Schlüsselwörter
Brustkrebs - Brustbestrahlung - Kardiotoxizität - DIBH - SGRT
Key words
breast cancer - breast irradiation - cardiotoxicity - DIBH - SGRT
Hintergrund
Das Mammakarzinom ist weltweit die häufigste Krebsart bei Frauen. Nach brusterhaltender
operativer Therapie von Brustkrebs im Frühstadium spielt die adjuvante Strahlentherapie
eine wichtige Rolle. Zahlreiche Studien [12]
[13]
[18]
[19]
[23]
[24]
[29]
[34] haben nach adjuvanter Strahlentherapie einerseits eine Reduktion der Rezidivraten
und der brustkrebsbedingten Mortalität und andererseits eine Verbesserung des Gesamtüberlebens
gezeigt. Eine große Metaanalyse der Early Breast Cancer Trialists’ Group [23] ergab bei Patienten, die nach brusterhaltender Therapie (BET) eine Bestrahlung erhielten,
nach 5 Jahren eine Lokalrezidivwahrscheinlichkeit von 7 %, während dieser Wert bei
Patienten ohne Strahlentherapie bei 26 % lag. Zudem wurde bei Bestrahlung nach BET
im Vergleich zu BET allein eine Reduktion des absoluten Risikos brustbedingter Mortalität
um 5,4 % beobachtet.
Trotz der erzielten Fortschritte kann die Bestrahlung der Brust Nebenwirkungen hervorrufen.
Eine langfristige Komplikation der linksseitigen Brustbestrahlung ist das Risiko kardialer
Mortalität und Morbidität sowie pulmonaler Komplikationen, wie mehrere epidemiologische
Studien gezeigt haben [18]
[24]. Darby et al. [16] stellten bei ihrer retrospektiven Analyse von 2168 Patienten im Nordic Cancer Registry
fest, dass das relative Risiko einer ischämischen Herzerkrankung mit jedem Gray (Gy)
mittlerer Dosisbelastung am Herzen um 7,4 % anstieg. Doch insbesondere der Ramus interventricularis
anterior (RIVA; Left Anterior Descending Coronary Artery – LADCA) ist einem hohen
Risiko signifikant höherer Strahlendosen ausgesetzt und für die Entwicklung von Gefäßerkrankungen
sowie Erkrankungen des Myokards oder der Koronararterien verantwortlich [1]
[20]
[21]
[22].
Mit modernen Bestrahlungstechniken könnte die Dosisbelastung am Herzen reduziert werden.
In diesem Zusammenhang leistet die Deep-Inspiration-Breath-Hold (DIBH)-Technik einen
wesentlichen Beitrag zur Erreichung des Ziels, die Dosisbelastung am Herzen zu minimieren
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]
[8]
[9]
[10]
[11]
[14]. Die Technik stützt sich auf die Beobachtung, dass sich das Herz während der Inspiration
aufgrund der Abflachung des Zwerchfells und der Ausdehnung der Lunge von der Brustwand
entfernt. DIBH ist eine Strahlentherapietechnik, bei der die Patienten während der
Behandlung tief einatmen, bis sie einen bestimmten Grenzwert erreichen, und dieses
Inspirationsniveau während der Bestrahlung jedes Behandlungsfelds halten. Durch das
tiefe Einatmen füllen sich die Lungenflügel mit Luft, und das Herz bewegt sich von
der Brustwand weg.
Die SGRT (Surface Guided Radiation Therapy) ist ein System zur Positionierung und
Überwachung der äußeren Körperoberfläche der Patienten während der Bestrahlungen,
um so die korrekte Position sicherzustellen. Es gleicht Oberflächendaten in Echtzeit
ab und überwacht den Patienten in allen sechs Freiheitsgraden im Verhältnis zu einem
Referenzmodell, das entweder während des Planungsprozesses oder mithilfe der internen
Bildgebung im Behandlungsraum aufgenommen wird. Die SGRT kann im Rahmen sowohl der
Planung als auch der Therapie für Brustkrebspatienten, DIBH, SRS, SBRT, Thoraxläsionen
und vieles mehr eingesetzt werden. Mit der SGRT kann die Strahlentherapie deutlich
präziser im vorgesehenen Zielvolumen jedes Patienten angewendet werden als mit anderen
Techniken.
Die DIBH-Technik in Kombination mit der SGRT (Catalyst-System) wurde im Oktober 2013
für alle Patienten mit linksseitigem Brustkrebs am Institut für Radioonkologie des
KFJ/SMZ-Süd Wien eingeführt und klinisch implementiert. Das Ziel dieses Berichts besteht
darin, unsere Erfahrungen in Bezug auf die Implementierung, die Anwendung, die Compliance
der Patienten, die Planungsmethoden, die Behandlungsverifizierung, die Dosierung und
die Grenzen der DIBH-Technik in Kombination mit der SGRT zu beschreiben. Primär sollte
bewertet werden, ob im Vergleich der beiden Kohorten (DIBH vs. normale Atmung) eine
relative Reduktion der mittleren Dosisbelastung Dmean am Herzen und an der linken
Lunge zu beobachten ist.
Patienten und Methoden
Patienten
Zwischen Oktober 2013 und Dezember 2018 wurden 548 aufeinanderfolgende Patienten mit
histologisch bestätigtem Brustkrebs in die Studie aufgenommen. Die Patienten wurden
nach konservativer Operation von linksseitigem invasivem Brustkrebs zur Strahlentherapie
überwiesen. Alle geeigneten Patienten wurden über den potenziellen Nutzen eines zusätzlichen
Deep Inspiration Breath-Hold aufgeklärt. Im Rahmen unserer täglichen klinischen Routine
wurde allen Patienten unabhängig von Alter, Atemaktivität oder Atemwegserkrankungen
die Möglichkeit angeboten, die Trainingseinheit in der DIBH-Technik auszuprobieren.
Patienten, die sich als ungeeignet für DIBH erwiesen, wurden in die Gruppe mit normaler
Atmung (Normal Breathing, NB) aufgenommen.
Die Daten wurden durch Analyse der Krankenakten erhoben. Alle in diesem Bericht beschriebenen
Behandlungen wurden im Einklang mit nationalem Recht durchgeführt. Vor Beginn sämtlicher
Behandlungsmaßnahmen mussten alle Patienten ihr Einverständnis zur Behandlung mit
DIBH bzw. NB erteilen.
Verordnete Therapien
Eine postoperative Strahlentherapie wird nach BET stark empfohlen [31]
[32]
[34]. Eine Bestrahlung der gesamten Brust allein reduziert das 10-Jahres-Risiko eines
Erstrezidivs beliebiger Art (darunter lokoregionäre und Fernrezidive) um 15 % und
das 15-Jahres-Risiko brustkrebsbedingter Mortalität um 4 % [34]. Die Boost-Bestrahlung führt zu einer RR-Reduktion um weitere 50 %. Sie ist bei
Patienten mit ungünstigen Risikofaktoren für die lokale Kontrolle indiziert, z. B.:
Alter < 50 Jahre, Grad-3-Tumoren, extensives DCIS, Gefäßinvasion oder nichtradikale
Tumorexzision [31]
[32]
[34]. Zur lokalen und/oder regionären adjuvanten Bestrahlung wurden traditionell Dosierungen
von 45–50 Gy in Form von 25–28 Fraktionen à 1,8–2,0 Gy mit einer typischen Boost-Dosis
von 10–16 Gy in Form von Einzeldosen à 2 Gy angewendet. Kürzere Fraktionierungsschemata
(z. B. 15–16 Fraktionen à 2,5–2,67 Gy) nach dem Start-B-Protokoll [17]
[29]
[35]
[36] oder dem Whelan-Regime [19] wurden ebenfalls angewendet. Eine Bestrahlung der axillären Lymphknoten mit 50 Gy
in Form von 25 Fraktionen, wie sie in Leitlinien empfohlen wird [12], erfolgte bei entsprechender Indikation. An unserem Institut wird nur in äußerst
seltenen Fällen eine Bestrahlung der Mammaria-interna-Lymphknoten [13] entsprechend den AGO- und/oder S3-Leitlinien [31]
[32] durchgeführt – in dieser Kohorte erfolgte jedoch keine Behandlung der Lymphknoten
der A. mammaria interna.
Workflow und System
Alle Patienten durchliefen primär den gleichen Workflow:
-
DIBH-Trainingseinheit: Ober- und Untergrenzen für die Atmung können festgelegt werden,
Positionierung des respiratorischen Markerblocks (mit integrierten Infrarotreflektoren),
Audio- und Video-Feedback
-
CT-Scan mit DIBH und/oder zusätzlich mit NB; zur Immobilisierung nutzten wir Breast
Boards. Patienten wurden in Rückenlage mit beiden Armen über dem Kopf gelagert
-
Planung und Verifizierung (entweder mit DIBH oder, falls dies nicht möglich war, mit
NB)
-
Tägliche Behandlung
-
Tägliche Bildgebung mit adaptiver Planungsstrategie
-
Einmal wöchentlich psychologische Unterstützung und Information, um nach dem Brustkrebs
die Rückkehr in ein normales Leben zu ermöglichen
An unserem Institut kommen das Real-time-Position-Management™ (RPM)-System von Varian
und das Catalyst™-System samt Software von C-Rad zum Einsatz. Das RPM ist ein nichtinvasives,
videogestütztes System, das eine saubere Bildgebung und Behandlung von Zielen in Lunge,
Brust und oberem Abdomen ermöglicht. Das RPM-System unterstützt Behandlungsprotokolle
sowohl mit angehaltenem Atem als auch mit freier Atmung. Das Catalyst-System zum Echtzeit-Patiententracking
erfasst kontinuierlich die gesamte Körperoberfläche des Patienten, vergleicht die
aktuelle Haltung und Position des Patienten in Echtzeit mit den zuvor aufgezeichneten
Referenzeinstellungen, erkennt intrafraktionelle Bewegungen und wird auch zum Atemgating
verwendet, wie in [Abb. 1] dargestellt. Das Gerät ist an der Decke montiert, sodass unabhängig von Bewegungen
der Gantry oder seiner On-Board-Imager ein ungehinderter Blick auf den Patienten gewährleistet
ist. Die Catalyst™-Software ist eng mit dem RPM-System von Varian verknüpft und in
dieses integriert. Die speziell entwickelten Filtermonitore sind in der Lage, das
Atemmuster des Patienten vorherzusagen und auf ein Husten des Patienten oder Abweichungen
vom prognostizierten Atemmuster zu reagieren. Die Tumorposition kann in Korrelation
zum Atemzyklus des Patienten bestimmt werden. Mithilfe einer Infrarot-Trackingkamera
und eines reflektierenden Markers misst das System das Atemmuster und den Bewegungsbereich
des Patienten und stellt die Ergebnisse in Wellenform dar.
Abb. 1 SGRT mit einem Dummy zur Echtzeit-Patientenüberwachung am KFJ Wien; die Tumorposition
kann in Korrelation zum Atemzyklus des Patienten bestimmt werden.
Die Gating-Grenzwerte werden festgelegt, wenn sich der Tumor im Atemzyklus in der
gewünschten Position befindet. Diese Grenzwerte bestimmen, wann das Gating-System
den Behandlungsstrahl ein- und ausschaltet [25]
[26]
[27], wie dies in [Abb. 2] dargestellt ist.
Abb. 2 Atemmuster mit der DIBH-Technik – tiefe Inspiration innerhalb der Ober- und Untergrenzen;
Bestrahlungsphase ist als gelber Balken dargestellt.
Auf diese Weise kann bei unseren Brustbestrahlungen die Dosisbelastung am Herzen minimiert
werden; die maximale Herzdistanz des bestrahlten Herzens beträgt weniger als 1 cm
([Abb. 3]).
Abb. 3 Strahlentherapie von linksseitigem Brustkrebs mit DIBH – die maximale Herzdistanz
des bestrahlten Herzens beträgt weniger als 1 cm.
Außerdem werden die Patienten mit zwei identischen Truebeam-Linearbeschleunigern von
Varian mit integriertem „Perfect Pitch“ (6-DoF-Tisch) behandelt, einem computergesteuerten
Robotik-Behandlungstisch mit Remote-Positionskorrektur und sechs Freiheitsgraden [28]. Zu den modernen Planungstechniken zählten IMRT (Intensity-Modulated Radiotherapy),
FIF (Field In Field) und Standardtechniken. Die Zielgebiete (gesamte Brust oder Brustwand
± axilläre Lymphknoten), die Risikoorgane (ipsilaterale Lunge, kontralaterale Lunge,
Herz und kontralaterale Brust) und andere Organe von Interesse wurden entsprechend
den Abgrenzungsempfehlungen der RTOG (Radiation Therapy Oncology Group) konturiert
[33].
Follow-up-Plan und statistische Analyse
Unser routinemäßiges Nachsorgeprogramm dauert im Durchschnitt zehn Jahre; Follow-up-Termine
wurden im ersten Jahr nach der Strahlentherapie routinemäßig alle 3 Monate, im zweiten
Jahr alle 6 Monate und anschließend im Abstand von 12 Monaten vereinbart. Akute strahleninduzierte
Nebenwirkungen wurden nach Möglichkeit gemäß Radiation Therapy Oncology Group/The
European Organisation for Research (RTOG) klassifiziert [37], die Spättoxizitätsraten gemäß Common Terminology Criteria for Adverse Events (CTCAE,
Version 4.03) [38]. Die Toxizität wurde als früh eingestuft, wenn sie innerhalb der ersten 90 Tage
nach Beginn der Strahlentherapie auftrat. Weitere Untersuchungen waren: vollständige
neue persönliche Anamnese, körperliche Untersuchung, Bildgebung, großes Blutbild,
Leber- und Nierenfunktionstests, Konzentrationen von alkalischer Phosphatase und Calcium,
Beurteilung des menopausalen Zustands der Patientin, Knochendichtemessung alle zwei
Jahre und Beurteilung der Herzfunktion mittels Ultraschalls des Herzens oder Radionuklid-Ventrikulografie.
Die in dieser retrospektiven Analyse untersuchten Endpunkte waren primär die praktische
Anwendbarkeit und der Workflow der DIBH-Technik in Kombination mit der SGRT und sekundär
demografische Merkmale wie die Therapieregime sowie dosimetrische Ergebnisse wie die
Dmean an der Lunge und am Herzen. Die statistische Analyse wurde mit SPSS (Version
20) und Excel Office 2017 durchgeführt; das primäre Ziel der Analyse bestand in einem
Vergleich zwischen den Kohorten.
Das Projekt wurde der Ethikkommission vorgelegt und erfüllt die Anforderungen der
lokalen Leitlinie.
Ergebnisse
Demografie
Von Oktober 2013 bis Mai 2018 wurden 548 Patienten in die Studie aufgenommen, von
denen 517 mit der DIBH-Technik behandelt werden konnten. Bei 31 wurde die normale
Atmung angewendet. Wir behandelten auch 8 Patienten mit rechtsseitigem Brustkrebs
[2], 15 Patienten hatten beidseitigen Brustkrebs. Zwei männliche Patienten nahmen an
der Studie teil (0,4 %).
Das Alter der DIBH-Patienten lag im Median bei 58 Jahren (27–90), das der NB-Patienten
bei 65 Jahren (30–80).
Die meisten Patientinnen befanden sich in der Postmenopause. Mit Blick auf Tumorlokalisation,
TNM-Staging, Grading und Hormonrezeptorstatus bestand zwischen den beiden Gruppen
kein Unterschied. 100 Patienten erhielten eine neoadjuvante systemische Therapie (NACHT-Regime),
27 eine adjuvante Chemotherapie, 453 eine Hormontherapie und 50 ein Trastuzumab-Regime.
Nahezu alle Patienten (94,3 %) unterzogen sich einer brusterhaltenden Operation, bei
4,6 % der Patienten wurden onkoplastische Techniken wie glanduläre Adaptation, Nah-
oder Fernlappen oder eine Mammaplastik zur Remodellierung der Brust angewendet. Extrem
radikale operative Therapien von Brustkrebs wurden in dieser Kohorte nicht untersucht.
Allerdings wurde bei 30 Patienten (5,5 %) eine Ablatio mammae durchgeführt. Eine Sentinel-Lymphknotenbiopsie
als Standardverfahren wurde in 98 % der Fälle vorgenommen, bei 18 Patienten fand zusätzlich
eine Level-I- und/oder Level-II-Axilladissektion statt, 23 % der Patienten hatten
den Status N+.
Die Mehrzahl der behandelten Patienten wies das Staging T1 (373) und N0 (416) auf,
wie [Tab. 1] zu entnehmen ist. Die Gradings G1, G2 und G3 waren gleichmäßig verteilt. 40 Patienten
hatten eine Herzerkrankung, vor allem eine koronare Herzkrankheit; 24 Patienten hatten
vorbestehende Lungenprobleme wie Asthma bronchiale und schwere COPD. Ein ausführlicher
Vergleich der patientenbezogenen Faktoren beider Behandlungsgruppen ist in [Tab. 1] zu finden.
Tab. 1
Patienten‑, Krankheits‑ und Therapiemerkmale.
|
|
NB (n = 31)
|
DIBH (n = 517)
|
Alter
|
Mittel
|
65
|
58
|
|
Min
|
30
|
27
|
|
Max
|
80
|
90
|
Geschlecht
|
Männlich
|
0
|
2
|
|
Weiblich
|
31
|
515
|
OP
|
AD
|
7
|
11
|
|
Ablatio
|
3
|
27
|
|
Sentinel
|
31
|
506
|
|
BET
|
28
|
490
|
|
Remodellierung
|
2
|
|
Beidseitig
|
|
3
|
12
|
T
|
T1 (pT1 / pT1mi/ypT1)
|
24
|
349
|
|
T2 (pT2 / ypT2)
|
1
|
76
|
|
T3 (pT3 / ypT3)
|
2
|
8
|
|
T4 (pT4 / ypT4)
|
0
|
3
|
|
Tis (pTis/ypTis)
|
1
|
47
|
|
ypT0
|
2
|
30
|
|
ypTx
|
1
|
4
|
N
|
pN0 / ypN0
|
18
|
398
|
|
N1 (N1 / N1a/N1mi)
|
9
|
79
|
|
N2 (N2a)
|
1
|
2
|
|
N3 (N3a)
|
1
|
4
|
|
Nx
|
1
|
4
|
|
Keine Daten
|
1
|
30
|
Grading
|
G1
|
4
|
77
|
|
G2
|
20
|
271
|
|
G3
|
4
|
123
|
|
Keine Daten
|
3
|
46
|
Herceptin
|
Ja
|
3
|
47
|
|
Nein
|
22
|
458
|
|
Keine Daten
|
6
|
12
|
HRT
|
Ja
|
26
|
5
|
|
Nein
|
5
|
458
|
|
Keine Daten
|
0
|
17
|
CHT
|
Ja
|
5
|
99
|
|
Nein
|
26
|
402
|
|
Keine Daten
|
0
|
16
|
RTOG
|
RTOG1
|
22
|
331
|
|
RTOG2
|
6
|
150
|
|
RTOG3
|
2
|
29
|
|
Keine Reaktion
|
1
|
7
|
CTCAE
|
CTCAE1
|
16
|
65
|
|
CTCAE2
|
1
|
38
|
|
G3–5
|
0
|
0
|
|
Keine Reaktion
|
14
|
414
|
HRT = Hormontherapie; CHT = Chemotherapie; RTOG = Radiation Therapy Oncology Group/The
European Organisation for Research; CTCAE = Common Terminology Criteria for Adverse
Events.
Die in dieser Analyse verordnete Dosis und Fraktionierung entspricht der Standardtherapie
in unserer Einrichtung. Die Merkmale der Strahlentherapie sind in [Abb. 4] dargestellt.
Abb. 4 Dosiswerte bei drei verschiedenen Strahlentherapieschemata.
51 % der 548 analysierten Patienten erhielten eine Gesamtdosis von 50 Gy in 25 Fraktionen
± Boost-Bestrahlung (Standardprotokoll), 47 % eine Dosis von 40,05 Gy in 15 Fraktionen
(Start-B-Protokoll – 17, 29, 35, 36) und 2 % eine Dosis von 42,5 Gy in 16 Fraktionen
(Whelan-Protokoll – 19). In 12 Fällen bestrahlten wir die axillären Lymphknoten mit
50 Gy in 25 Fraktionen, wie es in Leitlinien empfohlen wird [12]. Interessant ist allerdings, dass 82 % der NB-Patienten ein hypofraktioniertes Protokoll
erhielten ([Abb. 4]).
Dosimetrische Ergebnisse
Der Vergleich der durchschnittlichen Dosisparameter am Herzen und an der linken Lunge
bei Anwendung von DIBH bzw. NB ist in [Abb. 5] zusammengefasst. Es wurden große Anstrengungen unternommen, um die Therapieplanung
anhand der Computertomografie-Datensätze der Patienten zu optimieren. Um den besten
Plan auswählen zu können, entschieden wir uns dafür, pro Patient mindestens sechs
Pläne anzufertigen (Spanne 4–12 Pläne), einige davon mit freier Atmung (NB). In der
DIBH-Kohorte betrug die Dmean an der linken Lunge 6,91 Gy (Spanne 1,44–12,4 Gy). 75 %
der Patienten erreichten eine Dmean von unter 8,41 Gy. Wir werteten auch die NB-Pläne
aus. In dieser Analyse lag die Dmean an der linken Lunge bei 8,92 Gy (Spanne 5,23–16,9 Gy).
Dies zeigt, dass die Dmean an der ipsilateralen Lunge mit der DIBH-Technik um ca.
2 Gray gesenkt werden konnte.
Abb. 5 Dmean für Herz und linke Lunge (Vergleich NB vs. DIBH) – Dmean-Reduktion am Herzen
um 45,4 %, an der ipsilateralen Lunge um 22,5 %.
Der hohe Maximalwert in der DIBH-Gruppe trat bei einer Patientin mit Linksherzinsuffizienz,
einer sehr großen Brust (V 2032,91 cm³) und positiven Lymphknoten (5/12) auf, die
eine Bestrahlung der gesamten Brust plus Lymphknotenbestrahlung erhielt. Für diese
Patientin wurden 12 verschiedene Behandlungspläne erstellt, von denen drei die normale
Atmung vorsahen, um einen Vergleich mit den DIBH-Plänen zu ermöglichen. Die Dmean
an der linken Lunge war mit den NB-Plänen deutlich höher (der beste NB-Plan war mit
einer Dmean an der linken Lunge von 16,9 Gy verbunden), sodass wir die Dosis an der
linken Lunge selbst in diesem speziellen Fall um ca. 4,5 Gy senken konnten. Die Behandlung
wurde gut vertragen. Anschließend fand in den ersten 24 Monaten vierteljährlich eine
engmaschige Nachsorge statt. Während dieser Zeit entwickelte die Patientin weder eine
Strahlenpneumonitis noch eine Lungenfibrose.
Darüber hinaus führte die DIBH-Technik verglichen mit NB zu einer Reduktion der Dmean
am Herzen. In der DIBH-Kohorte betrug die Dmean am Herzen 1,17 Gy (Spanne 0,12–3,19 Gy).
75 % der Patienten erreichten eine Dmean von unter 1,55 Gy. Die NB-Pläne waren mit
einer Dmean am Herzen von 2,31 Gy (Spanne 0,71–4,21 Gy) verbunden, was bedeutet, dass
die Dmean am Herzen mit der DIBH-Technik im Einklang mit der Literatur [16]
[39]
[54]
[55]
[56]
[57]
[58] halbiert werden konnte. Die maximale Herzdistanz (maximale bestrahlte Herzdicke)
während der Bestrahlung betrug in den meisten unserer DIBH-Brustkrebs-Fälle weniger
als 1 cm (Spanne 0,8–1,2 cm) und mit den NB-Plänen meist weniger als 2 cm (Spanne
1,1–3,2 cm).
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Dmean am Herzen verglichen mit der NB-Technik
um 45,4 % und die Dmean an der linken Lunge um 22,5 % reduziert werden konnten ([Abb. 5]).
Technische Probleme
In unserer Reihe war diese innovative Technik mit verschiedenen Problemen konfrontiert,
die die Atmung (z. B. Bauchatmung, nervöse Atmung, Atemprobleme), die kognitive Situation
der Patienten (z. B. Gedächtnisleistung, Gedächtnisverlust, Demenz u. v. m.) und Sprachbarrieren
betrafen. Auch der Markerblock verursachte mitunter Probleme (z. B. fehlendes Signal,
Block liegt im Behandlungsfeld). Im klinischen Alltag war die Technik mit einer höheren
Arbeitsbelastung, der Übernahme zusätzlicher Verantwortung für die Sonderarbeitsgruppe,
hohem Zeitaufwand und wahrscheinlich auch zusätzlichen Kosten verbunden. Ausgehend
von unserem Zeitplan ermittelten wir einen zusätzlichen Zeitaufwand von bis zu 40
Minuten (Spanne 32–52 Min.) bei Durchführung der virtuellen Simulation. Außerdem wurden
im klinischen Alltag pro Patient aufgrund der Atemanweisungen und der komplexen Vorbereitung
bis zu 10 Minuten zusätzlich für die Behandlung benötigt. Somit war die Technik zwar
zeitaufwendig und setzte die Mitarbeit der Patienten und technische Kompetenz voraus,
führte jedoch eindeutig zu einer geringeren Dosisbelastung am Herzen und an der linken
Lunge. Ähnliche Ergebnisse sind in der Literatur beschrieben [20]
[42]
[47].
Follow-up
Das Follow-up dauerte bis Juni 2019. Zu diesem Zeitpunkt waren alle Patienten noch
am Leben. Die Dauer des Follow-ups betrug für alle Patienten im Median 52 Monate (Spanne
7–73 Monate). Zwischen den beiden Behandlungsgruppen wurden keine relevanten Unterschiede
festgestellt. Die Nebenwirkungen wurden entsprechend der Radiation Therapy Oncology
Group/The European Organisation for Research [37] klassifiziert. Dabei bestand ein geringfügiger Unterschied zwischen beiden Studienarmen:
Im NB-Arm traten weniger Hautreaktionen des RTOG-Grades 2 auf (NB:DIBH = 19,4 %:29 %).
Davon abgesehen war die Zahl der Nebenwirkungen vergleichbar (RTOG 1: 70,8 % vs. 64 %,
RTOG 3: 6,6 % vs. 5,6 %, keine Reaktion: 3,2 % vs. 1,4 %). Die Spättoxizitätsraten
entsprechend den Common Terminology Criteria for Adverse Events, Version 4.03 (darunter
Teleangiektasien, Erkrankungen der Haut und des Unterhautgewebes, Hautatrophie, Hyperpigmentierung
der Haut, Juckreiz, Verhärtung der Haut, Hautulzeration) waren ähnlich verteilt. Bei
Patienten, die eine systemische Therapie mit Chemotherapie und Trastuzumab erhielten,
beobachteten wir jedoch eine höhere Rate von Teleangiektasien. Außerdem traten im
NB-Arm 4-mal mehr CTCAE-1-Ereignisse auf (51,6 % vs. 12,67 %). Eine mögliche Erklärung
dafür könnte sein, dass bei 82 % der NB-Patienten das hypofraktionierte Protokoll
angewendet wurde. In keinem der beiden Arme traten späte Nebenwirkungen des Grades
3–5 auf. Ein ausführlicher Vergleich der gruppenspezifischen Toxizitätsergebnisse
ist in [Tab. 1], [Abb. 6] dargestellt.
Abb. 6 Vergleich zwischen DIBH- und NB-Patienten: akute Nebenwirkungen gemäß RTOG-Klassifikation,
späte Nebenwirkungen gemäß CTCAE-Kriterien.
Diskussion
Kardiotoxizität nach Brustkrebs [16]
[34]
[48]
[52], Lungenkrebs [53]
[54] und mediastinalem Lymphom [49]
[50]
[59] ist die am häufigsten verzeichnete strahleninduzierte Komplikation [51]. Häufige klinische Komplikationen sind eine asymptomatische Perikarditis, kongestive
Herzinsuffizienz und Herzinfarkt. Ärzte müssen diesen Komplikationen besondere Aufmerksamkeit
schenken, doch die Behandlung mit Anthrazyklin [60]
[61]
[62] ist ein weiterer wesentlicher Risikofaktor für eine zusätzliche Kardiotoxizität
während der Strahlentherapie mit einem synergetischen Effekt. Anthrazyklin, andere
kardiotoxische Chemotherapeutika, Immuntherapien [63]
[64]
[65] und zielgerichtete Therapien [66]
[67] sollten nur mit großer Vorsicht und erst nach sorgfältiger Therapieplanung und ‑optimierung
angewendet werden [1]
[30]
[40].
Es liegt eine Fülle von Daten aus retrospektiven Studien und Planungsstudien vor,
die bei Behandlung von linksseitigem Brustkrebs mit der DIBH-Technik eine geringere
Dosisbelastung am Herzen und an den Koronararterien belegen [10]
[14]
[15]. Zudem korrelieren die im Planungszielvolumen (Planning Target Volume, PTV) verabreichte
Gesamtdosis, die Dosis pro Fraktion und das bestrahlte Volumen mit dem Kardiotoxizitätsrisiko.
Zu beachten ist, dass bei Verordnung einer Dosis von mehr als 30 Gy das Volumen des
Herzens, das eine Dosis von 35 Gy erhält, bei weniger als 30 % liegen muss und die
Dosis pro Fraktion nicht mehr als 2 Gy betragen sollte, wie frühere Studien bestätigt
haben [30]. Einerseits haben Darby et al. [16] eine Dosis-Wirkungs-Beziehung aufgezeigt, bei der das relative Risiko schwerwiegender
akuter koronarer Ereignisse über 20 Jahre um 7,4 % pro Gray mittlerer Dosisbelastung
am Herzen anstieg (95 %-Konfidenzintervall, KI: 2,9–14,5; p < 0,001). Andererseits
beobachteten Van den Bogaard et al. [58] über 9 Jahre der Strahlentherapie einen relativen Anstieg der kumulativen Inzidenz
akuter koronarer Ereignisse um 16,5 % pro Gray mittlerer Dosisbelastung am Herzen
(Hazard Ratio, HR: 1,165; 95 %-KI für HR: 1,006–1,350; p = 0,042).
Moderne Bestrahlungstechniken scheinen mit einem begrenzten Risiko von Herzkomplikationen
assoziiert zu sein. Taylor et al. [21]
[56]
[57] führten eine mehrere Jahrzehnte umfassende vergleichende Analyse der mittleren Dosisbelastungen
am Herzen bei linksseitiger tangentialer Bestrahlung von Herzstrukturen durch und
beschrieben Reduktionen der mittleren Dosisbelastung am Herzen von 13,3 Gy in den
1970ern auf 4,7 Gy in den 1990ern und 2,3 Gy im Jahr 2006, die auf wesentliche Weiterentwicklungen
der Bestrahlungstechniken zurückzuführen waren. Bei linksseitiger Brustbestrahlung
reduziert die Deep-Inspiration-Breath-Hold-Technik die Dosisbelastung am Herzen und
am Ramus interventricularis anterior, doch es liegen nur wenige Informationen darüber
vor, welche Patienten am meisten von DIBH profitieren. Die Ergebnisse unserer Studie
sind vergleichbar mit veröffentlichten retrospektiven Studien und Planungsstudien,
in denen die DIBH-Technik die Dmean am Herzen und die RIVA-Dosisbelastung senkte [2]
[4]
[8]
[10]
[14]
[15]
[41]. Auf der Grundlage der vorliegenden Daten empfiehlt die Expertengruppe Brustkrebs
der DEGRO eine Dmean am Herzen < 2,5 Gy [55]. Zudem zeigte die Studie von Yeung et al. [39], dass alle Patienten, die eine Bestrahlung der gesamten Brust mit der DIBH-Technik
erhielten, eine Dmean am Herzen < 4 Gy erzielten und weniger Herzprobleme hatten.
Bemerkenswert ist, dass in unserer Reihe alle DIBH-Patienten eine Dmean am Herzen
< 1,2 Gy und nahezu alle NB-Patienten eine Dmean am Herzen < 2,3 Gy erreichten, was
bedeutet, dass unsere Daten den Empfehlungen der DEGRO entsprechen.
Die Protonentherapie ist eine weitere Methode der Brustbestrahlung, die angewendet
wird, um die Strahlenbelastung des Herzens zu senken, und die dazu die dosimetrischen
Eigenschaften von Protonen ausnutzt. Aktuelle Protonentherapie-Reihen haben bemerkenswert
niedrige kardiale Dosiswerte gezeigt [43]. Vergleiche von Protonentherapien mit freier Atmung und Photonentherapien mit DIBH
haben gezeigt, dass beide Techniken mit bemerkenswert niedrigen Dosisbelastungen am
Herzen verbunden sind, wobei Protonenpläne jedoch zu den niedrigsten mittleren Dosiswerten
am Herzen und niedrigeren Dosiswerten am RIVA zu führen scheinen [44]
[45]. Für Klarheit könnte die PCORI-RADCOMP-Studie sorgen [46]. In diese Studie sollen 1716 Patienten aufgenommen werden, die eine Bestrahlung
der Brust oder Brustwand sowie der Mammaria-interna-Lymphknoten erhalten und nach
dem Zufallsprinzip entweder der Strahlentherapie mit Protonen oder mit Photonen zugewiesen
werden. Die primären Endpunkte der Studie sind kardiale Ereignisse sowie Ereignisse
der Krebskontrolle.
Als Limitationen unserer Analyse sind das retrospektive Design, die fehlende Randomisierung
und mit Blick auf die Rezidivwahrscheinlichkeit das Follow-up zu nennen. Möglicherweise
konnte mit den geringen Stichprobengrößen in dieser retrospektiven Analyse nicht die
statistische Teststärke zum Nachweis eines signifikanten Effekts erreicht werden.
Weitere prospektive Studien mit umfangreicherer Stichprobengröße sind nötig, um zu
klären, ob zwischen NB und DIBH ein statistischer Unterschied besteht, und um im Rahmen
der Brustbestrahlung Dosisgrenzwerte für Herzstrukturen zu bestimmen.
Schlussfolgerung
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Deep-Inspiration-Breath-Hold(DIBH)-Technik
in Kombination mit der Surface Guided Radiation Therapy (SGRT) eine relativ einfache
Methode mit hoher Akzeptanz bei den Patienten darstellt, die am gesamten Behandlungsprozess
aktiv mitwirken können. Mit einer geeigneten Patientenauswahl und angemessenem Training
ist die Anwendung der Behandlung akzeptabel und praktikabel. Die DIBH-Technik kombiniert
mit SGRT sollte bei allen Patienten in Betracht gezogen werden, die aufgrund von linksseitigem
Brustkrebs eine Strahlentherapie erhalten. Patienten mit einer Bestrahlung der Brust/Brustwand
plus Lymphknotenbestrahlung scheinen am meisten davon zu profitieren. In unserer Kohorte
hat sich die Kombination aus DIBH und SGRT als reproduzierbar und stabil erwiesen.