Handchir Mikrochir Plast Chir 2018; 50(06): 412-413
DOI: 10.1055/a-0762-0763
Kommentar
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Lipödem – Alltagsprobleme mit der Krankheit

Lipedema – patient’s view
Marion Tehler
,
Peggy Bergert
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Publication Date:
08 January 2019 (online)

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Einführung

An Lipödem erkrankte Patientinnen sind in vielen Lebensbereichen stark eingeschränkt. Mangelndes Wissen über die Erkrankung führt häufig zu einer um Jahre verzögerten Diagnosestellung [1]. Eine Mehrzahl der Betroffenen beklagt einen regelrechten Ärztemarathon. Trotz teils wegweisender klinischer Ausprägung und typischer Symptomatik wird zunächst meistens lediglich eine Gewichtsreduktion empfohlen [2], [3]. Diese Begründung der Gesamtsymptomatik trotz vielfacher frustraner Diäten [4] ist psychisch belastend und führt nicht selten zu einer gewissen Hilflosigkeit. Nur äußerst selten wird die Diagnose initial überhaupt in Betracht gezogen, da das Lipödem noch immer eine weitestgehend unbekannte Erkrankung ist [4].

Inkongruente Informationen zum Lipödem und dessen Therapie bei gleichzeitig ausbleibendem Erfolg von Diäten, stetige Körpergewichts-Stigmatisierung sowie progrediente und unkontrollierte Veränderungen des Erscheinungsbildes durch die Erkrankung triggern eine allgemeine Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und begünstigen eine Depression [5].

Selbst die korrekte Diagnosestellung kann mitunter eine zusätzliche Belastung bedeuten: Die Begründung der Beschwerden durch eine chronisch-progrediente Erkrankung ohne bekannte kausale Therapie verursacht in der Regel weitere Enttäuschung. In dieser psychischen Stresssituation beginnt nun der Kampf mit den Krankenkassen. Hinzu kommen zudem die „Bittsteller-Gänge“ zum behandelnden Arzt. Auf Grund mangelnder Kenntnis um die Erkrankung und gängige Therapieoptionen – meist nach heimatortferner Diagnosestellung – werden Lymphdrainagen „außerhalb des Regelfalls“ aus Sorge vor Regressforderungen nur äußerst zurückhaltend verordnet. In einigen Regionen scheint es zunehmend gängige Praxis zu werden, dass lediglich 6 Behandlungen im Quartal verordnet werden. Daher muss nicht selten die betroffene Patientin selbst Verordnungs- und Heilmittelrichtlinien studieren und ihren jeweiligen behandelnden Arzt und Mitarbeiter der Krankenkasse auf die inzwischen möglichen Langzeitverordnungen aufmerksam machen.

Im Zuge dieser (notwendigen) Beschäftigung mit der eigenen Erkrankung bemerkt die Patientin die vielfältigen möglichen Folgeerkrankungen des Lipödems. Die mögliche Progredienz hin zum sekundärem Lymphödem, Achsfehlstellungen der Beine mit Gon- und Coxarthrose, Venenerkrankungen oder Hautfaltenekzemen verursachen nicht selten eine gewisse Resignation.

Sowohl die beschriebenen psychischen Stressoren, als auch medizinische Folgen des Lipödems steigern nachweislich das Risiko einer Depression und beeinflussen maßgeblich die Quality of Life (QoL) der betroffenen Patientinnen [4–6]. Die psychologische Unterstützung bedarf daher einer besonderen Aufmerksamkeit und sollte in der Routine-Therapie entsprechend gewürdigt werden [6].