer getriggerten Kontrastmittelgabe.
Es lassen sich sowohl die knöchernen als auch die vaskulären Pathologien der supraaortalen
Gefäße in einem Scan beurteilen.
a Sagittale MPR, Mittellinie.
b Sagittale MPR, lateral.
c MIP nach Knochensubtraktion.
Scan-Bereich
Der Scan-Bereich umfasst die obere Thoraxapertur bzw. den Oberrand des Aortenbogens
bis zur Schädelbasis, ggf. abhängig vom Verletzungsmuster bis zum Kalottendach.
Rekonstruktionen
Allen Untersuchungen gemein sollte folgende Rekonstruktion sein:
-
Knochenfenster in 3 Ebenen in 2 – 3 mm Schichtdicke:
-
Weichteilfenster in einer Ebene in 3 – 5 mm Schichtdicke: ggf. ergänzende MPR
-
CT-Angiografiefenster in einer Ebene in 1 – 2 mm Schichtdicke: ggf. ergänzende MPR und MIP
Bei Mittelgesichtstraumata bietet sich die ergänzende mittelgesichtfokussierte Rekonstruktion
aus dem Datensatz der HWS-Spirale an:
Computertomografie von Thorax, Abdomen und Becken
Scan-Bereich
Der Scan-Bereich muss Thorax, Abdomen und/oder Becken abdecken.
Rekonstruktionen
Unabhängig davon, in welcher Kontrastmitteltechnik und in wie vielen Phasen die Untersuchung
durchgeführt wurde, sollten als Minimum folgende Rekonstruktionen vorliegen:
-
Knochenfenster in 3 Ebenen in 2 – 3 mm Schichtdicke (Ganzkörper):
-
Weichteilfenster in 2 Ebenen in 3 – 5 mm Schichtdicke (Ganzkörper):
-
Lungenfenster in einer Ebene in 3 – 5 mm Schichtdicke (nur Lunge): ggf. ergänzende MPR und MIP
Bei Vorhandensein einer modernen, Server-basierten Auswertekonsole können auch submillimeterdicke
Schichten (0,50 – 0,75 mm dick) im Knochen- und Weichteilfenster im PACS archiviert
und direkt an der Konsole nachbearbeitet und betrachtet werden. Bei telemedizinischer
Befundung sollte die versendete Datenmenge möglichst klein gehalten werden. Dafür
bieten sich Rekonstruktionen mit mitteldichtem Kernel (z. B. 40 – 45) als Kompromiss
an. Diese können dann sowohl im Weichteil- als auch im Knochenfenster betrachtet werden.
Abhängig vom Verletzungsmuster kann das Protokoll frei ergänzt bzw. geändert werden,
um weitere Fragestellungen zu klären. So werden bei Verletzungen des Urogenitaltrakts
Spätaufnahmen benötigt. Bei Verletzungen der unteren Extremitäten kann das GKCT wahlweise
nach kaudal verlängert werden. Abhängig von den baulichen Voraussetzungen des Scanner-Geräts
kann es nötig sein, den Patienten dafür um 180° zu drehen und erneut mit den Füßen
voran zu untersuchen. Gegebenenfalls ist dafür eine 2. Kontrastmittelgabe nötig (Becken-Bein-Angiografie).
Eine EKG-Triggerung des Polytrauma-Scans ist initial nicht nötig, es sei denn, die
personelle und apparative Ausstattung erlaubt dies und die klinische Konstellation
sowie der Primary Survey legen den Verdacht auf eine Verletzung des Herzens und der
Aorta nahe.
Merke
Typische Bewegungsartefakte der Aortenwurzel ([Abb. 11]), deren Ausmaß oft vom verwendeten Scanner-Typ abhängt, sollten dem Befunder bewusst
sein: Je geringer die Zeilenzahl und die Scan-Geschwindigkeit, umso ausgeprägter sind
die Artefakte.
Abb. 11 Pulsationsartefakt der Aortenwurzel.
a Scan ohne EKG-Triggerung mit typischem Pulsationsartefakt der Aortenwurzel. Diese
Artefakte können eine Dissektion der Gefäßwand vortäuschen, aber auch überlagern,
und so eine Diagnosefindung erschweren, zum Teil sogar unmöglich machen.
b Durch EKG-Triggerung artefaktfreie Darstellung des Herzens und der Aortenwurzel, hier
im Rahmen einer Stanford-A-Aortendissektion.
Gegebenenfalls muss die Untersuchung mit einer EKG-Triggerung wiederholt werden.
Wertigkeit von 3-dimensionalen Rekonstruktionen
Durch Shaded Surface Display oder VRT lassen sich (bei modernen Nachbearbeitungsstationen
bereits automatisiert) virtuelle 3-D-Ansichten insbesondere von knöchernen Läsionen
erstellen. Dadurch können vor allem komplexe Frakturen schneller und besser erfasst
werden. Die 3-D-Ansichten dienen insbesondere den klinischen Kollegen zum besseren
Verständnis und zur Planung des weiteren Vorgehens ([Abb. 12]).
Abb. 12 3-D-Rekonstruktionen (VRT). Diese erlauben einen schnellen Überblick und dienen der
besseren räumlichen Vorstellung von den vorliegenden Frakturen und deren weiterer
Versorgung.
a Patient mit Klavikulafraktur, rechtsseitiger Rippenserienfraktur und dislozierter
Beckenfraktur.
b Patient mit dislozierter Beckenfraktur.
Kontrastmittelprotokolle
Grundlagen
Wie schon oben erläutert, gibt es aufgrund der verwendeten unterschiedlichen Scanner-Typen
und verschiedenen Herangehensweisen zum Teil stark variable Kontrastmittelprotokolle.
Merke
Die Gabe iodhaltiger Kontrastmittel bei einem polytraumatisierten Patienten ist alternativlos.
Nur mithilfe einer Kontrastmittelgabe können Gefäß-, Gefäßwandverletzungen und parenchymatöse
Organverletzungen sicher diagnostiziert werden. Daher ist bei unklarer Allergielage
oder bestehender Niereninsuffizienz eine enge klinische Kontrolle im Vorfeld mit den
behandelnden klinischen Kollegen zu erörtern. Gemäß den europäischen (European Society
of Urogenital Radiology) und den amerikanischen Leitlinien (American College of Rheumatology)
sollte bei unklarer Nierenfunktion die kleinstmögliche für die Diagnostik notwendige
Kontrastmittelmenge appliziert werden. Bei bekannter Allergie auf iodhaltige Kontrastmittel
kann ein H1-Blocker i. v. direkt vor der Untersuchung gegeben werden. Prophylaktisch
sind Steroide im Notfall-Setting aufgrund der langsam einsetzenden Wirkung nicht sinnvoll.
Die beim polytraumatisierten Patienten in der Regel bereits etablierten Zugänge können
für eine Kontrastmittelgabe genutzt werden. Dabei sollten jedoch einige Punkte berücksichtigt
werden:
-
Bei Injektion mit einem Power-Injektor sollten die Zugänge vorher mit einem Bolus
einer Kochsalzlösung getestet werden, um die i. v. Lage zu verifizieren.
-
Eine kubitale bzw. antekubitale Lage bzw. eine Punktion einer großen Unterarmvene
ist zu bevorzugen. Bei Lage am Handrücken oder Handgelenk sollten ggf. die Flussraten
reduziert werden.
-
Bei Kontrastmittelgabe über zentrale Venenkatheter müssen die Flussraten reduziert
werden (bis auf 2,5 ml/s), es sei denn, die Katheter sind mit dem Power-Injektor kompatibel
(s. Herstellerangaben).
-
Die Kontrastmittelgabe über intraossäre Zugänge ist problemlos möglich, wenn auch
ausreichende Studien dazu fehlen. Fallbeschreibungen geben komplikationslose Untersuchungen
mit Flussgeschwindigkeiten von bis zu 5 ml/s an.
Weitere Punkte, die bei Kontrastmittelgabe beachtet werden müssen:
-
Paraproteinämie bzw. Phäochromozytom: Eine Paraproteinämie insbesondere im Rahmen eines multiplen Myeloms oder ein bekanntes
Phäochromozytom bedingen keine Einschränkung für die i. v. Gabe niedrig- oder isoosmolarer
iodhaltiger Kontrastmittel.
-
Schwangerschaft: Ein entsprechendes Trauma bedingt auch in der Schwangerschaft eine i. v. Kontrastmittelgabe.
Daher muss beim Neugeborenen innerhalb der ersten Woche nach der Geburt die Schilddrüsenfunktion
überprüft werden.
-
Stillzeit: Mütter können nach der Gabe eines iodhaltigen Kontrastmittels unverändert weiter
stillen.
Praxistipp
Anwärmen des Kontrastmittels
Das Kontrastmittel sollte vor der Injektion auf Körpertemperatur erwärmt werden. Das
verbessert die Fließeigenschaften und damit das Anflutungsverhalten: Dies gilt insbesondere
für hohe Flussraten (über 5 ml/s), höher visköse Kontrastmittel und Untersuchungen
in arterieller Phase.
Die Frage, welches Kontrastmittelprotokoll zu verwenden ist, ist abhängig von der
zur Verfügung stehenden Scanner-Technik sowie der Vorliebe und Erfahrung des durchführenden
Radiologen. Zentrenübergreifende standardisierte Protokolle existieren nicht. Daher
sollen an dieser Stelle unterschiedliche Vorgehensweisen erläutert und unterschiedliche
Protokolle vorgestellt werden.
Scanner mit niedriger Zeilenanzahl (z. B. 6-Zeiler) benötigen für einen Scan-Bereich
von der oberen Thoraxapertur bis zum Beckenunterrand abhängig von der Kollimation
zwischen 30 und 60 s. Mehrphasige Untersuchungen sind somit technisch bedingt nicht
möglich. Daher ergibt sich die technische Mindestanforderung für einen 16-Zeiler im
Rahmen eines GKCT.
Bei mehrphasischen Protokollen wird der komplette thorakoabdominelle Scan-Bereich
in einer arteriellen und einer portalvenösen (und evtl. auch initial in einer nativen)
Phase untersucht. Sie bieten den Vorteil einer guten angiografischen Darstellung und
einer reinen portalvenösen Parenchymphase, in der Organlazerationen gut nachgewiesen
werden können. Sie lassen auch Rückschlüsse auf die Kontrastmitteldynamik zu, führen
gleichzeitig aber zu einer deutlich erhöhten Strahlenexposition. Daher verlagert sich
der Schwerpunkt immer mehr zu monophasischen Untersuchungen, die eine deutliche Dosisreduktion
ermöglichen. Diese Untersuchungen wiederum können ebenfalls mit unterschiedlichen
Protokollen durchgeführt werden. Dabei unterscheidet man eine Single-Bolus- und eine
Split-Bolus-Technik:
-
Single-Bolus-Technik: Bei dieser erfolgt die Gabe eines einzelnen Bolus (z. B. 120 ml mit einer Flussrate
von 2 ml/s). Dadurch kommt es zu einer rein portalvenösen Darstellung des Thorax-Abdomen-Becken-Scans.
-
Split-Bolus-Technik: Bei dieser werden z. B. 150 ml gegeben, mit einer initialen Gabe von 65 ml bei einer
Flussrate von 2 ml/s, gefolgt von einem 2. Bolus von 85 ml bei einer Flussrate von
3,5 ml/s. Dabei kommt es zu einer gleichzeitigen Überlagerung einer arteriellen und
einer portalvenösen Phase. Dies erhöht deutlich die diagnostische Sicherheit bei arteriellen
Gefäßverletzungen. Der Nachteil liegt in einer inhomogenen Kontrastierung der Milz
([Abb. 13]), die jedoch für erfahrene Befunder keine Einschränkung der diagnostischen Sicherheit
bedeutet.
Abb. 13 Milztigerung. Fleckige inhomogene Kontrastierung der Milz bei Verwendung einer Split-Bolus-Technik,
bedingt durch die überlagerte arterielle Phase. Dies kann die Beurteilbarkeit des
Milzparenchyms erschweren. Kapsel und umgebendes Fettgewebe sind jedoch klar beurteilbar.
In Studien wurde keine relevante Milzverletzung wegen Milztigerung übersehen.
Beispielprotokolle
Alle im Folgenden beschriebenen Protokolle können je nach Fragestellung abgeändert
bzw. ergänzt werden, z. B. durch urografische Spätphasen oder ergänzende Bildgebung
der Extremitäten, ggf. auch mit Angiografien.
-
Protokoll 1:
-
cCT: nativ
-
HWS bzw. Mittelgesicht: nativ
-
Kontrastmittelgabe: 120 ml mit einer Flussrate von 2 ml/s; keine Triggerung nötig
-
GKCT: Scan-Bereich: obere Thoraxapertur bis zu den Trochanteres; Delay 70 s
-
Vorteil: homogene portalvenöse Phase; Umlagerung der Arme zur Dosisreduktion möglich
-
Nachteil: fehlende Darstellung der Halsgefäße und fehlende arterielle Kontrastierung der Aorta
-
Protokoll 2:
-
cCT: nativ
-
HWS bzw. Mittelgesicht: nativ
-
Kontrastmittelgabe: 100 – 120 ml mit einer Flussrate von 4 ml/s; Triggerung in der Aorta descendens;
Delay zwischen Thorax und Abdomen ca. 45 s
-
Thorax: arteriell
-
Abdomen bzw. Becken: portalvenös
-
Vorteil: homogene portalvenöse Phase; Umlagerung der Arme zur Dosisreduktion möglich
-
Nachteil: fehlende Darstellung der Halsgefäße und fehlende arterielle Kontrastierung der abdominalen
Aorta, überlappende Scan-Bereiche zervikothorakal und thorakoabdominell mit erhöhter
Dosis
-
Protokoll 3:
-
cCT: nativ
-
Kontrastmittelgabe: 150 ml mit einer initialen Gabe von 65 ml bei einer Flussrate von 2 ml/s, gefolgt
von einem 2. Bolus von 85 ml bei einer Flussrate von 3,5 ml/s; keine Triggerung nötig
-
GKCT: Scan-Bereich gesamter Schädel bzw. ab Circulus Willisii bis zu den Trochanteres;
Delay 60 – 70 s
-
Vorteil: Kontrastmitteldarstellung der Halsgefäße; komplette Wirbelsäulenabbildung in einer
Untersuchung
-
Nachteil: fehlende Umlagerungsmöglichkeit der Arme mit erhöhter Strahlenexposition; venöse
Überlagerung der supraaortalen Gefäße; Inhomogenität der Milz; große Kontrastmittelmenge;
evtl. niedrige Bildqualität der HWS
-
Protokoll 4:
-
cCT: nativ
-
Kontrastmittelgabe: 120 ml mit einer initialen Gabe von 70 ml bei einer Flussrate von 4 ml/s mit anschließender
Pause von 25 s, gefolgt von einem 2. Bolus von 50 ml bei einer Flussrate von 4 ml/s;
Triggerung im Aortenbogen
-
HWS bzw. Mittelgesicht: Scan-Bereich vom Aortenbogen bis zum Circulus Willisii bzw. gesamter Schädel
-
GKCT: Scan-Bereich von der oberen Thoraxapertur bis zu den Trochanteres
-
Vorteil: Kontrastmitteldarstellung der Halsgefäße ohne relevante venöse Überlagerung (höhere
Qualität der HWS-Untersuchung durch optimierte Scan-Parameter); geringere Kontrastmittelmenge
als in Protokoll 3
-
Nachteil: fehlende Umlagerungsmöglichkeit der Arme mit erhöhter Strahlenexposition; überlappende
Scan-Bereiche mit dadurch etwas erhöhter Strahlenexposition; Inhomogenität der Milz
-
Protokoll 5 (zeitoptimiert gemäß Arbeitsgemeinschaft Bildgebende Verfahren des Bewegungsapparats;
ein langes Topogramm a.–p.):
-
cCT: nativ ohne Gantry-Kippung
-
Kontrastmittelgabe: ähnlich Protokoll 3 oder 120 – 140 ml Kontrastmittel mit konstanter Flussrate (z. B.
3 ml/s)
-
HWS: Scan mit 25 s Delay nach Kontrastmittelgabe
-
GKCT: Scan nach insgesamt 60 s Delay
-
Vorteil: Kontrastmitteldarstellung der Halsgefäße; schnelle Untersuchung mit wenig Zeitverzögerung
-
Nachteil: wie Protokoll 3
-
Protokoll 6 (dosisoptimiert gemäß Arbeitsgemeinschaft Bildgebende Verfahren des Bewegungsapparats):
-
cCT: nativ, wenn möglich, mit Gantry-Kippung
-
Pause: mit Umlagerung der Arme über Kopf
-
Kontrastmittelgabe: ähnlich Protokoll 3 und 6, aber auch Triggerung wie bei Protokoll 4 möglich
-
HWS: Scan mit 25 s Delay oder Triggerung
-
GKCT: Scan nach insgesamt 60 s Delay
-
Vorteil: Kontrastmitteldarstellung der Halsgefäße; reduzierte Strahlenexposition durch Umlagerung
der Arme
-
Nachteil: venöse Überlagerung der supraaortalen Gefäße (durch die Umlagerung der Arme vor der
HWS-Spirale kann diese zwar mit Kontrastmittel untersucht werden, weist jedoch im
oberen und mittleren HWS-Segment evtl. eine reduzierte Bildqualität auf); abhängig
von der Kontrastmittelgabe (monophasisch oder Split-Bolus) reduzierte arterielle Kontrastierung
oder Inhomogenität der Milz
Polytrauma-Computertomografie beim Kind
Polytrauma-Computertomografie beim Kind
Kindliche Polytraumata sind selten und haben nur einen Anteil von 7% an der Gesamtanzahl
der polytraumatisierten Patienten. Unfälle sind jedoch die häufigste kindliche Todesursache.
Die meisten Unfälle ereignen sich im Straßenverkehr. Schwerverletzte Kinder sollten,
wenn möglich, direkt in ein Traumazentrum mit Kinderexpertise eingewiesen werden.
Der Ablauf der radiologischen Diagnostik des polytraumatisierten Kindes beinhaltet
einen obligaten eFAST. Auf die früher geforderten standardmäßigen Röntgenuntersuchungen
von Thorax und Becken kann gemäß der S3-Leitlinie verzichtet werden, wenn ein unmittelbares
CT geplant ist (ähnlich wie beim Erwachsenenalgorithmus). Die Indikation zu einem
GKCT oder einem fokussierten CT sollte aber insbesondere bei Kindern sehr streng gemäß
dem ALARA-Prinzip erfolgen („as low as reasonably achievable“). Denn die Strahlensensitivität
von Kindern ist generell viel höher als diejenige von Erwachsenen und das Risiko für
die Induktion einer Tumorerkrankung im Kindesalter ist weitaus größer. Daher müssen
bei Kindern alle Möglichkeiten für Dosiseinsparungen ausgenützt werden, natürlich
unter Berücksichtigung der erforderlichen Bildqualität. Wichtigste Parameter sind
dabei die Verwendung von speziellen Kinderprotokollen und bei allen anderen Protokollen
die Reduktion von Röhrenstrom und -spannung sowie die Anwendung iterativer Rekonstruktionsverfahren.
Die aktuellen diagnostischen Referenzwerte (Strahlenschutzkommission) sollten bekannt
sein.
Merke
Zurzeit wird für Kinder ein gewichtsadaptiertes monophasisches Kontrastmittelprotokoll
empfohlen (Dosierung 2 ml/kg Körpergewicht); biphasische Protokolle sind allerdings
auch in der Literatur beschrieben.
Ob die Indikation eines GKCT nicht mehr allein aufgrund des Unfallmechanismus gestellt
werden soll, sondern ob das Alter des Kindes, die Bewusstseinslage und die klinischen
Untersuchungsbefunde einen höheren Stellenwert erhalten müssen, muss noch durch weitere
Studien belegt werden.
Kernaussagen
-
Die GKCT ist „das“ bildgebende Verfahren bei schwer polytraumatisierten Patienten
(stabil oder instabil).
-
Sie sollte ein natives cCT, eine Darstellung der HWS mit supraaortaler Angiografie
und ein kontrastmittelunterstütztes CT von Thorax, Abdomen und Becken beinhalten.
Als technische Mindestanforderung wird die Durchführung eines 16-Zeilen-CT angesehen.
-
Aufgrund der doch hohen Strahlenexposition muss gerade bei leichter verletzten Patienten
erwogen werden, ob statt eines GKCT eine organfokussierte CT-Untersuchung erfolgen
sollte.
-
Eine isozentrische Patientenlagerung erhöht die Bildqualität und verringert die applizierte
Strahlendosis. Auch das Hochlagern der Arme, falls möglich, reduziert die Strahlenbelastung.
-
Die Gabe iodhaltiger Kontrastmittel ist bei der CT-Untersuchung polytraumatisierter
Patienten unerlässlich. Das Kontrastmittel sollte vor der Injektion auf Körpertemperatur
erwärmt werden.
-
Im Rahmen des Postprocessing werden Rekonstruktionen der Bilddaten erstellt. 3-D-Rekonstruktionen
bieten manchmal Vorteile: Sie erleichtern die Kommunikation der Befunde und die Planung
des weiteren Vorgehens.
-
Bei Kindern sollte die Indikation zu einem GKCT besonders streng gestellt werden,
da sie strahlensensitiver sind und das Risiko für die Induktion einer Tumorerkrankung
im Kindesalter weitaus größer ist.
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag
ist Dr. med. Klaus Efinger, Ulm.
Erstveröffentlichung
Dieser Beitrag basiert auf folgendem Kapitel: Hackenbroch C. CT-Untersuchungsprotokolle
in der Polytraumaversorgung. In: Efinger K, Kildal D. Bildgebende Diagnostik beim
Polytrauma. 1. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2019