Einführung
Bis 2016 ist die Zahl der ausländischen Ärztinnen und Ärzte in Deutschland auf ca.
46.700 angestiegen; damit stellen ausländische Berufsträger 10,6 % der in Deutschland
gemeldeten Ärzteschaft.[1] Von diesen besitzen 2017 insgesamt 11,8 % eine ausländische Staatsbürgerschaft.[2] Medizinerinnen und Mediziner mit Abschlüssen aus anderen Ländern müssen, ebenso
wie ihre in Deutschland ausgebildeten Kolleginnen und Kollegen, eine Approbation oder
Berufserlaubnis nachweisen können und ihre ausländische Facharztausbildung in Deutschland
anerkennen lassen. Auf dem verhältnismäßig schnellsten und einfachsten Weg ist dies
Ärztinnen und Ärzten aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union möglich. Für Ärzte
aus sogenannten Drittstaaten gestaltet sich das Unterfangen, eine Approbation zu erhalten,
schwieriger.
Während die Vorschriften über die ärztliche Approbation in der Bundesärzteordnung (BÄO)
und der Approbationsordnung (ÄApprO) bundesweit einheitlich gelten, sind die Bestimmungen
über die Weiterbildung in den Heilberufskammergesetzen (Ländergesetze) und autonomen
Satzungen der Landesärztekammern geregelt. Insbesondere die Vorschriften über die
Anerkennung der Facharztausbildungen und die Ausbildungszeiten in den Ländergesetzen
sind inhomogen, im Wesentlichen jedoch an der Muster-Weiterbildungsordnung (MWBO)
der Bundesärztekammer angelehnt. Aufgrund der vielfältigen Regelungen in unterschiedlichen
Gesetzen gestalten sich die Voraussetzungen zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit
äußerst komplex und sind mithin für mögliche Bewerber schwer zu überblicken.
Anerkennung ausländischer Studienabschlüsse und Berufserlaubnis
Anerkennung ausländischer Studienabschlüsse und Berufserlaubnis
Ärztinnen und Ärzten, die eine nach 1976 abgeschlossene ärztliche Ausbildung in einem
der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des
Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum nachweisen können, wird im Verfahren
der automatischen Anerkennung die Approbation erteilt.[3] Die Ausbildung, einschließlich der ärztlichen Prüfung, gilt dabei als der deutschen
ärztlichen Ausbildung vergleichbar, wenn sie durch Vorlage eines Europäischen Berufsausweises
nachgewiesen wird, § 3 Abs. 1 BÄO. Bei später hinzugetretenen Mitgliedstaaten ist
gegebenenfalls auf den jeweiligen Beginn der Ausbildung nach dem Beitritt des Staates
abzustellen. Eine individuelle Gleichwertigkeitsprüfung ist nicht erforderlich.
Sofern Ärztinnen und Ärzte über Ausbildungsnachweise, die in einem Drittstaat ausgestellt
wurden, verfügen, müssen diese zum Erhalt der Approbation die Gleichwertigkeit ihres
Ausbildungsstandes nachweisen, § 3 Abs. 3 BÄO. Die Kenntnisprüfung bezieht sich ausdrücklich
auf den Inhalt des deutschen Studiums, § 3 Abs. 3 S. 3 BÄO.[4] Ärztinnen und Ärzte mit Abschlüssen aus Drittstaaten müssen in dieser Prüfung grundsätzlich
nachweisen, dass sie über das Wissen verfügen, das von einheimischen Absolventen medizinischer
Hochschulen verlangt wird.[5] Der Schwerpunkt der Prüfung liegt auf den Fächern Innere Medizin und Chirurgie.
Maßstab für die zu prüfende Gleichwertigkeit ist der Ausbildungsstand nach einem Studium
der Medizin von mindestens sechs Jahren in der Bundesrepublik Deutschland (§ 3 Abs.1
S. 1 Nr. 4 BÄO), von denen mindestens acht, höchstens zwölf Monate auf eine praktische
Ausbildung in Krankenhäusern oder geeigneten Einrichtungen der ärztlichen Krankenversorgung
entfallen.
Der Ausbildungsstand ist als gleichwertig anzusehen, wenn keine wesentlichen Unterschiede
gegenüber der deutschen Ärzteausbildung vorliegen. Solche Unterschiede lägen beispielsweise
dann vor, wenn die nachgewiesene Ausbildungsdauer die deutsche Ausbildungsdauer mindestens
um ein Jahr unterschreitet oder sich die Ausbildungsfächer wesentlich von der deutschen
Ausbildung unterscheiden.[6] Es besteht jedoch die Möglichkeit, wesentliche Unterschiede ganz oder teilweise
durch Kenntnisse auszugleichen, die der Antragsteller im Rahmen seiner ärztlichen
Berufspraxis erworben hat.[7] Dabei ist nicht entscheidend, in welchem Staat der Antragsteller die Kenntnisse
und Fähigkeiten erworben hat, § 3 Abs. 2. S. 5 BÄO. Der Nachweis über den Ausgleich
der festgestellten wesentlichen Unterschiede ist durch Bestehen einer sogenannten
Eignungsprüfung („Defizitprüfung“) zu erbringen.[8]
In allen anderen Fällen können Drittstaatsangehörige nur eine Berufserlaubnis beantragen,
die zur Ausübung des ärztlichen Berufs für eine befristete Zeit ermächtigt, § 10 BÄO.
Allerdings ist eine Beantragung nur dann möglich, wenn auch eine Aufenthalts- und
Arbeitserlaubnis vorgelegt wird. Antragstellern, die über einen Ausbildungsnachweis
als Arzt verfügen, der in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgestellt wurde,
wird in der Regel keine Berufserlaubnis erteilt, da diesen ohnehin ein Anspruch auf
Erteilung der Approbation zusteht. Abweichend davon kann auf Antrag die Erlaubnis
erteilt werden, soweit „im Hinblick auf die beabsichtigte ärztliche Tätigkeit ein
besonderes Interesse an der Erteilung der Erlaubnis besteht.“[9]
Die Erteilung der Berufserlaubnis erfolgt widerruflich und wird nur bis zu einer Gesamtdauer
der ärztlichen Tätigkeit von höchstens zwei Jahren erteilt. Hintergrund der Befristung
ist, dass nach dem Willen des Gesetzgebers alle Antragsteller umgehend die Approbation
beantragen sollen und das Approbationsverfahren vorrangig betrieben werden soll. Die
Behörde kann die Berufserlaubnis sowohl inhaltlich als auch örtlich auf eine Beschäftigungsstelle
beschränken.[10] Anders als bei der Approbationserteilung ist für die Erteilung der Berufserlaubnis
die Feststellung der Gleichwertigkeit nicht erforderlich. Bei Vorliegen eines Zeugnisses
über den Abschluss des Medizinstudiums steht es im Ermessen der Behörde, die Berufserlaubnis
zu erteilen. Sofern allerdings keine gewichtigen Interessen gegen die Erteilung der
Berufserlaubnis sprechen und alle Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, wird die Behörde
dem Antrag stattgeben.
Die Bundesärzteordnung und die Approbationsordnung für Ärzte enthalten zusätzlich
zu den Regelungen zur automatischen Anerkennung bzw. Prüfung der Gleichwertigkeit
der Ausbildung auch detaillierte Regelungen über den Ablauf des Anerkennungsverfahrens,
insbesondere hinsichtlich der vorzulegenden Unterlagen, der Entscheidungsfristen und
des Inhalts der Bescheide. Neben der amtlich beglaubigten Kopie der Befähigungsnachweise
oder der Unbedenklichkeitsbescheinigung durch das Herkunftsland wird unter anderem
eine tabellarische Aufstellung der absolvierten Ausbildungsgänge gefordert.[11] Ausländische Ärztinnen und Ärzte haben, wie auch deutsche Ärztinnen und Ärzte, darüber
hinaus die allgemeinen Vorgaben für die Beantragung einer Approbation und die dazu
erforderlichen Unterlagen nach § 39 ÄApprO zu beachten.
Anerkennung von Fortbildungszeiten und abgeschlossenen Facharztausbildungen bei ausländischen
Ärzten
Anerkennung von Fortbildungszeiten und abgeschlossenen Facharztausbildungen bei ausländischen
Ärzten
Ursprünglich war die Anrechnung von Fortbildungszeiten nicht erst nach dem Erhalt
der Approbation, sondern bereits ab Vorliegen einer Berufserlaubnis möglich. Dieser
Zusatz wurde jedoch von vielen Ärztekammern in ihren Weiterbildungsordnungen gestrichen:[12]
Die Beschränkungen der Ärztekammern, Fortbildungszeiten nur noch nach dem Erhalt der
Approbation bei ausländischen Ärzten gelten zu lassen, basiert auf der Umsetzung der
EU-Richtlinie (Richtlinie 2013/55/EU) vom 20.11.2013 zur Änderung der Richtlinie 2005/36/EG
über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012
über die Verwaltungszusammenarbeit mithilfe des Binnenmarkt-Informationssystems („IMI-Verordnung“).
In der Richtlinie 2005/36/EG sind die Mindestanforderungen an die ärztliche Grundausbildung
(Art. 24) sowie an die fachärztliche Weiterbildung (Art. 25) normiert, die durch die
Richtlinie 2013/55/EU modifiziert wurden.
In Art. 25 Abs. 1 der Neufassung heißt es dazu wie folgt:
„Die Zulassung zur fachärztlichen Weiterbildung setzt voraus, dass eine ärztliche
Grundausbildung nach Artikel 24 Absatz 2 abgeschlossen und als gültig anerkannt worden
ist, mit der angemessene medizinische Grundkenntnisse erworben wurden.“
Artikel 24 Abs. 2 der Neufassung legt den Umfang der ärztlichen Grundausbildung fest:
„Die ärztliche Grundausbildung umfasst mindestens fünf Jahre (kann zusätzlich in der
entsprechenden Anzahl von ECTS-Punkten ausgedrückt werden) und besteht aus mindestens
5500 Stunden theoretischer und praktischer Ausbildung an einer Universität oder unter
Aufsicht einer Universität.
Bei Berufsangehörigen, die ihre Ausbildung vor dem 1. Januar 1972 begonnen haben,
kann die in Unterabsatz 1 genannte Ausbildung eine praktische Vollzeitausbildung von
sechs Monaten auf Universitätsniveau unter Aufsicht der zuständigen Behörden umfassen.“
Ziel der Novellierung war es, ein gleichbleibend hohes Niveau der öffentlichen Gesundheit
und Patientensicherheit in der Europäischen Union zu gewährleisten, indem Kriterien
der ärztlichen Grundausbildung und fachärztlichen Weiterbildung festgelegt und ein
entsprechender Mindeststandard sichergestellt werden.[13]
Für die Zulassung zur Weiterbildung bedarf es nach Art. 25 Abs. 1 der EU-Richtlinie
demzufolge einer abgeschlossenen und als gültig anerkannten Grundausbildung. Fraglich
ist, ob die Berufserlaubnis nach § 10 BÄO den in Art. 25 neue Fassung definierten
Mindeststandard erfüllt. § 10 Abs. 1 BÄO legt fest, dass die Berufserlaubnis auf Antrag
Personen erteilt werden kann, die „eine abgeschlossene Ausbildung für den ärztlichen
Beruf nachweisen.“ Anders als bei der Approbationserteilung ist die Behörde jedoch
nicht an die strengen Voraussetzungen des § 3 BÄO und des Art. 24 der Neufassung der
EU-Richtlinie gebunden. Das bedeutet auch, dass die Behörde weder die gesundheitliche
Eignung des Antragstellers noch die Dauer des Medizinstudiums und der anschließenden
praktischen Ausbildung überprüft bzw. überprüfen kann. Zwar liegt auch bei einer erteilten
Berufserlaubnis ein abgeschlossenes Studium vor, dieses entspricht jedoch nicht zwingend
den in Art. 24 der Neufassung der EU-Richtlinie normierten Anforderungen. Erst die
Approbation stellt damit ein gültiges (dauerhaftes) Anerkenntnis im Sinne des Art. 25
dar.
Ein weiteres Hindernis für Bewerber stellt das Anerkennungserfahren von Fortbildungszeiten
und Facharztausbildungen dar, dieses ist auf Bundesebene nicht einheitlich geregelt.
Die Länder, denen gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 Grundgesetz die Gesetzgebungskompetenz
für das Gebiet der Heilberufe zusteht, mussten, um die verbindlichen europäischen
Regelungen des Art. 24 der Europäischen Richtlinie in das deutsche Recht zu implementieren,
ihre Heilberufsgesetze ändern. Für Deutschland sind in allen Angelegenheiten ärztlicher
Weiterbildung die Landesärztekammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts zuständig.
Die von der Bundesärztekammer erarbeitete (Muster-) Weiterbildungsordnung, die Regelungen
zur Anerkennung im Ausland abgeschlossener Facharztausbildungen enthält, hat dementsprechend
lediglich empfehlenden Charakter. In die aktuellen Weiterbildungsordnungen der Länder
wurde durch die zuständigen Landesärztekammern der Zusatz aufgenommen, dass Fortbildungszeiten
erst nach Erteilung der Approbation oder nach Berufserlaubnis unter vorheriger Feststellung
der Gleichwertigkeit der ärztlichen Grundausbildung angerechnet werden können, vgl.
§ 5 Abs. 1 S. 1 Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen.
Daher müssen die Antragstellenden in der Regel das Verfahren zur Erteilung der Approbation
erfolgreich durchlaufen, bevor die Anerkennung der Fortbildungszeiten aufgrund einer
im Ausland begonnenen Weiterbildung möglich ist. Dabei sollte jedoch nicht in Vergessenheit
geraten, dass Tätigkeitszeiten nach der Erteilung der Berufserlaubnis im Inland ebenfalls
als Weiterbildungszeiten anerkannt werden können und werden, sofern der Arbeitgeber
über eine Weiterbildungsbefugnis verfügt. Über die Anerkennung bislang abgeleisteter
Weiterbildungszeiten entscheidet die zuständige Ärztekammer.
Die vorstehend genannten Regelungen gelten weitestgehend auch für die Anerkennung
im Ausland abgeschlossener Facharztausbildungen. Bevor die Anerkennung der Facharztausbildung
möglich ist, muss der Antragsteller das Verfahren zur Erteilung der Approbation erfolgreich
durchlaufen haben. Grundsätzlich muss für eine Anerkennung des Weiterbildungsnachweises
die Gleichwertigkeit des Weiterbildungsstandes nachgewiesen werden.[14] Das Erfordernis der Feststellung der Gleichwertigkeit ist unabhängig von der Staatsangehörigkeit,
was bedeutet, dass auch Antragsteller aus EU-Mitgliedstaaten nach den Weiterbildungsordnungen
der Landesärztekammern die Gleichwertigkeit des absolvierten Weiterbildungsgangs nachweisen
müssen.
Fazit
Der Trend des Auseinanderdriftens von Behandlungsbedarf und Behandlungskapazitäten
setzte sich in den vergangenen Jahren fort – die Schere öffnet sich weiter.[15] Trotz der steigenden Zahl der Berufsträger (von 2015 bis 2016 Steigerung um ca.
10.000 auf 496.240[16]) greift mancherorts – insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Regionen
– weiterhin der (Fach-) Ärztemangel um sich. Die sich derzeit in Ausbildung befindende
Generation deutscher Medizinerinnen und Mediziner stellt gesteigerte Anforderungen
an die ausgewogene Work-Life-Balance und orientiert sich eher in Richtung der Ballungsgebiete
größerer Städte mit attraktivem Umfeld, viele Landarztsitze werden nicht nachbesetzt
werden können. Fraglich bleibt jedoch, ob diese Lücke in der ärztlichen Versorgung
durch ausländische Ärzte geschlossen werden kann.
Die größten Schranken für deren ärztliche Betätigung errichten die Ärztekammern selbst:
Große Schwierigkeiten im Zuge der Erlangung einer deutschen Zulassung bereiten ausländischen
Antragstellern der Nachweis der Gleichwertigkeit der ärztlichen Ausbildung im Heimatland
und der Nachweis ausreichend vorhandener Sprachkenntnisse sowie des Bestehens der
verpflichtenden Kenntnisprüfungen. Eine mögliche Absenkung dieser Hürden ist jedoch
– selbst in Zeiten akuten Ärztemangels – schwer zu rechtfertigen. Ohne eine gleichwertige
Ausbildung ausländischer Bewerber ist eine Integration in das deutsche Gesundheitswesen
und damit den Arbeitsmarkt nicht zu gewährleisten. Die Ärztekammern sind zudem verpflichtet,
unter den ihnen angehörenden Ärzten eine – am Standard des in Deutschland ausgebildeten
Mediziners gemessene – gleichbleibend hohe Qualität der ärztlichen Berufsausübung
zu gewährleisten. Dafür sind die Abfrage der fachspezifischen Kenntnisstände der Bewerber
und deren Sprachkenntnisse ein probates Mittel, letzteres insbesondere vor dem Hintergrund
der immensen Bedeutung von Anamnese, Aufklärungs- und Therapiegesprächen im medizinischen
Alltag. Auch die Überprüfung der Gleichwertigkeit von ausländischen Fort- und Weiterbildungen
im Hinblick auf ihre Dauer ist zur dauerhaften Sicherung eines hohen medizinischen
Standards in Deutschland unabdingbar.
Insbesondere vor dem Hintergrund erheblicher Rechtsunsicherheiten im Zuge der Anerkennung
der Qualifikation ausländischer Ärzte wird deutlich[17]: Allein eine Steigerung der Beschäftigung ausländischer Ärztinnen und Ärzte im deutschen
Gesundheitssystem wird jedenfalls nicht die Lösung des systemischen Problems des mittlerweile
chronischen deutschen (Land-) Ärztemangels sein.
René T. Steinhäuser
Rechtsanwalt
Annika Stöbener
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