Pneumologie 2018; 72(09): 611
DOI: 10.1055/a-0608-6205
Pneumo-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Jahreszeitliche Temperaturvariabilität beeinflusst die Häufigkeit von Atemwegserkrankungen

Sun S. et al.
Seasonal temperature variability and emergency hospital admissions for respiratory diseases: a population-based cohort study.

Thorax 2018;
DOI: 10.1136/thoraxjnl-2017-211333.
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Publication Date:
30 August 2018 (online)

 

    Es wird angenommen, dass der Klimawandel u. a. durch veränderte Virusaktiviäten, alterierende Vektoren, modifizierte Immunmechanismen und Allergendispositionen auch die Lungengesundheit beeinflusst. Querschnittsuntersuchungen zeigten, dass kurzfristige Temperaturänderungen das Risiko für die respiratorische Mortalität und Krankenhauseinweisungen steigerten. Die Studie mit der Chinese Elderly Cohort belegt nun die Relevanz von saisonalen Temperaturschwankungen.


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    Die Chinese Elderly Cohort besteht aus 66 820 Personen ≥ 65 Jahre, die von 1998 – 2001 erfasst wurden. Dies entspricht 9 % der älteren Einwohner Hongkongs. Alle erhielten eine umfassende körperliche Untersuchung und nahmen an Interviews teil. Jährlich erfolgte eine standardisierte Fragebogenaktion. Die Informationen betrafen u. a. demografische Daten, den sozioökonomischen Status, Lebensstil und BMI. Die digitale Gesundheitskarte reflektierte die Krankenhausaufnahmen unter den Stichworten Atemwegserkrankung, Pneumonie und chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD). Die Umgebungstemperatur zeichneten 22 Wetterstationen auf, die 1998 – 2010 eine Fläche von 1104 km2 abdeckten. Aus diversen Algorithmen (u. a. Kriging-Interpolation) ergab sich die tägliche Durchschnittstemperatur in der Umgebung. Danach berechneten die Forscher die Standardabweichung (SD) der durchschnittlichen Tagestemperatur im Sommer (Juni – August) und im Winter (Dezember – Februar) für jede Heimatadresse. Eine hohe bzw. geringe Temperaturvariabilität bestand bei Werten über bzw. unter der medianen saisonalen Temperaturvariabilität. Als Einflussvariablen wurden neben den individuellen Daten auch die Feinstaubbelastung (PM2,5) berücksichtigt.

    In die Analyse flossen Angaben von 61 449 Senioren ein. Das Durchschnittsalter betrug 72 Jahre, 65,9 % waren Frauen und 26,2 % hatten einen BMI > 26,3. Mehr als die Hälfte nahm täglich Medikamente ein. Während der Studienperiode wies die Temperaturvariabilität im Sommer und im Winter nahezu eine Normalverteilung auf. Im Sommer betrug die durchschnittliche Standardabweichung 1,4 °C und im Winter 3,2 °C. Von 1998 – 2010 erfolgten 12 689 Notaufnahmen wegen Atemwegserkrankungen, Pneumonie (52,6 %) und COPD (24,2 %).

    Die Temperaturvariabilität im Sommer stand nicht im Zusammenhang mit den Krankenhauseinweisungen. Im Winter waren alle Assoziationen signifikant positiv. Pro Grad-Celsius-Änderung der Temperaturvariabilität ergaben sich gesteigerte Wahrscheinlichkeiten für eine Hospitalisation:

    • alle Atemwegserkrankungen: HR 1,2 (95 %-KI 1,08 – 1,32),

    • Pneumonie HR 1,15 (95 %-KI 1,01 – 1,31),

    • COPD HR 1,41 (95 %-KI 1,15 – 1,71).

    Die Überprüfung zahlreicher Co-Variablen ergab, dass nur weibliches Geschlecht und ein geringer sozioökonomischer Status das Risiko weiter verschärften.

    Fazit

    Sun et al. interpretieren, dass zunehmende winterliche Temperaturschwankungen im Zuge des Klimawandels mit einer gesteigerten Wahrscheinlichkeit für schwerere Atemwegserkrankungen in Zusammenhang standen. Dass die Risikosteigerung im Sommer ausblieb, führen sie auf das heiße und humide Klima in Hongkong zurück. Menschen in warmen Gegenden wiesen eine langfristige Adaptation auf, die sie generell empfindlicher für kühle Temperaturen mache.

    Dr. med. Susanne Krome, Melle


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