Rofo 2019; 191(02): 155
DOI: 10.1055/a-0804-7015
DRG-Mitteilungen
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„Künstliche Intelligenz wird sich dort durchsetzen, wo die meisten Fehler gemacht werden.“

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Publication Date:
16 January 2019 (online)

 

    Im Februar dieses Jahres findet in Essen zum dritten Mal nach 2017 und 2018 der ETIM (Emerging Technologies in Medicine) statt. Die zweitägige Tagung nimmt in diesem Jahr vor allem das Datenmanagement von Krankenhäusern in den Blick. Der besondere Reiz der Tagung liegt im konsequent interdisziplinären Ansatz. Hier diskutieren nicht nur Mediziner, sondern Mathematiker, IT-Spezialisten und CEOs von Internet-Start-ups. Tagungsleiter ist neben Prof. Jochen Werner, Medizinischer Direktor der Universitätsklinik Essen, Prof. Michael Forsting, Direktor der Universitätsradiologie Essen und Direktor des IT-Departments der Universitätsklinik. Im Interview skizziert er die Themen der kommenden Tagung.


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    Prof. Michael Forsting

    Einer der Vortragstitel heißt „Blockchains for Healthcare“ – was haben Gesundheit und Gesundheitsmanagement mit dieser Krypto-Technik zu tun?

    Viele denken bei Blockchains zuerst an die Internetwährung Bitcoins. Doch diese Technik kann noch viel mehr und gibt Antwort auf große Herausforderungen beim Handling von sensiblen Gesundheitsdaten. Einer der Hauptfragen etwa bei der elektronischen Patientenakte epa lautet ja: Wo sollen die Daten liegen? Blockchain-Technik hat darauf Antworten parat. Blockchain kann auch helfen, das ärztliche Verschreibungsverhalten zu verbessern. So lässt sich etwa die Verschreibung von Arzneien blockieren, wenn in den bereits bestehenden und zu überschreibenden Datensätzen Kontraindikationen sichtbar werden. Vieles davon, worüber wir sprechen werden, befindet sich übrigens bereits in praktischer Anwendung. Das kleine baltische Land Estland hat das komplette Gesundheitswesen bereits digitalisiert und arbeitet mit der Blockchain-Technik. Davon können wir lernen.

    Ein speziell auf die interventionelle Radiologie abzielender Beitrag beschäftigt sich mit Image Guided Interventions – was darf man sich darunter vorstellen und wohin geht die Entwicklung in der Interventionellen Radiologie?

    Image Guided Interventions dienen vor allem der Definition von Zielpunkten. Beispielsweise bei der Punktion eines Tumors. Ich muss wissen, wo sich der bösartigste Teil des Tumors verbirgt und genau diesen punktieren. Die technischen Entwicklungen in diesem Bereich sollen die Punktionsmethode verbessern und Fehldiagnosen verringern. Das ist zum Beispiel bei der Prostatadiagnostik entscheidend, wo das Punktionsergebnis zum Beispiel über die Frage „Operation oder active surveillance?“ entscheidet.

    Erstmals nimmt Ihre Tagung auch rechtliche Fragen in den Blick, Stichwort FDA-Zulassung bei AI-Apps.

    Eine App, die im diagnostischen Bereich zum Einsatz kommt, ist ein Medizinprodukt und muss den hohen Sicherheitsstandards hinsichtlich Qualität und Datensicherheit genügen. Wichtig ist auch, dass gerade wir Universitätsklinika uns unserer besonderen Rolle bewusst werden: Wir sind es, die über die wichtigste Währung im Künstliche-Intelligenz-Sektor der Medizin verfügen, nämlich eine große Zahl an validen Datensätzen – Datensätze, die die Entwickler brauchen, um damit die Algorithmen für die Anwendungen zu trainieren. Die entscheidende Frage für die Universitätsradiologie wird sein, wie wir uns hier vermarkten.

    Der Schlussvortrag ist betitelt: „The end of medicine as we know it.” Was wird die Medizin im Zeitalter künstlicher Intelligenz kennzeichnen und welche Rolle wird die Medizin dabei spielen – und speziell die Radiologie?

    Offen gestanden glaube ich, dass sich die Radiologie gar nicht so dramatisch verändern wird, denn unsere Disziplin ist ja bereits digitalisiert und hat vieles von dem, was anderen medizinischen Fächern noch bevorsteht, bereits antizipiert. Künstliche Intelligenz wird sich in der Medizin dort durchsetzen, wo die meisten Fehler gemacht werden – und das ist die sprechende Medizin. Bereits vor einiger Zeit kam eine App auf den Markt, die mit hoher Prädiktion via Stimmerkennung eine depressive Erkrankung diagnostizieren konnte. Wir müssen uns davon verabschieden, dass der Arzt der Wissensträger ist. Das ist bei der zunehmenden Komplexität der Medizin auch gar nicht mehr möglich. Aber das muss uns nicht sorgen, im Gegenteil: Künstliche Intelligenz wird helfen, die Medizin zu verbessern und tut es bereits.

    Artificial Intelligence and Smart Hospital Summit

    Die Tagung „Emerging Technologies in Medicine“ – ETIM 2019 – findet vom 22. bis 23.02.2019 unter der Leitung von Prof. Michael Forsting und Prof. Jochen Werner im Lehr- und Lernzentrum der Medizinischen Fakultät Essen statt. Der Eintritt ist frei. Anmeldung und weitere Informationen unter https://etim.uk-essen.de/.


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    Prof. Michael Forsting