Salisbury C.
et al.
Management of multimorbidity using a patient-centred care model: a pragmatic cluster-randomised
trial of the 3D approach.
Lancet 2018;
DOI:
10.1016/S0140-6736(18)31308-4
Multimorbide Patienten werden oftmals von verschiedenen Fachärzten behandelt, was
mit einer Einschränkung der Lebensqualität durch zahlreiche Arzttermine einerseits
und hohe Gesamtkosten andererseits einhergeht. Vor diesem Hintergrund haben sich in
den letzten Jahren patientenzentrierte Versorgungsmodelle etabliert, ohne dass es
bislang explizite Studien zu deren Effektivität gibt. Salisbury und Kollegen haben
an diesem Punkt angesetzt und zunächst auf Grundlage aktueller evidenzbasierter Empfehlung
einen patientenzentrierten Ansatz, das sogenannte „3D-Modell“, entwickelt. Den Namen
haben sie dabei gezielt gewählt, um der Multidimensionalität des Ansatzes Ausdruck
zu verleihen.
Das „3D Modell“ umfasst eine intensivierte Behandlung, bei denen Patienten auf drei
Ebenen von ihrem Hausarzt, einer Krankenschwester und einem Apotheker betreut werden.
Für ihre Studie rekrutierten die Forscher multimorbide Patienten mit mindestens drei
chronischen Erkrankungen, die in einer Praxis in England oder Schottland behandelt
wurden. Eingeschlossene Patienten erfüllten zusätzlich folgende Kriterien:
-
Alter von mindestens 18 Jahren,
-
Lebenserwartung von über 12 Monaten,
-
Fähigkeit, einen Fragebogen auszufüllen.
Es wurden nicht mehr als 150 Patienten pro Praxis rekrutiert. Die Forscher ordneten
jeden Patienten einer von zwei Studiengruppen zu:
Als primärer klinischer Endpunkt diente die durch die Patienten eingeschätzte Lebensqualität,
erfasst mit dem EQ-5 D-5 L Fragebogen. Die Befragung erfolgte zu Studienbeginn, sowie
9 und 15 Monate nach der Rekrutierung. Sekundäre Endpunkte waren unter anderem der
Pflegeaufwand sowie die subjektiv empfundene Belastung durch die Therapie. Schließlich
erfassten die Untersucher Veränderungen verschiedener Faktoren der patientenzentrierten
Pflege.
Lebensqualität vergleichbar
Zwischen Mai und Dezember 2015 konnten insgesamt 1546 Patienten rekrutiert werden,
797 von ihnen aus 16 Praxen nahmen in Gruppe 1 an dem „3D-Modell“ teil, die anderen
749 Patienten aus 17 weiteren Praxen erhielten die Standardbehandlung. Die Patienten
waren durchschnittlich 71 Jahre alt und hatten im Mittel drei chronische Erkrankungen,
mehr als 90 % der Teilnehmer litten unter einer kardiovaskulären Störung, die Hälfte
hatte die Diagnose eines Diabetes mellitus.
Die Forscher konnten für 1361 (88 %) der Studienteilnehmer auf die vollständigen Datensätze
zum primären klinischen Endpunkt zurückgreifen. Im Hinblick auf die mittels Fragebogen
erfasste Lebensqualität bis 15 Monate nach Studienbeginn ergab sich kein signifikanter
Gruppenunterschied. Auch für die sekundären Endpunkte zeigten sich keine überzeugenden
Differenzen. Patienten aus Gruppe 1 verbesserten sich aber durch Teilnahme am „3D-Modell“
hinsichtlich verschiedener Faktoren der patientenzentrierten Pflege.
Eine mehrdimensionale patientenzentrierte Versorgung konnte in dieser Studie die Lebensqualität
der Betroffenen nicht verbessern. Auch bei weiteren Endpunkten wie der subjektiv eingeschätzten
Belastung durch die Therapie zeigten sich keine Unterschiede zur Standardbehandlung.
Da sich der neue Behandlungsansatz allerdings positiv auf Faktoren der patientenzentrierten
Pflege auswirkte, halten die Autorinnen/Autoren ihr Konzept dennoch für sinnvoll.
Dipl.-Psych. Annika Simon, Hannover