B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2019; 35(01): 1
DOI: 10.1055/a-0818-6829
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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Publication Date:
05 March 2019 (online)

„Wenn wir jedem Individuum das richtige Maß an Nahrung und Bewegung zukommen lassen könnten, hätten wir den sichersten Weg zur Gesundheit gefunden“, propagierte schon Hippokrates zu Zeiten der griechischen Antike. Jedoch vor allem in der Therapie orthopädischer Erkrankungen ist nicht, lediglich das Maß an Bewegung, sondern auch deren Qualität von immenser Bedeutung, Inadäquate Qualität bei der Bewegungsausführung könnte hier gesundheitsschädlich sein. Zur Sicherstellung dieser Bewegungsqualität in der Therapie sind Sport- und Bewegungstherapeuten bestens vorbereitet. Ihr evidenzbasiertes Handeln im Einklang mit dem bio-psycho-sozialen Gesundheitsbegriff der ICF in der Rehabilitation hat multiple Facetten, und es gilt die Bestrebung zu wahren, das bewegungstherapeutische Handeln unter Berücksichtigung dieser Trias zu verbessern.

Der Schwerpunkt dieser Ausgabe liegt auf einer biomechanischen und / oder sensomotorischen Begründung des therapeutischen Handelns und der Optimierung therapeutischer Praktiken zur Schaffung von günstigen Beanspruchungs- / Belastungssituationen bei der Therapie verschiedener orthopädischer Beeinträchtigungen. Abgeleitete innovative Konzepte werden im Verlauf dieser Ausgabe kommuniziert. Jöllenbeck und Pietschmann [S. 3] stellen zu Beginn Daten jahrelanger Arbeit aus sukzessiv aufeinanderfolgenden Studien zum Gangtraining nach endoprothetischem Gelenkersatz mit dem Ziel, das Gehen wieder „richtig“ zu erlernen, vor. Das ist insbesondere deswegen wichtig, da mehrere Jahre postoperativ sich noch deutliche Defizite im Gangbild zeigen. Zum Heranführen an ein funktionelles Gangbild erscheint eine direkte Adressierung mit auditivem Feedback über die Reha hinaus erfolgsversprechend zu sein. Zur nachhaltigen Gangbildoptimierung und Vermeidung von Folgeschäden sind mobile und alltagstaugliche Feedback-Tools zu entwickeln. Mit Krause et al. [S. 14] konnten wir weitere Experten gewinnen, die Erfahrungen des Feedbacktrainings aus dem Bereich des Bewegungslernens im Sport in die orthopädische Rehabilitation implementieren. Sie zeigen auf, dass Training mit ergänzendem verzögertem Feedback effektiv zum Erlernen einer postoperativen Teilbelastung beim Gehen an Unterarmgehstützen ist. Mit feedbackgestützten Übungsversuchen konnten Reduktionen der Teilbelastung mit entsprechendem kognitivem Aufwand erreicht werden.

Einen Vergleich zwischen Krafttraining und sensomotorischem Training in der medizinischen Trainingstherapie zur Funktionswiederherstellung bei Patienten nach Kreuzbandplastik stellen Nitzsche et al. [S. 20] im Hinblick auf die Reduktion des bilateralen Kraftdefizits sowie der posturalen Stabilität, Laxizität und Beweglichkeit im Rahmen von ambulanten Rehabilitationsmaßnahmen an. Es ist festzustellen, dass beide Trainingsinhalte eine vergleichbare Reduktion der Funktionsdefizite bewirken. In der orthopädischen Therapie werden Bewegungsaufgaben vor allem danach beurteilt, wie sie geschädigte Strukturen beanspruchen. Die bewegte Last stellt nur eine Variable bezüglich der Beanspruchung geschädigter Strukturen dar. Auch das ist ein Grund, warum die qualitative Komponente der Bewegung an Bedeutung gewinnt. Köppel und Hamacher [S. 29] erläutern, wie Bewegung zu Kompressions-, Zug-, Schub-, Biege- und / oder evtl. Torsionskräften auf die jeweiligen Strukturen führt. Die Autoren betonen, dass zur Kontrolle der alltäglichen Gelenkkräfte eine Verbesserung des muskulären Drehmomentes und der neuromuskulären Kontrolle durch Widerstandstraining und sensomotorisches Training essenziell ist.

Ein weiterer Beitrag außerhalb des Schwerpunkts dieser Ausgabe befassst sich mit der Erhebung körperlicher Aktivität bei anorektischen bzw. adipösen Patienten. Oberste et al. [S. 35] gehen der wichtigen Frage nach, inwieweit hier die Fremdbeurteilung durch fallführende Therapeuten bzw. die Selbstbeurteilung der Patienten Gültigkeit besitzen. Wir wünschen uns, dass diese Ausgabe allen Lesern dabei hilft, ihre berufliche Kompetenz zu erweitern.

Dennis und Dieter Hamacher