In Situationen, in denen ein Notarzt tätig wird, geht es oft um Leben und Tod. Doch
auch und gerade bei dieser Tätigkeit gilt es, datenschutzrechtliche Besonderheiten
zu beachten. Dies gilt unabhängig davon, ob der Notarzt angestellt oder freiberuflich
tätig ist. Denn sowohl der freiberufliche als auch der angestellte Notarzt haben grundsätzlich
die gleichen Pflichten zu beachten.
Doch welche Pflichten treffen den Notarzt und wie kann in der Praxis mit dem kollidierenden
Datenschutz umgegangen werden?
Die europäische Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) ist ein Regelwerk der Europäischen
Union, welches der Vereinheitlichung der Regeln zur Verarbeitung personenbezogener
Daten durch private Unternehmen und öffentliche Stellen dient. Dadurch soll zum einen
der Schutz personenbezogener Daten innerhalb der Europäischen Union sichergestellt
werden und zum anderen der freie Datenverkehr innerhalb der Union gewährleistet werden.[
1
]
Gerade ein Notarzt kommt bei seinem Einsatz sehr schnell in Kontakt mit Patienten,
was unweigerlich dazu führt, dass er zur Erfüllung seiner Notarzttätigkeit regelmäßig
Patientendaten verarbeitet. Dies führt dazu, dass er Verantwortlicher nach Art. 4
Nr. 7 DSGVO ist. Das ist zumindest regelmäßig dann der Fall, wenn die Tätigkeit nicht
zu den dienstlichen Aufgaben eines angestellten Arztes gehört, der an einem zur Teilnahme
am Notdienst berechtigten Krankenhaus arbeitet. Als Verantwortlicher gelten die Vorschriften
der DSGVO und die des BDSG für den Notarzt vollumfänglich.
Der Notarzt muss Patientendaten im Rahmen seines Einsatzes verarbeiten. Das macht
ihn zum Verantwortlichen i. S. des Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Dies gilt jedenfalls dann,
wenn die Notarzttätigkeit nicht zu den dienstlichen Aufgaben eines an einem zur Teilnahme
am Notarztdienst ermächtigten Krankenhaus angestellten Arztes gehört. In diesem Fall
wäre das Krankenhaus der Verantwortliche. Als Verantwortlicher gelten die Vorschriften
der DSGVO und des neuen BDSG für den Notarzt im vollen Umfang.
I. Diese Pflichten treffen den Notarzt
I. Diese Pflichten treffen den Notarzt
-
Informationspflicht
-
Rechenschaftspflicht
-
Pflicht zur Führung eines Verzeichnisses von Verarbeitungstätigkeiten
-
Pflicht zur rechtmäßigen Datenverarbeitung
-
Ggf. weitere Pflichten, wie die Anzeigepflicht bei Verstößen
1. Informationspflicht
Auch Notfallpatienten haben grundsätzlich die nach Art. 13 DSGVO vorgeschriebenen
Informationen zu erhalten. Diese Informationspflicht besteht nur dann nicht, wenn
und soweit die betroffene Person bereits über die geforderten Informationen verfügt.
Am einfachsten wird dieser Informationspflicht genüge getan, wenn der Patient ein
Informationsblatt mit der Angabe des Notarztes erthält, welche Daten dieser für die
Behandlung erhebt und verarbeitet. Eine solche Erklärung kann zwar grundsätzlich standardisiert
verwendet werden. Jedoch ist dies nicht pauschal möglich, sodass es sich anbietet,
standardisierte Muster auf den jeweiligen Patienten im Einzelfall anzupassen. Ein
entsprechendes Muster befindet sich am Ende des Artikels.
2. Rechenschaftspflicht
Im Rahmen der Rechenschaftspflicht ist ein geeigneter Nachweis über den Umgang mit
Patientendaten notwendig. Dabei ist für die Umsetzung im Rahmen der Einhaltung der
Grundsätze der DSGVO in der Praxis jeder Verarbeitende selbst verantwortlich. Ein
einheitlicher Leitfaden wurde bislang noch nicht erstellt. Zudem gibt es kaum praktische
Erfahrung über die Umsetzung, da bislang in Ermangelung gerichtlicher Entscheidungen
auf diesem Gebiet noch nicht abzusehen ist, wie umfangreich die Rechtsprechung die
Voraussetzungen für die Einhaltung der Rechenschaftspflicht sieht.
Grundsätzlich sind von jedem Verantwortlichen im jeweiligen Einzelfall die folgenden
Prinzipien der DSGVO zu beachten, woraus sich beispielhaft die unten aufgeführten
Hinweise für die Praxis ergeben.
Prinzipien der DSGVO
-
Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung
-
Transparenz der Datenverarbeitung
-
Datenminimierung
-
Richtigkeit der Daten
-
Zweck der Datenerhebung
-
Speicherbegrenzung
-
Vertraulichkeit durch angemessene Sicherheit der Datenverarbeitung
Hinweise für die Praxis
Patientendaten sollen nicht unverschlüsselt per Mail oder WhatsApp versendet werden.
Verwendung von Zugriffsberechtigungen.
Regelung statuieren, wer auf aufbewahrte Dateien und Ordner zugreifen kann.
Sichere Verwahrung: Zum Beispiel Passwortmanager verwenden, möglicherweise „gehashte“
Passwörter.
Wie werden Daten vernichtet? Gibt es eine Speicherfrist?
Hinweise für die Praxis
Hinweis an den Notarzt, dass bei Verstößen eine Meldung an die Aufsichtsbehörden zu
erfolgen hat.
Mitarbeiterschulung durchführen: Verpflichtungen in AGB dürften dabei nicht wirksam
sein.
Um grundsätzlich auf der sicheren Seite zu sein und um ein fahrlässiges Handeln zu
vermeiden, empfiehlt sich jedoch eine individuelle Beratung für den jeweiligen Einzelfall.
Ein Unternehmen, das sich auf Datenschutz gerade im Gesundheitsbereich spezialisiert
hat, ist die Health Data Protect GmbH (HDP: https://health-data-protect.de), über welches eine individuelle Beratung, sowie die Erstellung von Vorlagen und
Muster erfolgen kann.
Tab. 1 Beispielhafte Dokumentation.
Angabe
|
Information
|
Beispiel
|
Angaben zum Verantwortlichen
|
Name, Kontakt, Funktion
|
Max Mustermann, Notarzt
|
Angaben zur Person des Datenschutzbeauftragten
|
Name, Kontakt
|
Max Müller
|
Verarbeitungstätigkeit
|
vor allem der Zweck
|
notärztliche Einsatzdokumentation
|
Datum
|
der Anlegung und der letzten Änderung
|
|
Kategorie der betroffenen Person
|
|
Patient
|
Datenkategorie
|
einfache oder besondere
|
besondere = Gesundheitsdaten
|
Kategorie von Empfängern
|
gegenüber wem die Daten offengelegt wurden
|
internationale Organisationen
|
technische Umsetzung
|
zur Speicherung und Sicherheit
|
|
Weitergabe von Daten
|
an Dritte, Empfänger
|
Abrechnungsunternehmen XY zur Abrechnung
|
Speicherfristen
|
|
10 Jahre nach Abschluss der Behandlung
|
3. Verzeichnis für Verarbeitungstätigkeit
Artikel 30 DSGVO setzt voraus, dass ein Verzeichnis über die Verarbeitung der Daten
geführt wird. In diesem Verzeichnis sind sämtliche Daten, Verarbeitungsschritte und
Grundlagen für die Verarbeitung einzutragen. Ein solches Verzeichnis ist auch vom
behandelnden Notarzt zu führen.
Dabei bietet es sich in der Praxis an, mit standardisierter Software zu arbeiten.
Es gibt jedoch keine zwingende Vorgabe, diese zu verwenden. Hier gilt es zu beachten,
dass gewährleistet sein muss, dass im Rahmen der Datenportabilität sämtliche Angaben
einer Person in einem strukturierten und maschinenlesbaren Format gespeichert werden,
damit diese jederzeit an den Betroffenen herausgegeben werden können.
4. Datenschutzkonzept für den Fall eines Verstoßes
Bei Verstößen gegen die Vorgaben der DSGVO ist die zuständige Aufsichtsbehörde binnen
72 Stunden zu informieren. Diese Vorgabe zeigt, dass es gerade im notärztlichen Dienst,
dessen Wesen es ist, dass es schnell gehen muss, sinnvoll ist, wenn ein ausgeklügeltes
Datenschutzkonzept vorhanden ist. Zudem ist es unabdingbar, dass der jeweilige Verantwortliche
auf den Datenschutz sensibilisiert ist. Denn nur, wenn der Betroffene den datenschutzrechtlichen
Verstoß als solchen wahrnimmt, kann der Anzeigepflicht innerhalb des vorgegebenen
Zeitraums entsprochen werden. In diesem Zusammenhang stellen sich sodann, und das
meist in der Kürze der Zeit, zahlreiche Fragen. Beispielhaft sind hier zu nennen:
Wie und welche Daten darf die Leitstelle erheben und speichern? Ist eine Speicherung
in der Cloud zulässig? Welche Daten dürfen an Angehörige herausgegeben werden und
hat der MDK einen Anspruch auf Dateneinsicht?
Insbesondere im Rahmen der Tatsache, dass einige Rettungsfahrzeuge beispielsweise
weiterhin im analogen Funknetz Einsatzdaten übermitteln, zeigt sich, wie wichtig ein
Appell an ein Konzept zur Gewährleistung der Datensicherheit ist.
II. DSGVO vs. Landesrettungsdienstgesetz
II. DSGVO vs. Landesrettungsdienstgesetz
Aufgrund des Föderalismusprinzips in Art. 70 Abs. 1 GG ist der Rettungsdienst in Deutschland
Ländersache und wird daher durch Landesgesetze geregelt. Dementsprechend hat jedes
Bundesland sein eigenes Landesrettungsdienstgesetz. Beispielsweise in Bayern sind
rechtliche Grundlagen für die Organisation und die Durchführung des Rettungsdienstes
das Bayerische Rettungsdienstgesetz (BayRDG), die Verordnung zur Ausführung des Bayerischen
Rettungsdienstgesetzes (AVBayRDG) und das Gesetz über die Errichtung und den Betrieb
Integrierter Leitstellen (ILSG). Grundsätzlich findet auch im Rettungsdienst die DSGVO
Anwendung. Jedoch beinhalten zahlreiche bundes- und landesrechtlichen Bestimmungen
auch für den Rettungsdienst relevante Sonderregelungen.
Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten ist im Falle des
Beispiels Bayern die Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung, der der Rettungsdienst
unterliegt, die lebenswichtigen Interessen der betroffenen Person oder einer anderen
natürlichen Person zu schützen und die Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen
Interesse liegt gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. c bis e EU-DSGVO i. V. m. Art. 46 Abs. 1,
Art. 47 Abs. 1 BayRDG und § 11 AVBayRDG.
Die Landesrettungsdienstgesetze enthalten auch Ermächtigungsregelungen bezüglich der
Aushändigung eines Merkblattes. Grundsätzlich ist es in jedem Falle empfehlenswert,
einem Notfallpatienten ein entsprechendes Merkblatt auszuhändigen. Jedoch muss diesbezüglich
beachtet werden, dass eine solche Aushändigung gerade in Notfallsituationen oftmals
nicht möglich ist. Grund dafür ist die regelmäßig herrschende Zeitnot in der Notfallmedizin.
Zudem sind Notfallpatienten oftmals nicht bei Bewusstsein und Angehörige, falls sie
anwesend sind, welche stattdessen das Merkblatt entgegennehmen könnten, emotional
nicht in der Lage.
III. Vorschlag für die Praxis
III. Vorschlag für die Praxis
Nachfolgend findet sich ein Mustervorschlag für eine Datenschutzerklärung für den
Patienten. Dieser könnte wie folgt aufgebaut sein:
Datenschutz ist mir, als behandelnder Notarzt, sehr wichtig und nach der Datenschutz-Grundverordnung
(DSGVO) bin ich verpflichtet, Sie darüber zu informieren, zu welchem Zweck ich Ihre
Daten verarbeite. Dieser Information können Sie entnehmen, welche Rechte Sie haben.
1. Verantwortlich
für die Datenverarbeitung ist: Praxisname, Adresse, Kontaktdaten, Datenschutzbeauftragten
2. Zweck der Datenverarbeitung
Die Datenverarbeitung erfolgt aufgrund gesetzlicher Vorgaben. Dies ist der Fall, obwohl
durch meine Versorgung als Notarzt kein Behandlungsvertrag im klassischen Sinne zustande
kommt.
Dazu verarbeite ich sämtliche personenbezogenen Daten sowie Ihre Gesundheitsdaten,
wie Anamnese, Diagnose, Befunde und Therapie. Zum Zwecke Ihrer Versorgung können uns
auch andere Ärzte und Fachpersonal, bei denen Sie in Behandlung sind, Daten zur Verfügung
stellen (beispielsweise in Arztbriefen).
Die Erhebung von Gesundheitsdaten ist Voraussetzung für Ihre Behandlung. Würden die
notwendigen Informationen nicht bereitgestellt werden, so könnte eine sorgfältige
Behandlung nicht erfolgen.
3. Empfänger ihrer Daten
Eine Übermittlung Ihrer personenbezogenen Daten an Dritte erfolgt ausschließlich,
wenn dies gesetzlich gestattet ist oder Sie eingewilligt haben.
Empfänger Ihrer personenbezogenen Daten sind insbesondere andere Ärzte oder Krankenhäuser,
Krankenkassen, der Medizinische Dienst der Krankenversicherung, Ärztekammern oder
Verrechnungsstellen.
Die Übermittlung erfolgt zum Zwecke der Abrechnung der bei Ihnen erbrachten Leistungen
und zur Klärung von notwendigen Fragen.
4. Speicherung Ihrer Daten
Ihre personenbezogenen Daten bewahre ich nur so lange auf, wie dies für die Durchführung
der Behandlung erforderlich ist. Regelmäßig ist dies ein Zeitraum von 10 Jahren nach
Abschluss der Behandlung.
5. Ihre Rechte
Sie haben das Recht, Auskunft über die Sie betreffenden personenbezogenen Daten zu
erhalten. Ebenfalls können Sie Berichtigung unrichtiger Daten oder deren Löschung
verlangen.
Die Verarbeitung Ihrer Daten erfolgt auf Grundlage gesetzliche Regelungen, insbesondere
der Rechtsgrundlage Artikel 9 Absatz 2 lit. h) DSGVO in Verbindung mit Paragraf 22
Absatz 1 Nr. 1 lit. b) Bundesdatenschutzgesetz. Nur in Ausnahmefällen benötige ich
deswegen Ihr Einverständnis. In diesem Falle werde ich Sie darüber aufklären und eine
Einwilligung einholen. Sie haben dann das Recht, die Einwilligung für die zukünftige
Verarbeitung zu widerrufen.
Ferner haben Sie das Recht, sich bei der für Datenschutz zuständigen Aufsichtsbehörde
zu beschweren, wenn Sie der Ansicht sind, dass die Verarbeitung Ihrer personenbezogenen
Daten nicht rechtmäßig erfolgt.
Information über die zuständige Aufsichtsbehörde.
IV. Fazit
„Im Rettungsdienst steht man grundsätzlich mit einem Bein im Gefängnis“, heißt es
doch so oft. So dramatisch ist die Realität zwar nicht, jedoch sollten vom Notarzt
einige datenschutzrechtliche Belange beachtet werden. Insbesondere der freiberuflich
tätige Notarzt sollte regelmäßig die Dokumentation sichern, Standard-Erklärungen mit
sich führen und ein Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten führen. Dabei gilt es
nicht nur, die erhobenen Daten vor dem Zugriff Dritter zu schützen, sie vor Verlust
zu bewahren oder Daten ausschließlich bei Berechtigung an Dritte zu übermitteln. Vielmehr
sind sie zudem in der Regel nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen zu löschen oder zu
vernichten.
Zu beachten ist schließlich, dass nicht sämtliche Vorgaben der Kostenträger per se
rechtlich zulässig sind. Die Rechtsgrundlage für die Notwendigkeit der jeweiligen
Datenerhebung und deren Übermittlung sind grundsätzlich zu überprüfen. Denn auch an
Krankenkassen oder die Kassenärztliche Vereinigung dürfen und müssen Notärzte personenbezogene
Daten nur dann herausgeben, wenn dies auf einer gesetzlichen Grundlage beruht.
Außerdem müssen – zumindest nach dem Wortlaut des Gesetzes – auch Notfallpatienten,
die nach Art. 13 DSGVO vorgesehenen Informationen erhalten (vgl. Muster Patienteninformation).
Eine Ausnahme nach Art. 13 Abs. 4 DSGVO besteht nur dann, wenn und soweit die betroffene
Person bereits über die geforderten Informationen verfügt. Abgesehen von der Frage
der Sinnhaftigkeit und Praktikabilität dieser Regelung ist gerade im Notarztdienst
bereits aus Gründen des Selbstschutzes vor möglichen Bußgeldern vom Notarzt zu überlegen,
jedem Notfallpatienten eine Patienteninformation auszuhändigen bzw. mit dessen persönlichen
Sachen in das aufnehmende Krankenhaus mitzugeben.
Trotz allem ist die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben kein Buch mit sieben
Siegeln, und nach einer Auseinandersetzung mit diesem Thema muss sich kein Notarzt
davor fürchten.