Einführung
Die Sicherstellung einer bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung und die damit
verbundene Reduktion von Unter-, Über- und Fehlversorgung, insbesondere beim
Übergang der Patienten zwischen den Sektoren, bleibt eine zentrale
Steuerungsaufgabe im deutschen Gesundheitswesen [1]. Während Deutschland im internationalen Vergleich über
relativ hohe medizinische Angebotskapazitäten verfügt, mangelt es an
einer bedarfsgerechten Koordination ambulanter und stationärer Leistungen
[1]. Im Jahr 2016 berichteten etwa
28% der befragten Erwachsenen ab 18 Jahren in Deutschland, die innerhalb der
letzten 2 Jahre einen Krankenhausaufenthalt hatten, von Problemen beim
Entlassmanagement, darunter die fehlende Organisation der ambulanten Nachsorge und
des Medikationsmanagements [2].
Bestehende Instrumente zur Förderung der intersektoralen Versorgung umfassen
die Implementierung neuer Versorgungsformen außerhalb der Regelversorgung
(gemäß § 140a SGB V) sowie den Aufbau einer ambulanten
spezialfachärztlichen Versorgung durch interdisziplinäre Gruppen aus
niedergelassenen Ärzten und/oder Krankenhäusern, die bislang
für definierte seltene Erkrankungen (u. a. Mukoviszidose),
Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen (u. a. rheumatische
Erkrankungen) oder hochspezialisierte Leistungen (u. a. Brachytherapie)
möglich ist (§ 116b SGB V). Zudem haben Versicherte Anspruch auf ein
Versorgungsmanagement beim Übergang zwischen Leistungsbereichen (§
11 SGB V), insbesondere auf ein Entlassmanagement bei Krankenhausbehandlung
(§ 39 SGB V), das durch den Gesetzgeber mit dem
Versorgungsstärkungsgesetz im Jahr 2015 nochmals konkretisiert wurde.
Für eine sektorenübergreifende Organisation der Versorgung
müssen versorgungsbezogene Aufgabenfelder möglichst
umfänglich adressiert werden, die für eine kontinuierliche,
patientenzentrierte Gesundheitsversorgung bedeutsam sind. Eine patientenzentrierte
Versorgung wird hier als eine umfassende Koordination der Versorgung verstanden, die
sich primär am medizinischen Bedarf, den Präferenzen und der
persönlichen Situation der Patienten statt an der Behandlung einzelner
Krankheiten durch getrennt agierende Leistungserbringer orientiert [3].
Im Rahmen dieser und weiterer Herausforderungen wurde die Landesarbeitsgemeinschaft
Gesundheitsversorgungsforschung (LAGeV) als Kommunikationsplattform zwischen
Wissenschaft, Politik und Praxis eingerichtet, um die evidenzbasierte
Versorgungsforschung in Bayern weiterzuentwickeln. In einem ersten Memorandum [4] zu den wichtigsten
Forschungsprioritäten wurden die Schnittstellen- und Vernetzungsforschung
und innovative medizinische Versorgungskonzepte an erster Stelle genannt. Im Auftrag
des Bayerischen Ministeriums für Gesundheit und Pflege wurde daher ein
Förderkonzept für neue Formen der Zusammenarbeit im ambulanten und
stationären Sektor im Rahmen der LAGeV entwickelt, dessen Eckpunkte
nachfolgend vorgestellt werden. Die Literatursuche erfolgte spezifisch zu den a
priori festgelegten Modulen, die für eine sektorenübergreifende
Zusammenarbeit bedeutsam sind (siehe auch [Abb.
1]), in den wissenschaftlichen Datenbanken PubMed/Medline, Science
direct und Scopus sowie auf einschlägigen Webseiten des Gemeinsamen
Bundesausschusses. Eine Liste der verwendeten Suchbegriffe findet sich in [Tab. 1]. Da es sich bei der vorliegenden
Arbeit nicht um einen systematischen Review sondern um eine konzeptionelle Arbeit
handelt, wurde auf eine umfassende Auswertung einzelner Studien verzichtet. Die im
Folgenden zitierten Studien sind vielmehr beispielhaft mit Hinblick auf wichtige
Aufgabenfelder einer sektorenübergreifenden Zusammenarbeit zu verstehen.
Abb. 1 Übersicht über das Förderkonzept
Eigene Darstellung.
Tab. 1 Suchbegriffe.
Modul
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Verwendete Suchbegriffe
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Modul I: Sektorenübergreifende integrierte
Behandlungspfade
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„Integrated care pathway OR Behandlungspfad* OR
„Clinical pathway“
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Modul II: Entlassmanagement
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„Entlassmanagement“ OR „discharge
management“
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Modul III: Einbindung von Akteuren der Pflege und der
Rehabilitation
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„Entlassmanagement“ AND
„Pflege“
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Modul IV: Strukturierte Pharmakotherapie
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„pharmaceutical counselling“ AND
„intersectoral medication treatment“
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Modul V: Gesundheitsförderung und Prävention
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„Intersectoral action“ AND „health
promotion“
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Modul VI: Intersektorale Qualitätszirkel zur Diskussion
gemeinsamer Ziele und Behandlungsergebnisse
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„Qualitätszirkel“
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Grundlagen zur Förderung intersektoraler Netzwerke
Im Fokus steht der Aufbau von intersektoralen regionalen Netzwerken, die jeweils
ein Kernteam aus ambulant tätigen Haus- und Fachärzten, aus dem
Krankenhaussektor und aus dem Bereich der Pflege umfassen. Um Doppel- oder
Parallelstrukturen zu vermeiden, sollten die vor Ort bestehenden Ressourcen
zweckmäßig eingebunden werden. Hierzu können die
Netzwerke die Entwicklung eines Case Managements vorantreiben, das als ein
Prozess der koordinierten Zusammenarbeit verstanden wird, welcher die Planung,
Koordination und Überwachung von Leistungen für ein bestimmtes
Individuum umfasst [5]. Ergänzend
zu Modellen, die der Entlastung einzelner Ärzte dienen, orientiert sich
das Case Management primär am Bedarf und an der persönlichen
Situation der Patienten. Bei Übergangen zwischen den Sektoren und
Leistungserbringern soll das Case Management die kontinuierliche Versorgung und
den Informationsfluss zwischen den Sektoren verbessern.
Mangelnde Kommunikation und Koordination gelten als zentrale Ursachen für
Versorgungsdefizite, die beim Übergang der Patienten zwischen den
Sektoren entstehen [1]. Wichtige
Maßnahmen betreffen daher die Stärkung einer
patientenzentrierten Kommunikation und Koordination zwischen den Sektoren.
Nachfolgend werden sechs, auf das Ziel der patientenzentrierten Kommunikation
und Koordination ausgerichtete Module erörtert, die beispielhaft
wichtige Aufgabenfelder einer sektorenübergreifenden Versorgung
veranschaulichen (siehe folgende Abschnitte zu den Modulen).
Module zur Verbesserung der patientenzentrierten intersektoralen
Versorgung
Sektorenübergreifende integrierte Behandlungspfade
Integrierte Behandlungspfade (Integrated Care Pathways, ICP) sind
strukturierte multidisziplinäre Pläne, welche die
wesentlichen Schritte der Therapie definierter Patientengruppen festlegen
und damit die Zusammenarbeit im multidisziplinären Team
formalisieren [6]. Über
evidenzbasierte Leitlinien hinausgehend umfassen ICP nicht nur Empfehlungen
für effektive Leistungen, sondern sie definieren auch die lokalen
Kooperations- und Überweisungsstrukturen und Verantwortlichkeiten
der Beteiligten im Zeitverlauf. Ein Behandlungspfad ist damit eine konkrete
Managementanweisung und sektorenübergreifende
Gesundheitstechnologie, die „einen idealtypischen Weg von
definierten Patientengruppen mit seinen entscheidenden diagnostischen und
therapeutischen Leistungen in der zeitlichen Abfolge ohne Rücksicht
auf sektorale Grenzen“ beschreibt [7].
Behandlungspfade können dann effizient sein, wenn Krankheitsverlauf
und therapeutische Optionen klar dargestellt werden können [8]. Ein systematischer Cochrane Review
fand, dass die Implementierung von Behandlungspfaden die Häufigkeit
von akutstationären Komplikationen, insbesondere Wundinfektionen,
Blutungen und Pneumonien, verringerte und die Dokumentation dieser
Ereignisse verbesserte [9].
Behandlungspfade sollten jedoch nicht nur als Qualitätsinstrument
innerhalb einer Institution dienen. Ihr eigentlicher Zweck ist es, den
Therapie- und Pflegebedarf definierter Patientengruppen jenseits von
einzelnen Versorgungsinstitutionen und in zeitlicher Abfolge zu
strukturieren. Innovationspotenzial liegt in der Entwicklung und Umsetzung
sektorenübergreifender, integrierter Behandlungspfade, deren
Einhaltung mit der notwendigen digitalen Infrastruktur und unter Einbezug
eines Case Managements im Sinne eines Prozess Managements kontrolliert und
ggf. verbessert wird.
Entlassmanagement
Patienten haben einen gesetzlichen Anspruch auf ein Entlassmanagement beim
Übergang in die Versorgung nach einer Krankenhausbehandlung
(§ 39 Abs. 1a SGB V). Um diesen Anspruch durchzusetzen, beauftragte
der Gesetzgeber mit dem Versorgungsstärkungsgesetz die Deutsche
Krankenhausgesellschaft, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und
den GKV-Spitzenverband gemäß § 39 Abs. 1a Satz 9 SGB
V, einen Rahmenvertrag über das Entlassmanagement zu
schließen, der zum 01.10.2017 in Kraft trat. Um die Versorgung mit
Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln sowie weiterer verordnungs- oder
veranlassungsfähiger Leistungen (z. B. Kurzzeitpflege,
Haushaltshilfe) sicherzustellen, dürfen Krankenhausärzte
seitdem in begrenztem Umfang Verordnungen für einen Zeitraum von bis
zu 7 Tagen ausstellen sowie eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigen.
Der patientenindividuelle Bedarf für die Anschlussversorgung soll
möglichst frühzeitig erfasst und ein Entlassplan für
die ambulante Weiterbehandlung erstellt werden [10]. Krankenhäuser sollen
Patienten zudem einen Entlassbrief aushändigen, der alle für
die Anschlussversorgung des Patienten erforderlichen Informationen umfassen
soll (mit Mindestinformationen u. a. zum Entlassbefund und
Medikationsplan) [10]. Für
Patienten mit komplexen Versorgungsbedarfen soll das Krankenhaus zudem einen
zeitnahen Termin bei einem weiterbehandelnden Haus- oder Facharzt
vereinbaren [10].
Die Umsetzung dieser Vorgaben erfordert personelle Ressourcen und ein
effektives Prozessmanagement, das angesichts sinkender Verweildauern im
Krankenhaus möglichst bereits bei Aufnahme der Patienten im
Krankenhaus beginnt. Hierfür gilt es, Konzepte zu erproben und
systematisch zu vergleichen, um das Krankenhauspersonal, niedergelassene
Haus- und Fachärzte, den Sozialdienst, Pflege- und
Rehabilitationseinrichtungen und weitere Akteure effektiv einzubinden.
Einbindung von Akteuren der Pflege und der Rehabilitation
Die Sicherung der Kontinuität der Versorgung ist eine wichtige
Aufgabe von Akteuren aus dem Bereich der Pflege. Da die Entlassung aus der
Klinik häufig „Versorgungsbrüche“ erzeugt,
hat das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der
Pflege einen Expertenstandard für Pflegefachkräfte in Akut-
und Rehabilitationseinrichtungen entwickelt, der Struktur-, Prozess-, und
Ergebnisindikatoren zur Qualitätssicherung bei der
Krankenhausentlassung formuliert [11].
Zielgruppe sind Patienten mit fortgesetztem Bedarf an
poststationärer Pflege und Versorgung, häufig multimorbide
und ältere Personen. Überleitungspflege sollte als
Bestandteil eines patientenzentrierten Behandlungspfads gesehen werden, bei
dem ein effizientes Case Management im Vordergrund steht. In Anlehnung an
den Expertenstandard und an einzelne, positiv evaluierte Projekte [12]
[13] sind einige Anforderungen an die
pflegerische Nachsorge zu stellen. Diese Anforderungen umfassen die
Erstellung und Überprüfung von evidenzbasierten
Behandlungspfaden, sowie die Identifikation und Motivation aller beteiligten
Akteure, auch der Patienten und ihrer Angehörigen, zur
Mitarbeit.
Strukturierte Pharmakotherapie
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen können mit dem
Überleitungsprozess von ambulanter und stationärer
Versorgung in Zusammenhang stehen. Bei der Aufnahme in das Akutkrankenhaus
sind Informationsverluste möglich, Patienten (und selbst ihre
behandelnden Ärzte) haben nicht immer einen vollständigen
Überblick über ihre Medikation oder das benötigte
Präparat ist nicht von der Klinikapotheke gelistet. Ein
Medikationswechsel kann insbesondere auch durch einen erforderlichen
Therapiewechsel notwendig sein. Bei unvollständiger Kenntnis der
ambulanten Medikation berücksichtigt das stationäre
Medikationsmanagement nicht immer den aktuellen Bedarf des Patienten [14]. Bei Entlassung können
weitere Informationsdefizite bei Patienten und niedergelassenen
Ärzten entstehen [15].
Internationale Best Practice-Ansätze zur Verbesserung der
Pharmakotherapie an intersektoralen Schnittstellen legen nahe, dass
elektronische Patientenakten und ein gemeinsamer Zugriff auf die
Arzneimitteldaten die Kommunikation zwischen den Sektoren erleichtern [16]. Im Rahmen einer
Medikationsüberprüfung bei Aufnahme und Entlassung sollten
Fehler in der Arzneimittelliste des Patienten identifiziert und behoben
werden, unter Einbezug der Patienten und bei Bedarf auch der
Krankenhausapotheker und der Angehörigen [16].
Gesundheitsförderung und Prävention
Gesundheitsförderung und Prävention sollten gleichberechtigt
neben Therapie, Rehabilitation und Pflege in ein regionales, intersektorales
Gesundheitsnetz integriert werden. Die Weltgesundheitsorganisation
unterstreicht die Notwendigkeit, hierfür alle sozialen,
ökonomischen und umweltbezogenen Einflussfaktoren auf die Gesundheit
einzubeziehen [17]. Idealerweise
werden verhaltens- und verhältnisorientierte
Präventionsansätze kombiniert, die einerseits am
individuellen Gesundheitsverhalten, andererseits an den
äußeren Rahmenbedingungen (Verhältnissen) ansetzen
[18]. Von Interesse sind bspw.
Modelle präventiver Hausbesuche [19], bei denen nicht nur Diagnostik und Therapie, sondern auch
Unterstützung zum Selbstmanagement angeboten wird. Bei
verhaltensorientierten Maßnahmen ist die Förderung von
gesunder Ernährung und Bewegung hervorzuheben [20] sowie auch die Förderung
der Gesundheitskompetenz des Individuums, um gesundheitliche Sachverhalte
und Entscheidungen beurteilen zu können [21]. Auch
Verhältnisprävention im Sinne eines Risikoscreenings, z. B.
zur Sturzprävention, kann so angeboten werden. Über die eher
eng gefassten medizinischen Maßnahmen zur Vorsorge und
Früherkennung hinaus erfordern sie eine systematische
interdisziplinäre Verzahnung u. a. mit
Gesundheitswissenschaftlern, Physiotherapeuten und
Ernährungswissenschaftlern, sinnvollerweise auch im Rahmen
etablierter Strukturen des öffentlichen Gesundheitsdienstes und
unter Einbezug nichtärztlicher Praxisassistenten.
Intersektorale Qualitätszirkel zur Diskussion gemeinsamer Ziele
und Behandlungsergebnisse
Im ambulanten Sektor haben sich Qualitätszirkel seit Mitte der 1990er
Jahre deutschlandweit etabliert. Aktuell sind bundesweit
regelmäßig mehr als 8500 Qualitätszirkel aktiv, mit
etwa 60 000 beteiligten niedergelassenen Haus- und
Fachärzten [22].
Qualitätszirkel sind als Kleingruppen von Ärzten definiert,
die sich regelmäßig über ihre Arbeit austauschen,
die ärztliche Versorgungspraxis diskutieren und konkrete
Lösungsvorschläge erarbeiten und überprüfen.
Sie dienen dem Zweck, durch interkollegialen Erfahrungsaustausch praxisnahe
Hilfestellungen zu erarbeiten [23].
Sektorenübergreifende Fallbesprechungen und systematische
Diskussionsrunden über Qualitätsindikatoren und Potenziale
zur Verbesserung der Prozesse und Ergebnisse der Versorgung sind bislang nur
in vereinzelten Initiativen in Deutschland etabliert. Ein Beispiel bilden
die interdisziplinären und sektorenübergreifenden
Qualitätszirkel im Gesundheitsnetz Qualität und Effizienz eG
(QuE) in Nürnberg, bei denen oftmals Vertreter aus anderen
Versorgungsbereichen und Sektoren wie zum Beispiel Apotheker und
Klinikärzte teilnehmen [24].
Möglichkeiten der strukturellen Innovation im Rahmen dieses Moduls
liegen daher in der Entwicklung intersektoraler Modelle von
Qualitätszirkeln, um die lokale Zusammenarbeit zwischen ambulantem
und stationärem Sektor zu gestalten. Dies betrifft die Entwicklung
und Umsetzung machbarer Konzepte, um Leistungserbringer aus verschiedenen
Sektoren zum regelmäßigen fachlichen Austausch zu bewegen.
Ziel ist die Identifikation sinnvoller Strukturen und Prozesse, um den
regelmäßigen intersektoralen Austausch zwischen
Leistungserbringern und Sektoren in die Versorgung zu integrieren.
Systematische und vergleichende Evaluation
In der Vergangenheit sind viele innovative Projekte im Bereich des
sektorenübergreifenden Schnittstellenmanagements ohne systematische und
vergleichende Evaluation erfolgt [1]. Dies
läuft Gefahr eines ineffizienten Ressourceneinsatzes und einer
suboptimalen Ausschöpfung von Lerneffekten für andere Regionen,
um die Zusammenarbeit zwischen ambulantem und stationärem Sektor zu
verbessern. Eine vergleichende wissenschaftliche Evaluation ist daher zentral.
Dies gilt bspw. auch für Projekte, die zeitlich befristet im Rahmen des
Innovationsfonds gemäß § 92a und § 92b SGB V
gefördert werden.
Die Güte der Zusammenarbeit innerhalb der Netzwerke sollte anhand
definierter Kriterien und Indikatoren evaluiert werden. Auf dieser Basis sollten
erfolgreiche Konzepte auf ihre Übertragbarkeit in andere Regionen
überprüft werden. Das Evaluationskonzept sollte 2-stufig
aufgebaut sein, indem die Netzwerke sowohl anhand der selbst gesetzten Ziele als
auch anhand allgemeiner, netzwerkübergreifender Ziele und validierter
Qualitätsindikatoren evaluiert werden. Damit die Ergebnisse vergleichbar
sind, sollte ein Katalog an Qualitätsindikatoren definiert und
über alle Netzwerke hinweg erhoben werden. Zu diesem Zweck
müssen auch Indikatoren entwickelt werden, mit denen sich die
Güte der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit zwischen
ambulantem und stationärem Sektor messen lässt.
Ein Beispiel für einen Indikator der sektorenübergreifenden
Ergebnisqualität ist die (risikoadjustierte) Rate der Wiedereinweisungen
für bestimmte Indikationen [25].
Dies basiert auf der Annahme, dass optimale Behandlungsqualität im
Krankenhaus und angemessene ambulante Nachsorge im ambulanten Sektor das Risiko
von Wiedereinweisungen vermindert. Wichtige Anknüpfungspunkte liefert
hierbei die Weiterentwicklung der bisherigen sektoralen zur
sektorenübergreifenden Qualitätssicherung gemäß
§ 136 SGB V, die im Jahr 2018 für 2 Verfahren – die
Vermeidung nosokomialer Infektionen/ postoperative Wundinfektionen (QS
WI) sowie für Perkutane Koronarintervention und Koronarangiografie (QS
PCI) – durchgeführt wurde [26].
Diskussion und Ausblick
Damit sektorenübergreifende Kooperationen zum Wohle der Patienten gelingen
können, sollten zentrale Schnittstellen zwischen dem ambulanten und dem
stationären Sektor adressiert werden. In diesem Artikel wurden exemplarisch
sechs Module dargestellt, die an solchen sektoralen Schnittstellen ansetzen, um eine
kontinuierliche, bedarfsgerechte Versorgung zu gewährleisten. Idealerweise
sollten sektorenübergreifende Kooperationen möglichst
umfänglich an verschiedenen Schnittstellen ansetzen. Die jeweiligen
Maßnahmen, und die zu integrierenden Akteure, sollten an die strukturellen
und personellen Herausforderungen vor Ort angepasst werden.
Übergreifende Rahmenbedingungen und Ziele für
sektorenübergreifende Netzwerke sollten bundesweit eingegrenzt werden, um
gemäß der Maßgabe des § 70 SGB V eine
gleichmäßige Versorgung zu gewährleisten. Dies gilt
insbesondere für die verpflichtende Evaluation, die
netzwerkübergreifend entlang von generischen Qualitätsindikatoren
als auch entlang netzwerkspezifischen Zielen erfolgen sollte. Wenn
Qualitätsindikatoren erhoben werden, ist auch eine strukturierte
Auseinandersetzung mit den Ergebnissen wichtig. Dies sollte im Rahmen der
Förderung sichergestellt werden.
Auf lokaler bzw. regionaler Ebene müssen die Strukturen der koordinierten und
kooperativen Leistungserbringung entwickelt werden. Im ambulanten Sektor in
Deutschland haben sich in den letzten Jahren zunehmend Praxisnetze entwickelt [27], die gemäß § 87b
SGB V von den Kassenärztlichen Vereinigungen besonders gefördert
werden können. Für die Förderung
sektorenübergreifender Netzwerke in der Regelversorgung besteht bislang noch
keine gesetzliche Grundlage. Vereinzelt bestehende sektorenübergreifende
Versorgungsmodelle und „Leuchtturmprojekte“ [28] außerhalb der Regelversorgung haben
sich bislang nicht flächendeckend durchgesetzt, insbesondere angesichts der
Komplexität der Umsetzung sowie fehlender finanzieller Anreize für
die strukturierte Zusammenarbeit [29].
Internationale Erfahrungen zu Konzepten der vernetzten Versorgung können
für Deutschland relevante Impulse liefern. So zeigt die Umsetzung der
Accountable Care Organizations, die im Jahr 2010 durch den Patient Protection and
Affordable Care Act in den USA eingeführt wurden und die als Gruppen von
Ärzten, Krankenhäusern und anderen Leistungserbringern die
koordinierte Versorgung von Patienten verantworten, dass die Implementierung
effektiver Management- und IT-Strukturen sowie die Schaffung von Systemen und
Anreizen zur Messung und Verbesserung der Versorgungsqualität zentrale
Herausforderungen bleiben [30]. Damit
ambulante und stationäre Leistungserbringer koordiniert zum Wohle der
Patienten zusammenarbeiten, müssen auch zentrale Voraussetzungen
hinsichtlich eines geregelten Informationsaustausches, Vergütung und
Qualitätssicherung gelöst werden [31]. Ziel ist es, eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit vor
Ort zu fördern und zu mehr Effizienz und Qualität im
Gesundheitswesen beizutragen.