Die Entwöhnung von der Beatmung (Weaning) macht einen fundamentalen Anteil an der
Intensiv- und Beatmungsmedizin aus. So entfallen abhängig vom Patientenkollektiv ca.
40 – 50 % der gesamten Beatmungszeit eines Intensivpatienten auf die Beatmungsentwöhnung,
nachdem die Akutproblematik, welche zur Beatmungspflichtigkeit geführt hat, erfolgreich
behandelt ist [1]
[2]. Bei einem Großteil der Patienten gelingt das Weaning innerhalb von Tagen erfolgreich.
Gerade bei Patienten mit zusätzlich vorliegender chronischer respiratorischer Insuffizienz
und anderen wesentlichen Komorbiditäten kann ein erfolgreiches Weaning allerdings
erheblich erschwert oder gar unmöglich sein. Diese Patienten werden in Deutschland
nach Verlegung von der Intensivstation vorzugsweise in spezialisierten, pneumologischen
Weaning-Zentren behandelt [3]
[4]. Hier gelingt bei einem Teil der Patienten auch nach Langzeitbeatmung über mehrere
Wochen via Tracheostoma doch noch eine Beatmungsentwöhnung. Dies ist fundamentales
Ziel, da die Alternative einer außerklinischen, invasiven Langzeitbeatmung mit erheblichen
Komplikationen und zum Teil schweren Einschränkungen der Lebensqualität einhergehen
kann und aufgrund einer rasanten Zunahme von Patientenzahlen in Deutschland einen
erheblichen Kostenfaktor im Gesundheitssystem darstellt.
Vor diesen Hintergründen hat die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin
e. V. (DGP) bereits 2005 zunächst die Projektgruppe „pneumologischer Weaning-Zentren“
gegründet, während hieraus 2007 das Netzwerk der pneumologischen Beatmungs-Zentren
„WeanNet“ entstanden ist [1]
[2]
[3]
[4]. Das Ziel dieser Initiative der DGP liegt in der Optimierung einer Struktur-, Prozess-
und Ergebnisqualität. Wesentlicher Bestandteil von „WeanNet“ ist die Zertifizierung
von pneumologischen Weaning-Zentren anhand eines Kriterienkatalogs mit hohen Anforderungen
(siehe hierzu auch den Artikel von Prof. Schönhofer in dieser Ausgabe).
Das „WeanNet“ ist eine Erfolgsgeschichte. Bis Oktober 2018 wurden in Deutschland mittlerweile
53 pneumologische Weaning-Zentren zertifiziert. Eine Voraussetzung zur Zertifizierung
stellt die Dateneingabe in das Weaning-Register dar. Eine erste Analyse dieser Daten
konnte auf 6899 Patienten zurückgreifen und konnte darlegen, dass dem „WeanNet“ in
der Versorgung von Patienten im prolongierten Weaning ein hoher Stellenwert zukommt
[5]. Gegenwärtig werden aus den Jahren 2011 – 2015 die Daten von über 11 000 Patienten
ausgewertet, wobei neben der Etablierung epidemiologischer Daten auch die Definition
von Prädiktoren für das erfolgreiche Weaning detailliert errechnet werden. Mit einer
Publikation ist im Jahre 2019 zu rechnen.
Die Initiative „WeanNet“ und damit auch die prolongierte Beatmungsentwöhnung in Deutschland
ist von keinem Protagonisten in Deutschland mehr geprägt als von dem langjährigen
Leiter des „WeanNets“ Prof. Dr. med. Bernd Schönhofer. Dieser verkörpert geradezu
das Gesicht des prolongierten Weanings und damit diesen wesentlichen Teil innerhalb
der Pneumologie in Deutschland. Nun wird Bernd Schönhofer im März 2019 auf dem DGP-Kongress
in München nach jahrelanger Pionierarbeit den Vorsitz vom „WeanNet“ abgeben, um diese
Aufgabe jüngeren Kollegen zu übergeben. Gerade in unserer schnelllebigen Zeit mit
stetig wechselnden Anforderungen an die Medizin hinsichtlich klinischer, wissenschaftlicher
und ökonomischer Gesichtspunkte ist es den Autoren dieses Editorials wichtig, inne
zu halten und das Wirken von Prof. Schönhofer zu reflektieren.
Prof. Schönhofer hat nach Studium und Promotion in Aachen 1985 seine Ausbildung als
Assistenzarzt in der Medizinischen Klinik des Caritas Krankenhauses in Bad Mergentheim
begonnen und wechselte bereits 1992 als Oberarzt in das Lungenfachkrankenhaus Kloster
Grafschaft in Schmallenberg im Sauerland. Dort war er zusammen mit Prof. Köhler nach
dem Team um Prof. Criée in Lenglern einer der ersten, die sich intensiv mit der nicht-invasiven
Beatmung und dem Weaning auseinander gesetzt hat. Dabei hat er auch sein wissenschaftliches
Leben in dieser Zeit vollumfänglich diesem Teil der Medizin gewidmet. Folgerichtig
absolvierte er von 2001 – 2002 einen Forschungsaufenthalt als Visiting Professor bei
Prof. Martin Tobin in Chicago, USA. Seit Ende 2002 ist er Chefarzt der Klinik für
Pneumologie und Intensivmedizin im KRH Klinikum Oststadt-Heidehaus, Klinikum Region
Hannover.
Wesentlich für sein Wirken ist die historische Entwicklung der pneumologischen Beatmungsmedizin
in Deutschland. So muss das Krankenhaus in Lenglern bei Göttingen als Wiege der nicht-invasiven
Beatmung in Deutschland angesehen werden, wo der ärztliche Leiter, Herr Prof. Dr.
Carl-Peter Criée, zusammen mit seinem Oberarzt Prof. Dr. Gerhard Laier-Groeneveld
bereits Ende der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts Konzepte zur Pathophysiologie
und Diagnostik der gestörten Atempumpe entwickelt und die ersten Patienten auf eine
nicht-invasive Beatmung eingestellt hat. Es war dann aber auch die Klinik in Schmallenberg,
wo Prof. Köhler und Prof. Schönhofer wesentlich das Thema der Beatmungsentwöhnung
in Deutschland vorangetrieben haben und ihre Klinik zu einer der für dieses Thema
bekanntesten Klinik mit überregionalem Einzugsbereich ausgerichtet haben. Somit war
Prof. Schönhofer bereits viele Jahre vor der offiziellen Gründung von „WeanNet“ wissenschaftlich,
klinisch und berufspolitisch mit diesem, seinem Lebenswerk vertraut.
Prof. Schönhofer hat eine Vielzahl von wissenschaftlichen Originalarbeiten zum Thema
der nicht-invasiven Beatmung und des Weanings publiziert. Als Beispiel sei die international
viel beachtete und hochrangig im Jahre 2002 im Fachjournal „Intensive Care Medicine“
publizierte Arbeit genannt, in welcher über 400 Patienten mit prolongiertem Weaning
detailliert analysiert worden sind. Dabei zeigten die Daten aus dem Krankenhaus Schmallenberg
erstmalig unter wissenschaftlichen Aspekten die durchaus eingeschränkte Prognose in
dieser speziellen Patientengruppe, während zusätzlich Prädiktoren für eine erfolgreiche
Entwöhnung erarbeitet werden konnten [6]. Zusätzlich hat Herr Prof. Schönhofer eine Vielzahl von Übersichtsarbeiten und Buchartikeln
publiziert und ist mehrfach auch als Buchherausgeber aufgetreten. Er fungierte zudem
als Mitherausgeber in mehreren wissenschaftlichen Fachjournalen; besonders hervorzuheben
ist hier seine Funktion als „Associate Editor“ bei dem hoch dotierten britischen Fachjournal
„Thorax“. Zudem hat Prof. Schönhofer die Pneumologie in Deutschland auch durch seine
federführende Tätigkeit als Autor bei mehreren Leitlinien der DGP mitgeprägt. Als
Beispiel sei selbstverständlich auf die Leitlinie zum prolongierten Weaning verwiesen,
welche 2014 erst publiziert worden war und gegenwärtig in Überarbeitung ist [1]
[2].
Herr Prof. Schönhofer hat insgesamt auch dreimal den Jahreskongress der Deutschen
Interdisziplinären Gesellschaft für außerklinische Beatmung e. V. (DIGAB) – früher
Arbeitsgemeinschaft Heimbeatmung und Respiratorentwöhnung e. V. – ausgerichtet: bereits
1993 zusammen mit Prof. Köhler in Schmallenberg (1. Jahrestagung) sowie nachfolgend
2005 in Celle (13. Jahrestagung) und 2018 in Hannover (26. Jahrestagung).
Herr Prof. Schönhofer war aber auch in der European Respiratory Society (ERS) hoch
aktiv. So war er sowohl als Sekretär als auch als Vorsitzender innerhalb der Gruppe
„nicht-invasive“ Beatmung und zuletzt auch als Sekretär der Assembly No. 2 „Respiratory
Intensive Care“ tätig (2000 – 2009). Für die ERS hat er zudem in Hannover mehrfach
den international hoch anerkannten Postgraduierten-Kurs zur nicht-invasiven Beatmung
organisiert (ERS School Course) [7], und zwar 2007, 2009, 2010, 2012, 2014 sowie 2017. Unvergessen bleiben hier die
gewachsenen Freundschaften mit einer Gruppe von internationalen Vertretern des Fachgebietes,
vorzugsweise aus den Niederlanden, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien und
Deutschland. Tatsächlich waren diese stets ausgebuchten Kurse freudvolle Highlights
über viele Jahre. So war es am Ende bereits Tradition, dass Bernd Schönhofer zusammen
mit seiner Frau Maria Schönhofer die internationale Referentengruppe zum Abend zu
sich nach Hause einlud, was in der Regel in einer Jazz-Jam-Session gipfelte ([Abb. 1]). Dabei ist es keinem der Beteiligten entgangen, dass der Enthusiasmus und die Freude,
mit welcher Bernd Schönhofer seinen Beruf ausübt, und die Freude sowie die Leidenschaft,
mit welcher er seinen Kontrabass zupft, eine gemeinsame Wurzel haben, die ihn auch
durch all die Schwierigkeiten der vielen Jahre getragen hat, die zwangsläufig mit
einer solchen Karriere einhergehen.
Abb. 1 Jam-Session im Hause Schönhofer (v. l. n. r. Bernd Schönhofer, Bass; Sohn Felix Schönhofer,
Trompete; Wolfram Windisch, Piano) – Let’s jazz!
Prof. Bernd Schönhofer ist ein Pionier in der pneumologischen Beatmungsmedizin. Er
hat sich hier wie kein anderer in seiner systematischen Arbeitsweise über mehr als
25 Jahre um seine Herzensangelegenheit, das prolongierte Weaning, bemüht und wesentliche
Strukturen in Deutschland etabliert, die heute nicht mehr wegzudenken sind. Es wäre
hier ein Leichtes, primär seine vielen Errungenschaften zu summieren, um ihn als herausragende
Persönlichkeit in der pneumologischen Beatmungsmedizin zu bezeichnen. Viel mehr als
das ist Bernd Schönhofer aber auch Enthusiast, Freund und Mensch. Er ist stets auf
seinem eigenen Weg geblieben und hat sich nicht durch andere verlockende Angebote
ablenken lassen, die nicht seinem Weg entsprechen. Er ist damit authentisch seinem
inneren Ruf gefolgt und hat diese, seine Aufgabe zum zentralen Thema seines Lebens
gemacht. Sicherlich war es hier auch notwendig, an der einen oder anderen Stelle Ecken
und Kanten zu zeigen, was er auf seine ganz individuelle Weise getan hat. Wir sprechen
hier allerdings nicht von individuellen Eitelkeiten als vielmehr von liebevollen Eigenheiten.
Der Erfolg in der Medizin wird mehr und mehr an nummerischen Kenngrößen ausgerichtet
(wissenschaftlich an Impactpunkten, ökonomisch an DRG-Punkten). Die Kraft des individuellen
Vorwärtsdrangs mag im Zuge dessen an der einen oder anderen Stelle ausgebremst werden.
Die Gefahr besteht hier, dass viel Potenzial, die Medizin zu verbessern, verloren
gehen kann. Bernd Schönhofer hat seinen Weg aber nicht primär nach etablierten Erfolgskriterien
ausgerichtet, sondern ist seiner Berufung gefolgt. Aus unserer langjährigen Freundschaft
wissen wir, dass er an vielen Stellen auch im Stillen und Verborgenen gearbeitet hat,
ohne dass sein Wirken direkt sichtbar geworden ist. Sein Wirken zeigt sich vielmehr
im Ganzen, wenn wir heute auf die Strukturen des prolongierten Weanings in Deutschland
schauen. Bernd Schönhofer hat ja gerade durch seinen individuellen Weg gezeigt, dass
die Kunst des Wirkens darin besteht, seine individuelle Kraft, ja seine eigene Person,
der Gesamtheit zur Verfügung zu stellen. So hat der berühmte Jazz-Pianist Dave Brubeck
einmal gesagt:
„Jazz ist wahrscheinlich die einzige heute existierende Kunstform, in der es die Freiheit
des Individuums ohne den Verlust des Zusammengehörigkeitsgefühls gibt.“
Prof. Bernd Schönhofer verkörpert dies in ganzer Weise – nicht nur in der Musik, sondern
auch in der Pneumologie. Dafür gebührt ihm großer Dank.