Dedeoğlu SS.
et al.
Results of percutaneous fixation and distal radius core decompression in scaphoid
waist non-unions treated without grafting.
Hand Surg Rehabil 2018;
37: 43-47
Bei Frühstadien könnte aber eine andere, weniger invasive Möglichkeit infrage kommen,
die türkische Mediziner untersucht haben. Dazu haben Dedeoğlu et al. zwischen Mai
2012 und September 2014 insgesamt 29 Patienten in eine prospektive Studie aufgenommen.
Die Einschlusskriterien umfassten eine Skaphoidpseudarthrose nach Fraktur im mittleren
Drittel mit minimal dislozierten Fragmenten, normalem skapholunärem Winkel ohne Humpback-Deformität
und mit intaktem skapholunären Bandapparat.
Bei den Teilnehmern erfolgte zunächst die geschlossene Reposition unter Durchleuchtungskontrolle.
Danach wurden von palmar eine 5-mm-Inzision über dem skaphotrapezialen Gelenk vorgenommen
und die Kahnbeinfragmente mit einer kopflosen 3,5-mm-Kompressionsschraube (Länge im
Mittel 26 mm) fixiert. Im Anschluss führten die Operateure eine Radius-Reizosteotomie
(radius core decompression) durch, bei der an der distalen Radiusmetaphyse nach Fensterung
der Kortikalis die Spongiosa kürettiert wurde. Mit diesem Vorgehen sollte eine Verletzung
simuliert werden, um eine Reaktion der umgebenden Blutgefäße zu induzieren und so
die Durchblutung auch des Skaphoids zu verbessern. Postoperativ wurde das Gelenk in
einem Unterarmgips über 8 – 10 Wochen ruhiggestellt, unmittelbar danach begannen Bewegungsübungen.
Für die jetzige Auswertung beurteilten die Mediziner
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das Eintreten einer knöchernen Heilung laut Standard-Röntgenaufnahmen und CT,
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Schmerzen auf einer visuellen Analogskala (VAS) von 0 (keine Schmerzen) bis 10 (stärkste
vorstellbare Schmerzen),
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die funktionellen Ergebnisse anhand des Mayo Wrist Score, bei dem Werte von 90 – 100 Punkte
als ausgezeichnete Funktion gelten, 80 – 89 Punkte als gute Funktion, 65 – 79 Punkte
als mäßige und < 65 Punkte als schlechte Funktion,
-
die Beweglichkeit im Handgelenk und
-
die grobe Kraft.
Unter den 29 Studienteilnehmern waren 27 Männer, das Durchschnittsalter betrug 29 Jahre.
Zwischen der primären Verletzung und der jetzigen Operation lagen im Mittel 18 Monate,
der Zeitraum reichte aber von 28 – 86 Wochen. Über eine durchschnittliche postoperative
Beobachtungszeit von etwa 1,5 Jahren kam es bei 26 Patienten (89,7 %) zu einer vollständigen
Heilung der Pseudarthrose, im Mittel nach 11 Wochen (Bereich 7 – 18 Wochen). Bei 3
Patienten wurde eine Revision erforderlich, bei der sekundär ein Knochentransplantat
eingebracht wurde. Bei allen diesen Patienten hatte ursprünglich ein fortgeschrittener
Befund (Pseudarthrose-Stadium III nach Slade und Geissler) vorgelegen. Weiterhin zeigten
sich
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eine Schmerzminderung auf postoperativ 2 VAS-Punkte (0 – 7 Punkte) von 7 Punkten (6 – 9 Punkten)
präoperativ,
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eine Verbesserung im Mayo Wrist Score auf 66 Punkte (20 – 90 Punkte) von präoperativ
36 Punkten (15 – 65 Punkten),
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ein Bewegungsumfang
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eine Zunahme der groben Kraft auf 32 kg von 22,4 kg präoperativ.
Bei Skaphoidpseudarthrosen in frühen Stadien kann bei sorgfältiger Auswahl der Patienten
eine perkutane Verschraubung mit Radius-Reizosteotomie ohne zusätzliches Knochentransplantat
erfolgreich sein, so die Autoren. Die Vorteile dieses Vorgehens sind die minimale
Narbenbildung, die Vermeidung iatrogener Verletzungen von Bandapparat, Kapsel, Gefäßen
und Nerven sowie ein geringes Infektionsrisiko. Nicht zuletzt besteht damit keine
Gefahr von Komplikationen im Bereich einer Knochenspan-Entnahmestelle.
Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim
Die Autoren behandelten 29 Kahnbeinpseudarthrosen im mittleren Drittel ohne begleitende
Achsenfehlstellung (DISI, Humpback) bei im MRT nachgewiesener Durchblutung des proximalen
Fragmentes mit durchschnittlichem Abstand von 18 Monaten zur Fraktur. Mit minimalinvasiv
eingebrachter Doppelgewindeschraube von palmar und begleitender Core-Dekompression
in der Radiusmetaphyse erzielten sie eine Durchbauung in 26 Fällen (90 %).
Auch wenn keine Vergleichsgruppe vorliegt, wurde eine Erfolgsquote erreicht, die im
Bereich der klassischen Methode – Beckenkamm mit Schraube – in der Literatur bei vergleichbarer
Ausgangslage berichtet wird. Welche zusätzliche Rolle die Core-Dekompression spielt,
ist schwer einzuschätzen, aber die Arbeit macht deutlich, dass offensichtlich bei
entsprechenden Vorbedingungen mit fehlender Achsenfehlstellung und erhaltener proximaler
Durchblutung ein offenes Vorgehen nicht zwingend erforderlich ist, was auch durch
andere Publikationen bestätigt wird. Bei abgedeckelter sklerosierter Pseudarthrose
ist diese Vorgehensweise kontraindiziert, würde sich aber anhand des MRT mit verminderter
oder aufgehobener Druchblutung analysieren lassen. Zusammenfassend zeigt die Arbeit,
dass bei nur geringer Dislokation, fehlender Achsenfehlstellung und erhaltener proximaler
Durchblutung proximal ein minimalinvasives Vorgehen ohne Spongiosaplastik zur Anwendung
kommen kann. Die Erfolge der hochenergetischen Stoßwellentherapie in der Behandlung
der Kahnbeinpseudarthrose können zusätzlich als Beleg für ein geschlossenes Vorgehen
gewertet werden. Welche Rolle die Core-Dekompression dabei einnimmt, muss durch weitere
Studien geklärt werden.
Autorinnen/Autoren
Prof. Dr. Hermann Krimmer, Zentrum für Hand- und Fußchirurgie, Krankenhaus St. Elisabeth, Ravensburg