Handchirurgie Scan 2018; 07(03): 202-203
DOI: 10.1055/a-0644-8756
Aktuell
Nervenverletzungen
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Anatomische Fixierung begünstigt Vulnerabilität des N. radialis am Oberarm

Chen WA. et al.
Anatomical Factors Contributing to Radial Nerve Excursion at the Brachium: A Cadaveric Study.

J Hand Surg Am 2018;
43: 288.e1-288.e7
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Publication Date:
15 January 2019 (online)

 

    Humerusschaftfrakturen machen nur ca. 3 % aller Frakturen aus, werden aber überproportional häufig durch im Verlauf auftretende Radialisparesen kompliziert: Die Prävalenz liegt bei ca. 12 % und scheint bei operativ versorgten Frakturen noch höher. Das höchste Risiko besteht bei Frakturen im mittleren und am Übergang des mittleren zum distalen Drittel des Humerusschaftes.


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    Läsionen des N. radialis am Oberarm sind in diesem Kontext deutlich häufiger als die von N. medianus (ca. 1,4 %) oder N. ulnaris (ca. 3,8 %). Inwieweit diesen Radialisparesen anatomische Ursachen zugrunde liegen, haben nun Orthopäden aus den USA untersucht.

    Wayne Chen und seine Kollegen haben dazu 8 Arme von 4 Leichen herangezogen (Durchschnittsalter zum Zeitpunkt des Todes 68 Jahre), frühere Traumata oder Operationen am Oberarm waren in keinem Fall bekannt. An den Präparaten legten die Forscher dann die 3 am Oberarm verlaufenden Nerven frei: den N. radialis im Sulcus n. radialis am posterioren Humerus sowie auf der Vorderseite des Oberarms den N. medianus anterior des Septum intermusculare brachii mediale und den N. ulnaris auf der Beugeseite des Septums.

    Anschließend wurden die 3 Nerven auf Höhe des Sulcus n. radialis durchtrennt und unter einer konstanten Zugspannung von 100 g die jeweiligen Exkursionen der Nerven gemessen. Dabei untersuchten die Wissenschaftler diese Exkursionen mit dem Ellenbogengelenk in Extension sowie bei Beugung um 30°, 45°, 60° und 90°. Danach durchtrennten sie das Septum intermusculare brachii laterale und wiederholten die Messungen am N. radialis. Schließlich wurden von allen 3 Nerven am proximalen und am distalen Stumpf Gewebeproben entnommen und zur histologischen Untersuchung geschickt.

    Die Auswertung ergab bei gestrecktem Ellenbogengelenk unter Zug eine Exkursion von

    • 8,2 mm (± 4,4 mm) für den N. radialis,

    • 9,2 mm (± 5,7 mm) für den N. medianus und

    • 25,5 mm (± 5,6 mm) für den N. ulnaris.

    Mit zunehmender Beugung im Ellenbogengelenk nahmen diese Exkursionen deutlich zu (N. radialis; N. medianus) bzw. ab (N. ulnaris), bei einer Beugung von 90° waren es

    • 17,8 mm für den N. radialis

    • 35,9 mm für den N. medianus und

    • 14,5 mm für den N. ulnaris.

    Dabei fanden sich jeweils signifikante Korrelationen von Nervenexkursion und Ellenbogenflexion (Pearson-Korrelationskoeffizient r = 0,55 für den N. radialis; 0,84 für den N. medianus und − 0,63 für den N. ulnaris).

    Bei Durchtrennung des Septum intermusculare brachii laterale zeigte sich darüber hinaus eine weitere Zunahme der Exkursion für den N. radialis, von 11,3 mm bei Ellenbogenstreckung auf 24,8 mm bei Beugung um 90°.

    Die histologische Untersuchung ergab dagegen keine Unterschiede im Hinblick auf die bindegewebigen Anteile der Nerven, sie lagen zwischen 61,1 % und 63,3 %.

    Fazit

    Der N. radialis weist im Vergleich zu den beiden anderen Oberarmnerven eine verminderte Exkursionsfähigkeit auf, so Chen et al. Dem liegt vermutlich die anatomische Fixierung im Septum intermusculare brachii laterale zugrunde, wie die stärkere Exkursion nach dessen Durchtrennung zeigt, mit einer weiteren Verbesserung der Exkursion bei Beugung des Ellenbogens bis 90°. Möglicherweise könnten diese Erkenntnisse bei der operativen Behandlung von Humerusschaftfrakturen von Nutzen sein.

    Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim


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