Einführung
Das Merkelzellkarzinom (MCC) ist eine seltene Tumorerkrankung, die erstmals 1972 von Cyril Toker beschrieben wurde. Es handelt sich um einen kutanen, neuroendokrinen Tumor, dessen Ursprungszelle bislang nicht sicher identifiziert werden konnte. Namensgebend ist die ursprünglich vermutete Abstammung von epidermalen Merkelzellen. Es finden sich jedoch Unterschiede in den Genexpressionsmustern von Merkelzellen und dem MCC, sodass ein Zusammenhang unwahrscheinlich ist. Aktuell wird eine pluripotente Stammzelle der Epidermis als Ursprungszelle diskutiert [4]. Das MCC tritt v. a. bei älteren und immunsupprimierten Patienten auf. Im Jahr 2008 wurde das Merkelzell-Polyoma-Virus (MCPyV) von Feng et al. als onkogenes Virus erstmalig beschrieben [2]. Es gibt jedoch auch Virus-negative Tumoren, bei denen v. a. der UV-Exposition eine wichtige Rolle in der Ätiopathogenese zukommt.
Seit 1986 nehmen sowohl die Inzidenzrate als auch die tumorspezifische Mortalität des MCC in den USA stark zu [5]. Der Tumor ist hochaggressiv und die Überlebensraten im fortgeschrittenen Stadium sind niedrig; die 5-Jahres-Überlebensrate liegt in den Stadien III und IV zwischen 0 – 18 % [1]. Seit Herbst 2017 steht mit dem anti-PD-L1-Antikörper Avelumab erfreulicherweise eine neue Systemtherapie zur Behandlung des metastasierten MCC zur Verfügung. In diesem Übersichtsartikel werden aktuelle Erkenntnisse zur Pathogenese und zum Management des MCC vorgestellt und diskutiert.
Epidemiologie und Risikofaktoren
MCCs stellen in Europa weniger als 1 % aller kutanen Neoplasien dar. Die Inzidenz des MCC variiert in verschiedenen Regionen der Welt. Für Europa wird sie mit 0,13 pro 100 000, für Australien mit 1,6 pro 100 000 angegeben [6]. In den letzten Jahren zeigte sich eine deutliche Zunahme der Inzidenz. Ob dies wirklich durch ein vermehrtes Auftreten des Tumors oder durch andere Faktoren wie z. B. verbesserte diagnostische Möglichkeiten zu erklären ist, bleibt dabei offen [5]. V. a. ältere, immunsupprimierte und mit dem HI-Virus infizierte Patienten erkranken am MCC. So haben Patienten mit chronisch lymphatischer Leukämie ein 34 – 48-fach erhöhtes Erkrankungsrisiko [7]. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 75 Jahren. Weitere Risikofaktoren sind männliches Geschlecht und ein heller Hauttyp [8].
Klinisches Erscheinungsbild
Das MCC präsentiert sich klinisch als ein solitärer, derber, kuppelförmiger, schnell wachsender Tumor. Meistens ist er rötlich bis blauviolett und weist eine glatte Oberfläche auf. Er entsteht v. a. in den sonnenexponierten Arealen wie der Kopf- und Halsregion sowie den Extremitäten [10]. Heath et al. entwickelten diagnostische Kriterien, die AEIOU-Merkmale. Dabei steht A für asymptomatisch, E für „expanding rapidly“ (schnelles Wachstum), I für Immunsuppression, O für „older than 50 years“ (Alter > 50 Jahre) und U für UV-exponiertes Areal. In einer Untersuchung mit 195 Patienten trafen auf 89 % 3 oder mehr Merkmale zu [7]. Bei ca. einem Drittel der Patienten liegt bei Primärdiagnose bereits eine lokoregionäre oder eine Fernmetastasierung vor [9].
Diagnostik
Die Diagnose des MCCs wird histologisch gestellt. Man unterscheidet 3 verschiedene histologische Typen: den intermediären, den trabekulären und den kleinzelligen Typ. Dabei wird kontrovers diskutiert, ob der trabekuläre Typ die beste Prognose hat [11]. Es zeigt sich ein dermales Proliferat monomorpher, klein- bis mittelgroßer Zellen, häufig bis in die Subkutis infiltrierend. Man sieht große, gelappte Zellkerne, umgeben von wenig Zytoplasma mit einer verschobenen Kern-Plasma-Relation und vielen Mitosen. Zur weiteren Differenzierung sollten immunhistochemische Färbungen durchgeführt werden. Dabei werden einerseits Intermediärfilamentproteine wie das Cytokeratin 20 und andererseits neuroendokrine Marker wie z. B. das Synaptophysin/Chromogranin-A untersucht. Zum Ausschluss relevanter Differenzialdiagnosen sollten weitere Färbungen z. B. für den thyroid transcription factor-1, S100 und CD45 durchgeführt werden. Einige pathologische Institute sowie die Universitätshautklinik Würzburg bieten zudem an, das MCPyV mittels Immunhistochemie oder PCR nachzuweisen, was diagnostisch hilfreich sein kann.
Ätiopathogenese und Molekulargenetik
Das Verständnis der molekularen Pathogenese des MCC hat sich in den letzten 10 Jahren rasant fortentwickelt. Nachdem das vermehrte Auftreten von MCCs unter Immunsuppression einen infektiösen Ursprung nahelegte, führte im Jahre 2008 die Suche nach fremder RNA im Transkriptom der Tumorzellen zur Entdeckung des bis dahin unbekannten Merkelzell-Polyomavirus (MCPyV) [2]. Damit wurde erstmals ein Virus dieser Familie als Ursache für eine humane Tumorerkrankung identifiziert. Bereits zuvor zählten andere Polyomaviren wie z. B. SV40 oder BK, die im Tiermodell verschiedenartige Tumoren induzieren, über viele Jahre zu den wichtigsten Werkzeugen der molekularen Krebsforschung, mit deren Hilfe fundamentale karzinogene Mechanismen aufgedeckt werden konnten. Ein kausaler Zusammenhang dieser Viren mit humanen Krebserkrankungen konnte aber trotz intensiver Suche bis dahin nicht überzeugend belegt werden, obwohl SV40 als Kontamination in Polioimpfstoffen im vorigen Jahrhundert bei Hunderten Millionen Menschen akzidentell appliziert worden war [12]. Für die MCPyV-positiven MCCs geht man dagegen heute davon aus, dass das Virus kausal für die MCC-Entstehung ist. Die wichtigsten Argumente hierfür sind: (i) die klonale Integration des viralen Genoms im Genom der MCC-Zellen eines Tumors [2], (ii) die Integration an unterschiedlichen Orten im Genom bei verschiedenen MCCs, (iii) die Abhängigkeit der Tumorzellen von der Expression zweier von MCPyV kodierter Onkoproteine (large T Antigen [LT] und small T Antigen [sT]) [13], (iv) die Fähigkeit von sT, im Tiermodell Tumoren zu induzieren [14], sowie (v) die stets bei den MCC-assoziierten MCPyV vorhandenen trunkierenden Mutationen in LT, welche die für die Virusreplikation notwendige Helikase-Domäne deletieren, aber eine proliferationsfördernde Domäne erhalten [15]. Die zentrale Rolle von MCPyV und den T-Antigenen als Treiber der MCC-Karzinogenese wird zudem dadurch untermauert, dass (vi) Virus-positive MCCs neben der Insertion der viralen DNA relativ wenig genetische Veränderungen aufweisen. Während Virus-negative MCCs durch eine besonders hohe Mutationslast mit UV-Signatur gekennzeichnet sind, zählen MCPyV-positive MCCs zu den malignen Tumoren mit einer besonders niedrigen Frequenz somatischer Mutationen [16]. Dabei zeigen sich bei den Virus-negativen MCCs regelmäßig Mutationen in klassischen Onkogenen und Tumorsuppressorgenen (RB1, TP53, NOTCH1, FAT1, PIK3CA, AKT1, PIK3CG, HRAS und NF1), während solche Krebs-typischen Mutationen bei den MCPyV-positiven Fällen weitgehend fehlen [17]. Das legt nahe, dass die MCPyV T-Antigene die entscheidenden, möglicherweise auch die alleinigen Treiber bei der Entstehung und Progression Virus-positiver MCCs sind [16].
Die molekularen Mechanismen der MCPyV T-Antigen-induzierten Karzinogenese unterscheiden sich dabei überraschend deutlich von denen der bisher untersuchten Polyomaviren. Anders als z. B. SV40 ist MCPyV-sT in vitro transformierend, LT aber nicht. Während SV40 LT die Tumorsuppressorproteine p53, RB1, p130 und p107 inaktivieren kann, scheinen MCPyV-LT und insbesondere das in MCCs gefundene trunkierte LT nur RB1 zu binden und funktionell zu inhibieren [18]. Die Tatsache, dass die RB1-Interaktionsdomäne bei den MCC-spezifischen trunkierenden Mutationen aber stets erhalten bleibt, sowie die Abhängigkeit etablierter MCC- Zellen von der LT-Expression liefern aber Argumente dafür, dass MCPyV-LT trotz fehlender Aktivität in In-vitro-Transformationsassays für die MCC-Karzinogenese von essenzieller Bedeutung ist. Hinsichtlich sT ist ein großer Unterschied zu SV40 sT, dass die Interaktion mit der Protein-Phosphatase 2a (PP2A) bei MCPyV-sT nicht bedeutsam für die transformierenden Eigenschaften ist [19]. Stattdessen wurden eine ganze Reihe MCPyV-sT-spezifischer Eigenschaften beschrieben und viele davon als für die Transformation essenziell charakterisiert: (i) Aktivierung des Translations-Initiationsfaktors 4E-BP1; (ii) Stabilisierung von Onkoproteinen durch Inhibition der Ubiquitin-Ligase FBw7; (iii) Aktivierung von NF-ĸB durch Inhibition von NEMO; (iv) Erhöhung der Zellmotilität durch Aktivierung der PP4C; (v) Förderung der aeroben Glykolyse; (vi) Inaktivierung von p53 durch Modulation eines großen Transkriptionsfaktorkomplexes (Rekrutierung von MAX und MYCL an den p400-Komplex führen zur gesteigerten Expression des p53-Inhibitors MDM2) und (vii) Förderung von Metastasierung durch Induktion von extrazellulären Proteasen (siehe [Abb. 1]; Übersichtsartikel hierzu: [20]).
Abb. 1 Ätiologie des MCC sowie Funktionen der viralen Onkogene des MCPyV. Das MCC kann durch Integration des MCPyV oder durch eine Anreicherung von UV-induzierten Mutationen ausgelöst werden (A). Für die viralen Onkoproteine des MCPyV, nämlich small T Antigen (B) und large T Antigen (C), konnten bereits verschiedene Funktionen beschrieben werden.
Trotz dieser vielfältigen onkogenen Eigenschaften der MCPyV T-Antigene sind MCPyV-induzierte Tumoren sehr selten, und obwohl gelegentlich über eine Beteiligung von MCPyV auch bei anderen Entitäten spekuliert wird, ist bis heute das Virus-positive MCC der einzige eindeutig MCPyV-induzierte Tumor. Woran könnte das liegen? Auf dem Weg zu einem MCC muss das Virus zunächst einen Menschen infizieren. Dies scheint sehr regelmäßig zu geschehen. Mittels PCR lässt sich MCPyV auf der Haut fast aller gesunden Individuen nachweisen [21], und etwa 80 % aller über 50-Jährigen sind seropositiv für Antikörper gegen das MCC-Hüllprotein VP1 [22]. Eine Mutation, die MCPyV-LT an passender Stelle trunkiert, gepaart mit der nicht zum normalen Lebenszyklus des Virus gehörenden Integration des Virus-Genoms in das Genom einer Zelle, die Ursprung eines MCC sein kann, ist dagegen vermutlich ein seltenes Ereignis. Unklar ist dabei v. a., in welchem zellulären Kontext die MCPyV T-Antigene die MCC-Karzinogenese treiben können, welche Zellen also der Ausgangspunkt eines MCC sein können.
Die Bezeichnung MCC rührt, wie in der Einleitung bereits ausgeführt, daher, dass die MCC-Zellen einen sehr hohen Grad der Überlappung hinsichtlich der Expression von Marker-Proteinen und ultrastrukturellen Merkmalen mit den Merkelzellen aufweisen, die als hochspezialisierte Rezeptorzellen in der Haut an der Mechanoperzeption beteiligt sind. Ob solche ausdifferenzierten und vollständig proliferationsinaktiven Zellen Ausgangspunkt eines Tumors sein können, gilt, wenngleich nicht als ausgeschlossen, so doch eher als unwahrscheinlich. Stattdessen werden Vorläuferzellen der Merkelzellen als mögliche MCC-Ursprungszellen für wahrscheinlich erachtet [23], wobei inzwischen gut etabliert ist, dass sich Merkelzellen aus epidermalen Stammzellen entwickeln und die Merkelzelldifferenzierung durch den basic helix loop helix-Transkriptionsfaktor Atoh1, der auch ein MCC-Marker ist, getrieben und durch aktives Notch signaling limitiert wird. Laut einer anderen Hypothese soll das MCC den Lymphomen zuzuordnen sein, da B-Zell-Vorläufer den Ursprung dieses Tumors darstellen könnten [24]. Dies wird durch den Nachweis von Immunglobulin-Gen-Rearrangements in einigen, Immunglobulin-Expression in vielen und die Expression der Pro/Prä-B-Zell-Marker TdT und Pax in der Mehrheit der MCCs gestützt. Weitere als Ursprungszellen des MCC diskutierte Kandidaten sind dermale Fibroblasten bzw. deren Vorläuferzellen, da Fibroblasten als die natürlichen Wirtszellen von MCPyV in der Haut identifiziert wurden [25]. Andererseits könnte gerade die Tatsache, dass MCPyV nur in Zellen, die nicht die eigentlichen Wirtszellen des Virus sind, eine Tumorentstehung induzieren kann, zusammen mit der relativ niedrigen Wahrscheinlichkeit des Auftretens LT-trunkierender Mutationen und gleichzeitiger Integration ins Wirtsgenom, erklären, warum MCPyV-induzierter Krebs trotz ubiquitärer Verbreitung dieses Onkovirus so selten ist.
Stadieneinteilung und Staginguntersuchungen
Von der Union Internationale contre le Cancer (UICC) wurde 2017 eine neue Stadieneinteilung für das MCC vorgestellt [26]. Dabei wird zwischen klinischen und pathologischen Stadien unterschieden. Die UICC-Stadieneinteilung basiert auf der TNM-Klassifikation, die Angaben zu Primärtumor, Lymphknotenbefall und Fernmetastasen einschließt. Das MCC metastasiert meist zunächst kutan und/oder in die regionären Lymphknoten, anschließend folgen Fernmetastasen besonders in die Lunge, das Zentralnervensystem oder in Knochen. Dabei ist die Prognose des MCCs abhängig vom Tumorstadium bei Erstdiagnose [1]. Daher sollten Primärstaginguntersuchungen abhängig von den Primärtumordaten erfolgen, um eine lokoregionäre oder Fernmetastasierung auszuschließen. Sobald die Lymphknoten befallen sind oder In-transit-Metastasen vorliegen, befindet sich der Patient im Stadium III, bei einer Fernmetastasierung im Stadium IV.
In den aktuellen Leitlinien ist die neue Stadieneinteilung noch nicht erfasst, und auch die neuen Therapieoptionen mit z. B. Avelumab sind noch nicht aufgenommen, sodass (noch) keine aktuellen Empfehlungen zu Untersuchungen im Rahmen des Primärstaging vorliegen. An der Universitätshautklinik Würzburg wird bei jedem Patienten eine Sonografie der In-transit-Strecke und der lokoregionären Lymphknoten empfohlen. Ab einer Tumorgröße von 2 cm bieten wir Staginguntersuchungen mittels Schnittbildgebung von Thorax und Abdomen an, die bei Lokalisation im Kopf/Hals-Bereich auch durch eine Computertomografie des Halses ergänzt werden. In einzelnen Fällen können ein FDG-PET-CT oder ein DOTATE-PET-CT hilfreich bei der Abklärung einer Fernmetastasierung sein [27]. Ein DOTATE-PET-CT kann Metastasen eines MCCs detektieren, da letzteres Somatostatin-Rezeptoren exprimiert, an die der Tracer DOTATE bindet. Bei neurologischen Auffälligkeiten wie z. B. Hirndruckzeichen, epileptischen Anfällen oder Kopfschmerzen kann ein MRT des Schädels zum Ausschluss einer zerebralen Metastasierung sinnvoll sein.
Allen Patienten sollte eine Sentinel-Lymphknoten-Exstirpation zur Komplettierung der Staginguntersuchungen angeboten werden. Bei bereits klinisch auffälligen Lymphknoten kann ggf. direkt eine Lymphknotendissektion erfolgen.
Therapie
Zur Primärtherapie des MCC sollte stets die komplette operative Entfernung angestrebt werden. Aufgrund der hohen Gefahr für das Auftreten von Lokalrezidiven sollte ein Sicherheitsabstand von 2 cm am Primarius eingehalten werden, sofern die anatomischen Gegebenheiten dieses zulassen [28]. Bestehen klinisch auffällige regionäre Lymphknoten oder zeigt sich der Sentinel-Lymphknoten positiv, ist eine komplette Lymphknotendissektion der regionären Lymphknoten zu empfehlen. In-transit-Metastasen sollten ebenfalls komplett exzidiert werden.
Postoperativ ist eine adjuvante Radiatio der Primärtumorregion und des Lymphabflussgebietes zu empfehlen. Diese sollte mit einer Gesamtdosis von 50 Gy zeitnah nach Abschluss der postoperativen Wundheilung durchgeführt werden. In einer randomisiert kontrollierten Studie konnte die adjuvante Radiatio das Auftreten von Lokalrezidiven signifikant verringern, das Gesamtüberleben besserte sich jedoch nicht [29]. In retrospektiven Studien konnte jedoch auch ein verbessertes 3-Jahres-Gesamtüberleben von 70 % nach Operation und adjuvanter Radiatio gegenüber 50 % nach alleiniger Operation festgestellt werden [30]
[31]. Diese positiven Effekte konnten jedoch nur bei begrenzter Tumorausdehnung beobachtet werden, bei fortgeschrittener Tumorerkrankung ab Stadium III konnte eine adjuvante Radiatio das Gesamtüberleben nicht beeinflussen [32]. Ob bei kleinen Primarien der Extremitäten mit negativem Sentinel-Lymphknoten-Befund auf eine Radiatio der Lymphabflussregion verzichtet werden kann, wird kontrovers diskutiert, sodass hier bisher keine endgültige Empfehlung ausgesprochen wurde. Eine Radiatio der Primärtumorregion sollte aber in jedem Fall erfolgen. Auch bei inoperablen Tumoren oder Rezidiven kann eine Radiatio therapeutisch genutzt werden, um eine lokale Kontrolle der Tumorerkrankung zu erreichen [33]. In einem Fall unserer Klinik präsentierte sich an der linken Wange einer Patientin ein ausgedehntes, inoperables Rezidiv eines MCC. Dieses wurde in 25 Fraktionen mit einer Gesamtdosis von 50 Gy bestrahlt. Es zeigte sich eine deutliche Verkleinerung der Tumormasse (siehe [Abb. 2]).
Abb. 2 Inoperables MCC-Rezidiv an der Wange vor und nach Radiotherapie. a Ausgangsbefund. b Nach 25 Sitzungen einer Radiotherapie mit einer Gesamtdosis von 50 Gy.
In inoperablen oder metastasierten Stadien sollte ein multimodales Therapiekonzept unter Einbeziehung von Tumorchirurgie, Radiotherapie und Systemtherapien nach Fallvorstellung in einem Tumorboard evaluiert werden. Das MCC gilt als ein immunogener Tumor, da (i) die Inzidenz bei immungeschwächten Patienten erhöht ist; (ii) Immunantworten auf das MCPyV im Blut der Patienten detektierbar und (iii) Tumor-infiltrierende T-Zellen nachweisbar sind [34]. Daher wurde die Immuntherapie mit anti-PD-1- oder anti-PD-L1-Antikörpern als neuer Therapieansatz entwickelt. Erstmals konnte in einer prospektiven klinischen Studie für diesen Therapieansatz die Wirksamkeit von Pembrolizumab mit einer Ansprechrate von 56 % und einem progressionsfreien Überleben nach 6 Monaten von 67 % demonstriert werden [3]. Seit Oktober 2017 ist mit dem anti-PD-L1-Antikörper Avelumab die erste Immuntherapie zur Behandlung des metastasierten MCC in Deutschland zugelassen. In den Zulassungsstudien zeigte sich eine Ansprechrate von ca. 60 % mit einem progressionsfreien Überleben von 9,1 Monaten [35]. Das mediane Gesamtüberleben lag bei 12,9 Monaten im Gegensatz zu weniger als 6 Monaten unter Chemotherapie [36]. Die Ansprechdauer ist anhaltend, die mediane Ansprechdauer wurde im Beobachtungszeitraum nicht erreicht und die am längsten observierte Ansprechdauer lag bei 23,3 Monaten. Interessant ist hierbei, dass weder der Infektionsstatus bez. des MCPyV noch der PD-L1-Expressionsstatus einen Einfluss auf die Ansprechrate zu haben scheinen. Die Verträglichkeit ist exzellent. Wichtig zu beachten ist, dass die Ansprechraten nach vorhergehender Chemotherapie deutlich niedriger lagen, daher sollte die Immuntherapie heute als First-line-Therapie und die Chemotherapie als Second-line-Therapie betrachtet werden. Als Chemotherapeutika kommen wie bei anderen kleinzelligen Tumoren Monotherapien mit z. B. Doxorubicin, Etoposid, Carboplatin oder Paclitaxel sowie auch Kombinationstherapien dieser Substanzen zum Einsatz. Die Chemotherapie führt zu relativ hohen Remissionsraten von ca. 70 %, die jedoch nur kurz anhalten und keinen verlängernden Einfluss auf das mediane Überleben zeigen [34].
Die Therapiestrategien beim metastasierten MCC sind trotz innovativer Behandlungsansätze weiterhin als palliativ anzusehen, es sollten daher frühzeitig zusätzlich palliative und psychoonkologische Therapiekonzepte miteinbezogen werden.
Prognose und Tumornachsorge
Die Prognose des MCC ist stark abhängig vom Tumorstadium bei Primärdiagnose [1]. Wichtig ist die ausgedehnte operative Entfernung des Tumors mit anschließender Radiotherapie. Prognostisch negativ wirken sich hohes Alter, männliches Geschlecht, Größe des Tumors über 2 cm, Lokalisation im Kopf-Hals-Bereich, ein histologisch kleinzelliger Typ und eine Lymphknotenmetastasierung aus [37]. Patienten mit Lymphknoten- oder Fernmetastasen ohne Primärtumor haben interessanterweise eine bessere Prognose. Dies wird auf eine gesteigerte Immunantwort des Körpers auf die Tumorzellen zurückgeführt [38]. Die 5-Jahres-Überlebensrate im Stadium I liegt ungefähr bei 62,8 % und sinkt dramatisch auf 13,5 % im metastasierten Stadium IV [6]. Diese Zahlen beruhen noch auf der alten UICC-Stadieneinteilung von 2009 und berücksichtigen noch nicht die neuen Immuntherapieansätze. Es kann daher noch keine Aussage getroffen werden, ob und inwieweit die neueren Therapien die Prognose des MCCs verbessern.
Nach abgeschlossener Therapie ist eine regelmäßige Tumornachsorge zu empfehlen. Diese sollte sich am aktuellen Tumorstadium orientieren und neben einer klinischen Untersuchung insbesondere der Primärtumorregion, der In-transit-Strecke und der regionären Lymphknoten auch eine radiologische Bildgebung miteinschließen. Diese reicht von sonografischen Untersuchungen der Lymphknoten bis hin zu schnittbildgebenden Verfahren in höheren Tumorstadien. Ein etablierter Tumormarker wie z. B. das S100 beim Melanom existiert für das MCC nicht. Neueste Studien unter Beteiligung der Würzburger Hautklinik zeigten vielversprechende Ergebnisse für die MikroRNA miR-375 als Biomarker, deren Serumkonzentration mit der Tumorlast der Patienten statistisch signifikant korrelierte [39]. Ob die Bestimmung von miR-375 in der Zukunft zur besseren Diagnostik und Nachsorge des MCC beitragen kann, bleibt abzuwarten.
Ausblick
In den letzten Jahren kam es zu klinisch relevanten Erkenntnisfortschritten hinsichtlich der Karzinogenese, der Biologie sowie der Risikofaktoren und Therapien des MCC. Dennoch bleiben weiterhin viele Fragen unbeantwortet. So ist z. B. die Ursprungszelle noch nicht eindeutig identifiziert. Damit geht einher, dass weitere Risikofaktoren, diagnostische Kriterien, Resistenzmechanismen und Therapieoptionen unbekannt sind.
Mit Avelumab steht uns eine neue, vielversprechende Therapie zur Verfügung. Jedoch zeigen sich auch hier viele Patienten resistent, sodass es weiterer Behandlungsoptionen bedarf. So werden aktuell klinische Studien zur Kombination des anti-PD-1-Antikörpers mit einem anti-CTLA4-Antikörper durchgeführt. Zudem werden bereits klinische Studien durchgeführt, die den Nutzen einer adjuvanten Immuntherapie evaluieren sollen, z. B. in der ADMEC-o-Studie der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO). Auch wäre eine Impfung gegen das MCPyV eine denkbare Option für Risikogruppen wie bspw. immunsupprimierte Patienten, um die Inzidenz des MCC zu senken. Es bleibt abzuwarten, ob die neuen und zukünftigen Erkenntnisse dazu beitragen werden, Prognose und Therapie des MCC nachhaltig zu verbessern.