Aktuelle Dermatologie 2018; 44(11): 520-523
DOI: 10.1055/a-0720-1335
Übersicht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Curriculum „Magistralrezepturen“

Curriculum “Extemporaneous Magistral Formula”
P. Staubach
1   Hautklinik der Universitätsmedizin Mainz, Johannes Gutenberg-Universität, Mainz
3   GD Gesellschaft für Dermopharmazie e. V., Köln
4   BVDD-Sonderbeauftragte Rezepturen
,
H. Reimann
2   Avoxa – Mediengruppe Deutscher Apotheker GmbH, Eschborn
,
S. Melhorn
2   Avoxa – Mediengruppe Deutscher Apotheker GmbH, Eschborn
,
A. Hünerbein
3   GD Gesellschaft für Dermopharmazie e. V., Köln
› Author Affiliations
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Petra Staubach
Hautklinik und Poliklinik
Universitätsmedizin Mainz
Johannes Gutenberg-Universität KöR
Langenbeckstr. 1
55131 Mainz

Publication History

Publication Date:
07 November 2018 (online)

 

Zusammenfassung

Viele Hauterkrankungen werden mit topischen Therapeutika behandelt. Das Management und Monitoring dieser topischen Therapien inklusive der Rezepturen ist die Kernkompetenz des Dermatologen. Neben der Physiologie und Pathophysiologie der Haut fordert dies auch ein pharmazeutisches Grundwissen zu Vehikelsystemen und aktiven Substanzen. Die Magistralezepturen sind Verordnungsoptionen, die die Patientenversorgung besonders in der topischen Therapie sinnvoll optimieren. Durch das Curriculum „Magistralrezepturen“ sollen Grundkenntnisse zum Verordnen von Rezepturen mit hoher pharmakologischer und medizinischer Qualität vermittelt werden. Ergänzend besteht die Möglichkeit, eigene Individualrezepturen auf ihre Plausibilität überprüfen zu lassen. Dies alles führt zur Verbesserung der Rezepturqualität und damit zur optimierten Patientenversorgung.


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Abstract

A high amount of dermatological diseases are treated with topical treatments. The management and monitoring of the topical therapy including extemporaneous formula is the core competence of dermatologists. Beside the physiology and pathophysiology of the skin, dermatologists should have a fundamental pharmacological knowledge about prescribed vehicle systems and active substances. Extemporaneous magistral formula are therapeutic options that enable us to optimise patient care particularly with topical therapy. The curriculum “Extemporaneous Magistral Formula” educates physicians how to prescribe extemporaneous formula with high standardised pharmaceutical and medical quality. Additionally physicians get the option to get checked individual extemporaneous formula on their plausibility. This leads to an improvement of the quality of extemporaneous formula and furthermore to an optimised patient care.


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Das Curriculum für Magistralrezepturen befindet sich noch in der Entwicklung. Die Finalisierung wird noch in diesem Jahr erwartet. Bereits erworbene Punkte werden rückwirkend angerechnet.

Hintergrund

Trotz unzähliger Fertigarzneimittel gibt es immer noch Lücken in der Arzneimittelversorgung, die durch die Verordnung von Rezepturen geschlossen werden können. Weiterhin hat es gerade in den letzten Jahren relevante Änderungen im Management von Dermatosen gegeben, die die Verordnungsmöglichkeiten von Rezepturen auch in verschiedenen Leitlinien unterstreichen. So geht die neue „S2k-Leitlinie zum Gebrauch von Präparationen zur lokalen Anwendung auf der Haut (Topika)“ [6] hilfreich auf die Besonderheiten der Rezepturarzneimittel ein.


Gründe für die Verordnung von Rezepturen sind unter anderem:

  • Kein Fertigarzneimittel vorhanden

  • Neue Therapieoptionen

  • Große Größen erforderlich

  • Duftstofffrei

  • Individuelle Konzentration (Stichwort: Pädiatrie, Gerontodermatologie)

Bedingt durch die letzte Novelle der Apothekenbetriebsordnung (2012) ergaben sich Änderungen in der Plausibilitätsprüfung, der Beurteilung hinsichtlich pharmazeutischer Qualität und Arzneimittelsicherheit. Das führte zunächst zu etwas Unmut bei beiden Berufsgruppen, letztlich aber zu einer Verbesserung der Rezepturqualität. Im Untersuchungszeitraum 4. Quartal 2011 bis 3. Quartal 2014 wurden mit Daten des Deutschen Arzneiprüfungsinstitutes e. V. (DAPI) [1] die Verordnungsgewohnheiten für Rezepturen in Deutschland untersucht [5]. Dabei wurden Verordnungen ermittelt, die zulasten der gesetzlichen Krankenversicherungen im ambulanten Sektor rezeptiert wurden. Etwa 3 von 10 Verordnungen durch Dermatologen in Deutschland waren im Untersuchungszeitraum Rezepturen. Dermatologen stellen im deutschen kassenärztlichen Versorgungssystem nicht ganz 3 % aller Ärzte und rezeptieren mehr als die Hälfte aller Rezepturen. Pro Quartal und Arzt wurden im Fachbereich Dermatologie durchschnittlich 270 Rezepturen verordnet, in allen anderen Arztgruppen durchschnittlich 13,5. Während des Untersuchungszeitraums wurden pro Quartal im Mittel fast 2 Millionen Rezepturen (1,3 %) verordnet. Somit spielen Rezepturarzneimittel neben den Fertigarzneimitteln nicht nur bei den Dermatologen eine bedeutende Rolle. Im Sinne der evidenzbasierten und patientenindividuellen Medizin sollten die Rezepturqualität und das Verschreibungsverhalten der Ärzte (Magistral- und Individualrezepturen) stets optimiert werden. Dies bedeutet, dass 1. vorzugsweise Rezepturen zu verordnen sind, die bereits auf Plausibilität überprüft wurden, sog. „Magistralrezepturen“, und dass 2. der Verordner bestimmte Kenntnisse zur Verschreibung einer Rezeptur haben sollte.


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Unterschied zwischen Individual- und Magistralrezepturen

Bei einer Magistralrezeptur handelt es sich um ein Rezepturarzneimittel, das auf der Grundlage standardisierter und geprüfter (Rezeptur-)Vorschriften hergestellt wird, in Veröffentlichungen zu finden ist und mit Ausnahme patientenindividueller Aspekte bereits auf Plausibilität und Stabilität überprüft wurde. Trotz der pharmazeutischen Standardisierung haben sie wie alle Rezepturarzneimittel kein zugelassenes, abschließend definiertes Indikationsgebiet und können auch hinsichtlich Menge und zum Teil Stärke flexibel verordnet werden. Hier gibt es Formelsammlungen verschiedener Anbieter. Am bekanntesten ist das NRF (Neues Rezeptur-Formularium) mit über 200 Magistralrezepturen ([Abb. 1]). Die Individualrezeptur dagegen wird ad hoc verordnet und basiert nicht auf bereits pharmazeutisch auf Plausibilität überprüften Zusammensetzungen. Deshalb geben solche Ad-Verschreibungen häufig Anlass zu Rückfragen aus der Apotheke und entsprechend verzögerter Abgabe an den Patienten. Zur Optimierung der Rezepturqualität wird gefordert, dass vermehrt auf Magistralrezepturen zurückgegriffen wird [2].

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Abb. 1 Magistralrezepturen. Formelsammlung für Ärzte [3].

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Hilfestellungen zur Rezepturverordnung

  • Fortbildungsveranstaltungen auf regionalen und überregionalen Kongressen

  • Interdisziplinäre Veranstaltungen mit Dermatologen und Apothekern

  • Literatur:

    • Rubrik in „Hautarzt“ (Springer): Rezepturtipps für die Praxis aus der Praxis [7]

    • Standardisierte Rezepturen: Formelsammlung für Ärzte [3]

    • Formelsammlungen der Arzneimittel- oder Rohstoffhersteller mit auf Plausibilität geprüften Rezepturen

  • Bereich für Ärzte im DAC/NRF-Internetauftritt mit Magistralrezepturen und der Fragemöglichkeit zu Rezepturvorschriften, www.dac-nrf.de/arzt

Dieses Curriculum soll dazu beitragen, die Qualität der Rezepturverschreibungen und damit der Patientenversorgung zu optimieren. In einer Erhebung in Rheinland-Pfalz und im Saarland wurde ermittelt, dass nur 10 % aller Rezepturen Magistralrezepturen sind. Dies mag viele Gründe haben. Doch während der täglichen Praxis werden oft Rezepturen bevorzugt, die uns seit Jahrzehnten vertraut sind – auch teilweise ohne Plausibilitätsprüfung und ohne Abklärung, ob hier bereits ähnliche, auf Plausibilität überprüfte Rezepturen existieren. Das Curriculum vermittelt Grundkenntnisse im praktischen Alltag mit Rezepturen und bietet additiv die Möglichkeit, eigene Individualrezepturen in Zusammenarbeit mit Rezepturexperten auf Plausibilität zu überprüfen.


Bedingungen zum Erhalt des Curriculums:

  • Die Qualifizierung der Teilnehmer sollte jeweils innerhalb von 2 Jahren abgeschlossen werden. Das Zertifikat kann als Facharzt erlangt werden. Punkte können bereits während der Assistenzarztzeit erworben werden.

  • Die DDA verleiht das Zertifikat nach vorgegebenen Kriterien auf Antrag.

  • Zertifiziert werden Mitglieder der DDA.

  • Jeder Absolvent muss mindestens 15 Fortbildungspunkte (1 Punkt sind 45 Min.) erzielen.

    • Mindestens 9 Fortbildungspunkte sind bei Fortbildungen wie Kongressen oder Kursen zu erzielen, die durch die DDA zertifiziert wurden.

    • Bis zu 6 Punkte können durch den Nachweis eigener Rezeptiertätigkeit erworben werden, was die Evaluation von bis zu 3 selbst verschriebenen Individualrezepturformeln einschließt. Die Beurteilung wird anhand der mit Begleitinformationen eingereichten Formeln von hierfür qualifizierten und von den Apothekerkammern benannten Pharmazeuten im Auftrag der DDA vorgenommen und durch die Geschäftsstelle der DAC/NRF-Kommission organisiert.

    • Mindestens 3 Punkte sind über Qualitätszirkel (z. B. regionale Dermatologische QZ oder auch regionale gemeinsame Veranstaltungen durch Apotheker mit Dermatologen) zu erarbeiten. Diese Fortbildungen sind ebenfalls durch den Veranstalter über die DDA zu zertifizieren.

Bereits erworbene Punkte während der Entstehung des Curriculums sollen rückwirkend anerkannt werden.


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Rezeritifizierung

Zur Rezertifizierung sollten nach 5 Jahren mind. 5 Fortbildungspunkte in diesen Themenschwerpunkten nachgewiesen werden.


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Folgende Kenntnisse sollen vermittelt werden

  • Nischen für Rezepturarzneimittel

  • Welche verschiedenen Grundlagen der Externatherapie gibt es, in welchen Körperarealen wird was und warum angewandt?

  • Alters- und krankheitsbedingte Besonderheiten

  • Wirkstoffkunde

    • Welche Wirkstoffe/Grundlagen/Hilfsstoffe eignen sich für Rezepturverschreibungen?

      • Positiv- und Negativstoffe („Bedenklichkeit“)

      • Arzneiträger – Kompatibilitäten

      • Wirkstoffkonzentrationen

  • Was bedeutet Plausibilitätsprüfung?

  • Grundlegende formale Vorgaben des Arzneimittelgesetzes (AMG), der Arzneimittel-Verschreibungsverordnung (AMVV) und der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO)

  • Forderungen zur pharmazeutischen Qualität der Ausgangsstoffe (Gehalt, Reinheit, Identität) und der Zubereitungen (Gehalt, Kompatibilität, Stabilität)

  • Wann darf ein Körperpflegemittel (Kosmetikum) oder ein Medizinprodukt als Rezepturgrundlage Verwendung finden? Was gilt es zu beachten?

  • Kenntnisse zur Basistherapie

  • Wie kann ich meine eigenen Rezepturen auf Plausibilität überprüfen oder mit bereits bekannten Magistralrezepturen abgleichen?

  • Praxisnahe Demonstration der Beschaffenheit diverser Externa

  • Konstruktive Nutzung der Kompetenz des Apothekers bei Vermeidung und Lösung von Rezepturproblemen

  • Rationales und rationelles Rezeptieren unter Berücksichtigung standardisierter Rezepturen und Arzneiträger

  • Nutzung unterschiedlicher Medien zur Aktualisierung der Rezepturverordnung

Kongresse/Fortbildungen, die Möglichkeiten bieten, Curriculum-Punkte zu erwerben:

Die Anzahl der Punkte richtet sich nach der angebotenen Veranstaltung und deren Länge (pro 45 Min. 1 Punkt). Die DDA legt die Anerkennung der Punkte fest.

Beispiele:

  • DDG (2-jährlich), DDG kompakt[1] 3 Punkte

  • Münchner Fortbildungswoche (2-jährlich)[1] 3 Punkte

  • Regionale Fortbildungen wie

    • Nordrhein-Westfälische Fobi in Köln (jährlich)[1] 3 Punkte

    • Südwestdeutscher Dermatologen-Kongress in Frankenthal[1] 2 Punkte

  • Gesellschaft für Dermopharmazie Jahreskongress (jährlich)[1] 2 Punkte

  • Sommerschule Dermatologische Therapien Halle[1] 5 Punkte

  • NRF-Spezialkurse, ggf. firmeneigene Fortbildungen[1]

  • Punkte durch CME-Artikel[1]

  • Regionale Gruppen der Dermatologen (QZ)
    oder (innovativ) der Apotheker
    (Fortbildung der LAK) und Dermatologen (BVDD) in Kombination[1] 3 Punkte


Das Curriculum befindet sich noch in der finalen Freigabe, sodass kleine Änderungen noch möglich sind. Die Optimierung der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern ist hier besonders hervorzuheben.

Wir freuen uns auf viele Rezepturbegeisterte.


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Interessenkonflikt

P. Staubach und A. Hünerbein geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
S. Melhorn und H. Reimann geben an, dass sie Mitarbeiter der Avoxa – Mediengruppe Deutscher Apotheker GmbH, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft des Spitzenverbandes der deutschen Apothekerschaft, der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V., sind.

1 Unverbindliche Vorschläge möglicher maximal zu erwerbender Punkte zur Orientierung, die genaue Punktzahl wird jeweils auf Antrag des Veranstalters durch die DDA festgestellt.


  • Literatur

  • 1 Deutsches Arzneiprüfungsinstitut e. V. (DAPI). Berlin: www.dapi.de
  • 2 Garbe C, Reimann H. Dermatologische Rezepturen. Stuttgart: Thieme; 2017
  • 3 Pharmazeutisches Laboratorium des DAC/NRF. Hrsg. Standardisierte Rezepturen – Formelsammlung für Ärzte. Aufl. Eschborn: Avoxa – Mediengruppe Deutscher Apotheker; 2019
  • 4 Staubach P, Hünerbein A, Melhorn S. et al. Dermatologische Rezepturen, Leitlinie der GD Gesellschaft für Dermopharmazie e. V. Im Internet: www.gd-online.de Stand: 2017
  • 5 Staubach P, Salzmann S, Peveling-Oberhag A. et al. Dermatologische Rezepturen in Deutschland – Relevanz für die Versorgung. JDDG 2018; 16: 567-576
  • 6 Wohlrab J, Staubach P, Augustin M. S2k-Leitlinie zum Gebrauch von Präparationen zur lokalen Anwendung auf der Haut (Topika). JDDG 2018; 16: 376-392 Im Internet: www.awmf.org
  • 7 Mehlhorn S, Reimann H, Staubach P. Rezepturtipp für die Praxis aus der Praxis. Hautarzt 2015; 66: 793-794

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Petra Staubach
Hautklinik und Poliklinik
Universitätsmedizin Mainz
Johannes Gutenberg-Universität KöR
Langenbeckstr. 1
55131 Mainz

  • Literatur

  • 1 Deutsches Arzneiprüfungsinstitut e. V. (DAPI). Berlin: www.dapi.de
  • 2 Garbe C, Reimann H. Dermatologische Rezepturen. Stuttgart: Thieme; 2017
  • 3 Pharmazeutisches Laboratorium des DAC/NRF. Hrsg. Standardisierte Rezepturen – Formelsammlung für Ärzte. Aufl. Eschborn: Avoxa – Mediengruppe Deutscher Apotheker; 2019
  • 4 Staubach P, Hünerbein A, Melhorn S. et al. Dermatologische Rezepturen, Leitlinie der GD Gesellschaft für Dermopharmazie e. V. Im Internet: www.gd-online.de Stand: 2017
  • 5 Staubach P, Salzmann S, Peveling-Oberhag A. et al. Dermatologische Rezepturen in Deutschland – Relevanz für die Versorgung. JDDG 2018; 16: 567-576
  • 6 Wohlrab J, Staubach P, Augustin M. S2k-Leitlinie zum Gebrauch von Präparationen zur lokalen Anwendung auf der Haut (Topika). JDDG 2018; 16: 376-392 Im Internet: www.awmf.org
  • 7 Mehlhorn S, Reimann H, Staubach P. Rezepturtipp für die Praxis aus der Praxis. Hautarzt 2015; 66: 793-794

Zoom Image
Abb. 1 Magistralrezepturen. Formelsammlung für Ärzte [3].