Ätiologie, Pathogenese
Das Krankheitsbild der Necrobiosis lipoidica (NL) wurde erstmals 1929 von Oppenheim
als „disseminierte Degeneration des Bindegewebes [...] bei einem Diabetiker“ beschrieben
[1]. Der dokumentierte Patient zeigte mit bevorzugter Lokalisation an den Unterschenkeln
rote Papeln, welche sich im Verlauf vergrößerten, gelblich färbten und zentral sklerodermieähnlich
veränderten. Histologisch zeigte sich neben entzündlichem Infiltrat eine nekrobiotische
Bindegewebsmasse. Anhand eines ähnlichen Falles wurde von Urbach im Weiteren der heute
gebräuchliche Begriff Necrobiosis lipoidica geprägt [2].
Zur Pathogenese der NL existieren kaum aktuelle Untersuchungen. Eine auffällige Assoziation
zu Diabetes mellitus führte zu Überlegungen, dass eine diabetische Mikroangiopathie
eine Rolle spielen könnte [3]. Allerdings konnten dopplersonografische Untersuchungen sogar einen gesteigerten
Blutfluss in den NL-Arealen nachweisen [4], was eher auf entzündliche Prozesse hindeutet. Neben veränderter Expression eines
epithelialen Glukosetransporters wurden auch Defekte der Kollagenfasern anhand von
histologischen Untersuchungen sehr kleiner Fallserien beschrieben [5]
[6].
Klinisches und histologisches Bild
Klinisches und histologisches Bild
Es finden sich gelb bis bräunlich imponierende, im Verlauf zentral atrophierende Läsionen
vornehmlich symmetrisch an den Unterschenkeln im Prätibialbereich ([Abb. 1]). Es können singuläre Läsionen, ebenso wie multiple, konfluierende Hauterscheinungen
entstehen. Veränderungen außerhalb der unteren Extremitäten wurden in Einzelfällen
ebenfalls beschrieben [7] und stellen dann eine differenzialdiagnostische Herausforderung dar.
Abb. 1 Seit mehreren Jahren bestehender NL-Herd prätibial bei einer 42-jährigen Patientin
mit schlecht eingestelltem Diabetes mellitus Typ I (HbA1c 9,2 %).
Spezifische Symptome sind nicht regelhaft vorhanden und neben Auftreten von Juckreiz,
Dysästhesien oder Schmerzen werden auch symptomlose Verläufe von den Patienten beschrieben.
Neben der kosmetischen Beeinträchtigung stellt v. a. das Auftreten von Ulzerationen
eine therapeutische Schwierigkeit dar ([Abb. 2]). Differenzialdiagnostisch müssen andere Hauterkrankungen mit ähnlichem klinischem
oder histologischem Bild abgegrenzt werden. Hierzu zählen v. a. andere granulomatöse
Erkrankungen wie Granuloma anulare, Sarkoidose und nekrobiotisches Xanthogranulom
[8]. Während die Diagnose der NL in vielen Fällen bereits klinisch durch den erfahrenen
Dermatologen gestellt werden kann, liefert die Gewebeprobe und histologische Aufarbeitung
im Zweifelsfall meist Gewissheit. Histologisch zeigen sich v. a. in der mittleren
und tiefen Dermis horizontal angeordnete Nekrobiosezonen aus hyalinisierten, degenerierten
Kollagenfasern. Umgebend liegen teils palisadenartig angeordnet Makrophagen sowie
in variabler Ausprägung Riesenzellen, Lymphozyten und Fibroblasten ([Abb. 3]) [9]. Der Nachweis extrazellulärer Lipidablagerungen innerhalb der Nekrobiose führte
zur Namensgebung der NL und kann auch im formalinfixierten Gewebe durch immunhistochemische
Färbung von Adipophilin diagnostisch genutzt werden [8]
[10]. Als Variante der NL wird die Granulomatosis disciformis Miescher aufgefasst. Sie
weist histopathologisch eine Beteiligung der Subkutis, Granulome mit zahlreichen mehrkernigen
Riesenzellen und Plasmazellen sowie eine diskrete oder fehlende Nekrobiose auf [11].
Abb. 2 Ulzerationen in einem NL-Herd prätibial bei einer 18-jährigen Patientin mit Diabetes
mellitus Typ I.
Abb. 3 Hautbiopsie einer NL (HE-Färbung, Originalvergrößerung 40 ×). In der Dermis liegen
ausdehnte sklerotische Nekrobiosezonen, umgeben von teils palisadenartig angeordneten
Makrophagen und Lymphozyten.
Epidemiologie
Die NL zählt mit weniger als 1:100 000 Erkrankungen pro Jahr zu den seltenen Erkrankungen.
Etwa 75 % aller Betroffenen sind Frauen mit einem mittleren Erkrankungsalter von etwa
50 Jahren [12]. Das assoziierte Vorliegen eines Diabetes mellitus scheint zu einer früheren Manifestation
von NL-Läsionen zu führen [13]. Komplizierend können sich in den atrophen Hautveränderungen im Verlauf therapieresistente
Ulzerationen entwickeln, die in der Literatur bei etwa 30 % der Patienten beschrieben
werden [3]
[12]. Dabei gehen dem Auftreten von Ulzerationen die typischen Läsionen oft schon für
Monate bis Jahre voraus. Interessanterweise zeigte sich ein signifikant häufigeres
Auftreten von Ulzerationen bei männlichen Patienten mit NL [12]. Die Ursache hierfür ist noch ungeklärt.
Assoziierte Erkrankungen
Eine Assoziation zwischen NL und einer Diabetes-Erkrankung ist in der Literatur mehrfach
beschrieben. Dabei tritt die NL nur bei weniger als 1 % aller Diabetiker auf [14]. Umgekehrt besteht bei über 40 % aller NL-Patienten eine diabetische Stoffwechsellage
[12] oder kann sich im Laufe der Erkrankung noch entwickeln [15]. Eine Untersuchung an über 64 000 Patienten mit Typ 1-Diabetes ergab, dass die metabolische
Kontrolle der NL-Patienten in dieser Gruppe schlechter, die Diabetesdauer länger und
der Insulinbedarf höher ausfiel als bei den Nicht-NL-Patienten mit Diabetes Typ I
[16]. Berichte über eine Besserung von NL-Läsionen bei einem Patienten mit Diabetes mellitus
Typ I nach Durchführung einer Pankreastransplantation bestätigen einen möglichen Zusammenhang
zwischen glykämischer Stoffwechsellage und NL [17]. Ergänzend zu Diabetes mellitus finden sich unter NL-Patienten auffällig häufig
Erkrankungen des metabolischen Syndroms [18].
Neuere Untersuchungen zeigten zudem ein gehäuftes Auftreten von Schilddrüsenerkrankungen
bei Patienten mit Necrobiosis lipoidica im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung [12] bzw. zu Diabetes-Patienten ohne NL [16]. Insbesondere ein assoziiertes Auftreten einer Autoimmunthyreoiditis sollte abgeklärt
werden [19]. Eigene Untersuchungen zeigen, dass das Auftreten von Bluthochdruck, Übergewicht
und Schilddrüsenfunktionsstörungen mit dem Auftreten von ulzerierten NL-Läsionen einherzugehen
scheint [12]. Weitere Assoziationen wurden bislang nur in Fallberichten beschrieben und bedürfen
einer Überprüfung in größeren Patientenkollektiven. Hierzu gehört v. a. das Auftreten
von NL im Kontext einer malignen Grunderkrankung [20]. Eine maligne Transformation von NL-Herden wurde ebenfalls bisher nur für Einzelfälle
beschrieben [21], muss aber unter dem Gesichtspunkt einer Triggerung durch chronische Entzündung
und/oder Ulzeration bei langjährigem Bestehen immer diagnostisch bedacht werden [22].
Therapieoptionen
Einheitliche Behandlungsrichtlinien und -standards fehlen aufgrund des seltenen Auftretens
der NL bislang. Die Effektivität einzelner therapeutischer Ansätze wurde nur in einigen
wenigen Fallserien mit meist geringer Patientenzahl überprüft und wird von verschiedenen
Experten auch unterschiedlich beurteilt [12]. V. a. die aktuell eingesetzten systemischen Therapien fallen in den sog. Off-Label-Gebrauch,
da eine Zulassung von Systemtherapeutika für die NL nicht vorliegt [23]. Mögliche Therapieoptionen sowohl für die lokale als auch die systemische Behandlung
der NL sind in [Tab. 1] dargestellt.
Tab. 1
Therapieoptionen bei Necrobiosis lipoidica (beachte die meist fehlende Zulassung für
die Indikation NL).
Lokal
|
Systemisch
|
Topische oder intraläsionale Glukokortikoide
|
Systemische Glukokortikoide
|
Topische Calcineurin-Inhibitoren
|
Fumarsäureester
|
Lichttherapie (PUVA, UVA-1, PDT)
|
TNF-α-Inhibitoren
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Kompressionstherapie
|
Kleinere Fallserien und Einzelfallberichte zu Pentoxifyllin, Ciclosporin, Chloroquin,
Clofazimin, Thalidomid
|
hyperbare O2-Therapie
|
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Exzision und Hauttransplantation
|
|
Die topische Anwendung von hochpotenten Glukokortikoiden und die Kompressionstherapie
können als gebräuchlicher Standard für die Lokaltherapie angesehen werden. Die anti-inflammatorische
und immunmodulatorische Wirkung topischer Calcineurin-Inhibitoren gehören ebenfalls
zum Repertoire, auch wenn hierzu nur einzelne Fallberichte vorliegen [21]. Eine prospektive Studie mit Anwendung von Psoralen-UVA (PUVA)-Therapie zeigte eine
gute Wirksamkeit, wenn auch insgesamt nur eine geringe Fallzahl untersucht wurde [25]. Eine von Berking et al. [26] durchgeführte multizentrische Studie zur Anwendung photodynamischer Therapie (PDT)
bei NL zeigte positive Effekte in knapp 40 % der behandelten Patienten. Eine aktuelle,
relativ große Studie an 80 NL-Patienten mit konventioneller vs. Tageslicht-PDT zeigte
eine Ansprechrate von 66 % [27]. Beim Auftreten von Ulzerationen sind Maßnahmen im Sinne einer hydroaktiven Wundtherapie
mit Einsatz moderner Wundauflagen zu treffen. Hierbei kann man sich an den üblichen
Versorgungsstandards chronischer Wunden orientieren. Positive Fallberichte wurden
zur Anwendung hyperbarer Sauerstofftherapie und großzügiger Exzision mit Spalthaut-Transplantation
veröffentlicht [28].
Während die systemische Anwendung von Glukokortikoiden allgemein als erste Wahl bei
Indikation zur Systemtherapie anzusehen ist, sind viele weitere Therapieansätze v. a.
auf persönliche Erfahrungen der Behandler und Fallberichte begründet [29]. In einer aktuellen Befragung dermatologischer Wundexperten wurde keine der bekannten
systemischen Therapieansätze als deutlich effektiv erachtet [12]. Interessanterweise scheinen Fumarsäureester zu guten Erfolgen bei NL zu führen
und sind – wenn auch off-label – durchaus im klinischen Einsatz. In einer prospektiven,
jedoch nicht placebokontrollierten Studie zeigte sich insbesondere für Fälle mit ulzerierten
Läsionen von NL ein positiver Effekt der Fumarsäureester [30]. Für andere Systemtherapien wie Rheologika, Dapson oder Antimalaria-Mittel, die
für andere entzündliche Dermatosen erfolgreich eingesetzt werden, existieren nur einzelne
Fallberichte [23]. Diese schwache Datenlage gilt auch für die Anwendung von Biologika, wenn auch für
anti-TNF-α Agentien wie Infliximab oder Etanercept eindrucksvolle Einzel-Erfolge gerade
bei therapieresistenten Fällen mit Ulzeration in der Literatur zu finden sind [31]
[32]. Der Einsatz eines Januskinase-Inhibitors (Ruxolitinib) bei einer Patientin mit
Polycythemia vera zeigte einen eindrucksvollen Nebeneffekt auf die bei dieser Patientin
ebenfalls vorliegende ulzerierte NL [33]. Die Anwendung von Biologika bleibt zumindest zum derzeitigen Zeitpunkt jedoch den
Patienten mit schwerem Verlauf und ohne Ansprechen auf gängigere Systemtherapien vorbehalten.
Randomisierte multizentrische Studien mit entsprechender Anzahl behandelter Patienten
sind für weitere Beurteilungen erforderlich.
Zusammenfassung
Zusammenfassend kann festgehalten werden: Der typische NL-Patient ist weiblich und
mittleren Alters. Diabetes mellitus kann ebenfalls als häufiges Charakteristikum eines
NL-Patienten angesehen werden. Weitere Assoziationen von NL mit Schilddrüsenfunktionsstörungen
und metabolischem Syndrom sollten zumindest anamnestisch erfragt bzw. weiter abgeklärt
werden. Männliche Patienten scheinen hinsichtlich des Auftretens ulzerierter NL-Läsionen
stärker gefährdet zu sein, ebenso NL-Patienten mit Diabetes oder komplizierenden Co-Morbiditäten
wie Bluthochdruck oder Übergewicht. Im Rahmen eines laufenden Projektes der AG Wunde
der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft kann ein Fragebogen zur weiteren Datensammlung
über Patienten mit (ulzerierter) NL bei den Autoren angefordert werden.
Auch wenn derzeit keine spezifischen Therapierichtlinien existieren und placebokontrollierte
randomisierte Studien aufgrund der Seltenheit der Erkrankung fehlen, so gibt es einige
therapeutische Ansätze zur Therapie der NL. Die Anwendung von topischen Glukokortikoiden,
Kompressionstherapie, Calcineurin-Inhibitoren und Phototherapie gelten als etablierte
und wirkungsvolle Optionen in der lokalen Behandlung der NL. Glukokortikoide und Fumarsäureester
bilden die erste Wahl für eine systemische NL-Therapie. Alternative Optionen wie der
Einsatz von Biologika können bei Therapieresistenz versucht werden, müssen aber bez.
Effektivität und Sicherheit in randomisierten Studien überprüft werden. Der Ulzerationsstatus
der Erkrankung könnte für zukünftige Studien einen interessanten Punkt hinsichtlich
der Therapiewirksamkeit und des Erfolges darstellen.