Einführung
Atemnot unter Belastung und Leistungslimitation führen Patienten häufig zum Arzt.
Wenn sich die Beeinträchtigungen nach Anamneseerhebung und klinischer Untersuchung
weder mittels einer kardiologischen (z. B. EKG, Echokardiografie), noch einer pneumologischen
Basisdiagnostik (z. B. Spirometrie, Ganzkörperplethysmografie, Blutgase in Ruhe, CO-Diffusionskapazität)
ätiologisch klären lassen, sind Belastungsuntersuchungen sinnvoll.
Im Gegensatz zu Untersuchungen unter Ruhebedingungen erfassen Belastungstests, neben
Koordinationsfähigkeit und Motivation des Patienten, Funktionen mehrerer Organsysteme:
Lunge, Herz, pulmonaler und systemischer Kreislauf und periphere Muskulatur. Häufig
identifizieren geeignete Belastungstests das für die Belastungseinschränkung relevante
Organsystem [1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7].
Von zunehmender klinischer Bedeutung sind Belastungsuntersuchungen zur Schweregradevaluation,
Prognoseabschätzung (Risikostratifikation) und zum Therapiemonitoring bei Patienten
mit Herz- und Lungenerkrankungen.
Letzteres gilt auch für die Evaluation von Rehabilitationsprogrammen, deren Ziel eine
Verbesserung der „Dekonditionierung“ der peripheren Muskulatur z. B. bei Patienten
mit chronischer Herzinsuffizienz oder COPD ist.
Auch in der Arbeitsmedizin und in der Sportmedizin, z. B. bei der Diagnostik des anstrengungsinduzierten
Asthmas oder bei der Trainingssteuerung, sind Belastungstests etabliert.
Diese komplexen Fragestellungen, neuartige Untersuchungsverfahren und die Neubewertung
von Testergebnissen machen eine Aktualisierung und Erweiterung der DGP-Empfehlungen
von 2013 erforderlich [8].
Allgemeine methodische Aspekte
Allgemeine methodische Aspekte
Indikationen der Belastungsuntersuchungen
Wegen des potenziellen gesundheitlichen Risikos und des erhöhten Aufwandes von Belastungstests
muss eine eindeutige Indikation zur Durchführung gegeben sein. In [Tab. 1] sind die Indikationen zu Belastungstests für diagnostische und therapeutische Fragestellungen
aufgeführt.
Tab. 1
Indikationen für Belastungsuntersuchungen. Mod. nach [1 – 7, 153, 433].
-
Beurteilung der körperlichen Belastbarkeit, insbesondere der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit
-
differenzialdiagnostische Abklärung der Belastungsdyspnoe
-
Analyse von Gasaustauschstörungen und Shuntvitien
-
Nachweis einer belastungsinduzierten Bronchokonstriktion
-
Prüfung der Indikation und Effizienz einer Sauerstofftherapie unter Belastung bei
Belastungshypoxämie
-
Beurteilung von Schweregrad und Prognose einer Erkrankung, z. B. COPD, pulmonale Hypertonie,
Linksherzinsuffizienz
-
Beurteilung von Verlauf und Effekten der medikamentösen Therapie, z. B. bei COPD,
zystischer Fibrose, interstitiellen Lungenerkrankungen, pulmonaler Hypertonie
-
präoperative Risikoabschätzung, z. B. vor Lungenresektion, Lungentransplantation
-
arbeitsmedizinische Leistungsdiagnostik und Begutachtung
-
sportmedizinische Beurteilung, z. B. Trainingssteuerung
-
Analyse der Effekte von körperlichem Training und anderen nicht medikamentösen Interventionen
in der pneumologischen Rehabilitation
|
Komplikationen und Kontraindikationen der Belastungsuntersuchungen
In großen Kollektiven von Gesunden und Patienten traten je nach Studie 2 – 5 Komplikationen
pro 10 000 Belastungstests auf, davon verliefen 0,5 pro 10 000 tödlich [1]
[3]
[9].
Angesichts der auftretenden Komplikationen wird eine adäquate Schulung der durchführenden
Personen in der Erkennung und Behandlung von Komplikationen gefordert [1]
[3]
[10]. Die individuellen Risiken des Patienten sind vor der Untersuchung zu klären [11]. Beispiel: Bei der Untersuchung von Patienten mit einem implantierten Kardioverter-Defibrillator
sollte die programmierte Interventionsfrequenz bekannt sein, damit die Herzfrequenz
während der Belastung nicht über diese ansteigt und eine Entladung des Aggregats (möglicherweise
mit Sturz vom Ergometer!) ausgelöst wird [3].
Für die Durchführung von Belastungstests in der Pneumologie sind die absoluten und
relativen Kontraindikationen in [Tab. 2] aufgeführt.
Tab. 2
Kontraindikation bei Belastungsuntersuchungen.
Absolute Kontraindikationen, mod. nach
[1]
[3]
-
akuter Myokardinfarkt (3 – 5 Tage)
-
instabile Angina pectoris und akute Myokardischämie
-
unkontrollierte Rhythmusstörungen mit hämodynamischer Beeinträchtigung
-
akute bzw. aktive entzündliche Herzerkrankungen (Endo-, Peri-, Myokarditis)
-
dekompensierte Herzinsuffizienz
-
V. a. Aortendissektion
-
hochgradige und symptomatische Aortenklappenstenose
-
akute Lungenembolie
-
akute Bein-/Beckenvenenthrombose
-
nicht kontrolliertes Asthma
-
schwere akute Exazerbation einer COPD
-
akute extra-kardiopulmonale Erkrankungen mit der Gefahr der Verschlechterung unter
Belastung (z. B. Infektion, Nierenversagen, schwere Hyperthyreose)
-
psycho-kognitive Beeinträchtigung mit Unfähigkeit zur Kooperation
|
Relative Kontraindikationen, mod. nach
[1]
[3]
-
Stenose des Hauptstammes der linken Koronararterie oder der rechten Koronararterie
bei sog. Rechtsversorgertyp
-
hämodynamisch einschränkende Herzklappenerkrankungen
-
unkontrollierte arterielle Hypertonie (in Ruhe systolisch > 200 mmHg, diastolisch > 120 mmHg)
-
hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie
-
Tachyarrhythmie oder Bradyarrhythmie
-
höhergradige atrioventrikuläre Überleitungsstörung
-
fortgeschrittene oder komplizierte Schwangerschaft
-
Elektrolytentgleisungen
-
Epilepsie, falls Gefahr einer Konvulsion unter Belastung besteht
-
orthopädische Beeinträchtigung, die die Durchführung der Belastung einschränkt
|
Auswahl der Belastungsuntersuchungen
Bei Belastungstests werden (a) die symptomlimitierte maximale Belastbarkeit oder (b)
die Ausdauer (engl. endurance, wie lange kann eine konstante submaximale Belastung durchgeführt werden?) gemessen
(s. [Tab. 3] mod. nach [12]).
Tab. 3
Vergleich zwischen Tests mit steigender und konstanter Belastung.
Belastungstest
|
Maximale Belastung
|
Ausdauer (endurance)
|
Gehtest
|
incremental shuttle walk test
|
6-Minuten-Gehtest
endurance shuttle walk test
|
Fahrrad oder Laufband
|
zunehmende Belastung nach Rampen- oder Stufenprotokoll, symptomlimitiert, gelegentlich
auch herzfrequenzlimitiert (sog. „Ausbelastung“) relevante Parameter bei Belastungsende: Watt, Herzfrequenz, peak V̇E, peak V̇O2
|
konstante Belastung bei 30 – 40 % peak V̇O2 bzw. bei 70 – 80 % der maximal erreichten Leistung (Watt) relevanter Parameter: Belastungsdauer (in Minuten). Beim 6-Minuten-Gehtest ist die zurückgelegte Strecke relevant.
|
Für Gehtests, insbesondere den 6-Minuten-Gehtest, sind standardisierte Testbedingungen
von entscheidender Bedeutung (s. Kap. zum 6-Minuten-Gehtest).
Die Ergometrie und Spiroergometrie werden meist auf einem elektronisch gebremsten
Fahrrad sitzend bzw. halbliegend oder auf einem motorgetriebenen Laufband durchgeführt
([Tab. 4] mod. nach [13]). In der Sportmedizin sind auch sportartspezifische (Schwimm-, Ruder- etc.) Ergometer
sowie Feldtests gebräuchlich.
Tab. 4
Vergleich wichtiger Kenngrößen bei Fahrrad- und Laufbandergometrie.
Parameter
|
Fahrradergometer
|
Laufbandergometer
|
Peak V̇O2
|
↔
|
↑
|
Herzfrequenz
|
↔
|
↑
|
EKG beurteilbar
|
↑
|
↓
|
Blutdruckmessung
|
stufenbezogen
|
vorher/nachher oder Unterbrechung
|
Blutentnahme
|
während Belastung
|
Unterbrechung
|
Einsatz Muskelmasse
|
↔
|
↑
|
Übergewicht
|
geringer Einfluss
|
größerer Einfluss
|
erforderliche Koordination
|
↓
|
↑
|
Platzbedarf
|
↓
|
↑
|
Kosten
|
↔
|
↑
|
Obwohl Gehen oder Laufen häufige, alltägliche Bewegungsmuster darstellen, ist der
Bewegungsablauf beim „Gehen“ auf dem Laufband damit nur eingeschränkt vergleichbar.
Demgegenüber stellt das Fahrradergometer weniger Ansprüche an Koordination und Gleichgewicht
der Patienten bei exakter Quantifizierung der Belastungsintensität.
Beim Vergleich der Befunde von Belastungen auf Laufband und Fahrrad ist zu beachten,
dass auf dem Laufband mehr Muskelmasse eingesetzt wird. Dadurch erzielen Patienten
bei gleicher Leistung (Watt) eine höhere Sauerstoffaufnahme (V̇O2). In der Regel beenden Untrainierte die Fahrradergometrie aufgrund von Ermüdung der
Beinmuskulatur bei einer V̇O2, die 10 – 20 % unterhalb der V̇O2 auf dem Laufband liegt [14]
[15]
[16]
[17]
[18]. Bei einer Untersuchung von Patienten mit COPD konnte kein signifikanter Unterschied
der V̇O2 zwischen beiden Belastungsarten festgestellt werden [19].
Das Körpergewicht hat bei der Belastung mittels Laufband einen relevanten Effekt auf
die Beziehung zwischen V̇O2 und Leistung (Watt), aber nahezu keinen bei der Belastung auf dem Fahrrad. Die erreichte
Leistung (Watt) und peak V̇O2 auf dem Fahrradergometer sind in liegender bzw. halbliegender Position niedriger
als im Sitzen. Lediglich eine Studie bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung wies
gleiche Leistung in sitzender und halbliegender Fahrradergometrie nach [20]. Die Fahrradergometrie in halbliegender Position hat Vorteile für schwer beeinträchtigte
Patienten und ermöglicht die gleichzeitige Durchführung von Echokardiografie oder
Rechtsherzkatheter.
Beginn und Steigerung der Belastung nach Rampen- versus Stufenprotokoll
Für Belastungsuntersuchungen auf dem Fahrrad- und Laufbandergometer sind unterschiedliche
Protokolle etabliert, die sich nach der Fragestellung an die Untersuchung richten:
-
progressives Rampenprotokoll mit gleichmäßiger Steigerung der Belastung bis zum symptomlimitierten
Abbruch, d. h. Steigerung der Belastung (Watt) jeweils nach 10 bis < 60 s [1]
[3]. In der Routine hat sich eine kontinuierliche Steigerung alle 15 bzw. 30 s etabliert.
Eine Steigerung nach jeweils > 60 s gilt nicht mehr als Rampe im engeren Sinne [21].
-
Stufenprotokolle mit Steigerung der Belastung um 25 – 50 Watt nach jeweils 3 – 5 min,
symptomlimitiert (nach 2 – 3 min auf jeder Belastungsstufe schwanken hämodynamische
Parameter um < 5 %, d. h. steady state für kardiovaskuläre Parameter) [22]
-
Stufenprotokoll mit zwei Belastungsstufen über je 5 – 6 min zur Analyse des Gasaustausches,
da die relevanten Gasaustauschparameter erst in der 5. Belastungsminute einen steady state zeigen [23]
-
Protokoll mit einer konstanten Belastungsstufe zur Bestimmung der Ausdauer, endurance, symptomlimitiert
-
hochintensiver Belastungstest (s. Kap. Anstrengungsinduziertes Asthma)
Wenn maximale Leistungsfähigkeit und die Bestimmung der maximalen Sauerstoffaufnahme
Hauptziele der Belastungsuntersuchung sind, ist die Rampenbelastung der Stufenbelastung
vorzuziehen [24]. Durch zunehmende Steilheit der Rampe bzw. Erhöhung der Wattzahl in Stufen wird
die Leistung während eines symptomlimitierten Belastungstests gesteigert, ohne dass
signifikante Unterschiede bei den Parametern des Gasaustausches zu beobachten sind
[25]
[26]
[27]
[28].
Belastung nach Rampenprotokoll
Während traditionell vorwiegend Stufenprotokolle mit 2- bis 5-minütlicher Steigerung
um 25 oder 50 Watt (bei Sportlern auch höhere Inkremente) durchgeführt wurden [29], ist mit Verbesserung der zeitnahen Messwertberechnung (breath by breath) mittlerweile das Ergometer-Rampenprotokoll mit einer fast kontinuierlichen Steigerung der Belastung (alle 10 bis < 60 s, meist
Steigerung alle 15 oder 30 s) weit verbreitet [1]
[3].
Um eine zeitnahe und gleichmäßige Adaptation der Werte V̇E, V̇O2, V̇CO2 an die Belastungsstufe zu ermöglichen, ist eine konstante Steigerung der Belastung
erforderlich. Dabei wird empfohlen, die Belastung nicht aus der 3-minütigen Ruhephase
heraus, sondern erst nach einer 1- bis 3-minütigen Leerlaufphase (unloaded pedaling) zu steigern. Ziel der konstant gesteigerten Belastung nach dem Rampenprotokoll ist
das Erreichen der maximalen Belastungsstufe bzw. der maximalen Sauerstoffaufnahme
(V̇O2max bzw. peak V̇O2) nach einer Belastungsdauer von 8 – 12 Minuten [3]
[16]. Hierzu wird in Abhängigkeit von der körperlichen Belastbarkeit die Intensität der
körperlichen Belastung um 5 – 25 W pro Minute gesteigert [1].
Erwartet man eine Untersuchungsdauer von > 12 min, sollte ein Belastungsprotokoll
mit rascherer Leistungssteigerung gewählt werden, z. B. nach Bruce [30]. Ungeachtet dieser etablierten Empfehlungen einer „idealen“ Belastungsdauer von
8 – 12 min konnte gezeigt werden, dass valide Messungen hinsichtlich der maximalen
V̇O2 zwischen 5 – 26 min möglich sind [31].
Die Steigerung der Belastung in Watt pro Minute (S) kann ermittelt werden nach [1]:
S = (V̇O2max Sollwert − V̇O2 Leerlauf Sollwert) × 92,5−1
V̇O2max Sollwert errechnet sich aus:
V̇O2max (ml × min−1) = [Größe (cm) − Alter (Jahre)] × F
F beträgt für Männer 20 und für Frauen 14.
V̇O2 Leerlauf (unloaded) = 150 + [(6 × Körpergewicht (kg)]
Beträgt die FEV1 < 80 % Soll, so ist die Eingangsstufe entsprechend der Einschränkung der FEV1 gegenüber dem Sollwert zu reduzieren [32].
In der Nachbelastungsphase erfolgt initial häufig ein unbelastetes Treten (unloaded pedaling) über etwa 2 – 3 min, worauf die eigentliche Ruhephase folgt [32].
Steady-State-Belastung zur Gasaustauschanalyse
Ein steady state im engeren Sinne ist bei submaximaler Belastung zuverlässiger zu erreichen. Bei einer
Belastungsintensität > 50 % der maximalen Leistungsfähigkeit kommt es bei deutlich
leistungslimitierten Patienten gelegentlich auch nach 6 min auf einer Belastungsstufe
nicht zu einem steady state.
Um eine frühzeitige Erschöpfung zu vermeiden, sollte bei Patienten mit mäßiger Belastungseinschränkung
die Untersuchung mit 2, maximal 3 Stufen, über je 5 Minuten erfolgen. Die initiale
Belastungsstufe und die Steigerung zur nächsten Stufe werden in Abhängigkeit von der
atemmechanischen Limitation (bzw. Belastungseinschränkung) gewählt. Die Blutgasanalysen
sollten jeweils in der letzten Belastungsminute einer jeden Stufe erfolgen, da die
Kinetik des Gasaustausches bei Patienten gegenüber Gesunden deutlich verändert ist
[33]
[34].
Belastung mit konstanter Intensität
Der Belastungstest mit konstanter Belastungsintensität (30 – 40 % der V̇O2max oder 50 – 70 % der Wmax) kann für die Beurteilung von therapeutischen Interventionen,
insbesondere bei Patienten mit COPD, herangezogen werden [4]
[7]
[35]
[36]. Aufgrund einzelner Beobachtungen wird z. Zt. eine minimal clinically important difference von 1,35 min [35] bzw. eine Verbesserung der Zeit um > 33 % zur Ausgangsmessung vorgeschlagen [36].
Belastung auf dem Laufband
Beim Einsatz des Laufbandes wird ähnlich dem Fahrradergometer die Leistung entweder
stufenweise oder kontinuierlich (sog. Rampe) gesteigert. Dabei ergeben sich unterschiedliche
Möglichkeiten der Belastungssteigerung, entweder über eine Beibehaltung der Laufbandgeschwindigkeit
und ein Erhöhen der Steigung des Laufbandes (Balke-Protokoll) [37] oder über eine Steigerung der Laufbandgeschwindigkeit bei konstanter oder zunehmender
Steigung (Bruce- oder Naughton-Protokoll) [30]
[38].
Sollwerte
In der Literatur steht eine Reihe von Referenzwerten für Leistungsparameter zur Verfügung.
Diese werden jeweils mit der Methodik der Belastungstests dargestellt. Insbesondere
wurden in der deutschen SHIP-Studie an einem großen Kollektiv neue Referenzwerte für
die Spiroergometrie erarbeitet, wobei für die praktische Anwendung die daraus entwickelten
Normwertformeln zur Anwendung empfohlen werden können, s. Kap. Spiroergometrie.
Belastungsende und Kriterien der Ausbelastung
Bei eingeschränkter Belastbarkeit erfolgt zunächst die Differenzierung zwischen mangelnder
Motivation (könnte, aber will nicht) und objektiver Organdysfunktion bei vorhandener Motivation (will, aber kann nicht) [4]. Bei guter Motivation ist das Ausmaß der eingeschränkten Belastbarkeit valide reproduzierbar
[3]
[39]
[40]
[41]
[42]
[43].
Die Ursache für den vorzeitigen Abbruch der Belastung sollte dolumentiert werden,
einschließlich einer eingeschränkten Motivation. Häufig ergeben sich Hinweise auf
die führende Organdysfunktion: z. B. Dyspnoe (Anämie, kardiopulmonale Ursachen), periphere
Erschöpfung (Trainingsmangel oder Dekonditionierung, z. B. COPD), Schmerzen der Beine
(z. B. Claudicatio bei peripherer Perfusionsstörung) oder Thoraxschmerz (Angina pectoris bei koronarer Herzkrankheit).
Die meisten Belastungstests werden symptomlimitiert durchgeführt. Für die Bewertung
einer Belastungsuntersuchung als „maximale“ Belastung („Ausbelastung“) werden unterschiedliche
Variablen herangezogen. Am umfangreichsten sind die Ausbelastungskriterien für die
Spiroergometrie beschrieben: maximale Herzfrequenz, Laktatspiegel, V̇O2-Plateau, Bikarbonat, pH-Abfall und respiratory exchange ratio (RER) [44]
[45]. Aktuell fehlt ein Goldstandard zur Beurteilung der „Ausbelastung“ eines Patienten.
Vielmehr wird die Motivation und Mitarbeit eines Patienten als „maximal“ angesehen,
falls ≥ 1 der nachfolgenden Kriterien erfüllt ist [1]:
-
Sollwert oder Plateau für V̇O2 erreicht.
-
Sollwert für Leistung erreicht.
-
Sollwert für Herzfrequenz erreicht.
-
Hinweis auf ventilatorische Limitation, d. h. peak V̇E nähert sich MVV.
-
Obwohl kein RER die Ausbelastung präzise definiert, wird ein RER > 1,15 allgemein
als Hinweis auf nahezu oder vollständige Ausbelastung angesehen.
-
Patient erschöpft/Borg-Skala 9 bis 10 von 10 Punkten (s. Kap. Borg-Skala).
Der früher herangezogene Abfall des PaO2 unter 55 mmHg oder der Sauerstoffsättigung < 88 % sind keine sicheren Zeichen der
Ausbelastung, da dieser Abfall z. B. bei interstitiellen Lungenerkrankungen oder pulmonaler
Hypertonie bereits bei submaximaler Belastung auftreten kann.
Ebenso wird bei Auftreten von Angina pectoris, Ischämie-Zeichen im EKG und Herzfrequenz- oder Blutdruckabfällen der Belastungstest
vorzeitig abgebrochen bevor die Ausbelastungsgrenze erreicht wurde.
Borg-Skala
Die Borg Skala dient seit 1962 zur verbalen Beschreibung und Einschätzung einer subjektiv
empfundenen Anstrengung. Sie wurde aus der Borg Rating of Perceived Exertion Scale (RPE) entwickelt, die auf Basis des linearen Zusammenhangs zwischen Leistung auf dem Fahrradergometer,
Herzfrequenz und Sauerstoffaufnahme beruht [46]
[47]. Die Anwendungsmöglichkeiten der Borg-Skala umfassen unterschiedliche medizinische
Bereiche, u. a. körperliches Training [48]
[49]
[50]
[51]
[52], Atemmuskeltraining [50]
[53], Einschätzung des Sauerstoffbedarfs [54]
[55]
[56]
[57], Schweregrad einer Erkrankung z. B. Grad der Obstruktion und Effekte einer antiobstruktiven
Therapie bei COPD [58]
[59]
[60]
[61] sowie das Therapiemonitoring bei Patienten mit pulmonaler Hypertonie [46]
[61]
[62]
[63].
Die Skalen (Borg-RPE Scale oder CR-10 Scale) stellen Schätzskalen für das rein subjektive
Anstrengungsempfinden des Probanden dar. In dieses fließen u. a. die empfundene Leistung,
die Ermüdung der Beinmuskulatur, Atemnot, jedoch auch – je nach Patientenkollektiv
– Schwitzen und Temperatursteigerung ein. Das Profil für das Anstrengungsempfinden
(z. B. Schwerpunkt auf Atemnot oder Ermüdung der Beinmuskulatur) sollte vor Untersuchung
je nach Fragestellung festgelegt werden [46].
Aktuell verbreitet ist eine Einteilung der Borg-Skala von 0 bis 10 (CR-10 Scale, Category Ratio Scale) (s. [Tab. 5]). Diese Skalierung ist zur vereinfachten Anwendung und zum besseren Verständnis
für den Probanden mit nicht linearen, verbalen Beschreibungen versehen und kann in
verschiedenen medizinischen Teilbereichen eingesetzt werden, u. a. zur Einschätzung
von Schmerz, Anstrengung oder Dyspnoe [46]
[47]
[62].
Tab. 5
CR-10-Skala zur Selbsteinschätzung von Dyspnoe oder Anstrengung durch den Untersuchten,
nach Borg, 1982 [47].
0
|
Anstrengung nicht wahrnehmbar
|
0,5
|
kaum wahrnehmbar
|
1
|
sehr gering wahrnehmbar
|
2
|
gering wahrnehmbar
|
3
|
moderat
|
4
|
etwas anstrengend
|
5
|
anstrengend
|
6
|
|
7
|
sehr schwer
|
8
|
|
9
|
|
10
|
sehr, sehr schwer, fast maximal
|
Der Wert 0 soll eine Belastung darstellen, welche für den Probanden nicht wahrnehmbar
ist, der Wert 5 beschreibt ein Anstrengungsempfinden, welches „anstrengend“ ist, jedoch
der Proband mit der Belastung noch fortfahren kann.
In Bezug zur Anwendung in der pulmonalen Rehabilitation zeigt sich bei Änderung um
≥ 2 Einheiten auf der Skala der größte klinische Effekt und klinische Nutzen für den
Patienten. Größere Effekte (> 3 Einheiten) wurden vereinzelt nach Lungenvolumenreduktion
beschrieben. Die Ergänzung einer antiobstruktiven Therapie oder einer Sauerstofftherapie
bei Belastung scheint einen geringeren Effekt mit Verbesserung um eine Einheit zu
besitzen [64].
Vor jeder Belastungsuntersuchung muss der Proband über die Durchführung der Untersuchung
und den Einsatz der verwendeten Skala standardisiert und gut informiert werden. Beispiel
für Erklärung: „Es soll Ihr Anstrengungsempfinden während der Belastungsuntersuchung
bestimmt werden. Sie sollen uns mitteilen, wie anstrengend diese Belastung für Sie
ist. Das Empfinden kann von Ihrer Muskulatur, Atemlosigkeit oder Brustschmerzen abhängen.“
Innerhalb der ersten Minute nach Belastungsende (d. h. Beginn der Erholungsphase)
wird der Proband standardisiert aufgefordert, auf einer gut lesbaren Borg-Skala (s.
[Tab. 5]) seine empfundene Anstrengung (oder Dyspnoe, Schmerz etc.) einzuschätzen. Beispiel
für Aufforderung: „Bitte geben Sie Ihr Anstrengungsempfinden so spontan wie möglich
an – ohne die Anstrengung zu über- oder unterschätzen. Ihre eigene Einschätzung der
Anstrengung ist wichtig“ [46].
Vorteile der Borg-Skala bestehen in ihrer guten Reproduzierbarkeit und in der Möglichkeit,
sie zur Einzel- und Verlaufsbeobachtung, z. B. bei der Trainingssteuerung [52], heranzuziehen [46].
Technische und personelle Voraussetzungen für Belastungsuntersuchungen
Der für die Untersuchung zuständige Arzt ist dafür verantwortlich, dass vor einer
Belastungsuntersuchung adäquate Voruntersuchungen durchgeführt wurden. Dazu gehören
Anamnese einschließlich Medikation, körperliche Untersuchung, Überprüfung der Indikationsstellung
zur Belastungsuntersuchung und Ausschluss von Kontraindikationen (s. o.).
Der Patient/Proband muss über den Ablauf eines Belastungstest angemessen und verständlich
informiert werden. Eine schriftliche Aufklärung ist insbesondere für invasive Untersuchungen
unverzichtbar.
Die Untersuchungsbedingungen sollten standardisiert sein. Vor allem bei Verlaufsbeobachtungen
sind Einflussfaktoren zu beachten, die den intraindividuellen Vergleich behindern
können, z. B. zirkadiane Rhythmik, interferierende Medikation oder Nahrungsaufnahme
in den 3 h vor dem Belastungstest.
Das nicht ärztliche Fachpersonal muss über ausreichende Ausbildung und Erfahrungen
in der Durchführung der Belastungsuntersuchung verfügen. Bei entsprechender Qualifikation
können nicht invasive Belastungsuntersuchungen auch allein durch nicht ärztliches
medizinisches Fachpersonal durchgeführt werden. Ein ausreichend qualifizierter und
erfahrener Arzt muss jedoch während der Untersuchung und in der Nachbelastungsphase
unmittelbar verfügbar sein [65]. Bei Patienten mit erhöhtem Risiko ist die Anwesenheit eines qualifizierten Arztes
im Untersuchungszimmer notwendig [10]. Die durchführende Person muss über fundierte Kenntnisse zu Leistungsphysiologie,
Durchführung der Belastungsuntersuchung und Notfallmaßnahmen, einschließlich Reanimation,
verfügen [10], weitere Beteiligte mindestens über Basiskenntnisse der Belastungsuntersuchungen
und möglichen Komplikationen, einschließlich Reanimation. Die Endverantwortung für
Indikationsstellung, Durchführung und Befundung der Untersuchung, einschließlich der
Patientensicherheit, liegt beim zuständigen Arzt [10].
Der Untersuchungsraum muss mit einem Telefon, einer Liege und möglichst einer Waschgelegenheit
für den Patienten ausgestattet sein. Er sollte eine ausreichende Größe und Frischluftzufuhr
haben. Die empfohlene Raumtemperatur liegt bei 22 (20 – 26)°C, die Luftfeuchtigkeit
bei 30 – 60 %. Hinter einem Laufband ist ein freier Sturzraum freizuhalten. Werden
Patienten mit gesundheitlichen Einschränkungen oder besonderer Gefährdung im Falle
eines Sturzes auf dem Laufband untersucht oder erfolgt der Lauf mit hohen Geschwindigkeiten,
so ist eine Fallstoppsicherung empfohlen. Für die apparative Ausstattung zur Durchführung
von Belastungsuntersuchungen gelten die sicherheitstechnischen Vorgaben der Hersteller
bzw. der deutschen bzw. europäischen Normungsorganisation (EN 957-1 Stationäre Trainingsgeräte,
EN 957-5 Tretkurbel, EN 957-6 Laufband).
Dabei ist zu beachten, dass die handelsüblichen Fahrradergometer bauartspezifische
Obergrenzen (zwischen 160 – 200 kg) für das Körpergewicht der Probanden/Patienten
haben. Für Personen < 300 kg Körpergewicht bietet sich daher ein sog. Liege-Fahrrad
(engl. recumbent ergometer) an. Auch sog. Handkurbelergometer stellen eine geeignete Alternative u. a. für adipöse
Patienten oder Patienten mit orthopädischen Einschränkungen dar. Bei den Laufbandergometern
gibt es eine weiterentwickelte Alternative zu den Standardgeräten, das sog. „Anti-Schwerkraft-Laufband“.
Es ermöglicht eine stufenweise Gewichtsentlastung bis zu 80 % (bei einem Gewicht > 145 kg
bis zu 65 %) und ist für Patienten bis 181 kg geeignet. In den verschiedenen Varianten
ist es neben der Rehabilitation auch für ein Training im Leistungssportbereich oder
in Verbindung mit einer Spiroergometrie nutzbar.
Die adäquate medizinisch-technische Ausstattung für die Notfallversorgung (Notfallkoffer
z. B. nach DIN 13232, Notfallmedikamente, Defibrillator, Sauerstoffquelle etc.) muss
im Untersuchungsraum einsatzbereit vorhanden sein.
Es wird empfohlen, Maßnahmen zur Qualitätssicherung von Belastungsuntersuchungen durchzuführen.
Diese umfassen u. a. die technische Betriebssicherheit der verwendeten Geräte nach
Medizinproduktegesetz (MPG), Beachtung der Hygiene- und Strahlenschutzvorschriften,
die Kalibrierung und Volumeneichung (sowie eine regelmäßige biologische Eichung) von
Spiroergometrie-Messplätzen, aber auch die Einhaltung von standardisierten Untersuchungsabläufen
sowie eine standardisierte Befunddokumentation (Prozessqualität).
Häufig eingesetzte Belastungsuntersuchungen
Häufig eingesetzte Belastungsuntersuchungen
Gehtests
Gehtests auf ebenem Untergrund sind sowohl bei Kindern [66] als auch bei Erwachsenen bis ins höhere Alter [67] möglich und werden auch für Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen als sicher
angesehen [68]. Sie sind leicht durchführbar und erfordern einen minimalen apparativen, personellen
und zeitlichen Aufwand. Die Aussagekraft einzelner Parameter (z. B. peak V̇O2 oder Herzfrequenz) ist dabei vergleichbar mit der (Spiro-)Ergometrie [69].
Neben dem weltweit am häufigsten angewandten Gehtest, dem 6-Minuten-Gehtest (engl.
6-minute walk test, 6-MWT), findet der shuttle walk test nach einem Protokoll mit steigender (incremental) oder mit gleichbleibender Gehgeschwindigkeit (endurance) Anwendung.
6-Minuten-Gehtest
Indikationen und Durchführung Die Indikationen für den 6-MWT sind in [Tab. 1] genannt. Vor der Untersuchung ist körperliche Anstrengung zu vermeiden. Die valide
Interpretation des 6-MWT, insbesondere zur Verlaufsbeobachtung, erfordert eine streng
standardisierte Untersuchungstechnik [70]. In einem ≥ 30 m langen Korridor ohne Publikumsverkehr oder Hindernisse geht der
Patient nach einer ausführlichen, standardisierten Einweisung um 2 gut sichtbare Wendemarken
hin und her. Dabei bestimmt der Patient die Gehgeschwindigkeit und damit die Belastungsintensität
selbst. Die verbalen Informationen vor und während des Tests sind standardisiert [70] und können das Testergebnis signifikant beeinflussen [71] (s. [Tab. 6]). Weitere Rahmenbedingungen (mit/ohne Rollator, Sauerstoffflussrate etc.) werden
auf dem Befund dokumentiert.
Tab. 6
6-Minuten-Gehtest (6-MWT) – Standardisierte Kommunikation.
Wichtige Inhalte der Kommunikation mit dem Patienten vor dem 6-MWT sind:
-
Der Patient soll in 6 Minuten so weit wie möglich gehen (nicht so schnell wie möglich).
-
Es handelt sich um einen Belastungstest, der zur Atemnot führen kann/soll.
-
Der Patient darf die Gehgeschwindigkeit selbst wählen und variieren.
-
Der Patient erhält jede Minute eine Zeitansage zur besseren Einschätzung der verbleibenden
Belastungsdauer.
-
Falls erforderlich dürfen Pausen eingelegt werden (die Testzeit läuft dennoch weiter).
|
Standardisierte Ermutigung des Untersuchers während des 6-MWT zu jeder vollen Minute:
|
Der Untersucher sollte den Patienten/Probanden im Abstand von ca. 1 m hinter ihm begleiten, ohne ihn zu behindern; er notiert dabei O2-Sättigung und Herzfrequenz mittels eines mobilen Pulsoxymeters [72]. Ist die Beurteilung der Oxygenierung nicht relevant, ist das Mitgehen des Untersuchers
beim 6-MWT verzichtbar. Dies sollte im Befund vermerkt werden.
Nach Ablauf der 6 Minuten wird die zurückgelegte Wegstrecke mithilfe der Bodenmarkierungen
(alle 3 – 5 m angebracht) dokumentiert, und die empfundene Dyspnoe mittels der Borg-Skala
erfragt (s. [Tab. 5]).
Offizielle Abbruchkriterien seitens des Untersuchers sind: Brustschmerzen, intolerable
Atemnot, Beinkrämpfe, schwankender Gang, Kaltschweißigkeit oder plötzliches Erblassen
[70]. Ein Abfall der O2-Sättigung während des 6-MWT < 80 % wird zwar als Abbruchgrund diskutiert [70], jedoch konnte bei COPD-Patienten bislang noch kein negativer Zusammenhang zwischen
O2-Sättigung < 80 % und Auftreten unerwünschter Ereignisse (adverse events) gezeigt werden [68]. Das Abbruchkriterium der O2-Sättigung muss individuell für den jeweiligen Patienten festgelegt werden.
Interpretation Normwerte dienen der inter-individuellen Vergleichbarkeit der absolvierten Gehstrecke.
Beim 6-MWT hat sich für den deutschsprachigen Raum die Sollwertberechnung nach Troosters
bewährt [73]
[74].
Sollwert für die 6-Minuten-Gehstrecke (6-MWT), in m:
Frauen: 218 + (5,14 × Größe, cm) − (5,32 × Alter, J) − (1,80 × Gewicht, kg)
Männer: 218 + (5,14 × Größe, cm) − (5,32 × Alter, J) − (1,80 × Gewicht, kg) + 51,31
Eine 6-Minuten-Gehstrecke < 300 – 350 m ist mit einem signifikant erhöhten Mortalitätsrisiko
in Abhängigkeit von der Erkrankung assoziiert: COPD 317 m, Lungenfibrose 254 m und
PAH 337 m [75]
[76]
[77].
Die Domäne des 6-MWT ist der intra-individuelle Vergleich im Rahmen von Verlaufsbeobachtungen.
Es ist zu beachten, dass bei Testwiederholung am selben oder darauffolgenden Tag bessere
Ergebnisse erzielt werden als beim Erstversuch [78]. Als mögliche Gründe für diesen Lerneffekt werden eine bessere Einschätzung der
eigenen Leistungsfähigkeit und weniger Angst vor der Belastung diskutiert [77]. Daher wird von der ATS/ERS die Durchführung von zwei 6-MWTs zum exakten Therapiemonitoring empfohlen [70]. Andererseits ist ein 6-MWT ausreichend zur einmaligen Evaluation von Schweregrad
und Prognose der Erkrankung [70].
Die Ergebnisse des 6-MWT korrelieren bei zahlreichen pneumologischen und kardiologischen
Erkrankungen generell gut mit anderen Parametern der Schweregradbeurteilung. Gut dokumentiert
ist der Stellenwert dieses Belastungstests bei Patienten mit chronischer Linksherzinsuffizienz
oder mit pulmonaler Hypertonie [79]
[80]
[81]
[82]
[83]
[84].
Die minimal important difference (MID) eines 6-MWT, also die Differenz zwischen 2 Tests vor und nach einer Intervention,
die mit einer für den Patienten spürbaren und klinisch relevanten Veränderung einhergeht,
wurde vielfach diskutiert [85]. Mittlerweile erachten ATS/ERS 30 m (95 % CI 25 – 33 m) als MID für chronische Lungenerkrankungen
[70]. Zu beachten ist, dass MIDs generell für Gruppen berechnet werden und streng genommen
auch nur für Kohorten angewandt werden dürfen. In diesem Kontext ist wie bei allen
MIDs nicht ausgeschlossen, dass der einzelne Patient bei einer Veränderung seiner
6-MWT-Strecke z. B. deutlich unter oder erst über der MID von 30 m einen positiven
Effekt verspürt.
Darüber hinaus wurde in einer Analyse von 2112 COPD-Patienten (ECLIPSE-Kohorte) eine
jährliche Abnahme der 6-MWT-Strecke von mehr als 30 m als relevanter Schwellenwert
identifiziert, der mit einem deutlich erhöhten Mortalitätsrisiko einhergeht [86].
Shuttle-Walk-Tests
Incremental shuttle walk test (ISWT) Der ISWT wird auf einer Strecke von 10 m (= 1 shuttle) durchgeführt, die durch 2 Pylonen
begrenzt ist [87]. Die Gehgeschwindigkeit wird von einem akustischen Signal (i. d. R. Pieptöne von
einem CD-Spieler oder einer App) vorgegeben. Die Original ISWT/ESWT-Datei mit Testansagen
und Pieptönen ist über die Homepage der Universitätsklinik in Leicester erhältlich:
www.leicestershospitals.nhs.uk. Eine deutsche Version ist in Vorbereitung. Die Aufgabe des Patienten ist es, die
extern vorgegebene Gehgeschwindigkeit einzuhalten und bei jedem Piepton am Wendepunkt
zu sein. Das Gehtempo erhöht sich jede Minute von anfänglich 1,8 km/h auf maximal
8,5 km/h. Die Probanden dürfen dabei nur gehen und nicht rennen. Der Test endet entweder,
wenn der Patient die Belastung aufgrund von Dyspnoe bzw. Erschöpfung abbricht oder
wenn die Gehgeschwindigkeit nicht mehr gehalten werden kann (definiert als zweimaliges
Nichterreichen des Wendepunktes zum Piepton). Hauptergebnis des ISWT ist die maximal
zurückgelegte Wegstrecke. Eine Verbesserung > 47,5 m gilt als MID [88].
Endurance shuttle walk test (ESWT) Im Anschluss an einen ISWT kann nach frühestens 30 min ein ESWT durchgeführt werden,
wobei eine Gehgeschwindigkeit von 85 % des maximalen Wertes des ISWT konstant beibehalten
wird [70]. Die externe Steuerung der Gehgeschwindigkeit erfolgt durch o. g. akustische Signale
[89]. Testergebnis ist primär die Zeitdauer, die ein Proband die vorgegebene Gehgeschwindigkeit
halten kann. Für Verlaufskontrollen wird die MID ab einer Verbesserung von 65 – 85 s
angenommen [90].
Der ESWT zeigt im Vergleich zum 6-MWT oder ISWT eine signifikant höhere Sensitivität
bzgl. Leistungsveränderung (z. B. nach körperlichem Training oder nach Inhalation
von Bronchodilatatoren) [91]. Obwohl der ESWT international vielfach zum Therapiemonitoring bei Patienten mit
COPD bzw. in der Rehabilitationsmedizin eingesetzt wird [90]
[92] ist dieser Test im deutschsprachigen Raum noch wenig gebräuchlich.
Blutgase unter Belastung
Die Messung des arteriellen Partialdrucks von Sauerstoff (PaO2), der den Grad der Oxygenierung des Blutes widerspiegelt, und Kohlendioxid (PaCO2), der sich umgekehrt proportional zur alveolären Ventilation verhält und diese charakterisiert,
in Ruhe und unter Belastung gehören zur Basisdiagnostik in der Pneumologie.
Hauptindikationen für die Bestimmung der Blutgase unter Belastung sind:
-
differenzialdiagnostische und pathophysiologische Abklärung einer Ruhehypoxämie oder
einer Belastungsdyspnoe
-
Analyse der Belastungsdyspnoe bei Patienten mit COPD (Verteilungsstörung oder progrediente
Hypoxämie)
-
Charakterisierung von Diffusionsstörungen bei interstitiellen Lungenparenchymerkrankungen
(z. B. Sarkoidose, Fibrose)
-
Charakterisierung der Belastungslimitierung bei Gefäßkrankheiten der Lunge oder Shuntvitien
(z. B. chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie, CTEPH, oder pulmonale arterio-venöse
Malformationen, PAVM)
-
Berechnung wichtiger spiroergometrischer Kenngrößen (z. B. VD/VT, A-aDO2, a-ADCO2)
Für die Analyse des Gasaustausches sind Belastungsstufen über jeweils 5 – 6 min zu
wählen. Nur dadurch lässt sich ein steady state der Gausaustauschparameter erreichen
und die verzögerte Kinetik des Gasaustausches bei Patienten mit Lungenkrankheiten
gegenüber Gesunden berücksichtigen [33]
[34]. Die Blutgase sollten deshalb erst in der 5. Minute einer Belastungsstufe abgenommen
und unmittelbar danach bestimmt werden.
Nach klinischer Erfahrung sind die Messungen aus dem hyperämisierten Ohrläppchen im
Vergleich zur arteriellen, schmerzhafteren Blutabnahme (z. B. A. radialis) in der
Regel ausreichend, wenn auch leichte Abweichungen von den Messwerten aus dem arteriellen
Blut insbesondere für den PaO2 auftreten können [93].
Der Sollwert für PaO2 ist u. a. altersabhängig. Der zu erwartende PaO2 kann mit der sog. Murray-Formel abgeschätzt werden.
Soll-PaO2 = 100,1 − (0,323 × Lebensalter)
oder als „vereinfachte Faustformel“:
Soll-PaO2 = 102 − (Lebensalter × 0,33)
Der Einfluss einer Hypokapnie (z. B. bei Hyperventilation) beim spontanatmenden Individuum kann zumindest in Ruhe abgeschätzt und korrigiert werden [94]
[95].
PaO2 korrigiert = PaO2 gemessen − 1,66 × (40 − PaCO2 gemessen)
Als pathologisch für den PaO2 (Sollwerte nach [96]) sind unter Steady-State-Bedingungen ein Abfall um > 5 mmHg in den pathologischen
Bereich zu werten oder eine Zunahme der Ruhehypoxämie. Ein solches Ergebnis spricht
für unter Belastung persistierende oder zunehmende Verteilungsstörungen oder für einen
Rechts-Links-Shunt.
Bei Leistungssportlern kann eine Belastungshypoxämie physiologisch auf sehr hoher
Belastungsstufe auftreten [97].
Da der PaO2 von der jeweils vorliegenden Willkürventilation abhängt, sollte der PaCO2 gleichzeitig analysiert werden. Auswirkungen der Ventilation auf die arteriellen
Blutgaspartialdrucke können exakter mit der Bestimmung der endexspiratorisch-arteriellen
Partialdruckdifferenzen erfasst werden (Det-aCO2, siehe Kap. Spiroergometrie), die z. B. bei leichtgradiger COPD frühzeitiger als
die Blutgase pathologische Veränderungen zeigen [98].
Aufgrund des sigmoiden Verlaufs der O2-Bindungskurve von Hämoglobin sollte die periphere O2-Sättigung nicht zur Analyse von Gasaustauschstörungen unter Belastung eingesetzt
werden. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Auswahl des Belastungsprotokolls die
O2-Sättigung unter Belastung beeinflussen kann [17].
Spiroergometrie
Die Spiroergometrie wird einerseits zur Trainingssteuerung, andererseits zur Identifikation
von normalen und pathologischen Reaktionsmustern unter Belastung, zur Differenzierung
zwischen kardiovaskulärer oder pulmonaler Ursache der eingeschränkten Belastbarkeit
und zur Charakterisierung von Herz-Kreislauffunktion, Atemmechanik, Gasaustausch,
Muskelerkrankungen oder psychologischen Erkrankungen [3]
[5]
[6]
[8]
[12]
[24]
[99] eingesetzt.
Kenngrößen
Direkt gemessen werden: Leistung in Watt, Atem- und Herzfrequenz, Blutdruck, Atemvolumina
und -stromstärke, O2-Sättigung, Partialdrucke von O2 und CO2 exspiratorisch und arteriell bzw. kapillär, Laktat und Säure-Basenhaushalt im Vollblut,
EKG (s. [Tab. 8]).
Wichtige errechnete Parameter sind: Sauerstoffaufnahme (V̇O2), Kohlendioxidabgabe (V̇CO2), Sauerstoffpuls, ventilatorische bzw. Atemäquivalente für O2 und CO2 (EqO2 und EqCO2), Totraumventilation (VD/VT), respiratory exchange ratio (RER) als Surrogat für den respiratorischen Quotient (RQ), alveoläre (A) bzw. endexspiratorische
(ET) versus arterielle (a) Partialdruckdifferenzen für O2 als A-aDO2 und für CO2 als a-ADCO2, genau genommen als P(a-ET)CO2.
Die Atemäquivalente (EqO2, EqCO2) werden häufig den reinen Quotienten V̇E/V̇O2 und V̇E/V̇CO2, gleichgestellt. Dies ist jedoch ungenau, da die Atemäquivalente auch den externen
Totraum (Vdextern) der Messapparatur (Nasen-Mund-Maske, Mundstück etc.) berücksichtigen. Die
Atemäquivalente berechnen sich für O2 als EqO2 = [V̇E − (Atemfrequenz × V
D
extern)] × V̇O2
−1, sowie für CO2 als EqCO2 = [V̇E − (Atemfrequenz × V
D
extern)] × V̇CO2
−1.
Für die Berechnung der A-aDO2 und der Totraumventilation ist die Blutgasanalyse aus arteriellem Blut oder arterialisiertem
Kapillarblut (hyperämisiertes Ohrläppchen) in Ruhe und während der Belastung unverzichtbar.
Bei Angaben zur V̇O2 bei Abbruch der Belastung wird zwischen peak V̇O2 und V̇O2max unterschieden:
Die Ermittlung von V̇O2max erfordert ≥ 2 vollständige Belastungsuntersuchungen. Ein trainierter Proband erreicht
bei Ausbelastung ein identisches physiologisches V̇O2-Plateau unabhängig von den gewählten Belastungsprotokollen. Kürzlich wurde folgende
Vereinfachung vorgeschlagen, um ein V̇O2-Plateau, somit V̇O2max, zu bestimmen: Zunächst symptomlimitierter Test 1 nach Rampen- oder Stufenprotokoll
mit Steigerung um 25 W × min-1, nach Erholung (20 min) folgt Test 2 über 5 min mit konstanter Belastung bei 110 %
der Leistung (in Watt) von Test 1 [100].
Dieses V̇O2-Plateau (bei gleichzeitigem V̇CO2-Anstieg) wird nur selten bei Patienten mit kardiovaskulären oder pulmonalen Erkrankungen
beobachtet. Daher bezeichnet man die größte V̇O2 beim Abbruch eines einzelnen Belastungstests (meist ohne V̇O2-Plateau) als peak V̇O2
[24]
[101].
Fluss-Volumen-Kurven
Die Identifikation einer ventilatorischen Limitierung der Leistungsfähigkeit basiert
u. a. auf der Bestimmung des Atemgrenzwertes, der Atemreserve und der Analyse von
Fluss-Volumen-Kurven vor und während der Belastung (s. [Abb. 1]).
Der Atemgrenzwert, häufig maximum voluntary ventilation, MVV, kann durch ein unphysiologisches und anstrengendes Atemmanöver vor der Belastung
ermittelt werden: 12 – 15 s möglichst tiefes und rasches Atmen. Insbesondere bei eingeschränkten
Patienten wird MVV meist errechnet [102]:
MVV = FEV1 × 40 (Wichtig: Verwende FEV1 gemessen, nicht den FEV1-Sollwert)
In der Literatur findet sich mitunter alternativ Faktor 35 oder 45 [24].
Die Differenz zwischen peak V̇E und MVV, beides in l × min−1, wird als Atemreserve, engl. breathing reserve (BR), bezeichnet und beträgt normalerweise
≥ 20 % [3]
[5]. Außerdem steigt Vt unter Belastung an, erreicht aber normalerweise nicht die inspiratorische Kapazität
(IC). Eine Atemreserve < 20 % oder Vt nahezu identisch mit IC sind typische Hinweise auf eine atemmechanische Limitierung.
Noch nicht überall verfügbar ist die Bestimmung von Fluss-Volumen-Kurven (F/V-Kurven)
in Ruhe und unter Belastung, obwohl bereits 1988 in der klinischen Anwendung beschrieben
[103]. F/V-Kurven ermöglichen die spezifische Abklärung einer ventilatorischen Einschränkung
(s. [Abb. 1]): exspiratorische Flusslimitation, inspiratorische Flussreserve, Relation von inspiratorischer
Kapazität (IC) und endexspiratorischem Lungenvolumen (EELV) zur totalen Lungenkapazität
(TLC) als Ausdruck einer dynamischen Überblähung oder Atemmuskelschwäche unter Belastung
[3]
[6]
[104]
[105]
[106].
Abb. 1 Beurteilung der Fluss-Volumen-Kurven in Ruhe und unter körperlicher Belastung (Normalbefund).
Die valide Diagnose einer Ventilationsstörung unter Belastung (z. B. Obstruktion)
erfordert exakte und standardisierte Messmanöver (siehe Text).
FRC = Funktionelle Residualkapazität (unter Belastung häufig mit EELV gleichgesetzt),
FVC = Forcierte Vitalkapazität, IC = Inspiratorische Kapazität, TLC = Totale Lungenkapazität.
Es liegt kein international konsentierter Standard für die Durchführung der scheinbar simplen – aber störanfälligen (s. u.) – Messung vor. Daher wird empfohlen
die F/V-Kurven und die IC folgendermaßen zu bestimmen [105]
[107]:
-
Für dieses mitarbeitsabhängige Verfahren ist eine adäquate Einweisung vor und eine
motivierende Anleitung während der Untersuchung zwingend erforderlich.
-
Bestimmung einer forcierten F/V-Kurve in Ruhe im Sitzen (ggf. aus separater Messung
übertragen).
-
Fortlaufende Darstellung der Volumenkurve während der Untersuchung, um einen „Drift“
rechtzeitig zu identifizieren (Maskenleckage, Temperaturanstieg, Feuchtigkeit etc.).
-
Fortlaufende Aufzeichnung von 2 bis 3 F/V-Kurven, die am Ende einer normalen Exspiration
(= EELV) in eine maximale Inspiration bis zur TLC (= IC-Manöver) übergehen.
-
Die Aufzeichnung der F/V-Kurven und das IC-Manöver erfolgen zu definierten Zeitpunkten
(mindestens in der Ruhephase, unmittelbar vor Belastungsabbruch, am Ende der Erholungsphase
und optional während der Belastung, z. B. an VT1).
-
Wichtig! Das IC-Manöver ist nur valide, wenn die maximale Inspiration bei stabilem
EELV beginnt (d. h. vorausgehende 4 Atemzüge ohne „drift“). Eine manipuliert zu geringe
bzw. zu tiefe Exspiration vor Beginn des IC-Manövers führt zu falsch niedriger IC
bzw. falsch hoher IC-Einschätzung.
Die Auswertung erfolgt nach Beendigung der Belastungsuntersuchung. Die F/V-Kurven aus den unterschiedlichen
Phasen der Untersuchung werden anhand der maximalen Inspiration beim IC-Manöver (= TLC)
ausgerichtet (s. [Abb. 1] und [Abb. 2]).
Abb. 2 a Schematische Fluss-Volumen-Kurven in Ruhe und unter Belastung bei schwerer obstruktiver
Ventilationsstörung.
Aufgrund der Flusslimitation (ΔΔΔ) entspricht der Fluss bei Exspiration in Ruhe (dünne
Linie) und noch ausgeprägter unter Belastung (fette Linie) dem Exspirationsfluss des
separaten forcierten Manövers (gestrichelte Linie).
Beachte unter Belastung die Verlagerung der Fluss-Volumen-Kurve nach links (←), d. h.
dynamische Überblähung mit Abnahme von inspiratorischer Kapazität (IC) und Zunahme
des endexspiratorischen Lungenvolumens (EELV). b Spiroergometrischer Befund bei einem Patient mit COPD. Deutliche obstruktive Ventilationsstörung
in Ruhe und unter Belastung mit Begrenzung der Exspiration (roter Balken) sowie dynamischer
Überblähung (Pfeil). Untersucher Dr. C. Heintz.
-
Da die TLC bei Gesunden und bei COPD-Patienten unter Belastung konstant bleibt [108]
[109]
[110], bedingt eine Änderung von IC die gegensinnige Änderung von EELV. Bei Gesunden nimmt
die EELV unter Belastung typischerweise ab (IC nimmt zu) oder bleibt zumindest gleich
[107]. Für die Abnahme des EELV rekrutieren Gesunde die exspiratorische Muskulatur, was
nicht nur VT steigert, sondern die nachfolgende tiefe Inspiration erleichtert.
-
Demgegenüber ist eine Verlagerung der Atemmittellage zur TLC (Abnahme der IC und Zunahme
des EELV) Hinweis auf eine dynamische Überblähung, die zu Belastungsintoleranz und
-dyspnoe beitragen kann und bei Patienten mit COPD und Atemwegsobstruktion beschrieben
wurde [111]. Andererseits ist die beobachtete EELV-Zunahme (Abnahme der IC) bei Patienten mit
PAH noch beeinflusst durch eine Obstruktion der peripheren Atemwege [112]
[113]. Jedoch nimmt die IC unter Belastung bei Patienten mit Linksherzinsuffizienz ab,
v. a. als Folge einer progredienten Dysfunktion/Schwäche der Inspirationsmuskulatur
durch verminderte Perfusion der peripheren Muskulatur unter Belastung [114]. Eine dynamische Überblähung und exspiratorische Flusslimitation wurde auch bei
Patienten mit normaler Atemreserve (d. h. > 15 – 20 %) [105] bzw. ohne exspiratorische Flusslimitation unter Belastung [114] nachgewiesen.
-
In der weiteren Analyse werden die F/V-Kurven unter Belastung mit einer Kurve aus
einem forcierten Manöver verglichen, um die exspiratorische oder inspiratorische Flussreserve
unter Belastung zu ermitteln [104].
-
Üblicherweise spricht man von exspiratorischer Flusslimitation, wenn der Exspirationsfluss
der Tidalatmung über weite Teile der Exspiration (d. h. > 30 – 50 % von VT) den Fluss der forcierten Exspiration erreicht oder sogar übersteigt [106]. Der exspiratorische Fluss kann bei Patienten mit schwerer COPD bereits in Ruhe
limitiert sein und ist typischerweise unter Belastung begrenzt (d. h. er entspricht
weitgehend der Exspiration des forcierten Manövers) [115]
[116].
-
Von einer inspiratorischen Limitation spricht man, sobald der Inspirationsfluss der
Tidalatmung unter Belastung den Inspirationsfluss im forcierten Manöver erreicht [106]. Ebenso ist von einer ventilatorischen Limitation auszugehen, falls Vt unter Belastung > 70 % der IC erreicht bzw. die Differenz zwischen endinspiratorischem Lungenvolumen
(EILV) und TLC unter 0,5 (−1) l oder EILV < 80 – 85 % von TLC erreicht [107].
-
In einer Vergleichsuntersuchung zur Datenqualität zeigte die regelmäßige ein- bzw.
zweiminütige Bestimmung der F/V-Kurven mit IC-Manöver keine Veränderung ventilatorischer
bzw. kardiozirkulatorischer Parameter gegenüber einem Belastungstest ohne Atemmanöver
[117].
Exercise induced Oscillatory Ventilation (EOV)
Seit der Erstbeschreibung einer oszillierenden Atmung unter Belastung bei Patienten
mit fortgeschrittener chronischer Linksherzinsuffizienz [118] wurde dieses Phänomen erst in jüngerer Zeit intensiver untersucht. Es liegen über
75 Studien an über 17000 Patienten vor, deren Aussagekraft durch die stark divergierenden
Definitionen für das Vorliegen einer EOV in den einzelnen Patientenkollektiven deutlich
eingeschränkt wird [119]
[120].
Zusammenfassend wird aktuell folgende Definition empfohlen, die sich eng an der Erstbeschreibung
orientiert [3]: EOV ist das Auftreten einer oszillierenden Atmung (fluktuierend großes Tidalvolumen)
während > 60 % der Belastung mit einer Amplitude > 15 % des durchschnittlichen Atemminutenvolumens
in Ruhe (s. [Abb. 3]).
Abb. 3 Beispiel für Exercise induced oscillatory ventilation (EOV). Beachte die zyklischen
Fluktuationen des Atemminutenvolumens ohne Apnoephasen während eines Großteils der
Belastung. † = Amplitude und ‡ = Dauer einer einzelnen EOV. [Corrà-U, Int J Cardiol 2016; 206: S13–S15].
Bei Patienten mit EOV führt die fluktuierende Ventilation zu periodischen Schwankungen
der V̇E und der exspiratorischen Gasaustauschparameter [121].
Klinisch ist die Differenzierung von anderen Formen der periodischen Atmung relevant,
insbesondere von der Cheyne-Stokes-Atmung, die tags und nachts beobachtet werden kann
und durch das Auftreten von regelmäßigen Apnoephasen abgegrenzt wird, die bei der
EOV definitionsgemäß fehlen [121].
Das Auftreten von EOV wurde wiederholt in Kollektiven mit chronischer Linksherzinsuffizienz
v. a. bei höherem Lebensalter bzw. bei fortgeschrittener Erkrankung und als Indikator
einer ungünstigen Prognose charakterisiert [118]
[122]
[123]
[124].
Auch bei Patienten mit prä- und postkapillärer PH wurde die EOV beobachtet [125]
[126]. Offenbar spielt die Ätiologie der PH dabei eine Rolle. Die Spiroergometrie bei
diesen 60 Patienten mit entweder präkapillärer PH, kombiniert prä- mit postkapillärer
PH, oder postkapillärer PH zeigte einerseits eine abnehmende belastungsinduzierte
Hyperventilation zwischen diesen Entitäten und andererseits eine zunehmende Inzidenz
von EOV [125].
Kürzlich wurde EOV in einem großen Kollektiv von Personen ohne Symptome einer Herzinsuffizienz
beobachtet, v. a. bei Frauen mit Diabetes mellitus mit zunehmendem Lebensalter [127]. Dies legt nahe, dass gestörte Chemoreflexe eine pathophysiologische Rolle spielen
könnten [127].
Eine automatisierte Analyse zur Identifikation von EOV unter Belastung ist in Entwicklung
[128].
Neue Parameter der Spiroergometrie
Circulatory Power (CP) Im Gegensatz zum invasiven Parameter cardiac power, dem Produkt aus Herzzeitvolumen
und mittlerem systemarteriellem Blutdruck, basiert die circulatory power auf dem Produkt
der nicht invasiv bestimmten Messwerte peak V̇O2 und systolischer Blutdruck (RRsystol). In Patientenkollektiven mit chronischer Herzinsuffizienz
war die circulatory power den herkömmlichen Risikoprädiktoren überlegen bzw. ermöglichte
eine präzise Schweregradbeurteilung und valides nicht invasives Therapiemonitoring
[129]
[130]
Exercise Ventilatory Power (EVP) Die exercise ventilatory power (EVP) entspricht dem Quotient aus systolischem Blutdruck
bei maximaler Belastung (peak RRsystol) und V̇E/V̇CO2 slope [131]. Die exercise ventilatory power charakterisiert die komplexe Interaktion zwischen
pathologischer Alveolarperfusion und -ventilation sowie Chemoreflex-Steuerung der
peripheren Skelettmuskelperfusion (V̇E/V̇CO2 slope), bezogen auf die systemische Hämodynamik (RRsystol) [6]. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen EVP und linksventrikulärer Ejektionsfraktion,
peak V̇O2 und Herzzeitvolumen unter Belastung [132].
Bei 879 Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz war die exercise ventilatory power
in einem Beobachtungszeitraum von 4 Jahren sowohl den etablierten CPET-Prognosemarkern,
als auch der circulatory power in der Risikostratifikation überlegen: Befunde ≤ 3,5 mmHg
prognostizierten ein hohes Mortalitätsrisiko in der multivariaten Analyse [131].
Schwellenkonzepte Die spiroergometrische Bestimmung der Schwellen ist für die Leistungsbemessung, zur
Trainingssteuerung, in der Transplantationsplanung, der Operabilitätsbeurteilung und
der arbeitsmedizinischen Begutachtung von großer Bedeutung.
Konzeptionell werden aus der Leistungsphysiologie 2 ventilatorische Schwellenmodelle
(engl. ventilatory threshold, VT1 und VT2, s. [Abb. 4]) und 2 metabolische Schwellen (engl. lactate threshold, sog. Laktatschwellen, LT1 und LT2) unterschieden [133]. Beide Schwellenkonzepte kennzeichnen den Beginn und das Ende des aerob-anaeroben
Übergangs. Die Laktatschwellen zeigen direkt die metabolischen Änderungen. Der erste
Anstieg der Laktatkonzentration sollte als Laktatschwelle LT1 und der zweite Anstieg
als Ausdruck des Endes des aerob-anaeroben Übergangs als Laktatschwelle LT2 bezeichnet
werden. Demgegenüber beschreiben die ventilatorischen Schwellen die Veränderung des
Gasaustausches als Antwort auf diese metabolischen Anpassungen [134]. So kennzeichnet die VT1, die infolge des Laktatanstiegs und der erforderlichen
Laktatpufferung notwendige Steigerung der V̇CO2 und/oder Ventilation im Verhältnis zur V̇O2. Der VT2 liegt ein Überschreiten des Laktat-Steady-State mit konsekutivem Laktatexzess, Auftreten einer metabolischen Azidose und daraus resultierender
überproportionaler Steigerung der Ventilation zugrunde [134]. Im Befund wird die Methode angegeben, mit der die jeweilige Laktat- und ventilatorische
Schwelle bestimmt wird.
Abb. 4 V-slope-Methode zur Schwellenbestimmung (Details s. Text). VT: Ventilatorische Schwelle.
Bei sog. „fixen“ Laktatschwellen bleibt eine individuelle personenbezogene Laktatkinetik
unberücksichtigt. D.h. hier wird die LT1 als fixe „aerobe Schwelle“ bei 2 mmol/l festgelegt
[135] und die LT2 mit einem fixen Laktatwert von 4 mmol/l [136] gekoppelt und ihr wird ein entsprechendes Leistungsniveau (Watt bzw. km/h) zugeordnet.
Für die Bestimmung einer individuellen Laktatschwelle sind mehrere Methoden beschrieben.
In Deutschland wird derzeit meistens das Dickhuth-Modell angewandt. Hierbei wird die
anaerobe Schwelle (LT2) durch einen Anstieg des Laktats von 1,5 mmol über das minimale
Laktatäquivalent definiert, d. h. geringste Laktatkonzentration in Relation zur Leistung
(entspricht LT1).
Für die Schwellenbestimmung werden nachfolgende Methoden empfohlen, wobei häufig die
Gesamtschau die Schwellenbestimmung erleichtert [133]:
Die 1. ventilatorische Schwelle, VT1
-
wird vorzugsweise über die V-slope-Methode, die V̇E-/ V̇O2-Kurve und die PetO2-Kurve, d. h. nach der Wasserman 9-Felder-Tafel (Anordnung alt: Felder 5, 6 und 9
bzw. Anordnung neu: Felder 3, 4, 7) bestimmt [133]
[137]. Bei Anwendung der V-slope-Methode ist darauf zu achten, dass an der VT1 ein Wechsel
der Kurvensteigung von < 1 auf > 1 stattfindet, der die Abgabe von Exzess-CO2 aus der Laktatpufferung beschreibt. Da zu Beginn der Belastung die RER im Normalfall
< 1 ist und unter der Belastung zunächst abfällt, liegt die VT1 immer bei einer RER < 1.
Die RER selbst ist nicht zur Bestimmung der VT1 geeignet.
-
ist bei Ermittlung über die Atemäquivalente am Nadir (tiefster Punkt vor dem endgültigen
Anstieg) oder beim Anstieg der V̇E/V̇O2 gegenüber der Belastungsstufe ohne gleichzeitigen Anstieg von V̇E/V̇CO2 [133]
[137].
-
kann über den Nadir oder ersten Anstieg des endexpiratorischen O2-Partialdrucks (PetO2) ermittelt werden [133]
[137]. Hierbei ist VT1 als absolut mit der zugehörigen V̇O2 anzugeben.
Die 2. ventilatorische Schwelle, VT2
-
entspricht dem respiratorischen Kompensationspunkt (RCP), der gekennzeichnet ist durch
eine überproportionale Ventilation infolge einer zunehmenden metabolische Azidose
[134]. Die Analyse erfolgt in der 9-Felder-Tafel nach Wasserman (Anordnung alt: 4, 6,
9 zusätzlich 1, 5 bzw. Anordnung neu: 4, 6, 7 zusätzlich 1, 3) [133].
-
wird über das Verhältnis von V̇E zu V̇CO2 (i. e. V̇E/V̇CO2-slope), das Atemäquivalent für CO2 und/oder PetCO2 bestimmt [133].
-
entspricht dem Nadir bzw. Anstieg von EqCO2, dem Abfall von PetCO2, dem Anstieg von V̇E gegenüber V̇CO2
-
oder in der Analyse des V-slope (V̇CO2 vs. V̇O2) einem nochmaligen Knick der Kurvensteigung auf deutlich > 1.
Sollwerte Bei der klinischen Interpretation von spiroergometrischen Messparametern hat sich
die Anwendung von Relativwerten gegenüber der Nutzung von Absolutwerten als überlegen
gezeigt [138]
[139]. Somit kommt der Auswahl adäquater Sollwerte oder Normalwerte ein hoher Stellenwert
zu.
Grundsätzlich ist zu unterscheiden, inwieweit ein Messparameter dem Einfluss einer
Belastungsart bzw. der Auswahl des Belastungsprotokolls unterliegt. Qualitativ hochwertige
Normwertmodule liegen für Belastungsuntersuchungen in aufrechter Probandenposition
auf Laufband und Fahrradergometer vor, während Belastungen in liegender oder halbliegender
Position nicht mit ausreichender Evidenz in Relation zu Normalwerten interpretiert
werden können. Gleiches gilt für Belastungsarten wie Handkurbelergometer, Handkraftergometer
etc.
Zur Berechnung der Sollwerte zentraler sauerstoffassoziierter Messparameter (V̇O2 an VT1 und bei maximaler Belastung), der Atemmechanik sowie der Atemeffizienz liegen
verschiedene Formeln, basierend auf großen Kollektiven, vor [42]
[140]
[141]. Hansen und Wasserman stellten Formeln zur Verfügung, die kontinuierlich verschiedene
internationale Normwertpublikationen einschließen [24]. Diese Normwertformeln berücksichtigen ein großes Altersspektrum und stimmen in
hohem Maße mit regionalen Normwerten überein [142].
Für Deutschland können die Normwerte der Study of Health in Pomerania (SHIP) herangezogen
werden [96]. Diese Normwerte basieren auf Erwachsenen im Alter von 25 – 85 Jahren, basieren
auf Fahrradergometrien im Sitzen und sind auch für die Blutgasparameter verfügbar
und differenzieren nach Raucherstatus bzw. Betablockertherapie. Ferner wird eine Graduierung
der Funktionseinschränkung ermöglicht, da neben Mittelwerten auch Perzentilen publiziert
wurden [96].
Die verfügbaren Normwerte weisen Schwächen bei Personen in sehr hohem Alter sowie
mit großem (BMI > 32 kg/m2) oder kleinem Gewicht auf.
Für die Sollwertberechnung der V̇O2max bei Normalgewichtigen ist die Formel nach Hansen und Wasserman [140] weit verbreitet:
Sollwert für V̇O2 bei adipösen Patienten [24]
[101]:
Für die Sollwertberechnung der gewichtsbezogenen V̇O2max (in ml/kg/min) eignet sich die Formel nach Cooper [143]:
-
Männer: 50,02 − (0,394 × Alter) ml/kg/min
-
Frauen: 42,83 − (0,371 × Alter) ml/kg/min
Bei Untergewicht wird empfohlen, einen Mittelwert aus dem Sollwert für Normalgewicht
und dem aktuellen Gewicht zu verwenden [24].
Die V̇O2 beim Treten im Leerlauf (unloaded pedaling) kann nach der Formel berechnet werden [24]:
Die heranzuziehenden Normwerte beziehen sich in der Regel auf die absolute, nicht
körpergewichtskorrigierte V̇O2, da die Berechnung der Normwerte neben Körpergewicht auch Größe, Alter und Geschlecht
bereits berücksichtigt und so eine doppelte Korrektur vermieden werden muss.
Bezüglich der Interpretation der V̇O2 liegen lediglich valide Normwerte für die VT1, nicht jedoch für die VT2, vor. Während
einzelne Normwertmodule eine Interpretation der VT1 in Relation zur maximalen V̇O2 bzw. dem Normwert derselben empfehlen [24], liegen auch Normwerte für die Absolutwerte vor [96]. Beide methodischen Ansätze können als valide betrachtet werden.
Bezüglich der maximal erreichten Wattleistung kann keine generelle Normwertempfehlung
gegeben werden, da eine ausgeprägte Abhängigkeit vom Belastungsprotokoll vorliegt
[28]. Bei der Anwendung einzelner Normwerte zur Beurteilung der Wattleistung ist somit
zwingend auf das zugrunde liegende Protokoll zu achten. Legt man als primäre Zielgröße
die maximal zu erreichende V̇O2 zugrunde, kann aufgrund der relativ konstanten Beziehung von ΔV̇O2 zu ΔWatt (~10 ml pro Watt) die zur Erzielung der V̇O2max erforderliche Wattzahl ([V̇O2max − V̇O2Ruhe] × 10−1) zur Testung der Plausibilität genutzt werden [1].
Ebenso liegen Normwerte zur Beurteilung der maximal erreichten Herzfrequenz sowie
des Blutdruckes vor [144].
Der Sollwert der maximalen Herzfrequenz unter Belastung wird nach der Faustformel 220 − Lebensalter (Jahre) errechnet und
weist mit ± 20 Schläge/min eine große Standardabweichung auf [2]
[45]
[145]
[146].
Insbesondere für ältere Patienten wurde alternativ die maximale Herzfrequenz nach
modifizierten Formeln berechnet: (210 − 0,65 × [Alter]) [140]
[147] oder (202 − (0,72 × [Alter]) [141].
Der Einfluss von Nikotinkonsum sowie Betablockern auf einzelne spiroergometrische
Parameter ist bei der Befundung zu berücksichtigen und die entsprechenden Normwertekalkulationen
zu benutzen [142]
[148].
Plausibilitätsprüfung und Eichung Bei der Spiroergometrie sollten die technisch komplexen Messergebnisse auf Plausibilität
überprüft werden. Sobald größere Abweichungen von den erwarteten Sollwerten gemessen
werden, muss zwischen „wahrhaft“ pathologischem Befund und einem Messfehler unterschieden
werden. Bspw. ist bei einer Steigung V̇O2/Leistung < 10 ml × Watt−1 an einen Defekt des O2-Sensors oder an einen reduzierten Wirkungsgrad der Muskulatur bzw. ein vermindertes
Herzminutenvolumen zu denken. Andererseits können eine Fehlbestimmung sowohl der V̇E
(Volumensensor, Turbine), als auch der CO2-Bestimmung durch ein defektes Ultrarot-Absorptions-Spektrometer (URAS) ebenfalls
zu einem fehlerhaften V̇CO2 führen.
Plausibilitätskontrollen können mithilfe eines aufwendigen Gasaustausch-Simulators
durchgeführt werden [149].
Weit verbreitet ist die sog. Bio-Eichung mit regelmäßiger Spiroergometrie derselben
gesunden Person bei submaximaler Belastung alle 1 – 4 Monate [3]
[150]. Toleriert werden Abweichungen von weniger als ± 5 % (V̇O2), ± 6 % (V̇CO2), ± 5,5 % (V̇E) und ± 3 % (RER) [150]
[151]
[152]. Eine größere Abweichung von den Ausgangswerten sollte zu einer intensiven Fehlersuche
führen (z. B. Drift der Gasanalysatoren).
In der Regel sollte vor einer Spiroergometrie eine Eichung durchgeführt werden, wobei
diesbezüglich die Herstellerangaben variieren. Bei der Kalibration ist auf die Verwendung
von standardisierten Gasen, auf jegliche unerwünschte Verzögerung zwischen Mundstück/Maske
und Gasanalyse sowie auf präzises Gasvolumen zu achten. Detaillierte Sollwerte sind
beim Hersteller oder bei Balady et al. [3] zu finden.
Darstellung/9-Felder-Grafik Merke: Die Spiroergometrie ist eine dynamische Untersuchung!
Eine sinnvolle Auswertung der Spiroergometrie betrachtet sowohl einzelne Messwerte
als auch die Dynamik der Messwerte im Verlauf der Untersuchung [153]. Dies gelingt mithilfe einer geeigneten grafischen Aufbereitung, aus der Trends
der Schlüsselparameter und die typischen Reaktionsmuster einzelner Ätiologien unter
Belastung hervorgehen [1]
[154].
Eine adäquate grafische Darstellung der spiroergometrischen Untersuchung sollte folgende
Kriterien erfüllen:
-
Die klinische Fragestellung sollte beantwortet werden können.
-
Die Darstellung sollte gut lesbar sein (optimierte Skalierung, Darstellung der gesamten
Untersuchung auf einer einzigen Druckseite).
-
Die Darstellung sollte standardisiert sein.
-
Die Befunde sollten ohne Informationsverlust weitergegeben werden können (auch als
Schwarz-Weiß-Kopie, d. h. Abgrenzung der Parameter/Messwerte durch Symbole und nicht
allein durch farbbezogene Zuordnung).
Aufgrund der Fülle an spiroergometrischen Parametern und unterschiedlicher klinischer
Anwendungsgebiete der Spiroergometrie ist es nicht möglich, jede Fragestellung mit
einer grafischen Darstellung abzubilden. Folgerichtig werden unterschiedliche Empfehlungen
diskutiert [154]. Durch die grafische Aufarbeitung eines definierten Datensatzes essenzieller spiroergometrischer
Parameter nach den o. g. Kriterien werden die Interpretation der Messwerte und das
Erkennen pathologischer Befundmuster erleichtert. Hier ist aus pneumologischer Sicht
die international verbreitete 9-Felder-Grafik nach Wasserman hervorzuheben, die auf
einer Seite wichtige zirkulatorische, ventilatorische und metabolische Parameter und
deren Verlauf während des Belastungstests darstellt [24] (s. [Abb. 5 a – c]).
Abb. 5 9-Felder-Grafik in der ursprünglichen (a) und modifizierten (b und c) Anordnung nach Wasserman. Modifikationen (b): Feld 3 wurde zu Feld 1, Feld 1 wurde zu Feld 5, Feld 5 wurde zu Feld 3, Feld 4
wurde zu Feld 6 und Feld 6 wurde zu Feld 4, Feld 7 wurde zu Feld 9 und Feld 9 wurde
zu Feld 7.
Die konzeptionell-didaktischen Überlegungen ordnen (c) in den linken beiden Spalten alle Felder mit Zeitangabe auf der x-Achse, insbesondere
V̇O2 in Feld 1 oben links. Die farblich gekennzeichneten Ringe heben Zusammenhänge zwischen
den Feldern hervor. Feld 8 zeigt generelle metabolische Veränderungen (schwarz). Feld
1 hat eine zentrale Rolle. Die Felder 2 und 3 zeigen zirkulatorische Parameter (rot).
Die Felder 5 und 9 der neuen Anordnung zeigen ventilatorische Parameter (blau). Die
Felder 4, 6 und 7 der neuen Anordnung zeigen Parameter der ventilatorischen Effizienz
(grün). Die sequenzielle Beurteilung der verschiedenen Systeme kann eine strukturierte
Interpretation erleichtern.
Spiroergometrische Untersuchung einer gesunden 32-jährigen Probandin (165 cm, 55 kg).
10-Sekunden-Mittelung der Daten. Die vertikalen Linien in den Feldern mit der Zeit
als x-Achse zeigen den Beginn der Aufwärmphase, den Beginn der Rampenbelastung sowie
den Beginn der Erholungsphase. Das „X“ in Feld 5 (a) bzw. in Feld 3 (c) markiert den Schnittpunkt der Sollwerte für die Sauerstoffaufnahme und für die Herzfrequenz.
VE: Atemminutenvolumen, SBP: systolischer Blutdruck, HF: Herzfrequenz, VCO2: Kohlendioxidabgabe, VO2: Sauerstoffaufnahme, WR: Last, VT: Tidalvolumen, VC: Vitalkapazität, IC: inspiratorische Kapazität, MVV: Atemgrenzwert,
RER: Gasaustauschrate, PETO2: endtidaler O2-Partialdruck, PETCO2: endtidaler CO2-Partialdruck.
Die 9-Felder-Grafik kann in diesem Zusammenhang als „kleinste gemeinsame Datenmenge“
interpretiert werden, die bei jeder Untersuchung strukturiert evaluiert werden sollte.
Dies vermindert die „Inter-Observer-Variabilität“ und kann als Ausgangspunkt für weiterführende
Darstellungsformen dienen, z. B.:
-
dynamische Fluss-Volumen-Kurven zur Detektion von Atemwegsobstruktion und dynamischer
Überblähung,
-
geringere Datenmittelung zur Detektion oszillatorischer Atemmuster unter Belastung,
-
spezielle Darstellung der ventilatorischen Effizienz für O2 und CO2 zur besseren Beurteilung einer Herzinsuffizienz [155],
-
Darstellung neuer Parameter zu wissenschaftlichen Analysen.
Einheitliche Weitergabe von Befunden Die Standardisierung der Befunddarstellung und -interpretation ist zur Erzielung
zuverlässiger Ergebnisse unverzichtbar. Bislang existieren keine Empfehlungen zur
standardisierten Datenweitergabe. Daher wird nachfolgend die Definition eines einheitlichen
Datensatzes als Hilfestellung zur Generierung eines standardisierten Exportformats
vorgeschlagen, der eine Mindestanforderung an Parametern und Darstellung umfasst und
durch individuelle Informationen ergänzt werden kann:
-
Daten zur Patientenidentifikation und Charakterisierung der Untersuchung (einschließlich
Fragestellung, Symptome bei Abbruch des Belastungstests), (s. [Tab. 7]).
-
Wichtige Kenngrößen der Untersuchung (s. [Tab. 8])
-
Die 9-Felder-Grafik, die auch als Schwarz-Weiß-Ausdruck keinen Informationsverlust
aufweist (Parameter in [Tab. 9], vgl. [Abb. 5 a – c]).
-
Fluss-Volumen-Kurven (s. [Abb. 1] und [Abb. 2 a – b])
-
Der tabellarische Ausdruck der „Roh“-Daten („Breath-By-Breath“), alternativ der bereits
gemittelten Daten (Parameter in [Tab. 10]). Beachte: Die Mittelung der Messwerte über 8 – 12 Atemzüge ist für Bildschirm,
9-Felder-Grafik und Report zu bevorzugen. Bei der früher häufig angewendeten Mittelung
über 30 s gehen Details der Messung verloren.
-
Weitere individuelle Daten/Darstellungen, sofern sie die Interpretation und die klinische
Aussage der Untersuchung stützen.
Tab. 7
Empfohlene Mindestangaben bei einer Spiroergometrie: Patientenidentifikation und technische
Spezifikation.
Name, Vorname, Geburtsdatum
|
Datum der Untersuchung
|
Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht
|
klinische Fragestellung, Indikation für die Spiroergometrie
|
Belastungsart (Laufband vs. Fahrradergometer sitzend oder halbliegend)
|
Belastungsprotokoll
|
Art der Datenmittelung
|
verwendeter Normwertdatensatz
|
Ruhespirometrie: inspiratorische Kapazität (IC), Vitalkapazität (VC), forcierte Einsekundenkapazität
(FEV1), Atemgrenzwert (MVV)
|
Totraum des Mundstücks/der Maske (externer Totraum)
|
Tab. 8
Wichtige Kenngrößen einer Spiroergometrie.
generell
|
Grund für den Abbruch der Belastung, Symptome
|
Borg-Skala
|
maximale Belastung
|
periphere O2-Sättigung bei max. Belastung
|
metabolische Parameter
|
maximale Sauerstoffaufnahme (peak V̇O2)
|
anaerobe Schwelle (VT1, ggf. LT1)
|
respiratorische Gasaustauschrate (RER) bei max. Belastung
|
zirkulatorische Parameter
|
maximale Herzfrequenz, Herzfrequenzreserve
|
maximaler O2-Puls
|
maximaler systolischer / diastolischer Blutdruck
|
ventilatorische Parameter
|
maximales Atemminutenvolumen
|
Atemreserve
|
maximale Atemfrequenz
|
Parameter der Atemeffizienz
|
V̇E/V̇CO2 slope
|
kleinster EqO2- und EqCO2-Wert, alternativ EqO2 und EqCO2 bei VT1
|
höchster PETCO2-Wert, alternativ PETCO2-Wert bei VT1
|
Parameter der Blutgasanalyse
|
maximale Laktatkonzentration
|
maximale alveolär-arterielle O2-Partialdruckdifferenz (AaDO2)
|
maximale arteriell-alveoläre CO2-Partialdruckdifferenz P(a-ET)CO2, oder auch aADCO2
|
physiologischer Totraum (VD/VT) in Ruhe und Maximalwert
|
Tab. 9
Standardisierte grafische Darstellung spiroergometrischer Befunde – Aufbau der aktualisierten
9-Felder-Grafik nach Wasserman.
Feld
|
X-Achse
|
Y1-Achse
|
Y2-Achse
|
Zur Beurteilung von
|
1
|
Zeit
|
V̇O2, V̇CO2
|
Leistung [Watt]
|
Zirkulation, Ventilation
|
2
|
Zeit
|
Herzfrequenz
|
O2-Puls (V̇O2/HF)
|
Zirkulation
|
3
|
V̇O2
|
Herzfrequenz
|
V̇CO2
|
anaerobe Schwelle, Zirkulation
|
4
|
Zeit
|
EqO2 oder V̇E/V̇O2
|
EqCO2 oder V̇E/V̇CO2
|
ventilatorische Effizienz
|
5
|
Zeit
|
V̇E
|
systolischer Blutdruck
|
Ventilation, Zirkulation
|
6
|
V̇CO2
|
V̇E
|
|
ventilatorische Effizienz
|
7
|
Zeit
|
PETO2, PETCO2
|
SpO2
|
ventilatorische Effizienz
|
8
|
Zeit
|
RER
|
|
Metabolismus
|
9
|
V̇E
|
Vt
|
|
Ventilation
|
V̇O2: Sauerstoffaufnahme, V̇CO2: CO2-Abgabe, HF: Herzfrequenz, EqO2: Ventilatorisches Äquivalent für die Sauerstoffaufnahme, EqCO2: Ventilatorisches Äquivalent für die CO2-Abgabe, V̇E: Minutenventilation, PETO2: Endexspiratorischer O2-Partialdruck, PETCO2: Endexspiratorischer CO2-Partialdruck, SpO2: Periphere Sauerstoffsättigung, RER: Gasaustauschquotient („Respiratory Exchange
Ratio“), Vt: Tidalvolumen.
Tab. 10
Wichtige Parameter für den „Rohdaten-Export“ in tabellarischer Form.
Primär gemessene Parameter
|
Sekundär berechnete Parameter
|
Zeit [Minuten oder Sekunden]
|
Sauerstoffpuls (V̇O2/HF) [ml/Schlag]
|
Leistung (engl. work rate) [Watt]
|
Atemäquivalent für Sauerstoff (EqO2) [keine Einheit]
|
Trittfrequenz [Umdrehungen/min]
|
Atemäquivalent für Kohlendioxid (EqCO2) [keine Einheit]
|
Atemminutenvolumen (V̇E) [l/min oder ml/min]
|
Gasaustauschrate (RER) [keine Einheit]
|
Sauerstoffaufnahme (V̇O2) [l/min oder ml/min]
|
Herzfrequenzreserve (Schläge/min)
|
Kohlendioxidabgabe (V̇CO2) [l/min oder ml/min]
|
Atemreserve (l/min oder ml/min]
|
Herzfrequenz (HF) [Schläge/min]
|
|
Tidalvolumen (VT) [l oder ml]
|
|
Atemfrequenz [Atemzüge/min]
|
|
endtidaler O2-Partialdruck (PETO2) [mmHg oder kPa]
|
|
endtidaler O2-Partialdruck (PETO2) [mmHg oder kPa]
|
|
systolischer Blutdruck [mmHg]
|
|
diastolischer Blutdruck [mmHg]
|
|
periphere Sauerstoffsättigung (SpO2) [%]
|
|
PaO2, PaCO2 [mmHg], Laktat [mmol/l]
|
|
Die 9-Felder-Grafik ist international die meistverbreitete standardisierte grafische
Darstellungsform und sollte daher fester Bestandteil des grafischen Befundexportes
sein. Die jeweils aktuellste Version der 9-Felder-Grafik sollte verwendet werden [24].
Interpretation, typische Reaktionsmuster unter Belastung Eine spiroergometrische Untersuchung dient in der klinischen Anwendung dazu, objektive
und quantitative Aussagen zur metabolischen Anpassung auf eine kontinuierlich steigende
Belastungsintensität zu treffen. Hierzu zählen:
-
die maximale Sauerstoffaufnahme
-
das Einsetzen des anaeroben Stoffwechsels
-
die Effizienz des Kreislaufs unter Belastung
-
die Effizienz der Ventilation unter Belastung
Eine dynamische Betrachtung der Untersuchung und das Erkennen typischer Reaktionsmuster
der Kenngrößen unter Belastung kann dazu genutzt werden, differenzialdiagnostische
Überlegungen zur Ursache einer unklaren Leistungslimitierung zu entwickeln (s. [Tab. 11]). Die vorgeschlagenen Verfahren zu „automatisierten Befunden“ mithilfe von Algorithmen
können hilfreich sein [24]
[156]
[157], sind jedoch für eine diagnostische Zuordnung nicht ausreichend validiert und können
eine ärztliche Befundung nicht ersetzen. Ebenso ist die Spiroergometrie in den wenigsten
Fällen als Verfahren zur exakten Diagnosestellung zu verstehen, sondern eher als Instrument
zur Evaluation des primären leistungslimitierenden Mechanismus, zur Einordnung der
pathophysiologischen Muster in den klinischen Kontext und zur Bestimmung von Schweregrad
sowie Prognose verschiedener Erkrankungen [6]
[158]
[159]
[160].
Tab. 11
Typische Reaktionsmuster unter Belastung als Hinweis auf die Ätiologie der eingeschränkten
Belastbarkeit.
|
Chronische Linksherzinsuffizienz
|
COPD
|
Interstitielle Lungenerkrankung
|
PAH/CTEPH
|
Adipositas
|
Trainingsmangel
|
peak V̇O2
|
↓
|
↓
|
↓
|
↓
|
↓
|
↓
|
ventilatorische Schwelle (VT1)
|
↓
|
normal – ↓
|
normal – ↓
|
↓
|
normal
|
normal – leicht ↓
|
Herzfrequenzanstieg
|
↑ ggf. ↓ bei Betablocker-Therapie
|
normal
|
normal – ↑
|
↑
|
normal – ↑
|
normal
|
max. O2-Puls
|
↓
|
normal – ↓
|
normal – ↓
|
↓
|
normal – ↓
|
normal
|
Atemreserve
|
normal
|
↓
|
↓
|
↑
|
normal
|
normal
|
V̇E/V̇CO2-Slope
|
↑
|
↑
|
↑
|
↑
|
normal – ↓
|
normal
|
VD/VT
|
↑
|
↑
|
↑
|
↑
|
normal
|
normal
|
P(A-a)O2
|
(normal)
|
(↑)
|
↑
|
↑
|
normal
|
normal
|
Weitere wichtige Einsatzgebiete der Spiroergometrie sind die Verlaufsbeurteilung sowie
die Abschätzung der Wirksamkeit einer therapeutischen Intervention. Auf dem Gebiet
der Pneumologie ist die Spiroergometrie auch bez. klinischer Endpunkte in Studien
ein validiertes Verfahren [7]. Auch die Risikostratifizierung und prognostische Einschätzung im zeitlichen Verlauf
ist ein weiteres wichtiges Ziel einer klinischen spiroergometrischen Untersuchung
und für zahlreiche kardiopulmonale Erkrankungen mit Evidenz belegt [158].
Nachfolgend sollen spezielle Aspekte der Spiroergometrie zu relevanten Krankheitsbildern
detaillierter beleuchtet werden.
COPD Bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer COPD ist die körperliche Belastbarkeit
(peak V̇O2, Watt) durch multiple Faktoren eingeschränkt, und oftmals beenden COPD-Patienten
die Spiroergometrie aufgrund von Erschöpfung oder Schmerzen der Beinmuskulatur, insbesondere
auf dem Fahrradergometer [161].
Die Lungenfunktion in Ruhe erlaubt zwar keine Vorhersage der maximalen körperlichen
Belastbarkeit [162], aber die F/V-Kurven unter Belastung zeigen typischerweise eine progrediente exspiratorische
Flusslimitation und Zunahme des EELV unter Belastung infolge einer dynamischen Überblähung.
Die Reduktion von IC, TLC − EELV = IC [163] unter Belastung geht häufig mit einer Reduktion von Tidalvolumen und Atemreserve
bzw. einem erhöhten PaCO2 einher [164].
Bei Patienten mit COPD kann eine Hypoxämie bereits in Ruhe vorliegen. Diese kann sich
unter Belastung passager normalisieren, oder insbesondere bei Patienten mit überwiegendem
Lungenemphysem durch weitere Zunahme von P(a-ET)CO2, Ventilation-Perfusions-Verteilungsstörung und gemischtvenösen Sättigungsabfall verstärken
[165]. Beim PaO2-Abfall unter Belastung trägt auch der PaCO2-Anstieg infolge zunehmender Hypoventilation bei. Eine Differenzierung beider Mechanismen
ist mittels P(A-a)O2 möglich [21].
Interstitielle Lungenerkrankungen Infolge der Restriktion werden unter Belastung beobachtet: verminderter Atemgrenzwert
(= MVV) mit aufgebrauchter Atemreserve (meist geringer, als COPD), hohe Atemfrequenz
bei niedrigem Tidalvolumen (VT) auf jedem Niveau von V̇E. Diese ineffiziente Ventilation
ist an einem erhöhten V̇E/V̇CO2 slope erkennbar. Ein gestörter Gasaustausch unter Belastung mit Abfall des PaO2 wurde bei allen Schweregraden einer interstitiellen Lungenerkrankung beschrieben,
mitunter bevor eine signifikante Restriktion in Ruhe nachweisbar ist [166]
[167]
[168].
Obwohl primär eine Lungenparenchymerkrankung vorliegt, sind bei diesen Patienten unter
Belastung häufig die Herzfrequenz erhöht und das Schlagvolumen vermindert [169]
[170], insbesondere beim Vorliegen einer PH mit Rechtsherzbelastung sind typische Hinweise:
V̇E/V̇CO2 slope > 36 bzw. 45 oder PetCO2 < 33 mmHg in Ruhe und Anstieg < 3 mmHg unter Belastung oder bei kardialer Beteiligung
im Rahmen einer Sarkoidose [6]
[171]
[172].
Chronische Linksherzinsuffizienz Die akute dekompensierte Herzinsuffizienz ist verständlicherweise eine absolute Kontraindikation
zur Durchführung einer Spiroergometrie. Bei chronischer Linksherzinsuffizienz spielt
die Spiroergometrie jedoch eine bedeutende Rolle in der Differenzialdiagnostik [173], zur Beurteilung von Schweregrad und Prognose, einschließlich Indikationsstellung
zur Herztransplantation und bei der Planung eines körperlichen Trainings [153].
Die Pathophysiologie der Leistungseinschränkung bei Patienten mit Herzinsuffizienz
resultiert aus einer reduzierten Steigerung des Herzzeitvolumens und möglicherweise
auch einer chronisch dekonditionierten Muskulatur, was zu einer frühzeitigen Aktivierung
des anaeroben Metabolismus beiträgt. Das führt unter Belastung zu einem verlangsamten
V̇O2-Anstieg sowie frühzeitigem Erreichen der VT1 [174]. Eine reduzierte Herzfrequenzreserve sowie ein geringerer Anstieg oder sogar eine
Abflachung („Plateau“) des O2-Pulses unter Belastung kann insbesondere bei Patienten mit Herzinsuffizienz, aber
ohne Therapie mit Beta-Blocker, beobachtet werden [153]. Auch bei primär zirkulatorischer Limitierung werden Veränderungen der Ventilation,
insbesondere ineffiziente Ventilation durch erhöhte EqO2 und EqCO2 sowie verminderte PETCO2 unter Belastung beschrieben [158]. V̇E/V̇CO2 slope ist als weiterer Hinweis auf eine ineffiziente Ventilation bei manifester Herzinsuffizienz
ebenfalls erhöht und reflektiert das Ausmaß der erhöhten Totraumventilation unter
Belastung [175]. Unabhängig von der Raucheranamnese findet man unter Belastung bei Patienten mit
chronischer Linksherzinsuffizienz eine exspiratorische Flussbehinderung, mitunter
bronchiale Hyperreagibilität und eine dynamische Überblähung [108]. In fortgeschrittenen Stadien sind bei einem Teil der Patienten oszillatorische
Atemmuster sichtbar, mit Fluktuation von V̇E, V̇O2 und V̇CO2 in Ruhe und typischerweise unter Belastung. Allein das Vorliegen dieser Atemmuster
ist ein unabhängiger Prädiktor einer ungünstigen Prognose [122]
[176]
[177]. Die Parameter peak V̇O2 und V̇E/V̇CO2 slope sind zur Schweregradeinteilung und als unabhängige Prognosemarker bei chronischer
Linksherzinsuffizienz etabliert [158]
[178]
[179]. Neuere Arbeiten favorisieren jedoch einen multivariaten Ansatz zur Prognosebestimmung,
der spiroergometrische Befunde in den klinischen Kontext integriert [180]
[181]
[182].
Bei den Kriterien der „International Society of Heart and Lung Transplantation“ (ISHLT)
zur Indikationsstellung zur Herztransplantation ist die Spiroergometrie fester Bestandteil
[183]. D.h. bei valider Ausbelastung wird als Leistungskriterium peak V̇O2 ≤ 14 ml/kg/min (12 ml/kg/min bei Einnahme von Betablockern) oder niedriger definiert.
Basierend auf diesen Empfehlungen, jedoch mit niedrigerem Evidenzgrad, werden alternativ
die mögliche Verwendung des relativen peak V̇O2 (≤ 50 % Soll) bei jüngeren Patienten oder – im Fall einer unklaren Ausbelastung (RER < 1,05)
– ein V̇E/V̇CO2 slope von mehr als 35 genannt [183].
Pulmonale Hypertonie Bei Patienten mit pulmonaler Hypertonie (PH), d. h. pathologische Druckerhöhung in
der pulmonalen Zirkulation unterschiedlicher Genese [184], ist die Spiroergometrie ein etabliertes Verfahren für initiale Diagnostik, Differenzialdiagnostik,
Therapiemonitoring und Prognoseeinschätzung [184]
[185].
Bei PAH und chronisch-thromboembolischer pulmonaler Hypertonie (CTEPH) ist peak V̇O2 vermindert und andererseits nimmt die Totraumventilation aufgrund Ventilation-Perfusions-Inhomogenitäten
unter Belastung zu. Der Übergang zum anaeroben Stoffwechsel (VT1) findet sich bereits
in der frühen Belastungsphase [185]
[186]
[187]
[188]. Analog zur chronischen Linksherzinsuffizienz kann es zu einem verzögerten Anstieg
des O2-Pulses bis zur Abflachung/Plateaubildung des O2-Pulses kommen. Infolge der Ventilations-/Perfusions-Verteilungsstörung sind die Atemäquivalente
(EqO2, EqCO2) und der V̇E/V̇CO2 slope deutlich erhöht, der endexspiratorische CO2-Partialdruck (PETCO2) ist vermindert [189] und sinkt bei präkapillärer PH häufig unter Belastung noch weiter ab [190]. Eine Hypoxämie in Ruhe kann unter Belastung zunehmen, insbesondere bei Auftreten
eines Rechts-Links-Shunts bei steigendem rechtsatrialem Druck und offenem Foramen
ovale [189]
[191]. Diese charakteristischen Befundmuster können bei einem Teil symptomatischer Sklerodermiepatienten
auch mit unauffälligen echokardiografischen Befunden gesehen werden [192], sodass spiroergometrische Parameter der Leistungsfähigkeit (peak V̇O2) und der Atemeffizienz (Nadir V̇E/V̇CO2) relevante Aussagen zur Abschätzung der Wahrscheinlichkeit einer PAH bei symptomatischen
Sklerodermiepatienten treffen können [193].
Der in Ruhe und unter Belastung gemessene kapillär-endtidale CO2-Gradient, P(a-ET)CO2, ist bei Patienten mit CTEPH signifikant höher als bei Gesunden oder auch bei Patienten
mit idiopathischer PAH [194], sodass dieser Parameter möglicherweise zur früheren Detektion einer CTEPH beitragen
kann, auch bei Patienten ohne pathologische Auffälligkeiten in der Echokardiografie
[195]. Patienten mit chronisch-thromboembolischer Erkrankung, jedoch ohne eine relevante
PH in der Rechtsherzkatheteruntersuchung, zeigen ähnliche spiroergometrische Befundmuster
wie Patienten mit einer manifesten CTEPH [196]. Differenzialdiagnostisch können die charakteristischen spiroergometrischen Befundmuster
einer pulmonalzirkulatorischen Limitierung (verminderte Leistungsfähigkeit, ausreichende
Atemreserve, ausgeprägte Verminderung der Atemeffizienz) zur Beurteilung der Relevanz
einer PH bei interstitiellen Lungenerkrankungen und bei COPD eingesetzt werden [168]
[197]
[198]
[199]
[200].
In den aktuellen europäischen Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der PH [184] wird die Spiroergometrie im diagnostischen Algorithmus nicht erwähnt. In der deutschen
Kommentierung der europäischen Leitlinien durch die Kölner Konsensuskonferenz 2016
wurde die Spiroergometrie als ergänzendes Verfahren bei Patienten mit einer Anamnese
bzw. charakteristischen Symptomen für PAH oder CTEPH, jedoch unklaren Befunden, in
den diagnostischen Algorithmus integriert [201]
[202].
Mehrere Studien und die europäischen bzw. deutschen Empfehlungen belegen den Stellenwert
von peak V̇O2 und V̇E/V̇CO2 slope zur Abschätzung der Prognose und der klinischen Stabilität bei PAH-Patienten
[184]
[203]
[204]
[205]
[206]
[207]
[208]. Als prognostisch günstig werden peak V̇O2 > 15 ml/min/kg bzw. > 65 %Soll und/oder ein V̇E/V̇CO2 slope < 36 genannt. Als prognostisch ungünstig gelten peak V̇O2 < 11 ml/min/kg bzw. < 35 % des berechneten Sollwerts sowie ein V̇E/V̇CO2 slope ≥ 45.
Obwohl sich in größeren Studien keine signifikante Gefährdung der PH-Patienten durch
die Spiroergometrie zeigte, sollte bei PH-Patienten nach kürzlich stattgehabter Synkope
oder bei einer deutlichen akuten Rechtsherzdekompensation von einer Belastungsuntersuchung
abgesehen werden.
Dekonditionierung/Trainingsmangel Der Trainingsmangel bzw. die muskuläre Dekonditionierung als leistungslimitierender
Mechanismus bildet ein breites und heterogenes Spektrum ab. Die quantitative funktionelle
Betrachtung der Skelettmuskulatur ist mit nicht invasiven Methoden im klinischen Kontext
nicht ausreichend möglich, sodass mithilfe der Spiroergometrie nur eine Abschätzung
gelingen kann. Insofern bleibt die „Dekonditionierung“ eine Ausschlussdiagnose. Die
Datenlage ist hier nicht einheitlich. Frühe Arbeiten haben gezeigt, dass das frühzeitige
Einsetzen des anaeroben Stoffwechsels ein wichtiges differenzialdiagnostisches Kriterium
sein kann, welches eher auf einen limitierten O2-Transport hindeutet [174]. Bei Dekonditionierung der peripheren Muskulatur finden sich typischerweise peak
V̇O2 leicht erniedrigt, eine frühzeitige metabolische Azidose und eine überschießende Herzfrequenzsteigerung
bei niedriger Belastung und Normalisierung bei höherer Belastung [1]. Eine sorgfältige Anamnese sowie das Ansprechen auf körperliches Training können
wertvolle differenzialdiagnostische Hinweise liefern. Aktuelle Arbeiten verfolgen
einen integrativen Ansatz und charakterisieren eine Dekonditionierung anhand einer
leichtgradig verminderten peak V̇O2, ohne Hinweise auf eine zirkulatorische Insuffizienz bzw. verminderte ventilatorische
Effizienz [209]. Das Einbeziehen eines Quotienten aus V̇E/V̇CO2 slope und peak V̇O2 wird ebenfalls vorgeschlagen, wobei Wert < 2,7 eher für eine Dekonditionierung spricht
und höhere Werte eher hinweisend auf eine zirkulatorische Limitierung sind [210].
Die muskuläre Dekonditionierung beschränkt sich jedoch nicht nur auf differenzialdiagnostische
Überlegungen bei vermeintlich Gesunden, sondern ist auch ein möglicherweise unterschätztes
Phänomen bei Patienten mit chronischen kardiopulmonalen Erkrankungen [211]
[212]
[213]. Die Evaluation der zusätzlichen Leistungslimitierung durch Dekonditionierung gestaltet
sich jedoch in dieser Patientengruppe komplex und erfordert möglicherweise neue diagnostische
Konzepte.
Stressechokardiografie
Die Stressechokardiografie gestattet eine Beurteilung der myokardialen Pump- und der
Herzklappenfunktion unter Belastung und ist komplementär und synergistisch zur Analyse
spiroergometrischer Untersuchungsparameter [132]
[214]
[215].
Durchführung
Vor Beginn der Stressechokardiografie sollte eine umfassende echokardiografische Untersuchung
des gesamten Herzens erfolgen. Die Stressechokardiografie wird meist bei Patienten
auf einem Liegendergometer oder mittels pharmakologischer Stimulation (Dobutamin,
Adenosin, Dipyridamol i. v.) durchgeführt [216]
[217]. Angestrebt werden sollte eine dynamische (physiologische) Stressechokardiografie
[218], da sie im Vergleich zur pharmakologischen Stimulation bei gleicher Herzfrequenz
zur größeren Steigerung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs und koronaren Blutflusses
führt. Ansonsten wird vorrangig eine Dobutamin-Stressechokardiografie empfohlen. Die
intravenöse Applikation von Kontrastmittel während der Stressechokardiografie erleichtert
die Beurteilung regionaler Kontraktionsstörungen des linken Ventrikels [219]
[220] und die Abschätzung des systolischen pulmonalarteriellen Drucks durch bessere Darstellung
des Regurgitationsjets über der Trikuspidalklappe [221]
[222].
Die Stressechokardiografie ermöglicht u. a.:
-
die Detektion und Schweregradeinschätzung hämodynamisch relevanter Koronarstenosen.
-
die hämodynamische Evaluation von Klappenvitien [223]
[224]
[225]
[226]
[227].
-
den Nachweis einer in Ruhe nicht identifizierbaren systolischen und/oder diastolischen
RV/LV-Dysfunktion [228]
[229]
[230] bei gleichzeitiger Thoraxsonografie evtl. mit sog. lung comet sign als Zeichen eines Lungenödems [231].
-
die Abschätzung der kontraktilen Reserve von RV und LV [215]
[222]
[232]
[233]
[234]
[235].
Indikationen für die Stressechokardiografie in der Pneumologie sind:
-
die differenzialdiagnostische Abklärung einer Belastungsdyspnoe [6]
[218]
[230]
[236].
-
die präoperative kardiale Risikoabschätzung vor lungenresezierenden Eingriffen [218]
[237].
-
die Beurteilung der rechtsventrikulären Funktion [215]
[218]
[222]
[233]
[234].
-
die Frühdiagnostik der pulmonalen Hypertonie [222]
[235]
[238]
[239]
[240]
[241]
[242].
Pulmonale Hypertonie
Die Stressechokardiografie kann dazu beitragen, Angehörige von Patienten mit hereditärer
PAH [238] oder mit Sklerodermie [241] zu identifizieren, die ein Risiko haben, eine PH zu entwickeln. Auf Basis der vorhandenen
Literatur lässt sich allerdings bisher kein eindeutiger Grenzwert für die pulmonale
Belastungshypertonie definieren [243]. Außerdem spiegelt nicht der Druckanstieg allein, sondern v. a. dessen Beziehung
zur Steigerung des Herzminutenvolumens den pathophysiologischen Prozess wider [244], der echokardiografisch nicht valide erfasst wird. Die Stressechokardiografie wird
daher z. Zt. nicht zur Frühdiagnostik der PH in der klinischen Routine empfohlen [184]
[201]. Dennoch spielt die Stressechokardiografie ein Rolle im Stufenplan zur Detektion
einer PH [235].
Stressechokardiografie – spezielle pneumologische Aspekte
Für die exakte Beurteilung der Stressechokardiografie ist eine hinreichende Qualität
der standardisierten Schnittebenen des Herzens in Ruhe und unter Belastung erforderlich.
Diese kann bei Patienten mit Lungenerkrankungen, insbesondere bei Lungenüberblähung,
ausgeprägter Verlagerung der Herzachse oder Pleuraschwielen deutlich eingeschränkt
sein. Starke Thoraxwandexkursionen, eine Tachypnoe oder eine dynamische Überblähung
unter Ergometerbelastung können die echokardiografische Darstellung unmöglich machen.
In diesen Fällen ist der pharmakologischen Stimulation den Vorzug zu geben. Diese
ist unabhängig von der Mitarbeit des Patienten und kann auch erfolgen, wenn eine Ergometerbelastung
nicht möglich ist (z. B. bei orthopädischen Einschränkungen) [99].
Rechtsherzkatheter unter Belastung
Einleitung
Zu den Indikationen eines Rechtsherzkatheters (RHK) in Ruhe liegen Empfehlungen mit
unterschiedlicher Verbindlichkeit vor (z. B. im Rahmen der Diagnostik einer pulmonalen
Hypertonie [245]
[246], der Diagnostik bei akuter oder chronischer Herzinsuffizienz [173]). Aktuell wird der RHK mit körperlicher Belastung weder in den europäischen Empfehlungen
zur Diagnostik und Therapie der akuten und chronischen Herzinsuffizienz [173] noch in den europäischen Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der PH empfohlen
[184].
Was ist der Hintergrund?
Erfahrungen mit der Methode liegen bereits seit der klinischen Einführung des RHK
vor [247]
[248]. Die zusammenfassende Betrachtung der Anfang der 70er-Jahre [249] zeigte, dass
-
in liegender Position in Ruhe der pulmonalarterielle Mitteldruck (PAPm) 20 mmHg und
der pulmonalarterielle Verschlussdruck (PAOP, syn. für pulmonalkapillärer Verschlussdruck,
PCWP) 12 mmHg unabhängig vom Alter bei Gesunden nicht überschreiten, sowie
-
unter Belastung bis zu einem Herzzeitvolumen (HZV) < 20 l/min PAPm < 30 mmHg und pulmonalarterieller
Okklusionsdruck (PAOP) < 20 mmHg bleibt. Allerdings werden bei Athleten PAPm-Werte
bis 38 mmHg und bei ältere Personen PAPm-Werte > 50 mmHg gemessen. Der transpulmonale
Gradient (TPG = PAPm − PAOP) wird unter Belastung größer [249].
In einer Metaanalyse der Studien zur pulmonalen Hämodynamik bei Gesunden wurde jedoch
dokumentiert, dass die genannten Daten von der Art (Fahrrad, Laufband), dem Umfang
(leichte, maximale) der Belastung und vom Alter der untersuchten Personen abhängig
sind [243]. Es konnte gezeigt werden, dass ein Wert für den PAPm von 30 mmHg von 20 % der jüngeren
Gesunde (< 50. Lebensjahr) bei maximaler Belastung und bei 47 % der älteren Gesunden
(> 50. LJ) schon bei geringer Belastung überschritten wird. Vergleichbar stellt sich
die Situation bei Betrachtung des PAOP dar, welcher in Abhängigkeit von der Körperposition
schon bei geringer Belastung bei über 50-jährigen Gesunden im Mittel bei 16,8 ± 6,5 mmHg
liegt. Somit wird deutlich, warum die bis 2008 gültige Definition der „latenten“ pulmonalen
Hypertonie (d. h. invasiv gemessener PAPm über 30 mmHg unter körperlicher Belastung) nicht mehr empfohlen wird [250].
Neuere Parameter zur Beschreibung der pulmonalen Hämodynamik
Schon in der historischen Analyse der Daten [250] wurde darauf aufmerksam gemacht, dass bei Gesunden der pulmonalvaskuläre Widerstand
(PVR) unter Belastung leicht abfällt. Eine Metaanalyse der Daten zur Belastungshämodynamik
bei Gesunden konnte bestätigen, dass der PVR im Alter < 50 Jahre unter Belastung leicht
abfällt und in höheren Altersgruppen unter Belastung weitgehend konstant bleibt [251]. Aus pathophysiologischer Sicht gilt anzumerken, dass der PVR den präkapillären
Widerstand der Lunge charakterisiert. Die Berechnung des PVR erfordert die Messung
des PAOP unter Belastung (als Surrogat des linksatrialen Druckes), wobei störende
Einflussfaktoren zu berücksichtigen sind [252].
Der totale pulmonale Widerstand (TPR), der neben der präkapillären Komponente zusätzlich
den linksventrikulären Füllungswiderstand einschließt, fällt im Alter < 50 Jahre unter
Belastung ab. In höheren Altersgruppen steigt er zu Beginn der Belastung an, um dann
bei weiterer Belastung unter das Ausgangsniveau abzufallen.
Die Beziehung zwischen Anstieg des PAPm und Anstieg des HZV (ΔPAPm/ΔHZV) unter Belastung
zeigt bei Gesunden, dass pro Liter HZV-Anstieg der PAPm zwischen 0,5 − 3,0 mmHg ansteigt.
Diese Beziehung ist jedoch altersabhängig und kann bis 3,94 mmHg pro L/min HZV bei
über 70-Jährigen betragen.
Zusätzlich zu den genannten Werten werden der transpulmonalen Gradienten (TPG) und
der diastolischen pulmonalen Gradienten (DPG) zur Differenzierung der prä- bzw. postkapillären
Genese einer PH genutzt (Übersichten in [251]
[253]).
Basierend auf diesen Befunden wird heute eine normale pulmonale Belastungshämodynamik
wie folgt definiert:
PAPm < 30 mmHg; PAOP < 15 mmHg; sowie PVR < 3 WU bei maximaler Belastung mit „adäquatem
HZV“
[243]
[254]
[255]
[434]
Dagegen wird die gestörte Belastungshämodynamik in der Literatur nicht einheitlich
definiert, jedoch lassen sich 2 wesentliche Kategorien unterschieden:
Typ 1 (belastungsinduzierte P(A)H):
PAPm > 30 mmHg; PAOP < 15 mmHg, sowie PVR > 3 WU bzw. PVR > 1,5 WU [256]
Typ 2: (belastungsinduzierte linksventrikuläre Relaxationsstörungen)
PAPm > 30 mmHg; PAOP ≥ 25 mmHg [257] bzw. > 15 mmHg [258] bzw. > 20 mmHg und PVR < 1,5 WU [256]
Klinische Bedeutung einer gestörten pulmonalen Belastungshämodynamik
Aus Sicht der Autoren sprechen folgende Aspekte dafür, den Begriff einer „belastungs-induzierten
PH“ wieder einzuführen.
-
Pathophysiologisch liegt der PH eine frühe pulmonale Vaskulopathie (PV) zugrunde,
die sich zu einer manifesten PH entwickeln kann. Ein solcher Verlauf wurde u. a. für
Patienten mit COPD [259] gezeigt. Wenn man die Entstehung einer manifesten PH als einen kontinuierlichen
Prozess ansieht, von einer isolierten belastungsinduzierten PH über eine Phase der
PV mit/ohne Borderline-PH (PAPm zwischen 21 – 24 mmHg) bis zur manifesten PH, macht
eine frühe Diagnostik Sinn [260]
[434].
-
Bei der Entstehung einer kardiopulmonalen Leistungseinschränkung spielt die PV bei
verschiedenen Lungenkrankheiten eine wesentliche Rolle, was u. a. für verschiedene
pneumologisch relevante Erkrankungen gezeigt werden konnte: Sklerodermie [261], COPD [200], interstitielle Lungenkrankheiten [168].
-
Ungeachtet der modernen nicht invasiven kardiovaskulären Funktionsdiagnostik mittels
Echokardiografie, Magnetresonanztomografie (MRT), nuklearmedizinischer Methoden mit/ohne
Belastung sowie der Spiroergometrie bedürfen einige klinische Fragen weiterhin einer
invasiven hämodynamischen Beurteilung. So ist es ohne invasive Messung häufig schwierig,
den meist echokardiografisch abgeschätzten Anstieg des PAP in Ruhe oder unter Belastung
ursächlich zuzuordnen. Mögliche Ursachen sind: a) eine Erhöhung des PVR (als Ausdruck
einer PV), b) der Anstieg des linksatrialen Drucks bzw. linksventrikulären enddiastolischen
Drucks (LVEDP) als Ausdruck der Relaxationsstörung des linken Ventrikels oder c) die
Zunahme des intrathorakalen Drucks infolge einer Lungenüberblähung. Auch mit den modernen
echokardiografischen Methoden (Gewebedoppler) zeigt die Detektion des linksatrialen
Druckanstieges als Folge der gestörten linksventrikulären Relaxationsstörung nur eine
mäßige Korrelation zur invasiven Messung [262].
-
Ein zusätzliches klinisches Interesse an der frühzeitigen Erfassung einer PV ergibt
sich in den letzten Jahren bei Patienten nach einer Lungenarterienembolie (LAE) [263].
Aktueller Stand der klinischen Anwendung des RHK unter Belastung
Ungeachtet des, in den letzten Jahren zunehmenden, Verständnisses der pulmonalen Hämodynamik
bei Gesunden und Patienten sind die methodischen Einflüsse der Durchführung der Untersuchung
weiterhin unzureichend bekannt. Dieser Sachverhalt in Kombination mit den unterschiedlichen
verwendeten Normalwerten wird aktuell als limitierender Faktor zur generellen Empfehlung
der Durchführung von Belastungsuntersuchungen angesehen, und es wird übereinstimmend
die Notwendigkeit der Schaffung einheitlicher Standards auf diesem Gebiet betont [201]
[245].
Mittlerweile existieren eine Reihe von Daten dafür, dass auch für Patienten mit verschiedenen
Lungenerkrankungen eine „Belastungs-PH“ als PAPm > 30 mmHg bei einem HZV < 10 l/min
definiert werden könnte, siehe Übersicht in [244]. Damit würde der berechnete pulmonale Gesamtwiderstand (TPR = mPAP/HZV) > 3 WU betragen
und wäre als Kriterium weitgehend unabhängig vom Geschlecht, der Art der zugrunde
liegenden Erkrankung und dem Alter [244]. Auch bei Patienten mit einem BMI > 30 hatte die Kombination dieser beiden Werte
eine hohe Sensitivität und Spezifität zur Diskriminierung von Gesunden und Erkrankten.
Kritisch bleibt jedoch noch anzumerken, dass in dieser Arbeit ältere Patienten unterrepräsentiert
waren und Patienten mit Lungenüberblähung ausgeschlossen wurden.
Aus unserer Sicht kann, abgesehen von wissenschaftlichen Fragestellungen, bei folgenden
Indikationen ein RHK mit Belastung durchgeführt werden:
-
Erfassung der pulmonalen Hämodynamik unter Belastung zur Differenzierung prä- bzw.
postkapillärer Störungen bei Patienten, welche mittels nicht invasiver Diagnostik
nicht ausreichend abgeklärt werden können (z. B. COPD, Patienten mit höhergradiger
Mitralklappeninsuffizienz),
-
Erfassung einer frühen Vaskulopathie als Ursache einer gestörten Belastungsfähigkeit
bzw. unklarer Dyspnoe und
-
Bestätigung eines Verdachtes auf eine links- bzw. rechtsventrikuläre diastolische
Dysfunktion (bei klinischem Verdacht und Hinweisen in der Echokardiografie bzw. MRT).
Durchführung des RHK unter Belastung
Es existiert ein breites Spektrum der Methoden zur Durchführung der genannten Untersuchung.
Körperposition Die Messung kann liegend oder in stehender Position auf dem Laufband erfolgen. In
Analogie zur Belastungsechokardiografie wird die Untersuchung von vielen Untersuchern
auf einem Fahrradergometer in halbliegender 45°-Position durchgeführt.
Belastungsformen In Abhängigkeit von der Körperposition wird das Laufband, ein Fahrradergometer oder
im Sitzen ein Handkurbelergometer genutzt. Aber auch Belastungen über Armbewegungen
mit Gewichten oder mittels handgrip sind publiziert.
Protokolle Je nach Fragestellung werden mehr oder weniger standardisierte submaximale Belastungen
oder maximale Ausbelastungen durchgeführt, wobei unterschiedliche Stufen- oder Rampenprotokolle
verwendet werden. Steady-State-Protokolle (in der Regel mit einer Last, die unterhalb
des aeroben-anaeroben Überganges liegt, welche im Rahmen einer früheren Untersuchung
ermittelt wurde) werden zunehmend zur Bewertung von Interventionen (Rehabilitationsprogramme,
medikamentöse Behandlung, operative Eingriffe) empfohlen. Solche Daten stammen bisher
jedoch überwiegend aus Untersuchungen von COPD-Patienten [199].
Nullpunktbestimmung Sowohl im Ruhe-RHK als auch bei der Belastung soll die Nullreferenzlinie (Position
des Druckaufnehmers) beim liegenden Patienten auf Höhe der Thoraxmitte sein [264].
Messzeitpunkt In körperlicher Ruhe erfolgt die Erfassung der pulmonalen Druckwerte während kontinuierlicher
Atmung endexspiratorisch oder durch Mittelung der Werte über 3 – 4 respiratorische
Zyklen [201]. Letztere Methode scheint auch unter körperlicher Belastung am besten geeignet [265]. Bei COPD-Patienten kann es unter belastungsinduzierter Hyperventilation zur Überblähung
kommen, wodurch sich die intrathorakalen Druckverhältnisse ändern. Durch die simultane
Messung des ösophagealen und pulmonalvaskulären Druckes kann dieses pathophysiologische
Phänomen korrigiert werden [266]
[267]
RHK unter Belastung und zusätzliche nicht invasive Methoden
Der RHK kann simultan mit Echokardiografie und/oder Spiroergometrie (cardiopulmonary
exercise test, CPET) als sog. invasive CPET durchgeführt werden und unterstützt z. B.
bei der Diagnostik von Patienten mit Belastungsdyspnoe [268] oder bei Sklerodermie [193].
Zusammenfassend wird deutlich, dass erst über die Kombination klinischer Befunde,
der nicht invasiven Funktionsdiagnostik (Echokardiografie, Lungenfunktionsanalyse,
Blutgasanalyse) sowie in bestimmten Fällen auch weiterführender Methoden, eine diagnostische
Zuordnung der Befunde zu einem bestimmten Krankheitsbild erfolgen kann.
Interpretation der Befunde
Ausgewählte Normwerte der pulmonalen Hämodynamik liegen aus einer Metaanalyse vor
[243]. Diese wurden mit Daten zum Verhältnis zwischen PA-Druck und HZV unter Belastung
und auch zu Widerständen unter Belastung bei Gesunden ergänzt [251]. Jüngst ist auch an über 500 gesunden Probanden das maximale Herzzeitvolumen (peak
HZV) unter Belastung anhand der Inert-Gas-Methode beschrieben worden [254]. Peak HZV betrug 13,2 ± 3,5 L/min (Männer: 15,3 ± 3,3 l/min; Frauen: 11,0 ± 2,0 l/min).
Mithilfe von peak V̇O2 wurde peak Q berechnet (4,3 × peak V̇O2) + 4,5 bei Männern und (4,9 × peak V̇O2) + 3,6 bei Frauen.
In einer jüngst publizierten Übersicht werden die methodischen Grundlagen sowie Anleitungen
zur Erhebung und Bewertung der Daten aus dem RHK mit Belastung zusammenfassend dargestellt
[269]
[434].
Belastungsuntersuchungen bei speziellen pneumologischen Fragestellungen
Belastungsuntersuchungen bei speziellen pneumologischen Fragestellungen
Anstrengungsinduziertes Asthma, anstrengungsinduzierte Bronchokonstriktion
Hochintensiver Belastungstest
Durch körperliche Belastung kann eine anstrengungsinduzierte Bronchokonstriktion ausgelöst
werden. Dieses Phänomen wird bei 80 – 90 % der Patienten mit Asthma bronchiale beobachtet,
kann aber auch bei gesunden Personen ohne Asthma bronchiale auftreten, bei Leistungssportlern,
insbesondere im Ausdauersport, bis zu 3 – 5-mal häufiger als in der Gesamtbevölkerung
[270].
Ein Großteil der Patienten mit belastungsinduzierter Atemwegsobstruktion entwickelt
typischerweise erst im Zeitraum von einigen bis 30 Minuten nach Belastungsende eine
Bronchokonstriktion [271]. Dieser zeitliche Verlauf, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, ist auch eines
der Hauptkriterien zur Unterscheidung der wichtigsten Differenzialdiagnosen wie muskuläre
Dekonditionierung, belastungsinduzierte Vocal Cord Dysfunction oder dysfunktionale
Atmung, bei der die Symptome meist während der Belastung auftreten und mit Belastungsende
bzw. -reduktion besser werden [272].
Studien identifizieren als Ursache für die belastungsinduzierte Bronchoobstruktion
insbesondere einen Flüssigkeitsverlust infolge Verdunstung von der Bronchialoberfläche
bei hohen Atemminutenvolumina. Darauf basiert das Testdesign zur Diagnosestellung
einer anstrengungsindizierten Bronchokonstriktion [273]. Bei einem Belastungstest sollte die Ventilation über ≥ 4 min auf ≥ 40 – 60 % der
maximalen willkürlichen Ventilation (maximal voluntary ventilation, MVV, oder Atemgrenzwert n. Knipping) unter Atmung möglichst trockener Luft (Optimum
< 10 mg H2O/Liter) angehoben werden [274] (Versuchsanordnung s. [Abb. 6]).
Abb. 6 Diagnosestellung einer anstrengungsindizierten Bronchokonstriktion, Versuchsanordnung
zur Belastungsuntersuchung unter Atmung möglichst trockener Luft (Optimum < 10 mg
H2O/Liter).
Generell ist hierfür eine Laufbandbelastung, auch bei Kindern, gut geeignet [275]. Bei Leistungssportlern sollte die Belastung möglichst sportartspezifisch, gegebenenfalls
auch als sog. Feldtest, erfolgen. Anstelle einer angestrebten Ventilation wird bei
den Belastungstests oft die Herzfrequenz zur Bestimmung der Intensität herangezogen
und mit 80 – 90 % der kalkulierten maximalen Herzfrequenz (220 − Lebensalter; mind.
> 160) angegeben. Aufgrund hoher interindividueller Variabilität in der Beziehung
zwischen Herzfrequenz und Ventilation, ist die ventilationsbezogene Intensitätssteuerung
zu bevorzugen [274].
Die Diagnosestellung einer anstrengungsinduzierten Bronchokonstriktion erfordert eine
Messung des FEV1 vor sowie 5, 10, 15 und 30 min nach Belastung. Bei einem Abfall des FEV1 ≥ 10 % gegenüber dem (vor Belastung bestimmten) Ausgangswert gilt eine anstrengungsinduzierte
Bronchokonstriktion als gesichert [274], wobei für Kinder auch größere Abnahmen des FEV1 bis 15 % des Ausgangswertes diskutiert werden [273]. Die Klassifizierung der anstrengungsinduzierten Bronchokonstriktion erfolgt je
nach FEV1-Abfall in leichtgradig (≥ 10 % bis < 25 %), mittelgradig (≥ 25 % bis < 50 %) und
schwer (≥ 50 % gegenüber Ausgangswert vor Belastung) [274].
Da nicht alle Atemwegsobstruktionen mit der FEV1 erfasst werden, sollte möglichst aufgrund der hohen Sensitivität und Mitarbeitsunabhängigkeit
ergänzend auch die Ganzkörperplethysmografie (2 Versuche) eingesetzt werden [276]
[277]. Kenngrößen der belastungsinduzierten Bronchoobstruktion sind hier Raw, Reff und ITGV, gemessen vor sowie mehrfach nach körperlicher Belastung [277]. Bei einer Zunahme des Atemwegswiderstandes (Raw bzw. Reff) um > 150 % gegenüber dem Ausgangswert bzw. 60 % im Kindesalter gilt ein Anstrengungsasthma
als nachgewiesen [278].
Inhalative Provokation
Der Nachweis einer belastungsinduzierten Bronchokonstriktion ist aufgrund der technischen
und räumlichen Anforderungen nicht immer unter Labor- oder Feldtestbedingungen im
Rahmen eines hochintensiven Belastungstest möglich. Alternativ hierzu können belastungsunabhängige
Provokationsteste durchgeführt werden. Hier wird die bronchiale Hyperreagibilität
(BHR) durch die inhalative Provokation mittels Mannitol, 4,5 % Salzlösung, Histamin
oder 0,33 % Methacholinlösung in Stufentests nachgewiesen [278]
[279] (s. [Abb. 7], entnommen aus [279]).
Abb. 7 Algorithmus zur Diagnostik von belastungsinduziertem Asthma (EIA) bzw. Bronchokonstriktion
(EIB). Alternativ ist eine obstruktive Ventilationsstörung definiert als Verminderung
des altersabhängigen Tiffeneau-Index (FEV1/FVC) auf Werte unterhalb des 5. Perzentils
(Z-Score kleiner als −1,645).
Sollten für Leistungssportler mit einer belastungsinduzierten Bronchokonstriktion
andere Inhalativa, als die laut Anti-Doping-Bestimmungen der World Anti-Doping Agency
erlaubten (Salbutamol, Salmeterol und Formoterol) verordnet werden, sind die o. g.
Tests die Grundlage für eventuell notwendige Ausnahmegenehmigungen (Stand 2017) [280]. Weitere Informationen: https://www.wada-ama.org/en/resources/therapeutic-use-exemption-tue/medical-information-to-support-the-decisions-of-tuecs-asthma.
Eine Sonderrolle spielt der eukapnische Hyperventilationstest, der durch willkürliche
hohe Atemvolumina die belastungsinduzierte Hyperventilation simuliert [273]. Eine ausführliche Darstellung der Methode findet sich unter: http://bjsm.bmj.com/content/bjsports/35/5/344.full.pdf (frei zugänglich).
Sporttauglichkeit und Trainingssteuerung
Standardisierte Belastungsuntersuchungen erlauben nicht nur eine Beurteilung der Sporttauglichkeit,
sondern auch die Ableitung konkreter Trainingshinweise sowohl für Freizeit- und Leistungssportler
als auch für Patienten.
Tauglichkeit für Sportgruppen, Training und Wettkampf
Eine Voraussetzung für die Teilnahme an Herz- und Lungen-Sportgruppen ist eine ärztliche
Untersuchung mit Objektivierung der Leistungsfähigkeit. Das Belastungs-EKG dient dem
Nachweis einer kardialen Gefährdung. Eine Mindestbelastbarkeit von > 25 Watt über
3 min oder eine Gehstrecke > 200 m innerhalb von 6 min wird für Lungensportgruppen
gefordert [281]. Bei den Herzsportgruppen erfolgt je nach Leistungsfähigkeit eine Unterscheidung
zwischen Trainingsgruppen (> 1 Watt/kg Körpergewicht) und Übungsgruppen (< 1 Watt/kg
Körpergewicht). Im Freizeit- und Breitensport wird für die Wettkampfteilnahme, z. B.
für die Teilnahme an einem Stadtmarathon, eine Tauglichkeitsuntersuchung einschl.
Belastungs-EKG häufig nur empfohlen. Nur für die Bescheinigung der Tauglichkeit für
Sporttaucher ist ab dem 40. Lebensjahr die Durchführung eines Belastungs-EKGs verpflichtend
[282].
Trainingssteuerung
Die Verbesserung der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit durch regelmäßiges ausdauerbetontes
Training, idealerweise dreimal wöchentlich, ist im Präventivsport und für Patienten
belegt [281]. Im Präventivsport und bei Patienten mit Herz-Kreislauferkrankungen und/oder metabolischem
Syndrom kann die Trainingsintensität über die Herzfrequenz gesteuert werden. Bei einem
moderaten ausdauerbetonten Training sollte sie entweder 50 – 80 % der gemessenen maximalen
Herzfrequenz (HFmax) bzw. 40 – 60 % der Herzfrequenzreserve (d. h. Differenz zwischen
gemessener maximaler Herzfrequenz und Herzfrequenz in Ruhe) liegen oder sich an der
Herzfrequenz der spiroergometrisch ermittelten anaeroben Schwelle (VT1) orientieren
[283]
[284]. Für den Herzsport wird die Herzfrequenzobergrenze für eine risikoarme Belastung
häufig mit 85 % der in einer (Spiro-)Ergometrie erreichten HFmax angegeben, unter
der Voraussetzung, dass eine Ausbelastung erreicht wurde [284].
Seit einigen Jahren wird als Alternative zum moderaten Ausdauertraining auch im Präventiv-
und Rehabilitationssport ein hochintensives Intervalltraining (HIIT) empfohlen. Laut
einer Metaanalyse (10 kontrollierte Studien) können signifikant größere Verbesserung
der Fitness nach einem HIIT mit Intensitäten entsprechend 85 – 95 % der HFmax gegenüber
einem moderaten Ausdauertraining (60 – 75 % HFmax) bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung,
Herzinsuffizienz, Bluthochdruck, metabolischem Syndrom und Adipositas erreicht werden
[285]. Demgegenüber zeigte eine kürzlich veröffentlichte Studie keine Überlegenheit eines
HIIT (4 × 4 min Intervalle mit 90 – 95 % HFmax, 3 min Pause) im Vergleich zu moderatem
kontinuierlichem Ausdauertraining (47 min mit 60 – 70 % HFmax) und warf Fragen zur
Durchführbarkeit dieser Trainingsform bei Herzinsuffizienten (NYHA II-III) auf [286]. Ein HIIT sollte generell bei Patienten nur mit adäquatem Monitoring erfolgen.
Bei Patienten mit Lungenerkrankungen kann das Training nicht allein über die Herzfrequenz
gesteuert werden, denn die Beziehung zwischen %V̇O2max und %HFmax verläuft häufig nicht linear [287]
[288]. COPD-Patienten sollten ein ausdauerbetontes Training mit einer Intensität von 60 – 80 %
der maximalen Leistungsfähigkeit über mindestens 20 bis 60 min, am besten als Gehtraining,
absolvieren.
Da aufgrund von Dyspnoe und Muskelschwäche für viele COPD-Patienten ein Dauertraining
nicht möglich ist, kann das Training auch intervallförmig erfolgen [289]. Effektivität und Sicherheit beider Trainingsmethoden werden gleich beurteilt. Zur
Stärkung der Skelettmuskulatur wird darüber hinaus ein Krafttraining angeraten [290]. Für andere chronische Lungenerkrankungen (z. B. interstitielle Lungenerkrankungen)
lauten die Empfehlungen ähnlich. Das Training sollte aber unter Kontrolle der peripheren
O2-Sättigung und mit der Möglichkeit einer O2-Substitution erfolgen [291].
Positive Effekte eines körperlichen Trainings wurden auch bei Patienten mit schwerer
PH beobachtet, wobei ein kontrolliertes Ausdauertraining empfohlen wird [184]. Gute Erfahrungen wurden mit 10 – 25 min Ergometer-Intervalltraining unter Monitoring
der O2-Sättigung (> 85 %) berichtet, bei dem die Patienten wechselweise 30 s mit sehr niedriger
Intensität und 1 min mit höherer Intensität (z. B. 20 – 35 Watt) trainierten. Hierbei
wurde die Belastungsintensität durch HFmax (Ziel 60 – 80 %) gesteuert und das Training
durch Spaziergänge, eingelenkiges Krafttraining und Atemtraining ergänzt [292]
[293].
Das Training von Freizeit- und Leistungssportlern orientiert sich häufig an der individuell
ermittelten HFmax, wobei für ein Lauftraining folgende Trainingsbereiche definiert
wurden: Regenerationsbereich (< 60 – 65 % MP), ruhiges (65 – 75 % des MP), mittleres
(75 – 85 % HFmax), intensives (85 – 90 % HFmax) Ausdauertraining sowie hochintensive
Intervallbelastung (> 90 % HFmax). Zur genaueren Trainingssteuerung wird im Leistungssport
und im ambitionierten Freizeitsport meistens in stufenweise ansteigenden Ergometrien
die Laktatleistungskurve ermittelt [294].
Der Trainingserfolg sollte nach > 6 – 8 Wochen eines regelmäßigen ausdauerbetonten
Trainings unter standardisierten Bedingungen (z. B. Tageszeit, Ernährung) erstmals
überprüft werden. Eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit ist an einer Steigerung
der Maximalleistung bzw. der V̇O2max und/oder einer Rechtsverschiebung der Laktatleistungskurve mit größerer V̇O2 und Intensität im Bereich der Laktatschwelle ersichtlich [295].
Arbeitsmedizin und Begutachtung
Belastungstests sind in der Arbeitsmedizin indiziert:
-
zur Bestimmung der Maximalleistung nach ArbmedVV (Verordnung zur arbeitsmedizinischen
Vorsorge) im Rahmen der Pflichtvorsorge bei Tätigkeiten, die das Tragen von Atemschutzgeräten
der Gruppen 2 und 3 erfordern (schwerer Atemschutz) [296].
-
zur Begutachtung der beruflichen Leistungsfähigkeit (Dauerleistungsfähigkeit – Dauerleistungsgrenze).
-
im Rahmen der Begutachtung von Berufskrankheiten, zur Beurteilung von Zusammenhangsfragen
und zur Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE).
Arbeitsmedizinische Vorsorge
Die ArbmedVV gibt vor, im Falle welcher Expositionen bzw. bei welchen beruflichen
Tätigkeiten dem Mitarbeiter eine arbeitsmedizinische Beratung mit Untersuchung anzubieten
ist bzw. wann zumindest die Beratung im Sinne der Vorsorge verpflichtend wahrgenommen
werden muss. An diese können sich medizinische Untersuchungen anschließen [296]. Die ArbMedVV gibt jedoch keine Untersuchungsinhalte im Detail vor. Hierzu können
neben den aktuellen medizinischen Leitlinien für Prävention und Diagnostik die arbeitsmedizinischen
Regeln des AfAMed oder für weitere Details die DGUV-Grundsätze für arbeitsmedizinische
Untersuchungen herangezogen werden. In letzteren wird bislang aus Gründen der Praktikabilität
und der Ökonomie eine Ergometrie als Leistungs- und Screeninguntersuchung vorgegeben
[297]. Empfohlen wird eine Ergometrie im Sitzen mit stufenweiser Steigerung der Belastung
um 25 Watt alle 2 Minuten über ≥ 3 Stufen mit einer Gesamtdauer < 12 min, bis die
dem Sollwert entsprechende Leistung (Watt) erreicht worden ist [297]. In der aktuell gültigen Fassung werden noch ältere Sollwerte nach Reiterer [298] zugrunde gelegt; ein neuer Entwurf [299] stützt sich auf eine Metaanalyse internationaler Studien [300]. Die Heranziehung der in Deutschland erhobenen Sollwerte des SHIP-Kollektivs [96]
[301] ist anzustreben. Nach den berufsgenossenschaftlichen Grundsätzen für die Interpretation
der Untersuchungsergebnisse wird aus dem Watt- und Herzfrequenzverlauf die physical work capacity (PWC) bestimmt. Die PWC bezeichnet die Leistung in Watt pro kg Körpergewicht bei
einer Herzfrequenz von 150 oder 170 pro min und wird auch als W150 bzw. W170 bezeichnet. Das Arbeiten mit sog. schweren Atemschutz fordert Leistung von:
-
bis zum 39. Lebensjahr: Sollwert (W150) von 3,0 Watt/kg KG für Männer, 2,5 Watt/kg KG für Frauen
-
ab dem 40. Lebensjahr: Sollwert (W150) von 2,1 Watt/kg KG für Männer, 1,8 Watt/kg KG für Frauen
Die Heranziehung der W150 bzw. W170 alleine zur Darstellung der Leistungsfähigkeit erscheint nicht ausreichend, da diese
keine ausreichende Validierung aufweist und im Individualfall die Leistungsfähigkeit
nicht korrekt abbildet. Die maximale Leistungsfähigkeit, optimal dargestellt als V̇O2max, zumindest als peak V̇O2 oder die maximal erreichte Wattleistung, sollte daher immer in der Beurteilung berücksichtigt
werden. Minderungen > 20 % des entsprechenden Sollwertes werden als pathologisch eingestuft.
Zumindest bei Untersuchungen nach ArbmedVV für schweren Atemschutz (bzw. G 26.3 nach
DGUV) und bei Untersuchungen nach Druckluftverordnung für Taucher und Arbeiten im
Überdruck (G 31 nach DGUV) ist eine Spiroergometrie zur Beurteilung der maximalen
Leistungsfähigkeit empfohlen [302]. Bei stufenförmiger oder nahezu kontinuierlicher Belastungssteigerung („Rampe“)
war in einem arbeitsmedizinischen Kollektiv peak V̇O2 gleich [435].
Im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge werden bei Exposition gegenüber potenziell
kardiotoxischen Noxen zur Erkennung einer latenten Erkrankung noch häufig Belastungsuntersuchungen
durchgeführt. Sie werden entsprechend den Empfehlungen der DGUV [DGUV, 2014] bei bestimmten
Gefahrstoff-Expositionen bzw. Tätigkeiten (Glycerintrinitrat und Glycoldinitrat (G5),
Kohlenstoffdisulfid (G6) Kohlenmonoxid (G7), Schwefelwasserstoff (G11), Hitzearbeiten
(G30), Überdruck (G31), Arbeiten mit Absturzgefahr (G41)) vorgeschlagen; nach der
nationalen Versorgungsleitlinie KHK ist die Ergometrie nicht mehr generell, sondern
nur bei Patienten mit „mittlerer Vortestwahrscheinlichkeit“ empfohlen. Die Einschätzung
der Vortestwahrscheinlichkeit orientiert sich an den Beschwerden (Angina pectoris,
nicht anginöser Brustschmerz) sowie an Geschlecht und Lebensalter des Probanden [303]. Die mittlere Vortestwahrscheinlichkeit entspricht einer Wahrscheinlichkeit/Risiko
von 15 – 65 % für das Vorliegen einer KHK.
Berufliche Leistungsfähigkeit – Bestimmung der Dauerleistungsgrenze
Entsprechend der Leitlinie der Deutschen Rentenversicherung zur sozialmedizinischen
Begutachtung der Leistungsfähigkeit bei chronisch obstruktiver Lungenkrankheit (COPD)
und Asthma bronchiale (2010) wird die körperliche Arbeitsschwere, die einem pneumologisch
eingeschränkten Arbeitnehmer zuzumuten ist, durch seine maximale Leistung in der Ergometrie
bestimmt [304]. Schwere Arbeit entspricht einer Leistung von über 125 Watt, mittelschwere Arbeit
liegt zwischen 75 und 125 Watt, bis 75 Watt wird die Arbeit als körperlich leicht
bezeichnet. Dieses Vorgehen berücksichtigt jedoch weder statische Leistungsanforderungen
noch weitere für die Tätigkeit erforderliche Fähigkeiten wie Koordinationsvermögen
und spezifische Körperhaltungen. Außerdem sind die tatsächlichen über den ganzen Arbeitstag
zu erbringenden körperlichen Leistungen für einzelne Berufsbilder kaum bekannt. Eine
orientierende Bestimmung der Arbeitsschwere ist auch über den Energieverbrauch möglich.
Im Compendium of Physical Activities werden für verschiedene Berufe „Metabolische
Einheiten“ (MET) als Vielfaches des energetischen Grundumsatzes angegeben [305], auch hierüber ist jedoch eine realistische Bestimmung der Leistungsanforderung
für konkrete Arbeitsplätze nur annähernd möglich.
Zur Beurteilung der konkreten Arbeitsbelastung im Beruf mit Bestimmung der V̇O2 ist die mobile Spiroergometrie geeignet. So kann die kardiopulmonale Belastung während
der Arbeit hierüber detailliert erfasst werden [306].
Es ist festzuhalten, dass eine Dauerleistung deutlich unterhalb der individuellen
VT1 liegen muss. Nach bisherigen Studien und Vorgaben wird empfohlen, dass der O2-Verbrauch 30 – 35 % der V̇O2max bei einem Arbeitsumfang von 480 Minuten nicht überschreiten sollte [307]
[308]
[309]. Neuere Daten zeigen, dass auch Dauerbelastungen von 35 – 50 % der individuellen
V̇O2 toleriert werden [160]
[306]
[310]. Bei ausreichenden Pausen oder kürzeren Arbeitszeiten kann ein Grenzwert von 45 %
der V̇O2max toleriert werden [311].
Zur Abschätzung einer erfolgreichen betrieblichen Wiedereingliederung oder vorzeitigen
Berentung hat die spiroergometrische Messung der V̇O2max und des V̇E/V̇CO2 slope am Ende einer Rehabilitationsmaßnahme eine signifikante Aussagekraft, auch
wenn für den V̇E/V̇CO2 slope bisher kein Grenzwert festgelegt wurde [312]. Eine Leistungsfähigkeit < 48 Watt lässt das Scheitern der beruflichen Wiedereingliederung
erwarten [312]. Detaillierte Diagnosen von Herzerkrankungen zeigen hingegen wenig Vorhersagewert
[312].
Begutachtung – MdE-Bemessung
In der Bearbeitung von Berufskrankheitenverfahren mit pneumologischen Fragestellungen
sind Belastungsuntersuchungen und insbesondere die Spiroergometrie mit Rampenprotokoll
im Rahmen der Kausalitätsprüfung zur Diagnosesicherung und zur Abgrenzung von möglicherweise
parallel vorliegenden Erkrankungen zu empfehlen.
Weiterhin können durch Belastungsuntersuchungen im Rahmen der Ermittlung der MdE die
BK-bedingten Funktionseinschränkungen quantifiziert und von BK-unabhängigen Einschränkungen
abgegrenzt werden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit im Berufskrankheitenrecht entspricht
der BK-bedingten Einschränkung der Einsatzmöglichkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Grundlage für die Bewertung eines Funktionsschadens mithilfe einer Belastungsuntersuchung
ist die Belastungsintensität, bei der Insuffizienzzeichen auftreten. Bei der Spiroergometrie
wird für die Bemessung die V̇O2 in Prozent des individuellen Sollwertes gewählt. In der Arbeitsmedizin werden für
V̇O2max die Sollwerte nach Wasserman [24]
[140] zugrunde gelegt, entsprechend den Empfehlungen der ATS/ACCP von 2003 [1]. Die Bewertung nach den Sollwerten aus dem SHIP-Kollektiv [96] wird angestrebt.
Die MdE für primär atemwegsobstruktive Berufskrankheiten (1315, 4301, 4302, 4111)
wird nach der MdE-Tabelle zur Reichenhaller Empfehlung bewertet [313]. Für die Berufskrankheit Silikose (BK 4101) gilt die Bochumer Empfehlung [314]. Die asbestbedingten gutartigen Lungenveränderungen sind mit Asbestose (BK 4103)
anhand der Falkensteiner Empfehlung zu bewerten [436]. Sie werden von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung herausgegeben. In
allen 3 Empfehlungen sind die Bewertungen der Belastungsblutgase und der spiroergometrischen
Daten vergleichbar.
In Ermangelung spezifischer Empfehlungen für andere interstitielle pneumologische
Berufskrankheiten (z. B. exogen-allergische Alveolitis, Aluminose, Berylliose, Hartmetalllunge)
sollte die Bewertung bei diesen Erkrankungen in Anlehnung an die obigen Empfehlungen
erfolgen.
Für die longitudinale Bewertung der MdE im Rahmen von BK-Nachbegutachtungen sind für
einen intraindividuellen Vergleich möglichst identische, reproduzierbare Durchführungsprotokolle
sinnvoll. Der normale Altersgang ist bei der Interpretation zu berücksichtigen.
Adipositas
Laut WHO-Definition liegt eine Adipositas bei Body-Mass-Index (BMI) > 30 kg/m2 vor, wobei Grad I: BMI 30 – 34,9, Grad II: BMI 35 – 39,9 und Grad III: BMI > 40 [315]. Der Anteil adipöser Einwohner hat sich in Europa verdreifacht [316] und nahm auch in einer norddeutschen Bevölkerungsstudie zu, wobei Männer 1997 mit
BMI 27,1 und 2008 mit BMI 27,8, Frauen 1997 mit BMI 26,0 und 2008 mit BMI 27,0 (jeweils
p < 0,05) im Mittel charakterisiert waren [317].
Einfluss der Adipositas auf lungenfunktionelle Parameter und Gasaustausch
Bei Personen mit Adipositas ist die Lungenfunktion typischerweise bereits in Ruhe
verändert, v. a. Reduktion aller Volumenparameter und insbesondere der funktionellen
Residualkapazität (FRC) [318]
[319]
[320]
[321]. Die Veränderungen bewegen sich überwiegend im Normalbereich und unterschreiten
diesen lediglich durch den exponentiellen Abfall der FVC mit zunehmendem BMI [322]. Die Ruheatmung erfolgt mehr im Bereich des Residualvolumens, was u. a. zum geringeren
Tidalvolumen [323] und zum erhöhten Atemwegswiderstand beiträgt [321], wie in Experimenten bei Normalgewichtigen gut zu reproduzieren [324].
Bei Personen mit Adipositas zeigt die Diffusion (Dlco) einen geringen, jedoch signifikanten Anstieg mit zunehmendem BMI in mehreren [325]
[326], aber nicht allen Arbeiten [327]
[328]. In Ruhe ist PaO2 bei Adipositas meist normal bis gering erniedrigt [318]
[319], bei deutlich erhöhter AaDO2 aufgrund von Ventilations-Perfusions-Inhomogenitäten [329].
Auch Studien, welche Adipositas nicht durch BMI, sondern durch die abdominale oder
thorakale Fettverteilung mittels MRT [330], Computertomografie [331], anthropometrischer Daten [332] bzw. Ultraschall [333] detektieren, zeigen vergleichbare lungenfunktionelle Veränderungen.
Mehrfach wurde bei Adipösen eine Dysfunktion der Atemmuskulatur beschrieben [334]
[335]
[336].
Durch Gewichtsreduktion sind die o. g. Veränderungen von Lungenfunktion und Gasaustausch
rückläufig [326]
[335]
[337], aggravieren jedoch bei weiterer Gewichtszunahme [338].
Einfluss der Adipositas auf die körperliche Leistungsfähigkeit
Bei Belastungstests von adipösen Personen sind diese o. g. Veränderungen von Lungenfunktion
und Gasaustausch ebenso zu beachten, wie die gehäuft auftretenden Komorbiditäten,
z. B. koronare Herzerkrankung, arterielle Hypertonie, chronische Herzinsuffizienz
oder schlafbezogene Atemstörungen und pulmonale Hypertonie [339]
[340].
Interessanterweise treten bei adipösen Patienten unter körperlicher Belastung eine
Reihe von „Normalisierungen“ der in Ruhe gestörten Funktionen auf. So wird unter Belastung
durch die alveoläre Rekrutierung das Perfusion-Ventilations-Verhältnis und somit der
Gasaustausch verbessert [329]. Durch den Anstieg der FVC unter Belastung („Pseudonormalisierung“) verschiebt sich
die Atmung in einen optimaleren Abschnitt der Druck-Volumen-Kurve (s. [Abb. 8]).
Abb. 8 Statische Compliancekurve bei Person mit Normalgewicht (blau) und mit Übergewicht
(rot). Bereits in Ruhe atmet der Adipöse ungünstiger bei reduzierter funktioneller
Residualkapazität, d. h. Volumenänderung erfordert höhere Druckdifferenz. RV = Residualvolumen,
TLC = Totale Lungenkapazität.
Zudem ist durch die geringen Atemzugvolumina (jedoch höhere Atemfrequenz) eine geringere
Atemarbeit notwendig [341].
Durch den erhöhten Energiebedarf zur mechanischen Bewegung des Körper- (bzw. Extremitäten)Gewichtes
und insbesondere durch die vermehrte Atemarbeit, sind bei adipösen Patienten V̇O2 in Ruhe [342] und die Relation zwischen V̇O2 und Leistung pathologisch erhöht, d. h. > 10 ml/min/Watt. Adipöse Patienten zeigen
im Vergleich zu Patienten mit Normgewicht bzw. geringer Atemwegsobstruktion eine meist
erhaltene bzw. sogar leicht erhöhte V̇O2 am Ende der Belastung [343]
[344].
Dies gilt nur für ausreichend trainierte Personen mit geringgradiger Adipositas. Diese
zeigen bessere Leistungsfähigkeit (peak V̇O2) und Atemeffizienz (V̇E/V̇CO2 slope) bei vergleichbarer Atemmechanik unter maximaler Belastung [345]. Demgegenüber resultiert hochgradige Adipositas (Grad III) mit geringer körperlicher
Aktivität im Alltag in verminderter Muskelmasse und somit erniedrigter V̇O2 in Ruhe und unter Belastung [346].
Somit stellt sich die Frage nach der geeigneten Bewertung der kardiorespiratorischen
Fitness bei adipösen Patienten. Da traditionelle Methoden, z. B. peak V̇O2 bezogen auf das tatsächliche Körpergewicht, wenig geeignet sind, wurden Korrekturformeln
entwickelt, die V̇O2 auf das fettfreie Körpergewicht beziehen [345]. Denn die aerobe Leistungsfähigkeit wird weniger durch den Körperfettanteil, sondern
vielmehr durch die Muskelmasse beeinflusst [347]. Eine Metaanalyse bei 12 – 18-Jährigen zeigte jedoch, dass bei vergleichbarer peak
V̇O2 die eingeschlossenen Probanden mit Adipositas (Grad I-III) gegenüber normalgewichtigen
Kontrollen einen geringeren Quotienten der VO2/fettfreien Körpergewicht aufwiesen [348].
Bei der Evaluation der körperlichen Belastbarkeit von adipösen Patienten ist die Auswahl des Belastungstests sehr bedeutsam [349]
[350]
[351]. Beim Vergleich von jeweils 108 COPD-Patienten ohne versus mit Adipositas (Grad I/II), zeigten Patienten mit Adipositas eine signifikant kürzere
Gehstrecke (6-MWT), aber eine höhere peak V̇O2 (Fahrradergometer) bei vergleichbarem Grad der Dyspnoe (Borg) am Belastungsende [352].
Bei einer vergleichenden Untersuchung (Fahrrad- vs. Laufbandergometer) bei COPD-Patienten
mit Adipositas (Grad I–III) wurde auf dem Laufband (bezogen auf die Leistung gegenüber
dem Fahrrad) eine höhere peak V̇O2, geringere V̇E/V̇O2- bzw. V̇E/V̇O2-Quotienten sowie eine deutlichere Entsättigung beobachtet [353]. Die ventilatorischen Parameter und die Dyspnoe-Wahrnehmung in Bezug auf Ventilation
bzw. Leistung waren vergleichbar.
Im randomisierten Vergleich zwischen 6-MWT, inkrementalem Shuttle-Walk-Test (ICSWT)
bzw. inkrementalem Laufbandtest (ITMT) waren bei adipösen Patienten (Grad I–III) mit
behandelter obstruktiver Schlafapnoe bei den inkrementalen Tests der Anstieg von V̇O2 während der Belastung linear und peak V̇O2 höher als beim 6-MWT [354]
[355].
Die Reproduzierbarkeit der ISWT-Gehstrecke bei adipösen Frauen (Grad III) war mit
mittlerer Differenz von 9,2 Metern gegeben [356]. In einem Vergleich von 6-MWT auf dem Laufband und einem symptomlimitierten Ausbelastungstest
auf dem Laufband bei adipösen (Grad I-III) und normalgewichtigen Frauen, zeigten in
beiden Testkonditionen die adipösen Frauen signifikant höhere peak V̇O2, wobei nach Korrektur auf das Gewicht normalgewichtige Frauen höhere peak V̇O2 aufwiesen [357]. Es korrelierte peak V̇O2 (ebenso Ventilation, Herzfrequenz- und Blutdruckanstieg) zwischen beiden Testkonditionen
signifikant.
Die Aussagekraft etablierter spiroergometrischer Prognosemarker bei Herzinsuffizienz
ist bei adipösen Patienten eingeschränkt [358]. Bei 2324 Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz war lediglich bei Patienten
mit Adipositas Grad III der Quotient peak V̇O2 bezogen auf Körpergewicht gegenüber Normalgewichtigen reduziert, wobei mit zunehmendem
BMI die V̇E/V̇CO2-Ratio abnahm [359]. In einer Studie zur Herzinsuffizienz waren die ventilatorischen Äquivalente bei
adipösen Patienten (im Gegensatz zu normalgewichtigen Patienten) nicht verändert [360].
Eine umfangreiche Literatur existiert zu Belastungsuntersuchungen bei adipösen Patienten
mit COPD [352]
[361]
[362]. Bei COPD-Patienten mit vergleichbaren lungenfunktionellen Einschränkungen hatten
die adipösen (Grad I–III) gegenüber normalgewichtigen Patienten eine signifikant höhere
peak V̇O2 und einen höheren Quotienten V̇O2/fettfreies Körpergewicht [362]. Andererseits erzielten COPD-Patienten mit Adipositas Grad I im Vergleich zu normgewichtigen
Patienten eine vergleichbare Leistung (peak V̇O2 und Belastungszeit) [361]. Bei männlichen COPD-Patienten (84 mit normalem BMI, 130 mit Übergewicht und 64
mit Adipositas Grad I) war peak V̇O2 bei übergewichtigen und adipösen Patienten höher [363]. Bemerkenswert war, dass bei konstanter Belastung (75 % der maximalen Leistung)
die Belastungszeit, das Dyspnoe-Empfinden und die Veränderung der Lungenvolumina unter
Last in allen 3 Gruppen vergleichbar waren [363].
Präoperative Diagnostik
Extrathorakale Eingriffe
Für elektive, große abdominal- und gefäßchirurgische Eingriffe ist das perioperative
Risiko bzw. der Risikopatient, der einer weiteren Abklärung mittels eines Belastungstest
(Spiroergometrie) bedarf, anhand der ESC-Guideline für nicht kardiochirurgische Eingriffe
festzulegen [364]. Als grobe Orientierung kann vorab die Zuordnung nach dem ASA Physical Status Classification System erfolgen. Außerdem empfiehlt sich die Abschätzung des Risikos einer postoperativen
respiratorischen Insuffizienz, z. B. anhand des Respiratory Failure Risk Index [365].
Für die genauere Erfassung des operativen Risikos wird – sofern die Durchführbarkeit
gegeben ist – die Spiroergometrie empfohlen. Trotz ihrer nachgewiesenen Bedeutung,
auch bei submaximaler Belastungsintensität, wird sie bisher nur begrenzt in der klinischen
Routine eingesetzt [366]
[367]. Liegt die V̇O2 an der VT1 > 11 ml/min/kg zeigen Patienten mit V̇E/V̇CO2 > 35 schon ein mittleres perioperatives Risiko, das weiter ansteigt, wenn die VT1
unter 11 ml/kg/min sinkt oder nicht erreicht wird [368]
[369]
[370]
[371]
[372]
[373]
[374]
[375]. Demnach kann eine Kombination aus der jeweiligen Veränderung des V̇E/ V̇CO2 slope, peak V̇O2 und V̇O2 an der VT1 eine Einschätzung für das Mortalitätsrisiko eines Eingriffs ermöglichen
[6]. Für Patienten mit einer Kombination aus V̇E/V̇CO2 slope ≥ 45 und peak V̇O2 < 10 ml/kg/min, die gleichzeitig V̇O2 an der VT1 < 11 ml/kg/min zeigen, besteht ein sehr hohes operatives Risiko.
Lungenresezierende Eingriffe
Bei der Einschätzung der funktionellen Operabilität sind neben der Belastungsuntersuchung
auch die Begleiterkrankungen zu erfassen. Bei Patienten mit einer Belastungslimitation,
d. h. peak V̇O2 < 50 – 60 % Soll, steigt das Mortalitätsrisiko durch den lungenresezierenden Eingriff
deutlich an, siehe unten [376]
[377]
[378]
[379]
[380].
6-Minuten-Gehtest
Für den 6-MWT oder die konventionelle Ergometrie fehlen einheitliche Daten, die eine
Risikostratifizierung in Hinblick auf die funktionelle Operabilität erlauben [381]
[382]
[383].
Treppentest
Der sog. Treppentest, bei dem überprüft wird, wie viele Treppenstufen (ggf. in welcher
Zeit) erklommen werden können, zeigt bei einer erreichten Höhe von > 22 m eine gute
Korrelation mit der peak V̇O2, die in 98 % der Fälle > 15 ml/kg/Watt liegt [384]
[385]
[386]. Für eine Höhe < 14 m besteht bei 56 % der Patienten eine peak V̇O2 < 15 ml/kg/min. Patienten, die < 12 m Höhe erklimmen, zeigen bei Operationen 2,5-fach
höhere Komplikationsraten und ein 13-fach erhöhtes Mortalitätsrisiko, verglichen mit
Patienten, die > 22 m absolvieren. Mittels Pulsoxymetrie während des Treppensteigens
werden Patienten mit Entsättigung < 4 %, Komplikationsrate 36 % und Mortalität 8 %
differenziert von Patienten mit Entsättigung < 4 %, Komplikationsrate 22 % und Mortalität
3 % [386].
Für Patienten, die nicht in der Lage sind, eine Spiroergometrie durchzuführen, stellt
der Treppentest eine Alternative dar.
Spiroergometrie
Der durch die Lungenresektion zu erwartende Funktionsverlust kann mittels Spirometrie,
Diffusionsmessung und Spiroergometrie mithilfe der Algorithmen der ERS bzw. DGP abgeschätzt
werden [387]
[388]
[389]
Initial sind relevante kardiovaskuläre Erkrankungen, d. h. erhöhtes kardiales Risiko,
zu berücksichtigen [364]
[387]
[388]. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass für Patienten mit lungenresezierenden Eingriffen
das peri- und postoperative Risiko (für kardiovaskuläre Todesfälle und Myokardinfarkte
innerhalb 30 d) in Abhängigkeit von der Größe des Eingriffs als intermediär (1 – 5 %)
und – für Lobektomie und Pneumektomie – als hoch (> 5 %) eingeschätzt wird. Hilfreich
kann dabei die Erhebung des RCRI [387] oder des „Thoracic revised cardiac index [ThRCRI]“ [388] sein. Während der RCRI-Parameter wie Lobektomie oder Pneumonektomie, ischämische
Herzerkrankung, Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus, vorausgegangener Schlafanfall
oder TIA einschließt [390], umfasst der ThRCRI die Parameter geplante Pneumektomie (1,5 Punkte), vorausgegangene
ischämische Herzerkrankung (1,5 Punkte), vorausgegangener Schlaganfall oder TIA (1,5
Punkte) sowie ein Kreatinin > 2 mg/dl (1 Punkt). Bei einem ThRCRI ≥ 2, kardialer Erkrankung
mit Medikation, neu aufgetretener kardialer Erkrankung oder Unfähigkeit mehr als 2
Treppen zu steigen, wird zunächst eine weitere kardiale Abklärung empfohlen. Sofern
diese Patienten keiner invasiven kardiologischen Diagnostik bedürfen, gehören Spirometrie,
Diffusionsmessung und Spiroergometrie zur präoperativen Abklärung [388].
Sofern kein erkennbares kardiales Risiko besteht, erfolgt die Spiroergometrie bei
Patienten mit Einschränkungen von FEV1 und/oder CO-Diffusion < 80 % Soll [388]
[391].
Die aktuelle S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Lungenkarzinoms empfiehlt
die Durchführung der Spiroergometrie, wenn FEV1 < 2 l oder < 80 % Soll, die TLCO < 60 % Soll sind und die mithilfe der Perfusionsszintigrafie
berechneten postoperativen Erwartungswerte [ppo-Wert] eine ppoFEV1 < 800 ml bzw. < 30 %-Soll
und eine ppoTLCO < 30 %-Soll ergibt [389].
Hier wird die peak V̇O2 auf das Körpergewicht bezogen, wobei bei Patienten mit Adipositas das Sollgewicht
und nicht das Ist-Gewicht zur Berechnung bzw. die absolute V̇O2 oder der prozentuale Anteil der Soll-V̇O2 herangezogen werden sollte [387].
Nach der aktuellen deutschen Leitlinie werden Patienten mit zu erwartenden postoperativen
peak V̇O2 < 10 ml/min/kg bzw. < 35 % Soll in der Regel aufgrund eines inakzeptabel hohen perioperativen
Mortalitätsrisikos als inoperabel eingeschätzt [389].
Dies entspricht auch den Empfehlungen der ACCP [388], wo anhand der peak V̇O2 zwischen niedrigem, mittlerem und hohem Risiko für Patienten beschrieben wird. Patienten
mit peak V̇O2 > 20 ml/kg/min bzw. > 75 % Soll, im Treppentest > 22 m oder im 6-MWT > 400 m haben
ein niedriges Mortalitätsrisiko < 1 % und sind bis zur Pneumektomie operabel. Bei
Patienten mit peak V̇O2 10 – 20 ml/kg/min oder 35 – 75 % Soll und einem ppo-peak V̇O2 ≥ 10 ml/kg/min oder ≥ 35 % ist der geplante Eingriff vertretbar.
Insofern kann es insbesondere im Grenzbereich der funktionellen Operabilität hilfreich
sein, neben der peak V̇O2 weitere zur Risikoabschätzung heranzuziehen. Die ATS empfiehlt zur präoperativen
Risikostratifizierung neben peak V̇O2, V̇O2 an VT1 und V̇E/V̇CO2 slope [6]. Im thoraxchirurgischen Kollektiv zeigten Patienten mit V̇E/V̇CO2 slope > 35 mehr respiratorische Komplikationen (22 % vs 7,6 %, p = 0,004) und eine
höhere Mortalität (7,2 % vs. 0,6 %, p = 0,01) [392]. Dies ist umso relevanter, als dieselben Autoren in ihrer Arbeit, die 225 Patienten
mit formalen Inoperabilitätskriterien (peak V̇O2 < 10 ml/kg/min mit ppo-FEV1 und ppo-TLCO < 30 %) untersuchte, zeigen konnten, dass die VO2 im Vergleich zur Atemeffizienz (also VE/VCO2 slope) nicht mit respiratorischen Komplikationen assoziiert ist. In diesem Risikokollektiv
betrug die Mortalitätsrate 2,2 % (n = 5) und die kardiopulmonale Morbidität 23 % (n = 51).
D. h. die „Grenze der Inoperabilität“ ist nur eine Orientierungshilfe, bei der individuellen
Bewertung jedes Patienten unter Berücksichtigung des Patientenwunsches.
Zudem kann die AaDO2 bzw. der AaDO2-Anstieg unter Belastung helfen, das Risiko für postoperative respiratorische Insuffizienz
zu erkennen [393]
[394].
In selektierten Patienten mit schwerem Lungenemphysem ist bei onkologisch indizierten
Oberlappenresektionen der mögliche Nutzen dieser Lungenvolumenreduktion zu berücksichtigen
[389]
[395].
Im Rahmen einer neoadjuvanten Therapiesituation sollte nach systemischer und/oder
Strahlentherapie eine erneute Evaluation der funktionellen Operabilität erfolgen,
um eventuelle Folgen der potenziell lungentoxischen Therapien und einer muskulären
Dekonditionierung zu erfassen [387].
Therapiemonitoring
Wiederholt vorgenommene Belastungsuntersuchungen ermöglichen es, den Einfluss therapeutischer
Interventionen zu erfassen. Dies soll im Folgenden an ausgewählten Krankheitsbildern
verdeutlicht werden.
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
Stellenwert 6-Minuten-Gehtest Der 6-MWT kann den Erfolg einer bronchodilatatorischen Therapie nur eingeschränkt
beurteilen, da die geringen Veränderungen der Gehstrecke häufig unter den minimal
clinically important difference (MCID)-Werten liegen. Studien mit kurzwirksamen Betamimetika
zeigen eine Zunahme der Gehstrecke von 20 – 42 m [396], unter kurzwirksamen anticholienergen Substanzen erhöhte sich die Gehstrecke um
6 – 39 m [397], unter lang wirksamen Betamimetika um 21 – 54 m [398]
[399]
[400] und unter langwirksamen Anticholinergika um ca. 10 m [401]. Offenbar korreliert die Zunahme im 6-MWT mit der Steigerung der Muskelmasse des
M. quadriceps femoris [402].
Stellenwert constant work rate exercise test Im Gegensatz dazu sind Testverfahren mit konstanter Arbeitsleistung sehr gut geeignet,
Therapieeffekte zu erfassen. Denn die „Zeit bis zur Belastungsgrenze“ (time to limit of tolerance, tLIM) wurde durch pneumologische Rehabilitation, Helioxatmung, O2-Langzeittherapie, nicht invasive Beatmung sowie Lungenvolumenreduktion um 100 s bzw.
33 % signifikant verlängert [7]
[403]
[404].
Durch hochintensive CWRET konnten bei COPD-Patienten unterschiedliche Effekte von
kurz- gegenüber langwirksamen Bronchodilatatoren nachgewiesen werden. Allerdings wurde
nur in der Hälfte der Studien eine Zunahme oberhalb der tLIM oder oberhalb der MCID
nachgewiesen [404].
Stellenwert Spiroergometrie Nach Rehabilitation (beinbetontes Muskeltraining) bei Patienten mit COPD in den GOLD-Schweregrad
2 – 4 stieg peak V̇O2
[405]
[406]
[407] um 0,1 – 0,5 l/min bzw. 10 – 40 % der Ausgangswerte [408] und bei COPD-Patienten mit Belastungshypoxämie nach Sauerstofflangtherapie [404]. Verbesserungen von peak V̇O2 unter Bronchodilatatoren sind gering (Zunahme 0,04 – 0,18 l/min) oder fehlen gänzlich
[396]
[409].
Pulmonale Hypertonie (PH)
Stellenwert 6-MWT In einem systematischen Review von 26 randomisierten Studien mit > 3500 Patienten
erhöhte sich die Gehstrecke im 6-MWT unter Prostacyclinanaloga um 35 m (9 Studien),
unter Endothelinrezeptorantagonisten um 46 m (8 Studien) und unter PDE-5-Hemmer um
34 m (6 Studien) [410]. Im Mittel nahm die Gehstrecke um 38 m zu [410]. Der 6-MWT identifizierte Therapieeffekte durch Sildenafil bei Patient mit PAH präziser,
als der endurance shuttle walk test (ESWT) oder der constant work-rate endurance test (CRWET) [411].
Stellenwert CWRET Hierzu liegen nur wenige Daten vor. Es wurde in 2 Studien eine Verlängerung der tLIM
um > 100 % bei Patienten mit PAH unter Rehabilitation erzielt [412]
[413].
Stellenwert Spiroergometrie Hier liegen Daten für den Einfluss von Ausdauertraining und medikamentöser Interventionen
bei Patienten mit PAH vor. Ausdauertraining führt zu einem Anstieg der peak V̇O2 von 1 – 1,5 ml/min/kg bei Patienten mit PAH und anderer Formen der pulmonalen Hypertonie
[414]
[415]. Auch unter medikamentöser Therapie kommt es zu einem Anstieg des peak V̇O2. Dabei liegt der Zuwachs im Bereich von 1,5 – 2 ml/min/kg oder 9 – 14 % [186]. Die exercise ventilatory power (EVP, siehe Kap. Spiroergometrie) war neben der CP als valider Parameter zum Monitoring
einer neu initiierten zielgerichteten, sequenziellen Kombinationstherapie bei 30 erstdiagnostizierten
PAH-Patienten geeignet [416]
Interstitielle Lungenerkrankungen (ILD)
Stellenwert 6-MWT Eine Metaanalyse bei Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose (IPF) konnte unter
körperlichem Training eine statistisch relevante Verbesserung des 6-MWT von 39 m nachweisen
[417]. Ein Cochrane-Review wies bei Studien zum Effekt von Rehabilitation bei interstitiellen
Lungenerkrankungen eine mittlere Verbesserung von 44 m bzw. 36 m nach [418].
Betrachtet man die Ergebnisse der CAPACITY-Studien, so zeigt sich bei einer gemeinsamen
Analyse der beiden Substudien nach 72 Wochen Therapie mit Pirfenidon ein statistisch
signifikanter Anstieg der Gehstrecke im 6-MWT, der allerdings knapp unterhalb der
MCID liegt [419].
Stellenwert CRWET Die tLIM im CRWET verbessert sich bei Patienten mit IPF auf rehabilitative Maßnahmen
deutlicher, als peak V̇O2 oder 6-MWT [420]
[421].
Stellenwert Spiroergometrie Auch in dieser Patientengruppe zeigen Daten aus einer Trainingsstudie, dass es zu
einem Anstieg der peak V̇O2 kommt. Der Anstieg lag bei 2,6 ml/kg/min. Die gleiche Studie zeigte auch ein gutes
Ansprechen der Gehstrecke des 6-MWT (81 m, p < 0,001), der Wattleistung (22 W, p < 0,001)
sowie der AT um 3.1 ml/kg/min (p < 0,001) [422].
Pneumologische Rehabilitation
Die generellen positiven Effekte einer pneumologischen Rehabilitation (PR) auf die
körperliche Leistungsfähigkeit, Atemnot und Lebensqualität sind für Patienten mit
chronischen Atemwegs- und Lungenkrankheiten umfangreich auf höchstem Evidenzniveau
belegt [423]
[424].
Die PR ist bei der COPD zudem mit einer deutlichen Reduktion von Exazerbationen und
Krankenhausaufenthalten verbunden [425]. Verglichen mit anderen Therapiekomponenten sind die Kosten einer Rehabilitation
zum Teil deutlich günstiger [426].
Im Rahmen einer PR dient ein umfangreiches Assessment der körperlichen Leistungsfähigkeit
nicht nur der aktuellen Statuserhebung, sondern auch der Evaluierung des individuellen
PR-Erfolges. Darüber hinaus können die Ergebnisse verschiedener Belastungstests zu
Beginn einer PR auch zur Optimierung der Trainingssteuerung herangezogen werden [427]. V. a. bei stark dekonditionierten Patienten mit fortgeschrittener Lungenerkrankung
hat sich z. B. ein intensives Intervalltraining bei 100 % der maximalen Leistung mit
kurzen Belastungsphasen von 30 Sek. im Vergleich zu moderatem Ausdauertraining als
günstiger erwiesen, da es bei gleicher Effektivität während des Trainings weniger
Dyspnoe verursacht [428].
Belastungstests während pneumologischer Rehabilitation
Im Rahmen dieser Empfehlungen werden v. a. Belastungstests mit dem Schwerpunkt der
unteren Extremität beleuchtet, da hier die krankheitsbedingte Muskelatrophie und die
damit verbundenen Einschränkungen im Alltag am deutlichsten ausgeprägt sind. Zu den
gängigsten Belastungstests im Rahmen eines Reha-Assessments gehören v. a. die Ergometrie
sowie Gehtests. Diese Testverfahren wurden an anderer Stelle in diesen Empfehlungen
bereits diskutiert und werden daher hier nicht näher erläutert. Darüber hinaus haben
sich in den letzten Jahren simple funktionelle Belastungstests wie z. B. Sit-to-Stand-Tests (STST) als Assessment während PR als ebenso geeignet erwiesen.
Die Autoren empfehlen, zu Beginn und am Ende einer PR zumindest den 6-Minuten-Gehtest
als Belastungstest durchzuführen. Weitere Tests können je nach Fragestellung ergänzend
angewandt werden (s. [Tab. 12]).
Tab. 12
Übersicht über mögliche Belastungstests im Rahmen einer pneumologischen Rehabilitation.
Belastungstest
|
Outcome
|
Ziel/Fragestellung
|
6-Minuten-Gehtest
|
Wegstrecke
|
funktioneller Leistungstest, Einsatz zur Trainingssteuerung
|
Spiroergometrie (Stufentest)
|
V̇E, V̇O
2
, V̇CO
2
, AF (u. a.)
|
komplexe Leistungsdiagnostik, Einsatz zur Trainingssteuerung
|
Fahrradergometrie (Rampentest)
|
Wmax, HF, SpO
2
|
einfache Leistungsdiagnostik, Einsatz zur Trainingssteuerung
|
Constant Work Rate Cycling Test (z. B. bei 75 % Wmax)
|
Zeit
|
Ausdauerleistungstest
|
Endurance-Shuttle-Walk-Test (80 % des ISWT Tempos)
|
Zeit/Wegstrecke
|
Ausdauerleistungstest
|
1-Minuten Sit-to-Stand-Test
|
Anzahl Wiederholungen
|
funktioneller Leistungstest
|
V̇E = Atemminutenvolumen, V̇O
2
= Sauerstoffaufnahme, V̇CO
2
= Kohlendioxidabgabe, AF = Atemfrequenz, Wmax = maximale Wattleistung, HF = Herzfrequenz, SpO
2
= Sauerstoffsättigung, ISWT = Incremental Shuttle Walk Test.
Sit-to-StandTests (STST)
Durchführung Zur Umsetzung werden lediglich ein Stuhl mit einer Standardsitzhöhe (in der Regel
46 – 48 cm) sowie eine Stoppuhr benötigt. Der Proband wird gebeten, mit vor der Brust
verschränkten Armen von einem Stuhl aufzustehen und sich wieder hinzusetzen (je nach
Testverfahren mit unterschiedlicher Zielsetzung, wie unten beschrieben). Der Test
beginnt und endet dabei jeweils in sitzender Position.
Varianten und Interpretation Für STSTs gibt es verschiedene Ausführungen. V. a. die folgenden 2 Formen haben sich
etabliert: der 5-Wiederholungs-STST und der 1-Minuten-STST. Bei der ersten Variante
geht es darum, 5-mal hintereinander nach den oben genannten Kriterien so schnell wie
möglich aufzustehen und sich wieder hinzusetzen. Als Ergebnis wird die Zeit gewertet,
die hierfür benötigt wird. Eine Verbesserung um 1,7 Sek. wird aktuell als MID-Schwelle
diskutiert [429]. Zudem bietet dieser Test eine gute Einschätzung eines potenziellen Sturzrisikos
[430].
Beim 1-Minuten-STST hat der Proband 1 Minute Zeit, um bei einem selbstgewählten Tempo
so viele Aufsteh- und Hinsetzbewegungen wie möglich durchzuführen [431]. Ergebnis dieses Tests ist die Anzahl der in 1 min komplett durchgeführten Aufsteh-
und Hinsetzbewegungen. Dieser Wert stellt bei COPD Patienten einen starken Prädiktor
für die Mortalität dar (area under curve 0.78) [425]. Als Schwellenwerte für eine schlechte 2-Jahresprognose wurden weniger als 11 mögliche
Wiederholungen, für eine gute Prognose mehr als 20 durchgeführte Wiederholungen beschrieben
(hazard ratio pro einer mehr durchgeführten Wiederholung: 0.90) [425]. Im Rahmen einer PR wird ab einer Verbesserung von 3 Wiederholungen von einer klinischen
Relevanz gesprochen [432].
Die Vorteile der STSTs sind vielfältig: Zum einen ermöglichen sie eine wichtige und
relativ genaue Einschätzung der körperlichen Leistungsfähigkeit sowie der Prognose.
Des Weiteren sind diese Belastungstests schnell und ohne besondere technische Ausrüstung
oder räumliche Voraussetzungen (z. B. gerade auch in Praxen) gut durchführbar. Für
COPD-Patienten wird die Durchführung des 1-Minuten-STST empfohlen.