OP-Journal 2018; 34(03): 232-242
DOI: 10.1055/a-0623-5848
Fachwissen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das Schädel-Hirn-Trauma im Säuglings- und Kindesalter

Traumatic Brain Injury in Infancy and Childhood
Angela Brentrup
,
Stephanie Schipmann
Further Information

Korrespondenzadresse

Dr. med. Angela Brentrup
Klinik für Neurochirurgie – Pädiatrische Neurochirurgie
Universitätsklinikum Münster
Albert-Schweitzer-Campus A1
48149 Münster
Phone: 02 51/83-4 74 74   
Fax: 02 51/83-4 74 79   

Publication History

Publication Date:
09 November 2018 (online)

 

Zusammenfassung

Das Schädel-Hirn-Trauma (SHT) stellt ein signifikantes medizinisches, soziales und ökonomisches Problem dar und gilt als der häufigste Grund für Behinderungen und Todesfälle im Kindes- und Jugendalter. Die Verletzungsursachen hängen bei Kindern deutlich von der Altersgruppe ab. Unterschieden wird zwischen leichtem, mittelschwerem und schwerem SHT. Die Behandlung eines schweren SHTs sollte stets in Zentren erfolgen und durch die Neurochirurgie begleitet werden. Die Wahl der bildgebenden Diagnostik richtet sich nach Alter, Traumamechanismus und klinischem Befund, in der Regel bleibt in der Primärdiagnostik das CT die Methode der Wahl bei schwerem SHT. Der Schweregrad des SHTs und der klinische Status des Kindes beeinflussen die weitere Therapie (operativ/konservativ). Nach der akuten Phase der Behandlung des SHTs sollte sich eine neurologische Rehabilitationsmaßnahme anschließen, ausdrücklich bei fortbestehenden körperlichen oder geistlichen Funktionseinschränkungen. Zu beachten ist jedoch, dass neuropsychologische Störungen sich auch noch häufig bis zu 2 Jahren posttraumatisch manifestieren können.


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Abstract

Traumatic brain injury (TBI) is a significant medical, social and economic problem and is considered to be the most common cause of child and adolescent disability and death. The causes of injury depend significantly on the age group of children. A distinction is made between mild, moderate and severe TBI. Treatment of severe TBI should always be performed in centers and accompanied by a neurosurgeon. The choice of diagnostic imaging depends on age, trauma mechanism and clinical presentation, however, CT usually remains the gold standard for severe TBI in primary diagnostics. The severity of TBI and the clinical status of the child influence further therapy (surgical/conservative). After the acute treatment phase, a neurological rehabilitation should follow, especially in case of continuing physical or mental function limitations. It should be noted, however, that neuropsychological disorders can still manifest up to 2 years posttraumatically.


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Definition

Das Schädel-Hirn-Trauma (SHT) ist definiert als die Folge einer Gewalteinwirkung, die zu einer Verletzung und/oder Funktionsstörung des Gehirns geführt hat [1]. Die Verletzungen können dabei den knöchernen Schädel, die Kopfschwarte, Hirngewebe und auch Hirngefäße betreffen. In Abhängigkeit vom Verletzungsgrad der Weichteile, des Knochens und der Dura mater wird zwischen einem offenen (Verbindung des Schädelinneren nach außen durch Perforation von Haut, Knochen und Dura) und einem gedeckten SHT unterschieden.

Inzidenz, Unfallmechanismus, Ursache, Diagnostik, Therapie und Langzeitverlauf unterscheiden sich bei Schädel-Hirn-Traumata allein durch das bestehende Lebensalter zum Unfallzeitpunkt.


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Epidemiologie

Schädel-Hirn-Traumata stellen ein signifikantes medizinisches, soziales und ökonomisches Problem dar. Sie sind bis heute einer der häufigsten Gründe für Behinderungen und Todesfälle im Kindes- und Jugendalter. Insgesamt betreffen 29,7% aller Schädel-Hirn-Traumata Kinder unter 16 Jahren [2]. Eine in Deutschland 2014 vom Statistischen Bundesamt veröffentliche Studie zeigte, dass innerhalb eines Jahres 581 von 100 000 Kindern zwischen 1 und 15 Jahren mit einer Schädel-Hirn-Verletzung stationär behandelt werden; über 90% davon mit einer Gehirnerschütterung. Weniger als 10% sind als mittelschweres oder schweres SHT einzustufen.

Kinder unter 6 Jahren weisen eine deutlich höhere Inzidenz mit 721 Fällen pro 100 000 auf [2]. Die Sterblichkeit beträgt insgesamt ca. 0,5%, bei schwerem SHT jedoch bis zu 14%. Bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen liegen die Hospitalisierungsraten deutlich unter den Werten der Säuglinge und Kleinkinder. Die Kopfverletzungen nehmen auch hier den höchsten Rang ein, der Anteil ist aber deutlich geringer als bei den Vergleichsgruppen der unter 5-Jährigen. [3].

In den vergangenen Jahren ist ein deutlicher Abwärtstrend der Verletzungen mit Todesfolge zu beobachten. Ab dem 1. Lebensjahr bleibt die Kopfverletzung jedoch weiterhin die häufigste Todesursache bei Kindern und Jugendlichen und liegt bei 2,2 je 100 000 Einwohner. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland in Bezug auf die verletzungsbedingte Mortalität im unteren Drittel [3].

Eine Sondergruppe bilden die gewaltbedingten Todesfälle. Deren Anzahl bleibt auch im Langzeitverlauf konstant. Insbesondere sind hier die Säuglinge mit einer Rate an gewaltbedingten Verletzungen von 42 je 100 000 betroffen, diese haben ein 10-fach höheres Risiko als die Altersgruppe der 10 – 15-Jährigen mit 4 Fällen je 100 000 [3]. Die führende Ursache bei den gewaltbedingten Todesfällen sind Schädel-Hirn-Verletzungen. Hierbei steht insbesondere das Schütteltrauma im Fokus mit insgesamt ca. 100 – 200 Fällen/Jahr in Deutschland, welches mit einer Letalität von bis zu 30% und dem Risiko der Entwicklung von Langzeitschäden bis zu 70% einhergeht [4].

Zusammenfassung

Die Inzidenz der tödlichen Kopfverletzungen – bis auf die der gewaltbedingten – hat in Deutschland abgenommen. Dennoch gehörten Schädel-Hirn-Verletzungen noch zu den häufigsten Todesursachen bei Kindern zwischen 1 und 15 Jahren in Deutschland. Insbesondere in der Altersgruppe der unter 1-Jähringen ist das Schütteltrauma eine führende Ursache für Schädel-Hirn-Verletzungen.


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Pathophysiologie

Bei der Schädigung des Gehirns kann zwischen primären und sekundären Verletzungen unterschieden werden:

  1. Primäre Verletzungen sind sofortige Schädigungen, die durch mechanische Kräfte verursacht werden, die auf das Hirnparenchym übertragen werden und sich in Form von Kontusionsblutungen, Hämatomen, Scherverletzungen und Ödemen manifestieren. Typische einwirkende Kräfte sind direkter Aufprall, schnelle Beschleunigungen, penetrierende Verletzungen und Explosionsdruckwellen.

  2. Sekundäre Verletzungen werden als Folgeschäden definiert, die sich nach Stunden und Tagen infolge veränderter Hirndurchblutung (Vasospasmen, Mikrozirkulationsstörungen) und inflammatorischen Prozessen entwickeln. Folgen sind Hypoxie, Veränderungen von Elektrolyt- und Zellmetabolismus, neuronaler Zelltod sowie die Entstehung von zerebralen Ödemen und in der Folge Anstieg des intrazerebralen Druckes [5].

Merke

Die anfängliche Stabilisierung des verletzten Kindes in der präklinischen und notfallmedizinischen Versorgung konzentriert sich auf die Minimierung der Folgeerscheinungen der primären Verletzungen.


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Ursachen

Insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung effektiver Präventionsstrategien kommt der Unfallursachenforschung eine besondere Bedeutung zu.

Zunächst sind aber die körperlichen Besonderheiten bez. eines Unfallhergangs bei einem Kind zu bedenken. Die Körper-Kopf-Proportionen und die Ausprägung der Schutzreflexe spielen bez. der Beteiligung des Kopfes bei einem Trauma eine entscheidende Rolle: Das Gewicht des Kopfes im Verhältnis zum Gesamtgewicht des Körpers beträgt beim Säugling 1 : 3 und beim Erwachsenen 1 : 30. Auch setzen die Schutzreflexe bei Kindern später ein, so ist die Reaktionszeit eines 5-Jährigen etwa doppelt so lang wie die eines Erwachsenen.

Generell sind häufige Ursachen für Schädel-Hirn-Traumata im Kindesalter Stürze und Verkehrsunfälle sowie Kopfverletzungen infolge eines sich bewegenden Gegenstandes oder nicht akzidentelle Verletzungen.

Insbesondere bei den Stürzen kann eine deutliche Variabilität zwischen Verletzungsursache und Alter beobachtet werden, und Veränderungen in der kindlichen Entwicklung beeinflussen die Sturzart [6].

Untersucht man Verletzungsmechanismen in verfeinerten Altersgruppen, so fällt auf, dass sich im Säuglings- und Kleinkindalter Stürze vorrangig im häuslichen Umfeld ereignen (Stürze aus Schlafgelegenheiten, vom Wickeltisch, Treppen etc.). Mit zunehmenden Aktionsradius des Kindes (Altersgruppe 4 – 15 Jahre) verlagert sich der Unfallort auf Spiel- und Sportgelände, die Natur sowie auf die Verkehrswege [7].

Zusammenfassung

Sturzunfälle spielen bei Kindern unter 14 Jahren die größte Rolle bei Schädel-Hirn-Verletzungen und sind über 90% produktbezogen. Mit zunehmendem Aktionsradius der Kinder erweitert sich das Spektrum der Unfallorte, so auch die Anzahl der Verkehrsunfälle. Das Schütteltrauma als Verletzungsmechanismus spielt mit einem Durchschnittsalter von 4 Monaten eine besondere Rolle.


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Klassifikation, Symptomatik und Verletzungsformen

Klassifikation

Die Einteilung des Schweregrads eines Schädel-Hirn-Traumas erfolgt nach AWMF-Leitlinien (AWMF: Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) in:

  • leichtes SHT

  • mittelschweres SHT

  • schweres SHT

Grundlage für die Klassifikation sind die Dauer und das Ausmaß der posttraumatischen Bewusstseinsstörung.

Ein wichtiges Tool zur Einteilung ist die Glasgow Coma Scale (GCS), die für Kinder (< 12 Jahre) in Rücksicht auf die eingeschränkte verbale Antwortfähigkeit der Kinder moduliert wurde und als Frankfurter GCS (F-GCS) bezeichnet wird ([Tab. 1] und [2]) [8].

Tab. 1 Die Frankfurter GCS (F-GCS) in Abhängigkeit vom Alter (1 – 24 Monate, > 24 Monate).

Verbale Antwort (V = „verbal“)

1 – 24 Monate

> 24 Monate

5

fixiert, verfolgt, erkennt, lacht

spricht verständlich, ist orientiert

4

fixiert, verfolgt inkonstant, erkennt nicht sicher, lacht nicht situationsbedingt

ist verwirrt, spricht unzusammenhängend, ist desorientiert

3

nur zeitweise erweckbar, trinkt und isst nicht

Bedrohreflex (ab 4/12 m) nicht sicher auslösbar

antwortet inadäquat, Wortsalat

2

ist motorisch unruhig, jedoch nicht erweckbar

unverständliche Laute

1

tief komatös, kein Kontakt zur Umwelt, keine visuell, akustisch oder sensorisch ausgelöste motorische Reizantwort

keine verbalen Äußerungen

Motorische Antwort (M = „motor“)

6

greift gezielt auf Aufforderung, befolgt andere motorische Aufforderungen prompt

5

gezielte Abwehr eines Schmerzreizes möglich

4

ungezielte Beugebewegungen auf Schmerzreize

3

ungezielte Beugebewegungen auf Schmerzreize an den Armen, Strecktendenz an den Beinen (Dekortikationshaltung)

2

Extension aller 4 Extremitäten auf Schmerzreize (Dezerebrationshaltung)

1

keine motorische Antwort auf Schmerzreize

Augenöffnen (E = „eye“)

4

spontanes Augenöffnen

3

Augenöffnen auf Anruf

2

Augenöffnen auf Schmerzreiz

1

kein Augenöffnen

Augensymptome (OV = „oculo-vestibular“)

4

konjugierte Augenbewegungen möglich, Lichtreaktion der Pupillen auslösbar

3

Puppenaugenphänomen auslösbar, dabei konjugierte Bulbusbewegungen

2

Divergenzstellung der Bulbi, besonders bei Auslösen des Puppenaugenphänomens oder Kaltspülung des äußeren Gehörgangs

1

Ausbleiben der Augenbewegungen hierbei keine spontanen Augenbewegungen; weite, lichtstarre Pupillen

Tab. 2 Klassifikation nach dem GCS-Summenscore.

Kategorie

GCS (Punkte)

Frankfurter GCS (Punkte)

leichtes SHT

13 – 15

17 – 19

mittelschweres SHT

9 – 12

12 – 16

schweres SHT

< 8

< 11


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Symptomatik

Neben Bewusstseinsstörungen können auch Symptome aus dem vegetativen Bereich auftreten wie Blässe, Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen. Bei schweren Verletzungen treten u. U. fokal-neurologische Defizite wie Gefühlsstörungen und Lähmungen hinzu, bei schwersten Traumata auch relevante Atem- und Kreislauffunktionsstörungen.


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Verletzungsmuster

Durch eine äußere Gewalteinwirkung auf den Kopf kann es zu unterschiedlichen Verletzungsmustern kommen: Weichteilverletzungen, die sehr stark bluten und somit das Kind gefährden können. Des Weiteren kann es zu einzelnen oder mehreren Schädelfrakturen kommen ([Abb. 1 a, f]), die je nach Ausmaß operativ behandelt werden müssen, insbesondere, wenn es gleichzeitig zur Zerreißung der harten Hirnhaut mit dem Risiko einer Liquorrhö kommt. Dieses Phänomen erhöht die Infektionsgefahr. Durch Ruptur von Gefäßen kann es zur lokalen Mangeldurchblutung oder zu diversen Blutungen intrakraniell kommen:

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Abb. 1 Fallbeispiel schweres Schädel-Hirn-Trauma: 6-jähriger Junge, der als Fußgänger von einem Auto erfasst wurde und ein schweres SHT mit Kalottenimpressionsfraktur (a) sowie akut subduralem Hämatom rechts (b) erlitt. Es erfolgten die dekompressive Hemikraniektomie, Hämatomausräumung und vorübergehende Anlage einer ICP-Sonde (c). In einem ergänzend durchgeführten MRT zeigt sich zudem eine Kontusionsblutung rechts parietookzipital (MRT T2hem ax) (d). Drei Monate später konnte die Kalotte, die in der Zwischenzeit kryokonserviert wurde, wieder implantiert werden. Im CT werden auch posttraumatische Defektbildungen sichtbar (e). Intraoperatives Bild einer Impressionsfraktur mit Kompression des Sinus sagittalis superior und Z. n. Hebung und Fixierung der Fraktur (f).(Quelle: Mit freundlicher Genehmigung des Instituts für Klinische Radiologie der Medizinischen Fakultät und des Universitätsklinikums Münster (Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. Walter Heindel))
  • epidural (zwischen Schädelknochen und Dura mater → Letalität bis 70%; [Abb. 2]),

  • subdural (zwischen Dura mater und Gehirn → Letalität bis 50%; [Abb. 1 b]),

  • subarachnoidal (zwischen Spinngewebshaut und Gehirn, an der Hirnoberfläche) intrazerebral (im Hirngewebe; [Abb. 1 d]).

Merke

Bei Nachweis eines Schädel-Hirn-Traumas müssen Neurochirurgen rasch hinzugezogen werden, um im Falle einer Schädelfraktur, traumatischen Hirnblutung oder Hirnschwellung über die Notwendigkeit einer Operation zu entscheiden.

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Abb. 2 Fallbeispiel Epiduralhämatom: 3-jähriger Junge, der auf der Treppe gestürzt ist. Unmittelbar nach dem Unfall lag der GCS bei 15 (sog. „freies Intervall“), verschlechterte sich aber rasch präoperativ auf einen GCS von 5. Im Schädel-CT zeigte sich ein ausgedehntes Epiduralhämatom mit Mittellinienverlagerung (a). Intraoperativ ist häufig eine Frakturlinie oberhalb des Hämatoms zu erkennen sowie durch den Knochen bereits das Hämatom durchschimmernd (b). Ein postoperatives MRT zeigte eine vollständige Entfernung des Epiduralhämatoms (c).(Quelle: Mit freundlicher Genehmigung des Instituts für Klinische Radiologie der Medizinischen Fakultät und des Universitätsklinikums Münster (Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. Walter Heindel))

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Diagnostik

Die Wahl der Klinik

Generell sind Indikationen zur stationären Einweisung Bewusstseinstrübung, neurologische Ausfälle, epileptische Anfälle, äußere Verletzungszeichen, rezidivierendes Erbrechen, schwerer Traumamechanismus, schwerwiegende Vorerkrankungen, Gerinnungsstörungen etc. Schlussendlich richtet sich die Wahl der Klinik nach ihrer Entfernung und Ausstattung. Im Falle eines schweren SHT mit GCS < 9, zunehmender Vigilanzminderung und neurologischen Defiziten sollte eine Klinik mit der Möglichkeit einer sofortigen neurochirurgischen Versorgung sowie Expertise in kinderintensivmedizischer Betreuung angefahren werden [8].


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Anamnese

Zum standardisierten Vorgehen bei allen Schädel-Hirn-Verletzten gehört eine genaue Anamneseerhebung am Unfallort mit Erfassung

  • des Unfallgeschehens (Hochrasanztrauma?, Sturz aus großer Höhe?),

  • des zeitlichen Ablaufs,

  • der beobachteten Symptome.


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Klinische Beurteilung

Initial sollte eine rasche klinische Beurteilung mit Augenmerk auf die folgenden Aspekte gerichtet werden:

  • neurologischer Status

  • Einschätzung nach (Frankfurter) GCS

  • Nachweis äußerer Verletzungszeichen

  • Hinweise auf epileptischen Anfall (Einnässen, Zungenbiss?)

Wesentlich ist die Erfassung von direkten oder indirekten Zeichen für ein schweres SHT mit hohem Risiko für intrakranielle Verletzungen ([Infobox 1]). Je nach Anamnese muss auch – insbesondere bei Säuglingen – die Möglichkeit von nicht akzidentellen Traumfolgen, z. B. im Sinne eines Schütteltraumas, gedacht werden ([Infobox 2], [Abb. 3]).

Infobox 1

Praxistipp: direkte und indirekte Verletzungszeichen

Direkte Zeichen:

  • Galeahämatom

  • Monokel- oder Brillenhämatom

  • klinisch tastbare Kalottenfraktur

  • Impressionsfraktur

  • Rhino- oder Otoliquorrhö

  • neurologisches Defizit


Indirekte Zeichen:

  • initialer Bewusstseinsverlust

  • Amnesie zum Unfallhergang

  • Kopfschmerzen

  • rezidivierendes Erbrechen

  • Lethargie, Blässe u. a. vegetative Zeichen

Infobox 2

Hintergrundwissen: Schütteltrauma („Shaken Baby Syndrome [SBS]“)

Hinweise für nicht akzidentelle Traumafolgen (Schütteltrauma) [4]:

  • klinisch Zeichen einer schweren Hirnschädigung

  • Subduralblutungen (bilateral, ggf. mehrzeitig)

  • retinale Blutungen (meist bilateral)

  • ggf. Rippenfrakturen, metaphysäre Frakturen

  • fehlende, indadäquate oder inkonsistente Unfallanamnese

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Abb. 3 Fallbeispiel Schütteltrauma: 1,5 Monate alter männlicher Säugling mit V. a. Schütteltrauma. Nachweis ausgedehnter bilateraler Subduralhämatome (MRT T2ax, a), sowie retinaler Blutungen bds. (MRT T1ax, b). Im Langzeitverlauf Entwicklung eines posthämorrhagischen Hydrozephalus (MRT T2ax, c). Langzeitfolgen eines schweren Schütteltraumas mit ausgedehnten Parenchymdefekten des Großhirns (MRT T2ax, d).(Quelle: Mit freundlicher Genehmigung des Instituts für Klinische Radiologie der Medizinischen Fakultät und des Universitätsklinikums Münster (Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. Walter Heindel))

Abhängig von der initialen Einschätzung des Schweregrads des Traumas unter Berücksichtigung des Unfallmechanismus und dem Vorhandensein einer Bewusstseinsstörung (BWST) wird das weitere Vorgehen definiert. Insbesondere die niedrige Inzidenz von intrakraniellen Verletzungen rechtfertigt ein differenziertes Vorgehen und die Implementierung von Behandlungsalgorithmen, um so die Strahlenbelastung durch bildgebende Diagnostik als potenzielle Gefährdungsquelle für den Langzeitverlauf zu reduzieren [9].

Diagnostikalgorithmen sind für Kinder mit fehlender Bewusstseinsstörung und Patienten mit Nachweis einer Bewusstseinsstörung in [Abb. 4] und [5] dargestellt.

Merke

Gerade bei Kindern unter 2 Jahren ist es für den Untersucher schwierig, Symptome eines Schädel-Hirn-Traumas wie auffällige Verhaltensänderungen, Schläfrigkeit, verminderte Spontanmotorik und verzögerte Reaktion zu erfassen. Daher kommt den Angaben der Bezugsperson hier eine große Bedeutung zu [10].

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Abb. 4 Algorithmus bei fehlender Bewusstseinstrübung. Algorithmus zur Herangehensweise bei Schädel-Hirn-traumatisierten Kindern ohne das Vorliegen einer Bewusstseinsstörung (BWST).
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Abb. 5 Algorithmus bei Vorhandensein einer Bewusstseinstrübung/neurologischen Symptomen. Algorithmus zur Herangehensweise bei Schädel-Hirn-traumatisierten Kindern mit Vorliegen einer Bewusstseinsstörung (BWST) und/oder neurologischen Symptomen.

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Bildgebung

Eine bildgebende Diagnostik sollte immer erfolgen, wenn eine Bewusstseinsstörung vorliegt und/oder sich in der klinischen Beurteilung Hinweise auf intrakranielle Verletzungsfolgen ergeben ([Infobox 1]).

Folgende Modalitäten stehen zur Verfügung:

  • CT des Schädels: Methode der ersten Wahl zur Beurteilung akuter Verletzungen. Die Anwendung erfolgt nicht als Routinemaßnahme, sondern nur bei klinischem Verdacht auf das Vorliegen von intrakraniellen Verletzungen.

  • Sonografie: durch die Fontanelle, sofern diese noch geöffnet ist, zur intrakraniellen Beurteilung sowie Sonografie der Kalotte zum Ausschluss von Schädelfrakturen.

  • MRT des Schädels: weniger sinnvoll in der Akutdiagnostik bei V. a. schweres SHT (Untersuchungsdauer, ggf. Notwendigkeit einer Sedierung, Narkose), vertretbar bei milder oder fehlender neurologischer Symptomatik und einem Unfallmechanismus, der eine bildgebende Diagnostik erfordert; hoher Stellenwert zur Verlaufsbeobachtung und bei V. a. Scherverletzungen.


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Therapie

Merke

Am Unfallort:

  • Atem- und Kreislaufstabilisierung, Lagerung mit Stifneck (Halsstütze) auf einer Vakuummatratze (Cave: begleitende Wirbelsäulenverletzungen)

  • offene Verletzungen mit sterilen Kompressen abdecken und nur kontrollierte Kompression dabei anwenden

  • Intubation bei GCS < 9

In der Klinik:

  • Wundinspektion vor und Wundversorgung nach bildgebender Diagnostik

Operative Therapie

Den Zeitpunkt, die Reihenfolge und das Ausmaß einer operativen Therapie bei Kopfverletzungen muss ein fachübergreifendes Team unmittelbar nach erfolgter Primärdiagnostik festlegen.

Dies erfolgt durch:

  • Neurochirurgen,

  • Unfallchirurgen,

  • Hals-Nasen-Ohren-Ärzte,

  • Augenärzte,

  • Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgen

in Absprache und mit Unterstützung von:

  • Anästhesisten und

  • Kinderintensivmedizinern.


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Indikation zur invasiven Hirndruckmessung (ICP-Sonde)

In Abhängigkeit von der Primärdiagnostik und der zu erwartenden Dauer einer Bewusstseinseinschränkung muss über die Anlage einer Hirndruckmesssonde (ICP-Sonde)/externen Ventrikeldrainage entschieden werden. Insbesondere ermöglicht die invasive Hirndruckmessung die kontinuierliche Überwachung hinsichtlich progredienter Hirnschwellung, raumfordernder intrakranieller Hämatome sowie drohender Einklemmungen, sodass frühzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. Ebenso kann über die Drainage Liquor abgelassen werden, was zu einer temporären Reduktion des Hirndruckes führt. Die Einführung von Leitlinien, die bei Patienten mit schwerem SHT die Versorgung mit einer ICP-Sonde fordern, hat zu einer Zunahme günstiger Verläufe bei SHT-Patienten geführt [11], [12]. Für Kinder gibt es diesbezüglich aktuell wenig Evidenz, dennoch besteht die Empfehlung zur Hirndruckmessung gemäß der Leitlinie bei Kindern mit schwerem bzw. mittelschwerem SHT, Nachweis von Traumafolgen in der Bildgebung sowie starker Bewusstseinsstörung und Notwendigkeit der längerfristigen invasiven Beatmung und Sedierung [8]. Dabei ist zu beachten, dass die Komplikationshäufigkeit bei Kindern höher ist als bei Erwachsenen. Dazu gehören Stichkanalblutungen, Liquorleckagen- und Dislokationen.

Säuglinge und Kleinstkinder mit noch offener Fontanelle können palpatorisch und sonografisch überwacht werden. Die Anlage einer ICP-Sonde ist in diesen Fällen primär nicht indiziert.


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Indikation zur Operation

Einer notfallmäßigen operativen Versorgung über eine Kraniotomie bedürfen sowohl raumfordernde, intrakranielle Verletzungen, wie z. B. traumatische Blutungen (Epiduralhämatome, Subduralhämatome, intrakranielle Blutungen), als auch raumfordernde Impressionsfrakturen ([Abb. 1]). Neben dem bildgebenden Befund ist auch der klinische Befund entscheidend für die Stratifizierung der Notwendigkeit und Dringlichkeit der Operation.

Merke

Epidurale Hämatome können sich trotz zunächst guten Befindens innerhalb von wenigen Stunden (sog. freies Intervall) zur tödlichen Verletzung entwickeln. Trotzdem ist die Prognose bei sofortiger chirurgischer Therapie bei dieser Hirnverletzung die beste ([Abb. 2]).

Dringliche Indikation zur operativen Versorgung haben basale Frakturen mit Liquorrhö sowie Impressionsfrakturen ohne raumfordernde Komponente.

Bei Entwicklung eines ausgeprägten – meist sekundären – Hirnödems und konservativ nicht zu therapierenden erhöhten Hirndrücken kann die Durchführung einer Entlastungskraniektomie erforderlich sein. Deren Notwendigkeit ist jedoch insbesondere bei Kindern kritisch zu sehen.


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Konservative Therapie

Konservative Therapie bei leichtgradigem Schädel-Hirn-Trauma

  • stationäre Überwachung (siehe z. B. auch [Abb. 6], Ping-Pong-Fraktur)

  • engmaschige neurologische Verlaufsuntersuchungen

  • bei Wohlbefinden: Entlassung nach Hause, hierzu Absprache mit den Eltern und Sensibilisierung der Eltern für Symptome, die auf Komplikationen des SHTs hinweisen

Infobox 3

Praxistipp

Monitoring bei Neurointensivbehandlung (GCS ≤ 8 bzw. F-GCS ≤ 11 nach AWMF-Leitlinie [8]

  • Hirndruckmessung (ICP), kontinuierlich

  • arterielle Druckmessung (MAD), kontinuierlich

  • zentralvenöse Druckmessung (ZVD), möglichst kontinuierlich

  • Messung der arteriellen Sauerstoffsättigung (Pulsoxymetrie) und des endtidalen CO2, kontinuierlich

  • EKG-Ableitung, kontinuierlich

  • genaue Flüssigkeitsbilanzierung

  • engmaschige Überwachung der Körpertemperatur

  • Laborkontrollen

  • wenn möglich wiederholt Elektroenzephalografie (EEG), Akustische Evozierte Potenziale (AEP), Sensible Evozierte Potenziale (SEP)

  • wenn möglich transkranielle Doppler-Sonografie

  • neurologische und allgemeinpädiatrische Untersuchung (alle 4 – 6 Stunden, mindestens 1 × täglich)


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Konservative Therapie bei mittel- oder schwergradigem Schädel-Hirn-Trauma

Zur (Neuro-)Intensivbehandlung auf einer Kinderintensivstation gehören nach einem SHT:

  • die Lagerung mit 20 – 30° Oberkörperhoch- und Kopfmittelstellung,

  • das „minimal handling“ bei Pflegemaßnahmen, d. h. nur dringend erforderliche Maßnahmen,

  • die Flüssigkeits-/Volumenzufuhr mit dem Ziel eines zentralen Venendruckes (ZVD) von 5 – 8 mmHg,

  • die Beatmung mit milder Hyperventilation und einem arteriellen pCO2 von 35 – 40 mmHg,

  • die Analgosedierung mit z. B. Midazolam und einem Fentanylpräparat,

  • das Einsetzen von Antikonvulsiva zur Krampfprophylaxe mit z. B. Phenobarbital.


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Rehabilitation

Die Behandlung nach der akuten Phase einer Schädel-Hirn-Verletzung wird auch bei den jungen Patienten nach dem Phasenmodell der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAR) für Rehabilitation durchgeführt ([Tab. 3]).

Tab. 3 Phasen der Rehabilitation.

Rehabilitation

Frührehabilitation

Akutklinik

Phase D:

Patienten, die weitestgehend selbstständig sind

Phase B:

überwachungspflichtige Patienten mit schweren Störungen des Bewusstseins, der Wahrnehmung und Kommunikation

Phase C:

Patienten, die noch einen hohen pflegerischen Hilfsmittel- und Betreuungsbedarf haben

Phase A:

Akutphase (Operationen, Intensivmedizin)

Die Indikation zur neurologischen Rehabilitation eines Kindes oder Jugendlichen nach akuter Schädigung des Nervensystems besteht, wenn gegen Ende der Akutbehandlung fortbestehende Störungen körperlicher, geistiger oder seelischer Funktionen bestehen bzw. anzunehmen sind [13] (siehe auch [Abb. 7]).

Insbesondere posttraumatische neuropsychiatrische Störungen haben ein verzögertes Auftreten, häufig erst nach 1,5 – 2 Jahren. Diese können auch nach leichten SHT entstehen. Eltern und Bezugspersonen sollten deshalb schon im Vorfeld dafür sensibilisiert werden und langfristig mit einem Netzwerk in Kontakt stehen. Hier bietet sich der Bundesverband Kinderneurologie-Hilfe e. V. an, der sich seit über 30 Jahren bundesweit für Kinder mit erworbenen Hirnschädigungen nach Kopfverletzungen einsetzt.

Infobox 4

Info

Kinder- und Jugendrehabilitationskliniken mit Expertise in der Rehabilitation von SHT-Patienten (Auswahl)

  • Helios Klinik Hohenstücken, 14772 Brandenburg

  • St. Mauritius Therapieklinik, 40670 Meerbusch

  • Helios Klinik Geesthacht, 21502 Geesthacht

  • Helios Klinik Hattingen, 45527 Hattingen

  • Schön Klinik Vogtareuth, 83569 Vogtareuth

Kontakthinweis
Bundesverband Kinderneurologie-Hilfe e. V.
E-Mail: info@Kinderneurologiehilfe.de
Internet: www.kinderneurologiehilfe.de


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Nachsorge

Posttraumatische Kontrolluntersuchungen dienen der Aktualisierung des Ausmaßes der traumatischen Schädigung. Sie sind Grundlage für die Begründung von Neuverordnungen von Therapien und Hilfsmitteln. Die Prognoseeinschätzung beruft sich ebenfalls auf die Befunde der Nachuntersuchungen.

Merke

Nachuntersuchungen bei Z. n. SHT

  • klinisch-neurologische Untersuchung

  • MRT

  • EEG und evtl. evozierte Potenziale

  • standardisierte Testverfahren (somatische, kognitive und psychologische)

Infobox 5

Hintergrundwissen

Posttraumatische Epilepsie wird unterschätzt

  • 10,9% mit einem leichten SHT ≙ GCS 13 – 15 (Commotio) erleiden mindestens einen epileptischen Anfall

  • 5 – 21% aller Kinder erleiden posttraumatisch einen Anfall

    • 32 – 40% davon haben wiederholte Anfälle

    • Insgesamt ist das Risiko für die Kinder, nach einem SHT an Epilepsie zu leiden, 8 × größer als bei der Normalbevölkerung [14]


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Prognose und Langzeitfolgen

Der Langzeitverlauf nach einer Hirnverletzung bei Kindern ist sehr individuell und schlecht vorhersagbar. Die Kontrolluntersuchungen, insbesondere MRT-Aufnahmen, können eine vorsichtige Aussage über den weiteren Verlauf ermöglichen. So wird die Primärschädigung der sog. weißen Hirnsubstanz und auch ihre Weiterentwicklung in der Kernspintomografie sichtbar [15].

Die aktuelle Literatur ist bez. prognostischer Zahlen bei einem kindlichen SHT und dessen langfristigen Verlaufs nicht ergiebig. Aus dem Flyer des Registers für SHT-Erkrankungen erfährt man, dass Patienten mit mittelschwerem SHT in 77% der Fälle nach 273 Tagen und in 83% der Fälle nach 730 Tagen wieder die Schule besuchen [10].

In einer japanischen Studie aus dem Jahr 2017 wird angegeben, dass Kinder mit einem schweren SHT zu 56,6% innerhalb eines Jahres sterben und 15% ein gutes Befinden nach 10 Jahren zeigen [16].

Eine Metaanalyse aus den USA (2013) ergab Verhaltensstörungen von 50% bei den hirnverletzten Kindern [17]. Eine andere Arbeit aus Australien (2015) unterstützt die These der psychischen Spätfolgen [18].

Dennoch können Kinder mit schweren Hirnverletzungen nach entsprechend rascher Notfallversorgung und Rehabilitation eine gute Prognose aufweisen, da bei jungen Menschen das Gehirn eine erhöhte Flexibilität, Entwicklungsplastizität und Möglichkeit der Regeneration insbesondere von sprachlichen und intellektuellen Fähigkeiten aufweist [19].

Infobox 6

Hintergrundwissen

Mögliche Spätfolgen nach Schädel-Hirn-Trauma [20], [21].

  • kognitive Leistungsminderungen

  • Konzentrationsstörungen

  • Aufmerksamkeitsstörungen

  • soziale Anpassungsstörungen

  • Entwicklungsverzögerung

  • emotionale Defizite (Labilität, Apathie)


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Prävention

Schädel-Hirn-Verletzungen lassen sich durch vorbeugende Schutzmaßnahmen zu über 90% vermeiden [22].

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Abb. 6 Fallbeispiel Ping-Pong-Fraktur: Ein 9 Monate altes Mädchen mit Z. n. Sturz auf den Hinterkopf zeigte klinisch eine tastbare Impression. Im CT stellt sich eine Impressionsfraktur rechts okzipital dar (a). In der Sonografie des Schädels lässt sich diese Ping-Pong-Fraktur (Schädel ist wie ein eingedrückter Tischtennisball verformt) gut abgrenzen (b). Die meisten heilen konservativ gut aus, eine Operation ist nur noch bei neurologischen Symptomen oder höhergradiger Kompression des Hirnparenchyms indiziert.(Quelle: Mit freundlicher Genehmigung des Instituts für Klinische Radiologie der Medizinischen Fakultät und des Universitätsklinikums Münster (Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. Walter Heindel))

Da Stürze aus der Höhe bei Säuglingen häufig zu schweren Verletzungen führen und vermeidbar sind, sollten insbesondere unerfahrene Eltern verstärkt darüber aufgeklärt werden. Normale Altersgegenstände stellen schon ein Risiko dar.

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Abb. 7 Flussdiagramm – Aufgaben neurologischer Rehabilitation im Kindes- und Jugendalter.

Zu Hause sollte durch kontinuierliche Aufsicht bei Sturzgefahr (Wickeltisch etc.) die Gefahr reduziert, wenn nicht ausgeschlossen werden. Auch Antirutschsocken oder feste Schuhe bedeuten dort eine Vorsorge. Hochbetten sind erst für Schulkinder geeignet und dann mit entsprechender Sicherheitsvorrichtung. Im Straßenverkehr sind altersgemäße Sitze (Auto und Fahrrad) zu benutzen. Beim Fahrradfahren und bei sportlichen Aktivitäten ist ein entsprechender Schutzhelm immer zu tragen.


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Fazit

  • Die Anzahl schwerer Schädel-Hirn-Traumata hat wegen gezielter Präventionsmaßnahmen (Helm, Kindersitz, etc.) abgenommen, nicht aber die Zahl gewaltbedingter Schädelverletzungen.

  • Das Schädel-CT ist die Methode der ersten Wahl in der Notfalldiagnostik bei V. a. das Vorliegen einer intrakraniellen Verletzung, bei Säuglingen und Kleinkindern die Sonografie.

  • Das MRT ist die Methode der ersten Wahl zur geplanten/differenzierten Verlaufskontrolle und Einschätzung der Prognose nach Schädel-Hirn-Verletzung.

  • Bei V. a. mittelschweres oder schweres SHT sollte möglichst direkt eine Klinik mit neurochirurgischer Expertise ausgewählt werden.

  • Eine Hirndruckmesssonde sollte bei Kindern wegen erhöhter Komplikationsrate mit Zurückhaltung gelegt werden. Sie ist jedoch indiziert bei verschlossener Fontanelle, wenn mit einer längeren Beatmungszeit zu rechnen ist oder wenn in der initialen Bildgebung bereits schwere Verletzungsfolgen oder eine Hirnödembildung zu sehen sind.

  • Eine Beurteilung über Langzeitfolgen nach SHT bei Kindern ist frühestens nach 2 Jahren möglich.


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Autorinnen/Autoren

Angela Brentrup

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Dr. med., Leiterin der Pädiatrischen Neurochirurgie, Klinik für Neurochirurgie, Universitätsklinikum Münster

Stephanie Schipmann

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Dr. med., Assistenzärztin, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Klinik für Neurochirurgie, Universitätsklinikum Münster

Interessenkonflikt

Es bestehen keine Interessenkonflikte oder Veröffentlichungen in anderen Zeitschriften oder Medien.


Korrespondenzadresse

Dr. med. Angela Brentrup
Klinik für Neurochirurgie – Pädiatrische Neurochirurgie
Universitätsklinikum Münster
Albert-Schweitzer-Campus A1
48149 Münster
Phone: 02 51/83-4 74 74   
Fax: 02 51/83-4 74 79   


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Abb. 1 Fallbeispiel schweres Schädel-Hirn-Trauma: 6-jähriger Junge, der als Fußgänger von einem Auto erfasst wurde und ein schweres SHT mit Kalottenimpressionsfraktur (a) sowie akut subduralem Hämatom rechts (b) erlitt. Es erfolgten die dekompressive Hemikraniektomie, Hämatomausräumung und vorübergehende Anlage einer ICP-Sonde (c). In einem ergänzend durchgeführten MRT zeigt sich zudem eine Kontusionsblutung rechts parietookzipital (MRT T2hem ax) (d). Drei Monate später konnte die Kalotte, die in der Zwischenzeit kryokonserviert wurde, wieder implantiert werden. Im CT werden auch posttraumatische Defektbildungen sichtbar (e). Intraoperatives Bild einer Impressionsfraktur mit Kompression des Sinus sagittalis superior und Z. n. Hebung und Fixierung der Fraktur (f).(Quelle: Mit freundlicher Genehmigung des Instituts für Klinische Radiologie der Medizinischen Fakultät und des Universitätsklinikums Münster (Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. Walter Heindel))
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Abb. 2 Fallbeispiel Epiduralhämatom: 3-jähriger Junge, der auf der Treppe gestürzt ist. Unmittelbar nach dem Unfall lag der GCS bei 15 (sog. „freies Intervall“), verschlechterte sich aber rasch präoperativ auf einen GCS von 5. Im Schädel-CT zeigte sich ein ausgedehntes Epiduralhämatom mit Mittellinienverlagerung (a). Intraoperativ ist häufig eine Frakturlinie oberhalb des Hämatoms zu erkennen sowie durch den Knochen bereits das Hämatom durchschimmernd (b). Ein postoperatives MRT zeigte eine vollständige Entfernung des Epiduralhämatoms (c).(Quelle: Mit freundlicher Genehmigung des Instituts für Klinische Radiologie der Medizinischen Fakultät und des Universitätsklinikums Münster (Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. Walter Heindel))
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Abb. 3 Fallbeispiel Schütteltrauma: 1,5 Monate alter männlicher Säugling mit V. a. Schütteltrauma. Nachweis ausgedehnter bilateraler Subduralhämatome (MRT T2ax, a), sowie retinaler Blutungen bds. (MRT T1ax, b). Im Langzeitverlauf Entwicklung eines posthämorrhagischen Hydrozephalus (MRT T2ax, c). Langzeitfolgen eines schweren Schütteltraumas mit ausgedehnten Parenchymdefekten des Großhirns (MRT T2ax, d).(Quelle: Mit freundlicher Genehmigung des Instituts für Klinische Radiologie der Medizinischen Fakultät und des Universitätsklinikums Münster (Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. Walter Heindel))
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Abb. 4 Algorithmus bei fehlender Bewusstseinstrübung. Algorithmus zur Herangehensweise bei Schädel-Hirn-traumatisierten Kindern ohne das Vorliegen einer Bewusstseinsstörung (BWST).
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Abb. 5 Algorithmus bei Vorhandensein einer Bewusstseinstrübung/neurologischen Symptomen. Algorithmus zur Herangehensweise bei Schädel-Hirn-traumatisierten Kindern mit Vorliegen einer Bewusstseinsstörung (BWST) und/oder neurologischen Symptomen.
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Abb. 6 Fallbeispiel Ping-Pong-Fraktur: Ein 9 Monate altes Mädchen mit Z. n. Sturz auf den Hinterkopf zeigte klinisch eine tastbare Impression. Im CT stellt sich eine Impressionsfraktur rechts okzipital dar (a). In der Sonografie des Schädels lässt sich diese Ping-Pong-Fraktur (Schädel ist wie ein eingedrückter Tischtennisball verformt) gut abgrenzen (b). Die meisten heilen konservativ gut aus, eine Operation ist nur noch bei neurologischen Symptomen oder höhergradiger Kompression des Hirnparenchyms indiziert.(Quelle: Mit freundlicher Genehmigung des Instituts für Klinische Radiologie der Medizinischen Fakultät und des Universitätsklinikums Münster (Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. Walter Heindel))
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Abb. 7 Flussdiagramm – Aufgaben neurologischer Rehabilitation im Kindes- und Jugendalter.