Pneumologie 2019; 73(01): 22-23
DOI: 10.1055/a-0802-3633
Standpunkt
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sirolimus in der Therapie der LAM – ein neuer MILEStone erreicht?

Sirolimus for LAM – A New MILEStone Reached?
M. Kreuter
1   Zentrum für interstitielle und seltene Lungenerkrankungen, Thoraxklinik, Universitätsklinikum Heidelberg und Deutsches Zentrum für Lungenforschung (TLRC/DZL)
,
H. Wirtz
2   Universitätsklinikum Leipzig, Abteilung Pneumologie
› Author Affiliations
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Michael Kreuter
Zentrum für interstitielle und seltene Lungenerkrankungen
Thoraxklinik, Universitätsklinikum Heidelberg
Röntgenstr. 1
69126 Heidelberg

Publication History

eingereicht19 November 2018

akzeptiert nach Revision20 November 2018

Publication Date:
12 December 2018 (online)

 

Die Lymphangioleiomyomatose (LAM) ist eine seltene zystische Lungenerkrankung, die als sporadische (S-LAM) und tuberöse Sklerose-assoziierte LAM (TSC-LAM) vorkommt. Charakterisiert sind beide LAM-Formen durch eine pulmonale Infiltration von LAM-Zellen, spindeligen oder rundlichen Zellen, die am ehesten von glatten Muskelzellen aus Lymphgefäßen stammen und über Blut- und Lymphgefäße disseminieren. Wachstumsaktivierende Mutationen in den Tuberöse-Sklerose-Genen (TSC1 und TSC2) führen zu einer Hochregulation von mTOR (mechanistic Target of Rapamycin) und dadurch zu einem unregulierten Wachstum, Motilität und Überleben der betroffenen Zellen [1]. Aufgrund der Schlüsselrolle des mTOR pathways bei der LAM wurde vor einigen Jahren die Hypothese generiert, dass eigentlich als Immunsuppressiva nach Transplantationen eingesetzte Medikamente wie das Sirolimus (synonym Rapamycin) oder Everolimus in ihrer Funktion als mTOR-Inhibitoren bei der LAM einen therapeutischen Stellenwert haben könnten. J. Bissler beschrieb bereits vor 10 Jahren erstmalig einen positiven Effekt des mTOR-Inhibitors Sirolimus auf die extrathorakale LAM-Manifestation in Form von Angiomyolipomen [2]. Die MILES-Studie war die Grundlage, um Sirolimus als bisher erste nachgewiesen wirksame Therapie der LAM zu etablieren. In dieser Studie konnten F. X. McCormack et al. einen signifikanten Effekt des Sirolimus im Vergleich zu Placebo auf den Verlauf der Lungenfunktion und des Serum-VEGF-D (vascular endothelial growth factor D) bei LAM nachweisen [3]. Allerdings war die MILES-Studie u. a. aus Toxizitätsgründen auf 12 Monate angelegt, sodass Langzeitdaten bisher kaum verfügbar sind. Jüngere, aber nicht randomisierte Daten unterstreichen aber die anhaltende Wirksamkeit und Sicherheit dieser Therapie und zeigen, dass Sirolimus auch bei Chylothorax, Chylaskos und abdominellen Formen der LAM eine gute Wirkung hat [4] [5] [6] [7] [8]. Die aktuelle Leitlinie der ATS und JRS [9] zur Therapie der LAM empfiehlt, auf dem Boden der Daten der MILES-Studie, eine Therapie mit Sirolimus bei Patientinnen mit einer eingeschränkten oder sich verschlechternden Lungenfunktion (FEV1 < 70 % oder abfallend). Darüber hinaus sollten LAM-Patientinnen mit chylösen Ergüssen, insbesondere vor einer invasiven, z. B. thoraxchirurgischen Therapie, Sirolimus erhalten.

Diese wegweisenden Studien und die Empfehlung der Leitlinie haben zu einem Umbruch in der Therapie der LAM geführt: Antihormonelle Therapien sind weitestgehend verlassen worden, und Sirolimus wird in den meisten Zentren als Therapie der Wahl eingesetzt. Allerdings war die Verschreibung von Sirolimus bis dato schwierig. Denn Sirolimus war in Europa nicht zur Therapie der LAM zugelassen, während die amerikanische FDA die Zulassung bereits 2015 erteilte. Demzufolge musste in Deutschland bisher ein Off-Label-Use beantragt werden – was in der Mehrheit der Fälle zwar gelang, jedoch in einigen Fällen zu erheblichen Verzögerungen durch das Beschreiten von Rechtswegen führte. Wahrscheinlich hatten diese Verzögerungen in vielen Fällen entsprechende negative Auswirkungen auf den Verlauf der Erkrankungen gehabt. Diese Situation hat sich erfreulicherweise im August diesen Jahres geändert. Denn die European Medicines Agency, EMA, erteilte die Zulassung für Rapamune (Sirolimus) nun auch zur Therapie der LAM. Der in der deutschen Fachinformation aufgeführte und auf der Webseite der EMA einsehbare Text lautet: „Rapamune ist angezeigt für die Behandlung von Patienten mit sporadischer Lymphangioleiomyomatose mit mittelschwerer Lungenerkrankung oder abnehmender Lungenfunktion“ [10].

Diese Zulassung bedeutet aus unserer Sicht, dass für Patientinnen mit LAM nun ein erneuter Meilenstein erreicht wurde – eine effektive Therapie ist nicht nur existent, sondern nun auch verschreibungs- und erstattungsfähig, Wartezeiten bis zum Bescheid des Off-Lable-Use-Antrags entfallen, und es kann rasch – z. B. beim chylösen Pleuraerguss – reagiert und ggf. können sogar Operationen verhindert werden.

Dennoch sind einige offene Fragen zu bedenken. Sirolimus ist primär ein Immunsuppressivum und hat einige weitere relevante Nebenwirkungen wie die Stomatitis [11]. Darüber hinaus ist Sirolimus nur für „mittelschwere und/oder progrediente funktionelle Einschränkungen“ zugelassen, aber nicht für frühe Formen der Erkrankung. Offen bleibt auch die Frage nach einem, möglicherweise individuellen, optimalen Sirolimusspiegel. Während aktuelle Daten eine Assoziation von Nebenwirkungen mit der Höhe des Sirolimusspiegels nahelegen [5], kann eine eindeutige Zielspiegelempfehlung bisher nicht ausgesprochen werden. Neuere Studien lassen auch erkennen, dass ein früherer Therapiebeginn (FEV1 > 70 % ) sinnvoll sein kann [5] [12], während die Zulassung eine Verordnung auch bei abfallenden Lungenfunktionswerten berücksichtigt hat. Zukünftige Studien müssen daher Spiegel, Biomarker der Erkrankung wie das VEGF-D, Lungenfunktion und pulmonale Strukturveränderung berücksichtigen, um die Therapie bei dieser sehr seltenen Erkrankung weiter zu verbessern. LAM-Patientinnen benötigen neben einem engagierten Pneumologen, der sie vor Ort betreut, in vielen Fällen auch eine Anbindung an ein spezialisiertes Zentrum, wo schwierige Fragen zu Pneumothorax, Chylothorax, abdominelle Manifestation, Chylaskos, Fragen der Nebenwirkungen, zusätzliche Medikation, Studienteilnahme und ggfs. der Reproduktion in einem Team mit Pneumologen, Thoraxchirurgen und Reproduktionsmedizinern beraten werden können. An solchen Zentren wird die Entscheidung zur Therapie mit Sirolimus, wie schon bisher, aber jetzt auf der Basis einer gesicherten Zulassung eine wichtige Rolle spielen. Dabei darf nicht übersehen werden, dass Sirolimus eine Therapie ist, die nur wirkt, solange sie angewendet wird, und die Erkrankung ohne diese Therapie progredient ist. Die Forschung arbeitet an zusätzlichen Maßnahmen, die möglicherweise zu einer Elimination von LAM-Zellen führen könnten [13]. Für den gegenwärtigen Zeitpunkt bleibt festzustellen, dass für LAM-Patientinnen ein entscheidender Meilenstein in der Therapie erreicht worden ist – aber die Reise muss weitergehen.


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Interessenkonflikt

M. Kreuter gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
H. Wirtz hat Vortragshonorare von Pfizer erhalten.

  • Literatur

  • 1 Gupta N, Vassallo R, Wikenheiser-Brokamp KA. et al. Diffuse cystic lung diseases, Part I. Am J Respir Crit Care Med 2015; 191: 1354-1366
  • 2 Bissler JJ, Mc Cormack FX, Young LR. et al. Sirolimus for Angiomyolipoma in tuberous sclerosis complex or Lymphangioleiomyomatosis. N Engl J Med 2008; 358: 140-151
  • 3 McCormack FX, Inoue Y, Moss J. et al. National Institutes of Health Rare Lung Diseases Consortium; MILES Trial Group. Efficacy and safety of sirolimus in lymphangioleiomyomatosis. N Engl J Med 2011; 364: 1595-1606
  • 4 Zhan Y, Shen L, Xu W. et al. Functional improvements in patients with lymphangioleiomyomatosis after sirolimus: an observational study. Orphanet J Rare Dis 2018; 13: 34
  • 5 Bee J, Fuller S, Miller S. et al. Lung function response and side effects to rapamycin for lymphangioleiomyomatosis: a prospective national cohort study. Thorax 2018; 73: 369-337
  • 6 Takada T, Mikami A, Kitamura N. et al. Efficacy and Safety of Long-Term Sirolimus Therapy for Asian Patients with Lymphangioleiomyomatosis. Ann Am Thorac Soc 2016; 13: 1912-1922
  • 7 Taveira-DaSilva AM, Jones AM, Julien-Williams P. et al. Long-Term Effect of Sirolimus on Serum Vascular Endothelial Growth Factor D Levels in Patients With Lymphangioleiomyomatosis. Chest 2018; 153: 124-132
  • 8 Taveira-DaSilva AM, Julien-Williams P, Jones AM. et al. Rates of change in FEV1 and DLCO as potential indicators for mTOR inhibitor therapy in premenopausal lymphangioleiomyomatosis patients. Eur Respir J 2018; 51: 1702258
  • 9 McCormack FX, Gupta N, Finlay GR. et al. Official American Thoracic Society/Japanese Respiratory Society Clinical Practice Guidelines: Lymphangioleiomyomatosis Diagnosis and Management. Am J Respir Crit Care Med 2016; 194: 748-761
  • 10 Fachinformation Rapamune. Stand November 2018 http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_-_Product_Information/human/000273/WC500046437.pdf
  • 11 Kitamura N, Seyama K, Inoue Y. et al. Risk factors for stomatitis in patients with lymphangioleiomyomatosis during treatment with sirolimus: A multicenter investigator‐initiated prospective study. Pharmacoepidemiol Drug Saf 2017; 26: 1182-1189
  • 12 XU KF, Tian C, Yang Y. et al. Rapamycin for lymphangioleiomyomatosis: optimal timing and optimal dosage. Thorax 2018; 73: 308-310
  • 13 Wirtz H. LAM: Neue Therapien – neue Chancen?. Der Pneumologe 2016; 13: 13-19

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Prof. Dr. Michael Kreuter
Zentrum für interstitielle und seltene Lungenerkrankungen
Thoraxklinik, Universitätsklinikum Heidelberg
Röntgenstr. 1
69126 Heidelberg

  • Literatur

  • 1 Gupta N, Vassallo R, Wikenheiser-Brokamp KA. et al. Diffuse cystic lung diseases, Part I. Am J Respir Crit Care Med 2015; 191: 1354-1366
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