Fallberichte
Ein reif geborenes, 1 Tag altes Mädchen wurde der Kinderurologischen Klinik mit dem Verdacht auf eine
Caecoureterozele vorgestellt. In der körperlichen Untersuchung zeigte sich eine ca.
1,5 cm große, zystische Raumforderung am äußeren Genitale zwischen den Schamlippen
liegend ([Abb. 1]). Eine Verbindung mit dem Meatus urethrae konnte dabei nicht sicher ausgeschlossen
werden. In der Sonografie konnte eine begleitende linksseitige multizystisch-dysplastische
Niere (MCDK) verifiziert werden. In der nachfolgenden Urethrozysto- und Vaginoskopie
konnte eine Ureterozele ausgeschlossen und ein GGZ diagnostiziert werden. Nebenbefundlich
fand sich ein Hemitrigonum rechts mit fehlendem Ostium der linken Seite. Nach Zystenexstirpation
([Abb. 2]) wurde die Gartner-Gang-Zyste auch histologisch verifiziert. Der Heilungsverlauf
gestaltete sich komplikationslos und die Patientin ist seither beschwerdefrei.
Abb. 1 Klinisches Bild der Gartner-Gang-Zyste bei einem neugeborenen Mädchen.
Abb. 2 Intraoperativer Befund der Zystenmarsupialisation.
Eine 5-jährige Patientin wurde der Kinderurologischen Klinik mit einer seit Geburt bekannten, unklaren asymptomatischen
zystischen Struktur am äußeren Genitale vorgestellt. Bereits pränatal wurde bei diesem
Mädchen eine MCDK rechts diagnostiziert. Bei der körperlichen Untersuchung zeigten
sich die äußeren und die inneren Labien altersentsprechend unauffällig. Die ca. 4 mm
durchmessende Zyste lag zwischen dem Meatus urethrae externus und dem Vaginaleingang.
In Zusammenschau der Befunde wurde die Diagnose einer Gartner-Gang-Zyste gestellt.
In der zur weiteren Diagnostik durchgeführten Urethrozystoskopie zeigten sich eine
unauffällige Urethra sowie ein Hemitrigonum mit einem orthotop liegenden Ostium links.
In gleicher Sitzung erfolgte die komplikationslose Zystenmarsupialisation, histologisch
konnte die Diagnose bestätigt werden. Der postoperative Verlauf war unauffällig.
Eine 56-jährige Patientin litt seit Jahren unter rezidivierenden Unterbauchschmerzen, die in unterschiedlich
langen Intervallen auftraten und sich nach Entleeren von Sekret aus der Vagina vorübergehend
besserten. Die Verdachtsdiagnose und Veranlassung einer Computertomografie ([Abb. 3]) erfolgten bei einem niedergelassenen Urologen. Die Patientin wurde in unserer Klinik
vorgestellt. Im Rahmen der gynäkologischen Untersuchung war das äußere Genitale unauffällig.
In der Sonografie zeigte sich eine 1 × 2 cm große zystische Struktur an der linksseitigen
ventralen Vaginalwand, die linke Niere stellte sich sonografisch als Doppelniere dar.
In der anschließenden Kernspintomografie konnte die Zyste als Gartner-Gang-Zyste mit
einem ektop mündenden Ureter identifiziert werden. Es erfolgte daraufhin die operative
End-zu-Seit-Ureteroureterostomie des ektop mündenden Ureters der oberen Nierenanlage
an den orthotopen mündenden Harnleiter der unteren Nierenanlage. Der intra- und postoperative
Verlauf gestaltete sich komplikationslos. Die Patientin ist seit nunmehr 3 Jahren
beschwerdefrei.
Abb. 3 CT-Abdomen/Becken mit Doppelniere links und Gartner-Gang-Zyste (*) sowie ektop-mündender
Ureter links (°). (Quelle: Dr. Gerda Leinsinger, Institut für Radiologie und Nuklearmedizin,
Kreiskrankenhaus Erding)
Diskussion
Während der embryonalen Entwicklung ist der Urogenitaltrakt beider Geschlechter zunächst
indifferent angelegt. Beim weiblichen Geschlecht entsteht ab der 8. embryonalen Woche
aus den paarigen Müller-Gängen (Ductus paramesonephricus) der Uterus, die Zervix und
das obere Drittel der Vagina [5], [6] Die paarigen Wolff-Gänge (Ductus mesonephricus) bilden sich beim weiblichen Embryo
unter fehlendem Einfluss von Androgenen jedoch zurück. Allerdings können aus Relikten
des zurückgebliebenen Wolff-Ganges Gartner-Gang-Zysten entstehen [7]. Diese sind meist im anterolateralen Anteil der proximalen Vagina lokalisiert [8]. Da Gartner-Gang-Zysten aus den Wolff-Gängen entstehen können, ist der Ausschluss
weiterer urogenitaler Fehlbildungen von zentraler Bedeutung. So wurden Gartner-Gang-Zysten
unter anderem mit dem Vorkommen von multizystisch-dysplastischen Nieren (MCDK) [9], unilateraler Nierenagenesie [10] und ektopen Ureteren [1], [2] beschrieben.
Diese 3 Fallberichte verdeutlichen, wie Gartner-Gang-Zysten hinsichtlich Alter und
Symptomatik variieren können. Die Vertrautheit mit den verschiedenen Entitäten der
benignen Vaginalzysten ist essenziell, um eine korrekte Diagnostik und Therapie sicherzustellen
[11], [12]. Neben einer klinischen gynäkologischen und urologischen Untersuchung sollte auf
jegliche Art des Ausflusses aus dem Meatus urethrae externus [13] sowie aus dem Introitus vaginae geachtet werden. Ergänzend sollten die Sonografie
und in bestimmten Fällen auch die Magnetresonanztomografie zur Beurteilung des Urogenitaltraktes
zum Ausschluss wichtiger Differenzialdiagnosen und einer gegebenenfalls notwendigen
Operationsplanung herangezogen werden [11], [14], [15]. Zudem ist die Urethrozystoskopie ein optimales diagnostisches Mittel der Urogynäkologie
[16].
Die Therapieoptionen sollten sich nach der Beschwerdesymptomatik und Schwere der assoziierten
Fehlbildungen orientieren. So wurden, neben konservativen Therapieansätzen bei asymptomatischen
Zysten [6], operative Therapieansätze wie Marsupialisation [17] oder Exzision der kompletten Zyste [18], aber auch Ureterektomie bei ektopem Ureterverlauf im Rahmen einer GGZ [1], [2] beschrieben. Im Falle einer Doppelniere mit ektop mündendem Harnleiter in der GGZ
stellt die Ureteroureterostomie heute eine elegante und gering invasive Alternative
zu der früher routinemäßig durchgeführten oberen Heminephrektomie dar [19].
Die Literatur hinsichtlich der benignen vaginalen zystischen Raumforderungen ist limitiert
und besteht meist aus Fallberichten mit kleinen Patientenkohorten und geringem Evidenzgrad
[11]. Die meisten Therapieansätze in der Literatur basieren auf Expertenmeinungen. Gerade
deshalb ist das Bewusstsein für diese seltenen Entitäten im Bereich der Urogynäkologie
zu schärfen. Mehr Übersichtsstudien, Klassifikationssysteme und Behandlungsleitlinien
würden einen großen Teil dazu beitragen, die verschiedenen Entitäten der benignen
Urogenitalzysten besser differenzieren zu können. Dadurch wäre eine akkurate Diagnostik
und Therapie sichergestellt [12].
Gartner-Gang-Zysten werden in jedem Alter diagnostiziert und haben ein sehr unterschiedliches
klinisches Erscheinungsbild.
Aufgrund der embryologischen Entwicklung ist bei Auffälligkeiten im Urogenitaltrakt
eine kombinierte gynäkologische und urologische Abklärung essenziell, um kombinierte
Fehlbildungen sowie wichtige Differenzialdiagnosen, wie z. B. multizystisch-dysplastische
Nieren, Doppelnieren mit ektoper Uretermündung, Ureterozelen oder Tumoren, richtig
zu diagnostizieren und der entsprechenden Therapie zuführen zu können.