Handchirurgie Scan 2018; 07(03): 212-213
DOI: 10.1055/a-0644-9080
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Verhindert die Antibiotikaprophylaxe das Infektionsrisiko bei elektiven Handoperationen?

Li K. et al.
Effectiveness of Preoperative Antibiotics in Preventing Surgical Site Infection After Common Soft Tissue Procedures of the Hand.

Clin Orthop Relat Res 2018;
476: 664-673
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Publication History

Publication Date:
15 January 2019 (online)

 

    Die Antibiotikaprophylaxe ist eine gängige, aber kontrovers diskutierte Praxis bei Weichteiloperationen der Hand. Eine amerikanische Forschergruppe untersuchte, ob durch die Antibiotikaprophylaxe das Risiko von Infektionen an den Operationsstellen sinkt, wenn mithilfe der Propensity Score-Methode mögliche Störvariablen wie Demografie, Verfahrenstyp, Medikamentengebrauch, bestehende Komorbiditäten und postoperative Ereignisse den Patienten zugewiesen werden.


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    Für ihre retrospektive Analyse griffen die Autorinnen und Autoren auf die Unterlagen der Truven Health MarketScan®-Datenbanken der Jahre 2007 – 2014 zurück. Diese Datenbank enthält Patientenakten von selbstversicherten Beschäftigten und anderen privat Versicherten. Erfasst wurden Personen mit Karpaltunnelspaltung, Tendovaginosis stenosans-Behandlung, Ganglion- und Retinaculum-Zystenexzision, Tendovaginitis de Quervain-Spaltung oder einer Exzision von Weichteilgewebe. Die Patienten wurden dabei einer von zwei Kohorten, mit und ohne präoperative Antibiotikaprophylaxe, zugeordnet.

    Insgesamt wurden knapp 950 000 Patientinnen und Patienten mit einer der genannten Behandlungen identifiziert und davon mehr als 500 000 in die initiale Studie – vor dem Propensity Score-Matching – einbezogen. Eine Karpaltunnelspaltung war der häufigste Eingriff in dieser initialen Studienpopulation (48 %).

    Von den mehr als 500 000 Patientinnen und Patienten erhielten 58 201 (11 %) eine Antibiotikaprophylaxe. Die 30-Tage-Infektionsrate im Operationsgebiet betrug insgesamt für diejenigen ohne Antibiotikaprophylaxe 1,5 % und für diejenigen mit Prophylaxe 1,4 %. Die Infektionsrate in dieser initialen Studiengruppe lag mit 9 % in der Gruppe mit Exzision von Weichteilgewebe am höchsten und in der de Quervain-Gruppe mit 1 % am niedrigsten.

    Mithilfe des Propensity Score-Matchings wurden aus der initialen Studiengruppe die Kohorten der mit Antibiotika behandelten und unbehandelten Patienten erstellt. Dabei erfolgte eine Eins-zu-eins-Zuordnung der Patienten mit potenziellen Risikofaktoren für Infektionen im Operationsgebiet. Zu den Risikofaktoren zählten Alter, Art des Eingriffs, Einsatz von Steroiden und Immunsuppressiva, Diabetes mellitus, HIV/AIDs, Rauchen, Adipositas, rheumatoide Arthritis, Alkoholmissbrauch, Mangelernährung, Verlauf einer vorherigen Infektion und Umfang des lokalen Eingriffs.

    Nach Einbeziehung relevanter Störfaktoren wie demografischer Patientenmerkmale, Art des Eingriffs, Medikamenteneinnahme und bestehender Begleiterkrankungen und auch in keinem Zusammenhang stehenden postoperativen Ereignissen durch das Propensity Score-Matching ergab sich kein Unterschied hinsichtlich des postoperativen Infektionsrisikos zwischen den Gruppen (Odds Ratio 1,03; 95 % KI: 0,93 – 1,13; p = 0,585).

    Fazit

    Eine Antibiotikaprophylaxe führt nicht zur Verringerung des postoperativen Infektionsrisikos bei elektiven Weichteiloperationen der Hand. Zwar konnten nur Faktoren berücksichtigt werden, die in der Datenbank dokumentiert wurden, dennoch liefert diese Studie genügend Evidenz gegen den unnötigen prophylaktischen Antibiotikaeinsatz, schreiben die Autoren. Vor allem, da eine prospektive Studie, die groß genug ist, die Prophylaxe für das niedrige Ausgangsinfektionsrisiko zu belegen, undurchführbar ist.

    Richard Kessing, Zeiskam


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