„Die Flöhe und die Wanzen gehören auch zum Ganzen …“ (Sprichwort)
Beim konventionellen Umgang mit Parasiten, zu denen wir im Folgenden auch potenziell
schädliche Mikroorganismen zählen werden, wird oft außer Acht gelassen, dass praktisch
jeder Makroorganismus gemeinsam mit diesen Kleinstlebewesen ein Ökosystem bildet und
überhaupt nur innerhalb dieser Gemeinschaft lebensfähig ist. Unter optimalen Bedingungen
besteht ein flexibles Gleichgewicht zwischen Parasiten und Makroorganismen, welches
das Lebensrecht aller Beteiligten des Systems wahrt. Störungen in diesem Gleichgewicht
können für den Makroorganismus gesundheitsgefährdend und sogar lebensbedrohlich werden,
denn der Grat zwischen Symbiose, Kommensalismus und schädigendem Parasitismus ist
oft schmal. Die Ursachen für derartige Störungen sind vielfältig, Lebens- und Haltungsbedingungen
und medizinische Maßnahmen spielen dabei zentrale Rollen.
Die Bekämpfung von Ektoparasiten – irrationale Ängste und konkrete Gefahren
Vom Menschen von alters her besonders gefürchtet sind Zecken, Mücken, Flöhe, Läuse
und Wanzen, die als Blutsauger potenzielle Krankheitsüberträger sind (s. S. 97 oben). Das macht ihre Bekämpfung besonders wichtig. Doch nicht überall und zu jeder Zeit
fungiert ein Parasit auch als Vektor. Sinnvoll ist Bekämpfung nur auf der Basis umfassenden
Wissens über die biologischen Zusammenhänge. Es braucht strategisches Vorgehen mit
Augenmaß, will man nicht durch unüberlegte Bekämpfungsmaßnahmen weitere Schäden anrichten.
Merke
Blutsaugende Parasiten als Krankheitsüberträger (Auswahl):
-
Zecken: Borreliose, FSME, Babesiose, Rickettsiose (z. B. Fleckfieber), Ehrlichiose,
Q-Fieber (Coxiella burnetii v. a. Dermacentor reticulatus)
-
Mücken: Malaria, Filariose, Blue tongue disease, Myxomatose, Leishmaniose
-
Flöhe: Pest (Yersinia pestis), Tularämie (Francisella tularensis), Fleckfieber
-
Läuse: Fleckfieber, Beulenpest, Fünf-Tage-Fieber (Bartonella quintana)
-
Wanzen: Hepatitis B
Konventionelle Ektoparasitenbekämpfung
Gegen Ektoparasiten werden sowohl am Tier (lokal und systemisch) als auch im Umfeld
zu den Pestiziden (lat. pestis = Geißel, Seuche und lat. caedere = töten) zählende Ektoparasitika eingesetzt (Akarizide, Insektizide). Ziel ist es,
lästige oder schädliche Lebewesen zu töten, zu vertreiben oder in Keimung, Wachstum
oder Vermehrung zu hemmen. Eingesetzt werden u. a. neurotoxisch wirkende, zu den Neonicotinoiden
zählende Chlornicotinoide, Pyrethroide, zu den makrozyklischen Lactonen gehörende
Avermectine und Milbemycine, Phenylpyrazolone wie Fibronyl und Pyriprol sowie organische
Phosphorsäureester, die über die Blockade lebenswichtiger Enzyme wirken [20].
Toxizität
Alle eingesetzten Wirkstoffe sind für Warmblüter mehr oder weniger toxisch (s. Kasten S. 98). Insbesondere für Jungtiere unter drei Monaten, kranke, schwache, alte und hochträchtige
Tiere besteht die Gefahr der resorptiven Vergiftung. Für Katzen sind etliche Wirkstoffe
aufgrund der Glucuronidierungsschwäche lebensbedrohlich toxisch. Es besteht z. T.
hohe Ökotoxizität. Fische und nützliche Insekten, insbesondere Bienen werden durch
Ektoparasitika gefährdet.
Seit dem spektakulären Tod von 11.000 Bienenvölkern im Oberrheingraben 2008 durch
Stäube von mit Neonicotinoiden gebeiztem Getreide, ist die Bienentoxizität dieses
Pestizids hinlänglich bekannt. Über die Auswirkungen subletaler Dosen von Neonicotinoiden
wird seither kontrovers diskutiert. Was viele Tierhalter nicht wissen: aus dieser
Stoffgruppe stammen etliche Produkte zur Floh-Bekämpfung.
2017 sorgte die Entdeckung des Ektoparasitikums Fipronil in Eiern für Aufregung. Als
Spot on oder Spray wird es selbstverständlich für Hund und Katze weiter eingesetzt.
Doch selbst bei Anwendung von Kombinationsprodukten aus mehreren chemische Ektoparasitika,
lässt sich Zeckenbefall nicht immer verhindern.
Abb. 1 Ivermectin wird zu über 50% unverändert über den Kot ausgeschieden und wirkt dort
noch bis zu 3 Wochen tödlich auf Nematoden und Arthropoden [20]. Für Mistkäfer werden in der Natur abgesetzte Pferdeäpfel nach Ivermectin-Therapie
zur tödlichen Falle.(© Ferdinand Worm)
Resistenzentwicklung
Vor allem bei den als Vektoren besonders wichtigen Zecken wird weltweit eine Zunahme
von Resistenzen gegen Ektoparasitika festgestellt [10]. Aber auch Insekten können gegen die genannten Stoffe Resistenzen entwickeln. Selbst
Mehrfach-, Gruppen- und Kreuzresistenzen können auftreten. Begünstigt werden Resistenzentwicklungen
durch die Verwendung von zur Langzeitwirkung konzipierten Produkten wie Halsbänder
(Hund, Katze) und Ohrclips (Rind) mit puder- oder gasförmigen Formulierungen und durch
hohen, langanhaltenden Selektionsdruck durch häufige Anwendung [20]. Resistenzen bei Ektoparasiten gefährden insbesondere Menschen und Tiere in solchen
Regionen der Erde, in denen diese nicht nur lästig sind, sondern auch als Krankheitsüberträger
große Bedeutung haben. Das sollte Anlass zu verantwortungsbewusstem Umgang mit diesen
Stoffen geben.
Merke
Umgang mit Zeckenbefall, wenn höchstwahrscheinlich keine lebensbedrohlichen Erreger
übertragen werden:
-
Kein prophylaktisches Anwenden von Akariziden
-
Bei starker Neigung zu Zeckenbefall nach einem evtl. zugrunde liegenden Problem suchen
(v. a. Kontrolle der Darmgesundheit, Leber- und Nierenfunktion).
-
Ist eine Bekämpfung nötig, sollten zuerst pflanzliche Präparate versucht werden.
Parasitenprophylaxe
Sowohl die potenzielle Toxizität von Antiparasitika für den Warmblüter als auch die
Ökotoxizität und die Resistenzproblematik müssen in der Tierärzteschaft zu kritischem
Hinterfragen gängiger Vorgehensweisen wie Anwendung im vierwöchigen Abstand ohne Nachweis
der Notwendigkeit und Behauptungen wie „unschädlich für Mensch und Tier“ führen. Dies
gilt gleichermaßen für Ekto- wie Endoparasitika.
Es sollte Aufgabe der Tierärzte sein, der z. T. aus marktstrategischen Gründen geschürten
Angst vor Parasiten und der ungerechtfertigten Verharmlosung von Antiparasitika durch
sachliche Information des Tierhalters entgegenzutreten. Zu einer guten Beratung des
Tierbesitzers gehört diesbezüglich neben der Aufklärung über die tatsächlichen Risiken
von Parasiten und Antiparasitika auch das Informieren über alternative Therapeutika,
die zwar i. d. R. weniger anwenderfreundlich und effizient sind, dafür jedoch auch
weniger toxisch für Anwender, Tier und Umwelt. Besonders wichtig ist zudem die Anleitung
zu sinnvollem Management in der Parasitenbekämpfung (s. u.).
Parasitenabwehr phytotherapeutisch
Da Pflanzen ebenso wie Tiere von Parasiten bedroht werden, findet man auch bei ihnen
antiparasitär wirksame Inhaltsstoffe, die verhindern, dass der Parasit überhandnimmt.
Dabei handelt es sich i. d. R. um einen reichhaltigen „Cocktail“ von Wirkstoffen,
der im Zuge der Evolution immer wieder in der Auseinandersetzung mit dem Fraßfeind
optimiert wurde und wird. Dass Parasiten vollständig resistent werden, wie es bei
auf wenige Targets optimierten synthetischen Antiparasitika vorkommt, ist bei diesen
sich ständig ändernden Vielstoffgemischen höchst unwahrscheinlich. Weltweit nutzen
Wildtiere die Pflanzen ihres angestammten Biotops, um Endo- und Ektoparasiten unter
Kontrolle zu halten. Beobachtungen zur Selbstmedikation von Tieren mittels Pflanzen
gegen Parasiten wurden in den letzten Jahren zahlreich dokumentiert [11], [16], [17]. Dies geschah nicht zuletzt, um Wirkstoffen auf die Spur zu kommen, die aus der
Misere der Resistenzentwicklung bei den synthetischen Antiparasitika helfen könnten.
Häufig sind ebendiese Pflanzen auch in der Volksmedizin als Antiparasitika bekannt.
In Ländern mit niedrigen Standards bei öffentlicher Hygiene und medizinischer Versorgung
werden Pflanzen auch heute noch gegen Parasiten eingesetzt. Unter diesen Pflanzen
sind diverse Arzneipflanzen mit z. T. Jahrhunderte alter Anwendungstradition, die
mit dem Aufkommen synthetischer Produkte bedeutungslos wurden. Aufgrund der sich ausbreitenden
Resistenzen gegen Synthetika und der wachsenden Erkenntnis, dass die Zielsetzung,
Parasiten auszurotten, technisch nicht möglich und medizinisch nicht sinnvoll ist
(s. Kasten S. 101), werden diese Arzneipflanzen heute wieder interessant. Man denke nur an die „Karriere“
des Einjährigen Beifuß, Artemisia annua, der heute als Malariamittel hohe Wertschätzung genießt und auch bei anderen Blutparasitosen
beachtenswertes Potenzial zeigt, wie z. B. bei der Leishmaniose [22].
Abb. 2 Klimatische Veränderungen, globaler Handel mit Tieren und Tourismus begünstigen die
Ausbreitung von Blutparasiten wie Leishmanien. Artemisia annua, Einjähriger Beifuß, in China seit Jahrtausenden probates Malaria-Therapeutikum,
kann hier erfolgreich eingesetzt werden [22].(© Ferdinand Worm)
An dieser Stelle sollen exemplarisch die Dalmatinische Insektenblume und der Neembaum
vorgestellt werden.
Dalmatinische Insektenblume, Tanacetum cinerariifolium (Familie der Asteraceae)
Schon seit der römischen Antike verwendet man die Blüten der Dalmatinischen Insektenblume,
das sogenannte „Persische Insektenpulver“ gegen Läuse und Flöhe. Seit Ende des 19. Jh.
wurden Extrakte der Dalmatinischen Insektenblume, das Pyrethrum, verstärkt in verschiedenen
Bereichen der Landwirtschaft als natürliches Kontaktinsektizid eingesetzt. Die Pflanze
stammt ursprünglich aus der Adriaküstenregion. Kultiviert wird sie heute in Afrika
(v. a. Kenia), Asien und Südamerika. Der Extrakt enthält als Hauptwirkstoffe insektizid
wirksame Pyrethrine. Diese wirken am Wirtstier nur kurzfristig parasitenabtötend und
ansonsten v. a. als Repellent. Sie werden vom Wirt in geringen Mengen über die Haut
resorbiert und können nach Glucuronidierung renal ausgeschieden werden. Die Dalmatinische
Insektenblume und ihre Zubereitungen sollten bei Katzen möglichst nicht angewendet
werden (Glucuronidierungsschwäche). Pyrethrum wird zumeist als Biozid zur Anwendung
in der Umgebung zugelassen [15], [20].
Die jüngere Geschichte des Pyrethrums – nämlich seine chemische Veränderung zu Pyrethroiden
– ist ein Beispiel für die Unabsehbarkeit der Folgen menschlichen Eingreifens und
kurzsichtiger Risikobewertung.
Vom Pyrethrum zum Pyrethroid
Die Pyrethrine zersetzen sich im Tageslicht rasch, wodurch sie ihre Toxizität verlieren.
Zur Verbesserung der Haltbarkeit und damit zur Wirkungsverlängerung wurden sie mit
dem Synergisten Piperonylbutoxid kombiniert. Dieser ist ein Cytochrom P450-Inhibitor
und verhindert die Metabolisierung der Pyrethrine – sowohl im Parasiten als auch im
Wirt. Chemisch veränderte Pyrethrine, die Pyrethroide wie Permethrin, Cypermethrin
und Deltamethrin sind wirksamer in der Parasitenbekämpfung, haben aber auch eine höhere
Ökotoxizität durch lange Persistenz und können beim Wirt durch Kumulation nach Resorption
zu einer chronischen Pyrethroidbelastung führen. Diese äußert sich beim Menschen in
sensomotorischer Polyneuropathie, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, mangelndem
Durchhaltevermögen, Antriebslosigkeit, Verlust der Lebensfreude und sozialem Rückzug
(Neurotoxisches Syndrom) [21]. Beim Menschen wird zudem ein Zusammenhang mit dem Auftreten von Morbus Parkinson
vermutet. In Frankreich wird Morbus Parkinson bei Landwirten, die nachweislich mehr
als 10 Jahre mit Pestiziden Kontakt hatten (unter denen Pyrethroide einen hohen Marktanteil
haben!), als Berufskrankheit anerkannt. Pyrethroide sind in der Tiermedizin i. d. R.
verschreibungspflichtige Arzneimittel.
Neembaum, Azadirachta indica; syn. Melia azadirachta
Der Neembaum stammt aus den tropischen Regionen Indiens, Sri Lankas und Indonesiens,
kommt in Australien und Westafrika vor. In der indischen Landwirtschaft bekämpft man
seit langem mit wässrigen Zubereitungen aus dem Samenschrot des Neembaums Insekten,
Nematoden, Milben und Pilzinfektionen. Das Öl der Fruchtkerne, das sog. Neemöl, syn.
Margosa-Öl, findet heute breite Anwendung im Pflanzenschutz des Biologischen Landbaus.
Neemöl ist als repellentes Biozid registriert. Es wird bei allen Tierarten angewendet
und hat sich z. B. zur Bekämpfung der Schafslausfliegen („Wollläuse“) durch Sprüh-
oder Badebehandlung bewährt. Insektizider Inhaltsstoff ist das Azadirachtin. Weitere
Inhaltsstoffe sind diverse repellent wirkende Triglyceride wie Ölsäure, Stearinsäure,
Linolsäure und Palmitinsäure. Neemöl wirkt antiparasitär, repellent (Mücken), anthelmintisch,
desinfizierend und heilungsfördernd. Das Azadirachtin im Neemöl ähnelt in seiner Wirkung
dem für die Häutung von Insekten zuständigen Hormon Ecdyson. Es hemmt die Larvenentwicklung
der Insekten (Fraßgift).
Neemöl kann z. B. äußerlich als Waschung angewendet werden. Hierzu werden 25 ml Neemöl
in 400 ml Shampoo eingearbeitet. Neemöl ist als Biozid erhältlich, auch in Kombination
mit ätherischen Ölen.
Gegenanzeigen für Neemöl sind Gravidität und Laktation. Neemprodukte sollten bei der
Katze vorsichtig eingesetzt werden. Es wurden wiederholt Vergiftungen durch Neemöl
mit Symptomen wie Hypersalivation, Ataxie, Zittern und Krämpfen beschrieben [20].
Ätherische Öle
Es gibt eine Vielzahl traditionell als Repellentien sowie als Insektizid und Akarizid
eingesetzter ätherischer Öle. Zumeist schützen diese ätherischen Öle nur ca. 1 Stunde.
Gute repellente Wirkung geht vom Geraniol, einem Monoterpen, aus. Geraniol wirkt über
mehrere Stunden und ist in vielen ätherischen Ölen als wesentliche Komponente enthalten.
Vorsicht: Ätherische Öle werden durch die Haut resorbiert! Sie sind für Katzen nicht geeignet.
Das bei der Gewinnung des ätherischen Öls vom Zitroneneukalyptus (Corymbia citriodora, syn. Eucalyptus citriodora) aus dem Destillationsrückstand gewonnene p-Menthane-3,8-diol (PMD; cis- und trans-Isomere
des Citronellals, Handelsname Citriodiol) wirkt mehrere Stunden repellierend (nicht
flüchtig) [32].
Merke
Repellent, insektizid und akarizid wirksame Ätherischöl-Drogen (Auswahl) [15]
Myrtaceae:
-
Gewürznelken, Syzygium aromaticum
-
Eukalyptus, Eucalyptus globulus
-
Teebaum, Melaleuca alternifolia
Pinaceae:
Geraniaceae:
Lamiaceae:
-
Lavendel, Lavandula angustifolia
-
Pfefferminze, Mentha x piperita
-
Thymian, Thymus vulgaris
Poaceae:
-
Lemongrass (syn. Zitronengras, Indische Melisse), Cymbopogon citratus
-
Palmarosagras, Cymbopogon martinii
-
Citronellagras, Cymbopogon nardus
Forschungsergebnisse zur repellenten und insektiziden bzw. akariziden Wirkung von
ätherischen Ölen (Auswahl)
Anopheles-Mücken
In Studien konnte belegt werden, dass die ätherischen Öle aller drei Cymbopogon-Arten
einen weitreichenden Schutz (> 90%) vor Anopheles-Mücken bieten. Dies gilt insbesondere
für Anopheles culicifacies, dem wichtigsten Vektor der Malaria in Indien. Die repellente Wirkung der ätherischen
Öle der Cymbopogon-Arten war mit der chemischer Repellentien vergleichbar [5].
Rote Vogelmilbe
In Studien konnte gezeigt werden, dass das ätherische Öl des Palmarosagrases als Akarizid
eingesetzt werden kann. Es erwies sich in einer Konzentration von 0,14 mg/cm3 als
zu 84% tödlich für die Rote Vogelmilbe (Dermanyssus gallinae). Die repellierende Wirkung setzte bereits 45 Minuten nach der Anwendung ein und
dauerte bis zu 5 Tage. Auch das ätherische Öl des Thymians kann als Akarizid gegen
die Rote Vogelmilbe eingesetzt werden. Es erwies sich ebenfalls in einer Konzentration
von 0,14 mg/cm3 als zu 84% tödlich für die Milbe. Die repellierende Wirkung dauerte
bis zu 13 Tage [13].
„Parasiten-Overkill“, Allergie und Atopie
Evolutionäres Wettrüsten
Parasit und Wirt beeinflussen sich gegenseitig in ihrer Entwicklung. Der Wirt reagiert
auf den Parasiten mithilfe seines Immunsystems. Der Parasit muss den immunologischen
Reaktionen seines Wirtes ausweichen, um sich fortpflanzen zu können. Diese Interaktion
zwischen Wirt und Parasit nennt sich Ko-Evolution und gleicht einem Wettrüsten. Parasiten
steigern demnach die Immunleistung ihres Wirtes.
Allergie und Atopie
Weltweit nimmt die Zahl der Allergiker zu. Dieser Trend zeigt sich vor allem in Industrieländern
mit hohem Hygienestandard. Viele Jungtiere (v. a. Hunde und Katzen) und viele Kinder
dieser Regionen kommen nur noch selten mit Parasiten und Infektionserregern in Berührung.
Folglich wird ihr Immunsystem diesbezüglich nur noch selten gefordert.
Die Aufgabe des Immunsystems besteht darin, Fremdstoffe und Krankheitserreger zu erkennen
und zu eliminieren. Das funktioniert auch bei Allergikern. Doch es gibt einen gravierenden
Unterschied: Statt eine Toleranz gegenüber unschädlichen Substanzen zu entwickeln,
fahren Allergiker ein riesiges Waffenarsenal auf, um Fremdstoffe (Allergene) aus dem
Feld zu schlagen. Es wird eine Immunantwort induziert, die den Körper schädigt. Nach
jedem neuen Kontakt mit dem bereits bekannten Auslöser treten die überzogenen Reaktionen
wieder auf. Bei den meisten Allergien spielen hier IgE-Antikörper, die normalerweise
der Abwehr von Endoparasiten dienen, die Hauptrolle. Gesunde haben nur sehr niedrige
IgE-Spiegel. Allergiker hingegen produzieren große Mengen IgE.
Entstehung einer Allergie
Eine Allergie entsteht in zwei Phasen. In der ersten Phase – während der sogenannten
Sensibilisierung – kommt die Immunabwehr zum ersten Mal mit potenziell allergenen
Stoffen, z. B. Pollen, in Berührung. Schon Spuren davon genügen, damit als Abwehrreaktion
gegen diese eigentlich harmlosen Fremdstoffe IgE in großer Menge gebildet werden.
In dieser ersten Phase hat der Allergiker in der Regel noch keine außergewöhnlichen
Beschwerden. In der zweiten Phase führt jeder weitere Kontakt mit demselben Stoff
(Allergen) zu einer allergischen Reaktion: Mastzellen schütten entzündungsfördernde
Substanzen wie Histamin aus. Schlagartig weiten sich die Gefäße. Die Schleimhäute
schwellen an, die Schleimbildung wird angeregt und vieles mehr.
Auch bei der Atopie, einer erblich prädisponierten, durch Umweltfaktoren beeinflussbaren
endogenen Hyperreagibilität des Immunsystems, treten vermehrt IgE auf.
Allergien und Umweltfaktoren
Für den Menschen konnte in Studien gezeigt werden, dass bei einer gesunden, möglichst
naturbelassenen Ernährung und Auseinandersetzung mit Bakterien und Endoparasiten in
den ersten Lebensjahren Allergien seltener auftreten. Das Aufwachsen unter unterdurchschnittlichen
hygienischen Bedingungen, mit mehreren Geschwistern und der Kontakt mit Natur und
anderen Tieren ist mit dem Auftreten von Allergien negativ korreliert.
Die Bedeutung der Mikroflora
Während und kurz nach der Geburt gelangen Bakterien aus der Keimflora der Mutter und
der Umwelt in das Neugeborene und prägen die Zellen seines Immunsystems. Wenn das
Zusammenspiel von Immunsystem und Mikroorganismen in dieser sensiblen Phase gestört
wird (z. B. durch Sectio caesarea, Desinfektion oder Antibiose), hat dies lebenslange
Folgen, die bisher nur unzureichend erforscht sind. Auch im späteren Leben behält
die Mikroflora wesentlichen Einfluss auf das Immunsystem. Sie dient dem permanenten
Training immunologischer Funktionen.
Die Bedeutung von Magen-Darmparasiten
Magen-Darmparasiten aktivieren Typ2-T-Helferzellen (TH2- Lymphozyten, Th2), die für
die humorale Immunantwort verantwortlich sind. Frühe Parasitosen dienen dem Organismus
offenbar als Übung für eine regelrechte Th2-Antwort. Parasiten haben vermutlich aufgrund
der Tatsache, dass sie dem Immunsystem ein adäquates Substrat zum Training der Th2-Antwort
bieten, eine allergievermeidende Wirkung. So kommt es nicht oder zumindest seltener
zu inadäquaten Reaktionen auf harmlose Pollen oder Nahrungsbestandteile. Durch die
Th2-Antwort wird viel IL-4 und IL-10 gebildet, die beide anti-inflammatorisch wirken.
Diese stehen beim gesunden Immunsystem in Balance mit den durch die Th1-Reaktion (zelluläre
Immunantwort) induzierten IL-12 und Interferon-gamma, die maßgeblich an der Aufrechterhaltung
der zellulären Abwehr und Entzündungsprozessen beteiligt sind. Der britische Immunologe
Graham Rook plädiert deswegen dafür, Parasiten nicht als Bösewichte anzusehen, sondern
als „gute alte Freunde“ [27].
Fazit
Den besten Schutz vor der Entstehung von Allergien bieten nach derzeitigem Kenntnisstand
die Abkehr von übertriebener Hygiene und der bewusst provozierte Kontakt mit der belebten
Umwelt mit ihren Mikroorganismen bereits beim Neugeborenen. Unter diesen Aspekten
ist das derzeit übliche Vorgehen gegen Parasiten zu überdenken.
Diatomeenerde
Eine erfahrungsgemäß gut wirksame und nicht toxische Alternative zu Phytotherapeutika,
geeignet für Katzen und Geflügel (z. B. im Staubbad der Hühner) ist feinst vermahlene
Diatomeenerde. Diatomeenerde, syn. Kieselgur, besteht aus den Schalen fossiler Kieselalgen.
Das sehr poröse Material besteht hauptsächlich aus Siliciumdioxid (SiO2). Seine insektizide/akarizide
Wirkung kommt vermutlich mechanisch durch Austrocknung der Tracheen und Immobilisierung
der Beingelenke bei den Parasiten zustande. Der Vorteil der Diatomeenerde: es kommt
nicht zur dermalen Resorption durch den Wirt.
Die Bekämpfung von Endoparasiten mit Sinn und Verstand
Keine Frage: hochgradiger Befall mit Endoparasiten kann zu schweren Erkrankungen und
sogar zum Tod führen, wenn er nicht therapiert wird. Umso bedrohlicher ist die weltweit
zunehmende Resistenzentwicklung bei Magen-Darmwürmern gegen diverse Anthelminthika
(v. a. Benzimidazole, Avermectine). Sogar Multiresistenzen werden beobachtet. Diese
betreffen alle domestizierten Tierarten und letztlich auch den Menschen. Verursacht
werden sie, ähnlich wie bei den Antibiotika, insbesondere durch Anwendungsfehler.
Merke
Anwendungsfehler als Ursache für Resistenzentwicklungen bei Parasiten:
-
häufiges (regelmäßiges) Entwurmen ohne nachgewiesene Notwendigkeit
-
Entwurmungen ohne spätere Erfolgskontrolle
-
Entwurmung mit dem Ziel der Wurmfreiheit
Mit Ausnahme großer Nutztierbestände, in denen nur Stichproben und die Beprobung verdächtiger
Tiere möglich sind, sollte der Nachweis der Notwendigkeit einer Entwurmung bei jedem
einzelnen Tier erbracht werden. Wird der Erfolg einer Entwurmung nicht systematisch
kontrolliert, leistet dies der Resistenzentwicklung Vorschub, da ein Wirkungsverlust
des Anthelminthikums zu spät wahrgenommen wird. Wurmfreiheit kann nur unter laborähnlichen
Bedingungen erreicht werden, wie sie z. B. in geschlossenen Schweinebeständen oder
bei ausschließlicher Wohnungshaltung von Heimtieren annähernd gegeben sind. Wurmfreiheit
sollte aus medizinischen Erwägungen jedoch gar nicht angestrebt werden, da Parasiten
für ein normal reagierendes Immunsystem eminent wichtig sind (TH1/TH2-Balance; s. Kasten S. 100).
Es ist hinreichend belegt, dass ein Immunsystem, dem als „Sparringspartner“ die Parasiten
fehlen, zur Hyperreaktivität neigt. Dies erklärt, warum ausgerechnet Parasitenzubereitungen,
z. B. aus Trichuris suis, beim Menschen bereits seit Jahren erfolgreich gegen Autoimmunerkrankungen wie IBD,
Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Asthma u. a. eingesetzt werden.
Selektive Entwurmung
Für Pferde propagieren einige Parasitologen seit vielen Jahren die „Selektive Entwurmung“.
Diese basiert auf einem fortlaufenden Monitoring durch diagnostische Kotproben vor
geplanten und nach durchgeführten Entwurmungen, bei denen die Wurmei- bzw. Wurmlarvenausscheidung
des einzelnen Tieres oder des ganzen Bestandes überprüft, dokumentiert und bewertet
wird. Solange ein Pferd nicht mehr als 200 Eier (insbes. kleine Strongyliden) pro
g Kot ausscheidet, wird dieses Pferd nicht entwurmt. Ein solch geringgradiger Wurmbefall
verursacht keine klinischen Symptome und wirkt positiv auf das Immunsystem. Entschließt
man sich wegen höherer Ei-Ausscheidung zu entwurmen, wird nach 2 Wochen erneut eine
Kotuntersuchung zur Wirksamkeitskontrolle durchgeführt. Nach weiteren 4 Wochen sollte
nochmals der Kot kontrolliert werden, um sicherzustellen, dass nicht wieder eine massenhafte
Vermehrung der Parasiten stattgefunden hat [14]. Tiere, bei denen dies der Fall ist, brauchen neben einem Anthelminthikum dringend
langfristige Unterstützung beim Aufbau eines widerstandsfähigen Darmmilieus. Hier
bietet die Phytotherapie gute Ansätze ([Tab. 1]; S. 103).
Tab. 1 Arznei- und Futterpflanzen mit positivem Einfluss auf die Darmgesundheit und mit
antiparasitärer Wirkung (Auswahl).
Pflanzenname dt./lat.
verwendeter Pflanzenteil
|
wesentliche Inhaltsstoffe
|
Wirkungen (Auswahl)
|
Bemerkungen
|
Angaben zu Dosierungen, Zubereitung und Anwendung siehe: Brendieck-Worm C, Melzig
MF (Hrsg.). Phytotherapie in der Tiermedizin. Stuttgart: Thieme Verlag; 2018 [7]
|
Curcuma (syn. Gelbwurz)
Curcuma longa
Javanische Gelbwurz
Curcuma zanthorrhiza
Familie: Zingiberaceae
Wurzelstock
|
ätherisches Öl
Curcuminoide
Stärke
|
verdauungsfördernd
choleretisch
hepatoprotektiv
immunmodulierend
(antiparasitär)
|
In der Kombination mit Pfeffer wird die biologische Halbwertszeit der Curcuminoide
um ein Vielfaches verlängert, weil das Piperin im Pfeffer die Glucuronidierung hemmt,
die zur Ausscheidung der Curcuminoide nötig ist [29].
|
Ingwer
Zingiber officinale
Familie: Zingiberaceae
Wurzelstock
|
ätherisches Öl
Arylalkanone (Scharfstoffe)
Curcuminoide
Stärke
|
verdauungsfördernd
spasmolytisch
Steigerung MD- Tonus u. Peristaltik
antiparasitär
|
Ingwer hat sich in Studien als wirksam gegen Askaridia galli und Giardien erwiesen [6], [8]. Die Wirkung ist konzentrations- und zeitabhängig.
|
Esparsette
Onobrychis viciifolia
Familie: Fabaceae
ganze Pflanze
|
Gerbstoffe, v. a. Proanthocyanidine, kondensierte Gerbstoffe
Aminosäuren
Flavonoide, v. a. Rutin
Arbutin
|
antiparasitär
|
Bei Ziegen verringert sich ca. 3 Wochen nach Fütterungsbeginn mit Esparsette (30 – 40%
als dauerhafter Ersatz der sonstigen Futterration) die Eiausscheidung der MD-Würmer
um bis zu 50%. Die Würmer werden nicht getötet, nur die Eiausscheidung wird beeinträchtigt.
Erst bei höheren Mengen sterben die Würmer ab (Cave: antinutritive Effekte der Gerbstoffe).
Im Gegensatz zu anderen Leguminosen verursacht Esparsette aufgrund des Gerbstoffgehaltes
keine schaumige Gärung [29], [30].
|
Karotte (syn. Möhre)
Daucus carotus subsp. sativus
Familie: Apiaceae
frische Karotte oder ihr Saft
|
α-, β- und γ-Carotin Pektine
ätherisches Öl
Phytosterole
Vitamine B1, B2 und C
|
antimikrobiell
anthelminthisch
antidiarrhoisch
fruchtbarkeitssteigernd
|
Dosierung Karotten/Tag unterstützend bei Wurmbefall: ca. 1 kg rohe Karotten/500 kg
KGW, 250 g rohe Karotten/100 kg KGW, 50 g rohe Karotten/10 kg KGW [3]
|
Knoblauch
Allium sativum L.
Familie: Amaryllidaceae
Frischer Knoblauch
Knoblauchsaft
Knoblauchtinktur
|
Alliin als Hauptkomponente
(0,5 – 2,5% im Pulver bzw. 0,3 – 1,3% frisch)
Proteine (u. a. Alliinase)
Steroid- und Tripterpensaponine
Flavonoide
Polysaccharide (Inulin-ähnliche Fruktane)
|
verdauungsfördernd
tonisierend
antimikrobiell (u. a. Helicobacter pylori, Staph. aureus, E. coli, Listeria monocytogenes, Staph. epidermidis,
Salmonella thyphi, Hefen, Cryptoccoccus neoformans)
immunmodulierend
antiparasitär
|
Knoblauch ist allein und in Kombination mit anderen Arzneipflanzen (u. a. Oregano)
in der Lage, Parasiten wirksam zu kontrollieren. Dies wurde u. a. für Cestoden, Trematoden
(Oxyuren), Nematoden (Haemonchus contortus Schaf), Strongyliden (Pferd), Kokzidien (Kaninchen) und Trichomonaden (Tauben) belegt
[1], [8], [18], [23], [24], [25], [28].
|
Meerrettich (syn. Kren)
Armoracia rusticana (syn. Cochlearia armoracia)
Familie: Brassicaceae
Meerrettichwurzel
|
Glucosinolate
Ascorbinsäure
Vitamin B1
Flavonoide
|
antimikrobiell
hyperämisierend
verdauungsfördernd
|
Die wurmtreibende Wirkung lässt sich bisher nicht belegen. Meerrettich trägt jedoch
zur Verbesserung der Darmgesundheit und damit vermutlich zur Stärkung der natürlichen
Resistenz gegen Wurmerkrankungen bei.
Gegenanzeigen: Magen- und Darmgeschwüre, Nierenerkrankungen; für Kleintiere, insbes.
Katzen nicht geeignet
|
Schwarzkümmel
(syn. schwarzer Koriander)
Nigella sativa
Familie: Ranunculaceae
Schwarzkümmelsamen
Schwarzkümmelöl
|
fettes Öl mit > 50% Glyceriden der Linolsäure, ca. 20% Ölsäure
ätherisches Öl, v. a. Thymochinon, p-Cymen, α- und β-Pinen,
Flavonoltriglykoside
Alkaloide, v. a. Nigellin, Nigellidin, Proteine
Limonen
|
antiphlogistisch
antibakteriell
antioxidativ/zellprotektiv
immunmodulierend
antiparasitär
|
In Indien wurde Schwarzkümmel bereits in den 1970er Jahren in Tierversuchen mit Ziegen
und Schafen erfolgreich gegen Cestoden eingesetzt [2]. Bei Kindern wurde die Wirkung von Schwarzkümmel bei Cestoden als vergleichbar mit
Niclosamid gefunden [4].
|
Wermut (syn. Absinth)
Artemisia absinthium
Familie: Asteraceae
Wermutkraut
|
ätherisches Öl, u. a. mit β-Thujon und Sesquiterpen-Bitterstoffen
Phenylpropanderivate
Phenolcarbonsäuren
Flavonoide
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appetitanregend
verdauungsfördernd
choleretisch
|
Wurde traditionell besonders beim WDK gegen Endoparasiten (Oxyuren) und Ektoparasiten
(Myiasis) eingesetzt.
Wermutkraut ist für Katzen nicht geeignet. Wermut nicht längerfristig einsetzen.
|
Durch dieses Vorgehen, das sich auf andere Tierarten entsprechend angepasst übertragen
lässt, kann der Einsatz von Anthelminthika drastisch reduziert werden. Dadurch reduziert
sich auch der Selektionsdruck hin zu Anthelminthika-resistenten Parasiten deutlich.
Die Tiere werden weniger durch Antiparasitika und Immunstörungen wie Allergien belastet.
Zusatzinfo
Die Resistenzlage gegen Antiparasitika verschärft sich im gleichen Ausmaß wie die
Resistenzentwicklung bei Bakterien gegen Antibiotika. Das ist zum einen fatal für
die Fälle, in denen Parasiten nicht nur lästig, sondern lebensgefährlich sind bzw.
in denen sie als Krankheitsüberträger fungieren. Zum anderen kann es die Weidehaltung
von Nutztieren unmöglich machen, wie dies u. a. Schafhalter in Australien schon erleben
mussten.
Wissensvermittlung durch den Tierarzt
Leider interessiert Tierbesitzer mehrheitlich nur der Preis von „Wurmkuren“. Mit dem
preisgünstigen Verkaufen ist es jedoch für uns Tiermediziner nicht getan. Wir sind
verpflichtet, für einen verantwortungsvollen Umgang mit Antiparasitika zu sorgen.
Dazu gehört, dass wir dafür sorgen, dass auch der Tierbesitzer sich seiner Verantwortung
bewusst wird. Richtiger Umgang mit Antiparasitika setzt Wissen voraus, das wir vermitteln
können:
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Gesunde Tiere entwickeln im Laufe des Lebens eine natürliche Immunität gegen Magen-Darm-Parasiten.
Entwurmungen sind dann nur noch in seltenen Fällen indiziert.
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Die Vorstellung, dass mit synthetischen Anthelminthika eine „prophylaktische Entwurmung“
möglich ist, ist falsch. (Dies wird offenbar bereits durch den Begriff „Wurmkur“ suggeriert,
der deshalb vermieden werden sollte.)
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Nicht das Tier ist ggf. resistent gegen ein Antiparasitikum, sondern dessen Parasiten.
Dies ist zur Vermeidung der Kontamination eines Bestandes oder der Umgebung durch
Tiere mit resistenten Parasiten besonders wichtig zu wissen.
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Eine erfolgreiche Parasitenkontrolle setzt voraus, dass man die Lebenszyklen und die
Wirtsspezifität der Parasiten kennt.
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In der Nutztier- und Pferdehaltung entscheidet v. a. das Weidemanagement über den
Erfolg der Parasitenbekämpfung.
Gerade in der Nutztierhaltung spielen Endoparasiten eine große Rolle. Hohe Besatzdichten
ziehen hohen Infektionsdruck nach sich. Zudem fehlen dem Futter unserer Haustiere
zumeist die zur Parasitenminimierung notwendigen bioaktiven Futterpflanzen. Dadurch
wird die Vitalität und die Darmgesundheit der Tiere negativ beeinflusst und es sinkt
die Widerstandskraft gegenüber Parasiten, die ihrerseits nicht mehr durch Pflanzenstoffe
an einer ungehemmten Vermehrung gehindert werden.
Phytotherapeutika können synthetische Anthelminthika i. d. R. nicht ersetzen (s. auch Kasten Entwurmung vor 120 Jahren). Phytotherapie von Endoparasitosen ist vorrangig als Prophylaxe einer starken Parasitenvermehrung
zu sehen: Mit Pflanzeninhaltsstoffen wird Einfluss auf das Darmmilieu genommen und
dieses zu Ungunsten der Parasiten verändert. Ein gesunder Darm wiederum bietet beste
Voraussetzungen für eine gesunde und widerstandsfähige Haut.
Eine Auswahl von Pflanzen, die zur Stärkung der Darmgesundheit geeignet sind und von
denen zudem eine antiparasitäre Wirkung ausgehen kann, zeigt [Tab. 1].
Zusatzinfo
Entwurmung vor 120 Jahren
[12]
In der traditionellen veterinärmedizinischen Literatur stößt man auf eine Vielzahl
antiparasitär wirksamer Arzneipflanzen. Allerdings sind viele dieser Pflanzen toxisch
und nach heutigen arzneimittel- und futterrechtlichen Bestimmungen nicht mehr anwendbar.
Artemisia cina O. C. Berg
Als wichtigstes Mittel gegen Spulwürmer bei kleinen Haustieren galten die Blütenknospen
von Artemisia cina („Wurm“- o. „Zitwersamen“) aus Mittelasien bzw. das daraus gewonnene Santonin in
Kombination mit Rizinusöl (resorptionsmindernd, Abführen der nur gelähmten Würmer).
Schon in therapeutischen Dosen konnten neben Koliken epileptiforme Krämpfe, Schlafsucht,
Lähmungen etc. auftreten. Besonders empfindlich reagierten Jungtiere. Artemisia cina wird noch heute als Homöopathikum bei Wurmbeschwerden eingesetzt.
Dryopteris filix mas (L.) Schott (syn. Aspidium filix mas)
Eugen Fröhner schreibt [12]: „Die Wurmfarnwurzel ist das älteste und beste Bandwurmmittel (…). Es muss der Farnwurzel
3 – 6 Stunden nach der Verabreichung ein Abführmittel nachgeschickt werden, weil die
Bandwürmer häufig nur vorübergehend betäubt werden (…). Endlich darf nicht außer Acht
gelassen werden, dass das Extractum Filicis (Anm: Etherextrakt des Wurmfarnrhizoms)
sehr giftig ist. Auch aus diesem Grunde empfiehlt es sich, (…) immer ein Abführmittel
nachzugeben… (…) jedoch Ricinusöl hiebei zu vermeiden.“ Zu den wesentlichen toxischen
Wirkungen gehörten: Affektion von Gehirn und Rückenmark mit Apathie, Bewusstlosigkeit,
auch Erregung, Zwangsbewegungen, Lähmungen, Nystagmus, Mydriasis, Blindheit, parenchymatöse
Nephritis.
Mallotus philippinensis (Kamala)
Der Kamalabaum, Mallotus philippinensis, kommt in Äthiopien, Südarabien, im tropische Asien, nordöstlichen Australien, Neu-Guinea
und den Philippinen vor.
Kamala, die von der Frucht des Kamalabaumes abgeriebenen Haarorgane, diente nachweislich
schon 500 v. Chr. zu kultischen Zwecken und als Färbemittel für Seide, wozu es noch
heute im Handel ist. 1841 wurde erstmalig über Kamala als wurmtreibendes Mittel berichtet.
1882 wurde Kamala ins deutsche Arzneibuch aufgenommen. Fröhner empfahl Kamala für
Kleintiere und Geflügel als „vorzügliches Antitänicum, welches gleichzeitig drastisch
wirkt, sodass bei ihrer Anwendung die spätere Verabreichung eines Abführmittels erspart
wird“. Auch gegen Spulwürmer hielt er Kamala für wirksam. Der Abgang der Bandwürmer
sei nach durchschnittlich 5 Stunden zu erwarten. Kamala wurde in Milch eingerührt.
Fröhners Nachfolger als Autor der Arzneimittellehre für Tierärzte, Richard Reinhardt
[26], erwähnt 1950 Kamala auch zur Anwendung gegen Fasciola hepatica beim Schaf. Gegen Dicrocoelium lanceolatum sei Kamala nach seinem Wissen nicht wirksam. Er warnt zudem vor der Anwendung von
Kamala gegen die Faszielose beim Rind; hier sei Kamala ein unsicheres, ungeeignetes
und gefährliches Mittel. F. R. Ungemach bezeichnet Kamala 1994 als obsolet [19]. Die für Kamala beanspruchten Indikationsgebiete von Darmnematoden und Darmcestoden
bei allen Tierarten hält er weder in ihrer Wirksamkeit für bewiesen, noch sei die
Verträglichkeit ausreichend belegt. Kamala enthält u. a. Phloroglucinderivate, Glykoside,
Gerbsäure und organische Säuren. Sie wirkt anthelminthisch und peristaltikanregend
[15].
Fröhner empfahl für große Hunde 5 – 15 g, für kleine Hunde 2 – 5 g, für Katzen und
großes Geflügel 1 – 2 g, für kleineres Geflügel (Tauben, Papageien) 0,5 – 1 g [12]. Reinhardt gab als Dosierung für Schafe 7,5 g, 2 x im Abstand von 12 – 24 Stunden
und für Rinder 15 g, wöchentlich mehrfach zu wiederholen bei Spulwurmbefall an [26]. Kamala ist zurzeit für mehrere Tierarten als Ergänzungsfuttermittel in Kombination
mit anderen Pflanzenstoffen im Handel.