Schlüsselwörter NET (neuroendokrine Tumore) - NEN (neuroendokrine Neoplasien) - Gastro-entero-pankreatische
Tumoren - Gastrinom - Insulinom - MEN
Key words NET (neuroendocrine tumour) - NEN (neuroendocrine neoplasia) - gastroenterpancreatic
tumour - gastrinoma - insulinoma - MEN (multiple endocrine neoplasia)
1. Leitlinienreport
1.1. Geltungsbereich und Zweck
1.1.1 Auswahl des Leitlinienthemas
Neuroendokrine Tumore (NET) und neuroendokrine Karzinome des Gastrointestinaltraktes
machen insgesamt ca. 1 % aller malignen Tumore aus. Die Diagnostik ist oft schwierig.
Die Symptomatik kann sehr vielfältig sein, häufig besteht zum Zeitpunkt der Diagnosestellung
eine Lebermetastasierung. In den letzten Jahren wurden entscheidende Fortschritte
in Diagnostik und Therapie gemacht, die eine zusammenfassende und systematische Bewertung
erfordern. Allerdings ist aufgrund der derzeitigen Studienlage eine aussagekräftige
Evidenzbewertung bei verschiedenen Fragestellungen oft nicht möglich. Dennoch ist
ein strukturiertes, interdisziplinäres Vorgehen für eine optimierte Versorgung der
betroffenen Patienten wesentlich, insbesondere da eine deutsche Leitlinie bisher nicht
existiert. Die Leitlinie hat daher zum Ziel, gemeinsam mit den verantwortlichen Fachgebieten
und den betroffenen Patienten neue und bewährte diagnostische Behandlungsoptionen
zu bewerten und optimierte Vorgehensweisen unter besonderer Berücksichtigung der individuellen
Patientenrisiken (Begleiterkrankungen) zu entwickeln.
1.1.2 Zielorientierung der Leitlinie
Die Leitlinie dient der Verbesserung der Erstversorgung, Diagnose und Therapie und
der Darstellung neuer Therapieoptionen und Perspektiven.
1.1.3 Patientenzielgruppe
Die Leitlinie gibt Empfehlungen für erwachsene Patienten mit gastrointestinalen neuroendokrinen
Tumoren.
1.1.4 Versorgungsbereich
Die Leitlinie gilt sowohl für die ambulante als auch die stationäre medizinische Versorgung
und behandelt Diagnostik und Therapie in der primärärztlichen und der spezialfachärztlichen
Versorgung.
1.1.5 Anwenderzielgruppe
An der Beratung, Diagnostik und Therapie der Erkrankung beteiligte Ärzte werden adressiert.
Die Leitlinie dient darüber hinaus zur Information der Primärärzte (Hausärzte).
1.2 Zusammensetzung der Leitliniengruppe und Beteiligung von Interessengruppen
Die Leitlinie wurde federführend durch die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie,
Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) erstellt, die als Koordinatoren Herrn
Professor Wiedenmann, Berlin, und Herrn Prof. Gress, Marburg, beauftragte. Frau Prof.
Pavel, Erlangen, und Frau Dr. Rinke, Marburg, verantworteten das Leitliniensekretariat.
Frau PD Dr. med. Lynen-Jansen, DGVS-Geschäftsstelle, Berlin, stand bei methodischen
Fragestellungen beratend zur Seite und übernahm organisatorische Aufgaben. Frau Dr.
Nothacker, AWMF, stand ebenfalls zur methodischen Beratung beiseite und übernahm die
Moderation beim Kickoff-Treffen und bei der Konsensuskonferenz.
Das Leitlinienvorhaben wurde in der Zeitschrift für Gastroenterologie ausgeschrieben
und auf der Webseite der AWMF veröffentlicht, sodass weitere Fachgesellschaften/Vertreter
sich zur Mitarbeit melden konnten.
Die für das Fachgebiet relevanten Fachgesellschaften und Patientengruppen wurden angeschrieben
und um die Nennung von Mandatsträgern gebeten.
Folgende Fachgesellschaften nahmen an der Leitlinie teil:
Netzwerk Neuroendokrine Tumoren (NeT) e. V. (Patientenvertretung) Katharina Mellar
Bundesorganisation Selbsthilfe NeuroEndokrine Tumoren e. V. (NET-sgh) (Patientenvertretung) Stefan Gniffke
Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V. (DGHO) und
Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie (AIO) der Deutschen Krebsgesellschaft
e. V. Florian Lordick
Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie e. V. (DGAV) Volker Fendrich, Nehara Begum, Thomas Musholt, Andreas Pascher, Thomas Steinmüller,
Peter Goretzki, Detlef K. Bartsch
Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) Detlef K. Bartsch, Wolfram Knoefel, Christine Wurst
Deutsche Gesellschaft für Endoskopie und Bildgebende Verfahren (DGEBV) Siegmund Faiss
Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin e. V. (DGN) Alexander Haug, Gabriele Pöpperl, Peter Bartenstein, Thorsten Pöppel, Klemens Scheidhauer,
Holger Amthauer, Samer Ezziddin, Richard Baum, Vikas Prasad
Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) Christine Spitzweg
Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) Matthias M. Weber, Christian Fottner
Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e. V. (DGP)
Deutsche Röntgengesellschaft e. V. (DRG) Timm Denecke
Deutsche Gesellschaft für Pathologie e. V./Bundesverband Deutscher Pathologen (DGP/BDP) Martin Anlauf, Thomas Knösel, Bence Sipos
Deutsche Gesellschaft für interventionelle Radiologie (DeGiR) Andreas Mahnken, Nils Zorger
Die AG-Einteilung erfolgte nach Fachgebiet, jeder AG wurden aber Vertreter der anderen
Fachgebiete während des Entwicklungsprozesses an die Seite gestellt:
AG 1: Diagnostik
AG-Leiter:
AG-Mitglieder:
AG 2: Chirurgische Therapie
AG-Leiter:
AG-Mitarbeiter:
AG 3: Interventionelle radiologische Therapie
AG-Leiter:
AG-Mitarbeiter:
Heiko Alfke: DRG
Samer Ezziddin: DGN
Peter Goretzki: DGAV
Andreas Mahnken: DeGiR
Christoph Trumm: NUK
Niels Zorger: DeGiR
AG 4: Nuklearmedizinische Therapieverfahren
AG-Leiter:
AG-Mitarbeiter:
Holger Amthauer: DGN
Richard Baum: DGVS, DGN
Samer Ezziddin: DGN
Peter Goretzki: DGAV
Alexander Haug: DGN
Clemens Kratochwil
Markus Luster
Thorsten Pöppel: DGN
Klemens Scheidhauer: DGN
Thomas Seufferlein: DGVS
AG 5: Medikamentöse Therapie
AG-Leiter:
AG-Mitarbeiter:
AG 6: Endoskopische Therapie
AG-Leiter:
Siegbert Faiss: DGE-BV
Hans Scherübl: DGVS
AG-Mitarbeiter:
Jörg Albert: DGVS
Andreas Probst: DGVS
Auf der Konsensuskonferenz wurde entschieden, auch das Thema Metastasen ohne Primärtumor
(CUP-Syndrom) in die Leitlinie mit aufzunehmen. Empfehlungen und Kommentare wurden
von einer auf der Konsensuskonferenz eingerichteten AG unter Leitung von Frau Dr.
Begum erarbeitet und interdisziplinär in einem weiteren Delphi-Verfahren abgestimmt.
AG CUP:
AG-Leitung:
AG-Mitarbeiter:
Ulrich-Frank Pape: DGVS
Martin Anlauf: DPG, BDP
Bence Sipos: DPG, BDP
Bernhard Gebauer: DGVS
Holger Amthauer: DGN
Die Arbeitsgemeinschaft Radiologische Onkologie (ARO) der Deutschen Krebsgesellschaft
e. V., die Deutsche Vereinte Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin
e. V. (DGK), die Pankreatektomierten Deutschland und die Gastro-Liga waren eingeladen,
entsendeten aber keine Mandatsträger. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin
(DEGAM) sagte aus personellen Gründen ihre Teilnahme ab.
1.3 Methodologische Exaktheit
1.3.1 Literaturrecherche und Auswahl der Evidenz
Auf einem ersten Treffen (Kick-off-Treffen) der Koordinatoren, Mandatsträger und der
Arbeitsgruppenleiter im September 2014 wurden die Inhalte und das methodische Vorgehen
festgelegt.
Durch die Koordinatoren wurde vorab ein Katalog von Themengebieten und Fragestellungen
erarbeitet. Während die europäischen Leitlinien (ENETS) nach Tumorentitäten aufgebaut
sind, ist die deutsche Leitlinie nach Behandlungsablauf und Fachdisziplinen gegliedert
(Diagnostik, Chirurgie, interventionelle radiologische Therapie, nuklearmedizinische
Therapie, medikamentöse Therapie, endoskopische Therapie), in denen jeweils das empfohlene
Vorgehen für die einzelnen Tumorentitäten abgehandelt wird. Dies hat den Vorteil,
dass die Wertigkeit einzelner Behandlungsstrategien im Vergleich der einzelnen Tumorentitäten
dargestellt und beurteilt werden kann.
Die 2012 aktualisierten ENETS-Leitlinien wurden auf dem Kick-off-Treffen vorgestellt
und stellten eine wesentliche Quelle für die Erarbeitung der Empfehlungen dar, die
für ein Update der europäischen Leitlinie (veröffentlicht 2016) verwendete Primärliteratur
wurde der Leitliniengruppe zur Verfügung gestellt. Die weitere Literatursuche erfolgte
in Pubmed innerhalb der Arbeitsgruppen. Für die Basissuche wurden als Limits festgelegt:
human, German, English, full text available, 5 years. Eine Zeitlimitierung wurde nicht
festgelegt, neue Literatur konnte bis zur Nachabstimmung berücksichtigt werden.
1.3.2 Formulierung der Empfehlungen und strukturierte Konsensfindung
Auf Grundlage der Literatur wurden die Empfehlungen und Hintergrundtexte durch die
AGs erarbeitet und zunächst im E-Mail-Umlaufverfahren innerhalb der einzelnen AGs
abgestimmt. Die Graduierung der Empfehlungen erfolgte über die Formulierung soll,
sollte, kann ([Tab. 1 ]). Alle Empfehlungen wurden zunächst in einem Delphi-Verfahren von allen Leitlinienmitarbeitern
mithilfe einer 5-stufigen Entscheidungsskala abgestimmt (ja, eher ja, unentschieden,
eher nein, nein). Zu Empfehlungen, die nicht mit ja abgestimmt wurden, musste ein
begründender Kommentar hinterlegt werden. Empfehlungen, die zu über 95 % mit ja/eher
ja abgestimmt wurden, konnten bereits zu diesem Zeitpunkt verabschiedet werden ([Tab. 2 ]).
Tab. 1
Schema zur Graduierung von Empfehlungen. Negative Empfehlungen werden entsprechend
formuliert.
Syntax
Beschreibung
soll
starke Empfehlung
sollte
Empfehlung
kann
Empfehlung offen
Tab. 2
Konsensfindung.
Konsens
% Zustimmung
starker Konsens
> 95
Konsens
> 75 – 95
mehrheitliche Zustimmung
50 – 75
kein Konsens
< 50
Die Kommentare und Änderungsvorschläge der Delphi-Runde wurden von den AG-Leitern
und den Koordinatoren gesichtet und die Empfehlungen überarbeitet. In einer strukturierten,
zweitägigen Konsensuskonferenz unter Moderation von Frau Dr. Nothacker, AWMF, stellten
die AG-Leiter die überarbeiteten Empfehlungen vor. Diese wurden, ggf. nach inhaltlichen
Rückfragen und der Formulierung von Alternativvorschlägen, nach den Prinzipien der
NIH-Konferenz diskutiert und mittels TED-System abgestimmt, bis eine Konsentierung
erreicht wurde.
Diskutiert wurden:
alle Empfehlungen, die in der Delphi-Runde weniger als 95 % Zustimmung erhalten haben,
Empfehlungen, die inhaltlich verändert wurden,
Empfehlungen, die bereits in der Delphi-Runde verabschiedet worden waren, aber aufgrund
von Dopplungen oder zur Verbesserung der inhaltlichen Stringenz der Leitlinie in den
Kommentar verschoben wurden,
neue Empfehlungen.
Empfehlungen, die in der Delphi-Runde nicht verabschiedet wurden und in den Kommentarteil
verschoben wurden, wurden nicht erneut abgestimmt.
Die Konsensusstärke wurde gemäß [Tab. 2 ] festgelegt. Im Anschluss an die Konsensuskonferenz erfolgte die finale Überarbeitung
der Kommentare durch die AG-Leiter und die redaktionelle Zusammenstellung der Leitlinie
durch die Koordinatoren.
1.3.3 Zeitplan
Februar 2013
Ausschreibung in der ZFG
März 2013
Beauftragung der Koordinatoren durch die DGVS
Juni 2014
Anmeldung bei der AWMF
September 2014
Kick-off-Treffen Berlin
September 2016
Delphi-Verfahren
November 2016
Konsensuskonferenz Berlin
Mai 2017
Nachabstimmung CUP
November 2017
Nachabstimmung veränderter Empfehlungen
1.4 Externe Begutachtung und Verabschiedung
Die Leitlinie wurde im Februar 2018 allen beteiligten Fachgesellschaften zur Stellungnahme
vorgelegt und von diesen verabschiedet. Durch die AWMF erfolgte eine externe formale
Beurteilung.
1.5 Redaktionelle Unabhängigkeit und Umgang mit Interessenkonflikten
Die Leitlinie wurde ausschließlich von der DGVS finanziert. Vertreter der pharmazeutischen
Industrie wurden nicht am Prozess der Leitlinienentwicklung beteiligt, um Neutralität
und Unabhängigkeit zu wahren.
Vor Beginn der Konsensuskonferenz legten alle Teilnehmer ihre Interessen offen (Anhang).
Hierfür wurden Interessenkonflikte schriftlich mithilfe eines Formblattes der Arbeitsgemeinschaft
der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF), das direkte
materielle und indirekte akademische Interessen umfasst, erfasst und der Leitliniengruppe
tabellarisch zur Verfügung gestellt. Für alle Empfehlungen, bei denen Personen ein
Interesse angegeben hatten, das zuvor als moderater Interessenkonflikt (Anhang) mit
thematischem Bezug zur Leitlinie gewertet wurde, erfolgte auf der Konsensuskonferenz
eine Doppelabstimmung (Abstimmung aller Teilnehmer sowie Abstimmung ohne Teilnehmer,
die ein Interesse bei diesem Thema hatten). Diese Doppelabstimmungen wurden dokumentiert.
Die Enthaltungen bei moderaten Interessenkonflikten führten nicht zu einer Änderung
der angenommenen Empfehlungen.
1.6 Verbreitung und Implementierung
Die Leitlinie sowie der Leitlinienreport werden auf der Homepage der DGVS (www.dgvs.de ) und der AWMF (www.awmf.com ) zum freien Download zur Verfügung gestellt. Die Langversion der Leitlinie wird in
der „Zeitschrift für Gastroenterologie“ in deutscher Sprache publiziert. Unterstützend
wird eine Leitlinien-App entwickelt. Die Leitlinienempfehlungen werden darüber hinaus
auf den Kongressen und themenbezogenen Fortbildungsveranstaltungen der DGVS vorgestellt.
1.7 Gültigkeitsdauer und Aktualisierungsverfahren
Die letzte Überarbeitung dieser Leitlinie erfolgte im März 2018. Die Gültigkeit beträgt
5 Jahre (2023). Eine Überarbeitung der Leitlinie bei veränderter Datenlage erfolgt
gegebenenfalls auch früher. Das Aktualisierungsverfahren wird koordiniert durch die
DGVS Geschäftsstelle.
1.8 Besonderer Hinweis
Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozess, sodass alle Angaben,
ins-besondere zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren, immer nur dem Wissensstand
zur Zeit der Drucklegung der Leitlinie entsprechen können. Hinsichtlich der angegebenen
Empfehlungen zur Therapie und der Auswahl sowie Dosierung von Medikamenten wurde die
größtmögliche Sorgfalt beachtet. Gleichwohl werden die Benutzer aufgefordert, die
Beipackzettel und Fachinformationen der Hersteller zur Kontrolle heranzuziehen und
im Zweifelsfall einen Spezialisten zu konsultieren. Fragliche Unstimmigkeiten sollen
bitte im allgemeinen Interesse der OL-Redaktion mitgeteilt werden. Der Benutzer selbst
bleibt verantwortlich für jede diagnostische und therapeutische Applikation, Medikation
und Dosierung.
In dieser Leitlinie sind eingetragene Warenzeichen (geschützte Warennamen) nicht besonders
kenntlich gemacht. Es kann also aus dem Fehlen eines entsprechenden Hinweises nicht
geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.
Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb
der Bestimmung des Urhebergesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der DGVS unzulässig
und strafbar. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung
reproduziert werden. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen,
Mikroverfilmungen und die Einspeicherung, Nutzung und Verwertung in elektronischen
Systemen, Intranets und dem Internet.
2. Diagnostik
2.1 Pathologie
2.1.1 Pathologie allgemein
Histopathologische Befunde aus Biopsaten sollen als minimale Informationen die histologische
Klassifikation (NET oder NEC), den Differenzierungsgrad (hoch differenziert versus
niedrig differenziert) und das proliferationsbasierte Grading mit Angabe des Ki-67-
(Mib1-) Index beinhalten.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bei Resektaten soll neben der histologischen Klassifikation und dem proliferationsbasierten
Grading die TNM-Klassifikation in der aktuellen Version angegeben werden, welche üblicherweise
das T-, N-, M-, L-, V- und Pn-Stadium enthält. Zusätzlich soll der R-Status (Resektionsrandstatus)
angegeben werden bezogen auf das Resektat, sowie Angaben zur Gefäßinvasion und Perineuralscheideninfiltration.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Die TNM-Klassifikation orientiert sich an der UICC-Klassifikation (8. Auflage) und
der überarbeiteten ENETS-Leitlinie zur Pathologie-Diagnostik und Risikostratifizierung
von neuroendokrinen Neoplasien [1 ].
In den Organregionen Appendix und Pankreas bestehen zwischen der UICC- und der ENETS-Klassifikation
Unterschiede. Hier empfiehlt sich die Angabe beider Klassifikationen im histopathologischen
Befundbericht [2 ].
Eine erneute Histologiegewinnung sollte bei Abweichen des klinischen Verlaufs von
der gestellten histologischen Diagnose erwogen werden.
Empfehlung, starker Konsens
Bei der histologischen Aufarbeitung aller NEN-Präparate des Gastrointestinaltraktes
sollen eine Hämatoxylin-Eosin (HE) und PAS-Färbung erfolgen, um insbesondere die Morphologie
hinsichtlich der Differenzierung gut vs. gering differenziert vornehmen zu können.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Die HE-Färbung ist die Standardfärbung in der diagnostischen Histopathologie. Die
PAS-Färbung ist in vielen Fällen ergänzend hilfreich bezüglich der Fragestellung,
ob in den Tumorzellen neurosekretorische Vesikel enthalten sind. Diese sind in aller
Regel in der PAS-Färbung negativ (im Gegensatz zu den schleimbildenden Adenokarzinomen,
diese sind in der PAS-Färbung positiv). Die Einordnung einer NEN als hoch differenziert
(NET) oder niedrig differenziert wird konventionell morphologisch entsprechend den
Vorgaben der WHO vorgenommen [1 ]
[3 ]
.
Zudem soll die immunhistochemische Analyse der beiden generellen neuroendokrinen Marker
Synaptophysin und Chromogranin A erfolgen. Die Kombination von Synaptophysin und Chromogranin
A soll primär durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Für die Diagnosestellung einer NEN ist der Nachweis neurosekretorischer Vesikelproteine
definierend. Diese liegen in zwei Formen vor, i. e. small-dense-core- oder large-dense-core-Vesikel.
Small-dense-core-Vesikel sind in NEN nahezu ubiquitär vertreten. Synaptophysin weist
daher als Marker von small-dense-core-Vesikeln eine sehr hohe Sensitivität für die
Diagnostik von NEN auf, jedoch im Einzelfall eine mangelnde Spezifität [1 ]
[3 ]. Large-dense-core-Vesikel sind nur in einem Teil der NEN nachweisbar. Chromogranin
A weist als Marker für diese Vesikel eine sehr hohe Spezifität, jedoch insbesondere
bei NEC eine mangelnde Sensitivität auf [1 ]
[3 ]. Im Einzelfall kann eine ergänzende Analyse des CD56-Antigens hilfreich sein und
in Erwägung gezogen werden. Der Routineeinsatz des CD56-Antigens zur differenzialdiagnostischen
Fragestellung des Vorliegens einer NEN wird jedoch wegen der mangelhaften Spezifität
nicht empfohlen [1 ]
[3 ]. Die Analyse weiterer Markerproteine wird zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung
gegenüber anderen Tumorentitäten empfohlen (z. B. Paragangliom, malignes Melanom,
Lymphom, gering differenziertes Karzinom und Tumoren mit klein-rund-blauzelliger Differenzierung)
[1 ]
[3 ].
Die Bestimmung der Proliferationsrate soll immunhistochemisch mittels anti-Ki-67 Antikörper
(Mib1) erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Die Analyse einer repräsentativen Paraffin-eingebetteten Gewebeprobe ist ausreichend.
Bei größeren Operations-Präparaten empfiehlt es sich aufgrund einer möglicherweise
vorliegenden Tumorheterogenität, die Analyse sowohl am Primarius als auch an repräsentativem
Metastasengewebe vorzunehmen [1 ]
[4 ]
[5 ].
Die Quantifizierung des Ki-67-Antigens kann optional ergänzt werden durch die konventionell
morphologische Analyse der Mitosen. Die Bestimmung von Ki-67 ist jedoch präziser und
reproduzierbarer als die Analyse der Mitoserate [1 ]
[4 ]
[5 ]
.
Die Quantifizierung der Ki-67- (MIB1-) positiven Tumorzellkerne soll bezogen auf alle
Tumorzellkerne in einem gegebenen Areal erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Die Quantifizierung soll bei geringer mikroskopischer Vergrößerung in den proliferationsaktivsten
Arealen erfolgen (hot spots).
Starke Empfehlung, starker Konsens
Die Zählung der positiven Zellen soll mindestens in einem high power field (~0,2 mm²,
ca. 500 – 2000 Tumorzellen) durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Kommentar zu 2.7 – 9
Die Auszählung kann manuell oder computergestützt erfolgen. Die Auswertung kann auch
an sehr kleinen Paraffin-eingebetteten Gewebeproben erfolgen, immer unter der Voraussetzung,
dass ausreichend Tumorzellen erfasst sind. Eine immunhistochemische Analyse an Ausstrichpräparaten
wird mangels Zuverlässigkeit nicht empfohlen. [1 ]
[6 ]
[7 ].
Bei Erstdiagnose eines NET kann die Durchführung einer Immunhistochemie gegen den
Somatostatin-Rezeptor 2A (SSTR2A) als optionale Diagnostik erfolgen, wenn klinisch
gewünscht.
Empfehlung offen, Konsens
Die immunhistochemische Analyse des SSTR2A ersetzt keinesfalls die nuklearmedizinische
Untersuchung. Die immunhistochemische Untersuchung kann insbesondere bei Erstdiagnosestellung
durchgeführt werden und bietet dann einen wichtigen diagnostischen Ausgangs-Parameter.
Eine kräftige membranöse Expression des SSTR2A korrespondiert in den allermeisten
Fällen mit einer entsprechend positiven nuklearmedizinischen Bildgebung. Hingegen
ist die immunhistochemische Negativität für den SSTR2A nicht zwangsläufig mit einer
negativen nuklearmedizinischen Bildgebung korreliert [1 ]
[8 ]
[9 ].
Die zusätzliche immunhistochemische Analyse von Hormonen und/ oder biogenen Aminen
kann als optionale, klinisch orientierte Diagnostik erwogen werden. Sie bedarf einer
spezifischen klinischen Fragestellung und eines klinischen Auftrags. Mögliche klinische
Fragestellungen sind z. B. die Validierung der klinisch vermuteten endokrinologischen
Symptomatik, Herausarbeiten von spezifischen Markern, die für eine endokrinologische
Verlaufskontrolle herangezogen werden können oder bei Multifokalität von NET die Sicherung
der Diagnose, dass der funktionell aktive NET reseziert wurde.
Empfehlung offen, Konsens
Die Analyse von spezifischen Hormonen und/ oder biogenen Aminen gehört in den Bereich
der optionalen Diagnostik, wie sie sehr häufig an größeren klinischen NEN-Zentren
nachgefragt wird. Sie setzt ein größeres Repertoire an gut standardisierten Antikörpern
voraus, eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit und auch spezialisierte Kenntnisse
zum Peptid-/Aminphänotyp von NET in definierten Abschnitten des Verdauungstraktes.
Diese sind in [Tab. 3 ] zusammengefasst. Die Liste kann je nach klinischer Befundkonstellation ergänzt werden
durch den Nachweis zahlreicher weiterer Hormone bei ektoper Hormonbildung (z. B. ACTH-Nachweis
beim Cushing-Syndrom).
Tab. 3
Immunhistochemische Marker bei spezifischen NET in unterschiedlichen Abschnitten des
Verdauungstraktes.
Hormon-Marker
Magen
Gastrin, Serotonin, VMAT2
Duodenum
Gastrin, Serotonin, Somatostatin
Pankreas
Gastrin, Glukagon, Insulin, Pankreatisches Polypeptid, Serotonin, Somatostatin
Insulinom
Insulin, Proinsulin
Glukagonom
Glukagon
VIPom
VIP
Gastrinom
Gastrin
Dünndarm
Serotonin, Gastrin, Somatostatin
Appendix
Serotonin
Colon
Serotonin
Rektum
(Entero-) Glukagon, Pankreatisches Polypeptid, Serotonin
2.1.2 Pathologie spezieller Teil, organspezifische Untersuchungen
Bei größeren Operationspräparaten von Patienten mit Zollinger-Ellison-Syndrom sollte
eine intensivierte Gewebsaufarbeitung des Duodenums zur Identifikation des duodenalen
Gastrinoms und auch bezüglich der Fragestellung einer möglichen Multifokalität Gastrin-produzierender
NET erfolgen.
Duodenale Gastrinome treten gehäuft im Rahmen eines MEN1-Syndromes auf. Es handelt
sich dann meist um winzige (< 5 mm im Durchmesser große) und sehr häufig multifokal
vorliegende metastasierte NET. Auch sporadische – in aller Regel solitär vorliegende
– Gastrinome des Duodenums sind häufig sehr klein und können bei geringer Größe bereits
metastasieren. Die bei dem Zollinger-Ellison-Syndrom zugrundeliegende Hypergastrinämie
ist in der Regel verursacht durch lokoregionäre Lymphknoten- oder Lebermetastasen,
die klinisch und makroskopisch meist gut abgegrenzt werden können. Der Nachweis des
häufig winzigen duodenalen Primarius und weiterer möglicherweise vorliegender winziger
Gastrinome und deren Vorläuferläsionen setzt jedoch eine intensive Gewebsaufarbeitung
für eine Diagnosestellung voraus. Hierzu ist neben der Gewebsentnahme aus makroskopisch
tumorsuspekten Arealen auch die Entnahme aus makroskopisch unauffälligen Arealen erforderlich
[10 ]
[11 ]
[12 ]
.
Bei größeren Tumorpräparaten eines Glukagonoms sollte eine intensivierte Gewebsaufarbeitung
bezüglich der differenzialdiagnostischen Fragestellung einer Glukagon-Zell-Hyperplasie
und -Neoplasie (GCHN) erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens
Glukagonome treten ausschließlich im Pankreas auf. Bei Assoziation mit einem klinisch
relevanten Glukagonom-Syndrom liegt meist ein fortgeschrittenes, ausgedehnt metastasiertes
Tumorstadium vor. Zugrunde liegt ein solitärer metastasierter NET. Bei der seltenen
Differenzialdiagnose einer Glukagon-Zell-Hyperplasie und -Neoplasie (GCHN) handelt
es sich um eine multifokale Tumorerkrankung des Pankreas, gekennzeichnet durch eine
Glukagon-bildende Mikroadenomatose (i. e. multiple glukagon-produzierende NET < 5 mm
im Durchmesser). Der Nachweis von solchen multifokal vorliegenden Mikroadenomen innerhalb
des Pankreas setzt bei der Organpräparation eine intensivierte Gewebeentnahme aus
tumorsuspekten und auch makroskopisch unauffälligen Pankreasparenchym voraus [13 ]
[14 ]
[15 ]
[16 ]
.
Bei größeren Tumorpräparaten eines Insulinoms sollte eine intensivierte Gewebsaufarbeitung
bezüglich der differenzialdiagnostischen Fragestellung einer Insulinomatose erfolgen.
Empfehlung, Konsens
Insulinome treten ausschließlich im Pankreas auf. Es handelt sich um solitäre, häufig
kleine NET (< 2 cm im Durchmesser). Bei der seltenen Differenzialdiagnose einer Insulinomatose
handelt es sich um multifokale, meist sehr kleine Insulin-bildende NET. Diese liegen
häufig als Mikroadenome (< 5 mm im Durchmesser) vor. Der Nachweis solcher Mikroadenome
und einer möglicherweise vorliegenden Multifokalität setzt bei der Organpräparation
eine intensivierte Gewebeentnahme aus tumorsuspektem und auch makroskopisch unauffälligem
Pankreasparenchym voraus. Auch die Abgrenzung gegenüber der Differenzialdiagnose einer
adulten Nesidioblastose ist nur durch die Analyse von makroskopisch unauffälligem
Pankreasgewebe möglich [17 ]
[18 ]
[19 ]
.
Bei größeren Tumorpräparaten von Patienten mit MEN1-Syndrom sollte eine intensivierte
Gewebsaufarbeitung bezüglich der Fragestellung einer Multifokalität und eine immunhistochemische
Untersuchung von Gastrin, Serotonin, Somatostatin, Insulin und/oder Proinsulin, Glukagon
sowie Pankreatischem Polypeptid bei gezielter klinischer Fragestellung durchgeführt
werden.
Patienten mit MEN1-Syndrom zeigen häufig multiple NET im Bereich von Magen, Duodenum
und Pankreas. Bei den MEN1-assoziierten NET des Magens handelt es sich in aller Regel
um Histamin-produzierende Tumoren der ECL-Zellen. Im Duodenum liegen gehäuft Gastrin-
oder Somatostatin-produzierende NET vor. Die multifokal vorliegenden MEN1-assoziierten
NET und Mikroadenome des Pankreas können das gesamte Spektrum pankreatischer Hormone
exprimieren, i. e. Glukagon, Insulin, Somatostatin oder Pankreatisches Polypeptid.
Auch die Expression von ektopen Hormonen ist in MEN1-asssoziierten NET des Pankreas
möglich. Der Nachweis der häufig sehr kleinen MEN1-assoziierten NET in den o. g. Organsystemen
setzt bei der Organpräparation eine intensivierte Gewebeentnahme aus tumorsuspekten
und auch makroskopisch unauffälligen Arealen voraus. Die Analyse von Peptidhormonen
und/ oder biogenen Aminen orientiert sich an der klinischen Fragestellung (z. B. bei
Vorliegen eines Zollinger-Ellison-Syndroms der Nachweis des Gastrin-bildenden NET
und ggf. dessen Metastasen, bei der Klinik einer hyperinsulinämischen persistierenden
Hypoglykämie der Nachweis des Insulin-bildenden NET und ggf. dessen Metastasen etc.)
[10 ]
[11 ]
[12 ]
[15 ].
Die Gewebeaufarbeitung und gezielte immunhistochemische Analyse der in aller Regel
multipel vorliegenden neuroendokrinen Läsionen bedarf einer engen interdisziplinären
Zusammenarbeit, insbesondere auch Kenntnis der klinisch vorliegenden Hormon-assoziierten
Syndrome und deren möglichen histomorphologischen Korrelaten in den unterschiedlichen
Abschnitten des Verdauungstraktes.
Unbekannter Primarius
Bei NET mit unklarem Primarius sollte die Analyse der Transkriptionsfaktoren TTF1,
CDX2, Isl-1 sowie ggfs. spezifischer Peptidhormone und/ oder biogener Amine in Abhängigkeit
der klinischen Fragestellung erwogen werden, um ggfs. dadurch Rückschlüsse auf einen
möglichen Primärtumor zu erhalten.
Empfehlung, starker Konsens
Die klinische Fragestellung nach der Lokalisation des Primarius anhand von Metastasengewebe
ist eine relativ häufige Frage, insbesondere an größeren NEN-Zentren. Sie gehört in
den Bereich der klinisch orientierten optionalen Diagnostik und setzt aufseiten der
Pathologie neben einem breiten, gut etablierten Repertoire von Antikörpern grundlegende
Kenntnisse zum Expressions-Spektrum von NEN in unterschiedlichen Organsystemen voraus.
Einschränkend angemerkt werden muss, dass die Analyse von Transkriptionsfaktoren und
biogenen Aminen/Peptidhormonen zuverlässig nur bei hoch differenzierten Tumoren (NET)
angewendet werden kann. Bei gering differenzierten Neoplasien (NEC) sind organspezifische
Marker nur eingeschränkt verlässlich. Eine Analyse der o. g. Marker kann hier jedoch
im Einzelfall hilfreich sein [1 ]
[21 ]
.
MANEC
Bei morphologischen Hinweisen auf das Vorliegen eines gemischt Adeno-Neuroendokrinen
Tumors sollen ergänzende Untersuchungen zur Diagnosesicherung eines MANEC erfolgen.
Entsprechend den Vorgaben der WHO soll eine semiquantitative Festlegung und präzise
Diagnosestellung der neuroendokrinen Komponente und der Adenokarzinomkomponente erfolgen.
Beide Komponenten sollen getrennt diagnostiziert und im Befund dargestellt werden
(alternativ Diagnosestellung einer amphikrinen Differenzierung).
Starke Empfehlung, starker Konsens
Für die Risikostratifizierung und die Therapie von MANEC ist die präzise Diagnostik
beider im Tumor vorliegenden Komponenten entscheidend. Die Therapie orientiert sich
in aller Regel an der biologisch maligneren (in den meisten Befunden dominierenden)
Komponente. Beide Komponenten werden entsprechend den gültigen Leitlinien diagnostiziert
und prozentual angegeben [3 ].
Beim amphikrinen Phänotyp des MANEC liegen beide Phänotypen (adenoid und neuroendokrin)
nicht nebeneinander, sondern in einer Tumorzelle vor. Es handelt sich meist um biologisch
hoch aggressive Neoplasien. Diese treten im Verdauungstrakt gehäuft im Pankreas auf
[3 ].
2.2 Labordiagnostik
2.2.1 Allgemeine Labordiagnostik
Chromogranin A
Bei allen NEN soll Chromogranin A zumindest einmalig bestimmt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Chromogranin A ist der wichtigste allgemeine Tumormarker für neuroendokrine Neoplasien,
der sowohl bei hormonaktiven als auch bei funktionell inaktiven neuroendokrinen Tumoren
erhöht sein kann. Eine Erhöhung von Chromogranin A findet sich bei fast allen Gastrinomen,
sehr häufig bei Phäochromozytomen und NET des Dünndarms sowie häufig bei nicht funktionellen
pankreatischen NET. Seine Bestimmung wird bei allen NEN zumindest einmalig empfohlen
[22 ]
[23 ]
[24 ]
[25 ]
[26 ]
[27 ]. Falsch negative/normale Chromogranin-A-Spiegel finden sich häufig bei NET der Appendix,
des Duodenums, bei Insulinomen, typischen Lungenkarzinoiden, Paragangliomen, rektalen
NET und bei NEC [23 ]
[28 ]
[29 ].
Chromogranin A ist bei differenzierten NET G1 und G2 sensitiver als die NSE und weist
auch im Vergleich zur 5-HIES-Ausscheidung bei NET des Dünndarms eine höhere Sensitivität
auf [23 ]
[30 ]
[31 ]. Bei hochproliferativen NEC findet sich eine meist nur geringgradige Erhöhung von
CgA bei ca. 60 % der Patienten [32 ]
[33 ].
Je nach Tumorentität, Tumorstadium und gewähltem Cut-off weist Chromogranin A eine
Sensitivität und Spezifität von 60 – 100 % auf mit einer Sensitivität von etwa 30 %
bei lokoregionalen NET und 70 % bei Patienten mit metastasierten NET. Bei Vorliegen
eines metastasierten NET werden Spezifitäten von bis zu 100 % angegeben. [22 ]
[23 ]
[24 ]
[31 ]
[34 ]
[35 ]
[36 ]
[37 ]
[38 ]
[39 ]
[40 ]
[41 ]
[42 ].
Die Höhe des Chromogranin-A-Spiegels ist abhängig vom Tumorvolumen und kann als prognostischer
Faktor oder als Hinweis für ein Rezidiv beziehungsweise Tumorprogress dienen, auch
wenn die Korrelation hierzu nicht in allen Studien sehr eng ist [23 ]
[30 ]
[33 ]
[36 ]
[43 ]
[44 ]
[45 ]
[46 ]
[47 ]
[48 ]
[49 ]
[50 ]
[51 ]
[52 ].
Bei Patienten mit NET, die mit SSA behandelt werden, kann die Korrelation zwischen
der Tumormasse und Chromogranin A verlorengehen oder abgeschwächt werden, da SSA die
Synthese und Sekretion von Chromogranin A hemmen. Dies muss bei der Interpretation
der Chromogranin A-Werte berücksichtigt werden, und wenn möglich sollten Verlaufskontrollen
immer zum gleichen Zeitpunkt des SSA-Injektionsintervalls durchgeführt werden [29 ]
[40 ]
[41 ]
[47 ].
Ein direkter Vergleich der CgA-Ergebnisse zwischen verschiedenen Assays ist nicht
möglich und Bestimmungen für die Verlaufskontrolle von CgA sollen immer nur mit dem
gleichen Assay vorgenommen werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Eine Vielzahl von Methoden wird zur Bestimmung von Chromogranin A eingesetzt und die
Referenzbereiche zeigen eine große Schwankungsbreite in Abhängigkeit von den eingesetzten
Bestimmungsmethoden, dem Anteil an miterfassten Fragmenten und den angesetzten Grenzwerten.
So schwanken die Sensitivitäten im direkten Vergleich von 3 kommerziell verfügbaren
Assays zwischen 67 und 93 %, was in 2 prospektiven multizentrischen Studien zu einer
klinischen Diskordanz in 36 % und einer sehr hohen Variabilitätsrate zwischen verschiedenen
klinischen Laboren geführt hat. [37 ]
[53 ]
[54 ]
[55 ]
[56 ]
[57 ]. Ein wesentlicher Grund für die starke Interassay-Variabilität ist neben einem fehlenden
internationalen Standard die Anwesenheit von zahlreichen proteolytischen Fragmenten
von Chromogranin A, wobei dem Nachweis des intakten Chromogranin A eine höhere Sensitivität
für die Diagnose eines NET zugesprochen wird [34 ]
[58 ]. Ein direkter Vergleich der CgA-Ergebnisse zwischen den verschiedenen Assays ist
daher nicht möglich und Bestimmungen für die Verlaufskontrolle sollten immer nur mit
dem gleichen Assay vorgenommen werden [22 ]
[54 ].
Chromogranin A soll nicht als Screeningparameter für einen NET, sondern nur bei histologisch
gesichertem NET als Tumormarker für die Steuerung der Therapie und Nachsorge durchgeführt
werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Aufgrund zahlreicher, nicht mit einem NET assoziierten Ursachen, die zu einer Chromogranin-A-Erhöhung
führen können, ist Chromogranin A nicht als diagnostischer Marker für den Nachweis
eines neuroendokrinen Tumors geeignet. So zeigte sich in einer multizentrischen prospektiven
Studie nur eine Sensitivität von 71 – 83 % für die Diskriminierung zwischen gesunden
Kontrollen und Patienten mit einem NET [37 ]. Falsch hohe Werte werden gefunden bei eingeschränkter Nierenfunktion, M. Parkinson,
Schwangerschaft, unbehandelter Hypertonie, Glukocorticoidexzess, entzündlichen Darmerkrankungen,
Lebererkrankungen, bei Hypergastrinämie aufgrund einer chronisch atrophen Gastritis
Typ A, PPI-Einnahme, Helicobacter-pylori-assoziierter Gastritis und beim Vorhandensein
von heterophilen Antikörpern, aber auch bei nicht-neuroendokrinen Tumoren kann Chromogranin
A in 10 – 30 % der Fälle erhöht sein, wie zum Beispiel bei Pankreas-, Prostata- und
Mammakarzinomen, multiplen Myelomen und HCC, sodass Chromogranin A kein geeigneter
Parameter für ein Screening bzgl. eines neuroendokrinen Tumors ist [23 ]
[29 ]
[35 ]
[54 ]
[59 ]
[60 ]
[61 ]
[62 ]
[63 ]. Bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz kann Chromogranin A aufgrund seiner renalen
Elimination nicht als Tumormarker eingesetzt werden, da die Spiegel mit zunehmender
Nierenfunktionseinschränkung zunehmend ansteigen, nicht durch eine Dialyse abgesenkt
werden und bei terminaler Niereninsuffizienz zum Teil sehr hohe Werte gemessen werden
[64 ]
[65 ].
Eine gleichzeitige Medikation mit PPI soll bei der Interpretation berücksichtigt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Wenn klinisch möglich soll für die Bestimmung von Chromogranin A eine Protonenpumpen-Inhibitor-Therapie
für mindestens 3 Halbwertszeiten (10 – 14 Tage) abgesetzt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Die höchsten, nicht mit einem NET assoziierten Chromogranin-A-Spiegel finden sich
im Zusammenhang mit einer ECL-Hyperplasie im Rahmen einer Hypergastrinämie, wie sie
bei der chronisch atrophischen Gastritis und unter Protonenpumpen-Inhibitor-Therapie
mit zunehmender Dauer bei über 60 % der Patienten gefunden wird und die auch bei Vorliegen
eines NET zu einem weiteren Anstieg der Chromogranin-A-Spiegel führen kann. Da selbst
niedrig dosierte PPI und zu einem geringeren Ausmaß auch H2-Rezeptor-Antagonisten
bereits nach kurzer Zeit zu einem signifikanten Anstieg der Chromogranin-A-Spiegel
führen können und die Chromogranin-A-Spiegel bereits 5 Tage nach dem Absetzen bereits
wieder signifikant abfallen, muss eine Begleitmedikation mit einem Säureblocker bei
der Interpretation unbedingt berücksichtigt und – wenn klinisch möglich – vor der
Bestimmung für 1 – 2 Wochen pausiert werden [59 ]
[63 ]
[66 ]
[67 ]. Auch wenn nach Meinung vieler Experten eine CgA-Bestimmung zur Verlaufskontrolle
bei gesicherter Diagnose eines NET und stabiler Medikation auch unter fortlaufender
PPI-Therapie sinnvoll sein kann, muss bei der Interpretation berücksichtigt werden,
dass bei Patienten ohne NET mit zunehmender Dauer einer PPI-Therapie ein deutlicher
Anstieg der Chromogranin-A-Spiegel beschrieben wurde [67 ].
Bei CgA-Erhöhung ohne bisherigen NEN-Nachweis sollen alle möglichen Faktoren, die
zu einer unspezifischen Erhöhung der CgA-Spiegel beitragen können (Niereninsuffizienz,
Herzinsuffizienz, chron. atrophe Gastritis, PPI-Therapie, HP-assoziierte Gastritis,
Durchfallerkrankungen, ...) bei der Interpretation berücksichtigt und wenn möglich
ausgeschlossen werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Obwohl die Bestimmung von Chromogranin A nicht als Screening-Untersuchung auf das
Vorliegen eines NET geeignet ist und von allen Fachgesellschaften in dieser Indikation
abgelehnt wird, stellt die differenzialdiagnostische Abklärung eines erhöhten Chromogranin-A-Spiegels
bei Patienten ohne bisherigen Nachweis eines NET ein sehr häufiges klinisches Problem
dar, was oft zu einer starken Verunsicherung des Patienten und einer nicht unerheblichen
Mehrdiagnostik führt, die bis hin zu einer funktionellen Bildgebung reichen kann.
Um den diagnostischen Aufwand so gering wie möglich zu halten, sollten daher zunächst
alle oben genannten Faktoren, die zu einer nicht NET-spezifischen Erhöhung führen
können, erfasst, wenn möglich behoben und bei der Interpretation berücksichtigt werden.
Die häufigsten Ursachen einer unspezifischen Chromogranin-A-Erhöhung – die selten
das 4 – 5-Fache des oberen Normbereichs überschreitet – sind eine Niereninsuffizienz,
eine atrophe Gastritis und vor allem die Säureblockade mit PPI. So kann oft bereits
das Pausieren einer säureblockierenden Therapie mit anschließender Verlaufskontrolle
zu einer Normalisierung der Chromogranin-A-Spiegel führen [22 ]
[29 ]
[54 ]
[63 ].
5-Hydroxyindolessigsäure (5-HIES)
Bei V. a. NET des Jejunums/Ileums soll zusätzlich und unabhängig vom Vorliegen einer
dem Karzinoid-Syndrom entsprechenden Symptomatik eine 5-HIES-Bestimmung erfolgen.
Starke Empfehlung, Konsens
Die 5-Hydroxyindolessigsäure (5-HIES) ist das Abbauprodukt von Serotonin, welches
von vielen neuroendokrinen Tumoren vor allem des Dünndarms sezerniert wird und maßgeblich
an der Entstehung des klinischen Krankheitsbildes des Karzinoid-Syndroms mit wässrigen
Diarrhöen und Flushing und einer desmoplastischen Reaktion des Bindegewebes beteiligt
ist. Die Bestimmung von 5-HIES im 24-Stunden-Sammelurin ist neben CgA der wichtigste
Laborparameter für den Nachweis und die Verlaufskontrolle eines fortgeschrittenen
hormonaktiven NET des Dünndarms. 5-HIES hat eine Sensitivität von 70 – 75 % und eine
Spezifität von 85 – 100 % für den Nachweis eines fortgeschrittenen NET des Dünndarms.
Die Sensitivität ist höher bei beim Vorhandensein eines Karzinoid-Syndroms (bis 100 %)
und ist deutlich geringer bei NET des Vorderdarms und Hinterdarms, da diese geringere
Mengen an Serotonin produzieren und seltener ein Karzinoid-Syndrom verursachen [22 ]
[38 ]
[39 ]
[54 ]
[68 ]. Da selbst bei klinisch hormoninaktiven GEP-NET in fast 50 % der Fälle erhöhte 5-HIES-Spiegel
gefunden werden, sollte initial zumindest bei allen NET des Dünndarms eine einmalige
Bestimmung von 5-HIES erfolgen [69 ]. Darüber hinaus werden für das Karzinoid-Syndrom neben Serotonin auch die Sekretion
weiterer Tachykinine wie Substanz P und Neurokinin A verantwortlich gemacht, sodass
in seltenen Fällen die 5-HIES-Ausscheidung auch beim Vorhandensein eines Karzinoid-Syndroms
unauffällig sein kann, insbesondere wenn keine Durchfälle bestehen [68 ]. Durch Absenken des Grenzwerts auf 2,8 mmol/mol Kreatinin kann die Sensitivität
auf 68 % angehoben werden (bei 89 % Spezifität), während bei einem hohen Grenzwert
von 6,7 mmol/mol Kreatinin die Sensitivität bei nur 52 % liegt, aber die Spezifität
bei 98 % [70 ]. Es besteht keine gute Korrelation zwischen der Höhe der 5-HIES-Spiegel und dem
Schweregrad der Symptome, was wahrscheinlich auf eine fluktuierende Serotoninsekretion
durch den Tumor und zusätzliche Mediatoren des Karzinoid-Syndroms zurückzuführen ist.
In den meisten Studien ist eine erhöhte 5-HIES-Ausscheidung im Urin mit einer schlechteren
Prognose assoziiert, auch wenn dies bei insgesamt heterogener Datenlage keinen verlässlichen
unabhängigen prognostischen Parameter darstellt [30 ]
[68 ]
[71 ]
[72 ]
[73 ]
[74 ].
Für die Zeit der Urinsammlung sollen interferierende Nahrungsmittel und – sofern klinisch
vertretbar – Medikamente vermieden werden und der Patient soll über die genauen Sammelbedingungen
in Form einer schriftlichen Anleitung informiert werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Verschiedene Methoden sind für die Bestimmung der 5-HIES-Ausscheidung verfügbar, am
häufigsten wird die HPLC eingesetzt [22 ]. Für eine Verbesserung der Stabilität soll der Urin in Plastikbehältern unter Zusatz
von Säure über 24 h gesammelt und bis zur Bestimmung kühl gelagert werden. Mindestens
3 Tage vor der Sammelperiode sollen interferierende Nahrungsmittel mit hohem Serotoningehalt
(Pflaumen, Ananas, Bananen, Tomaten, Avocado, Auberginen, Walnüsse), die zu falsch
hohen Ergebnissen führen können, sowie interferierende Medikamente vermieden werden.
Medikamente, die zu falsch hohen Werten führen können sind: Cumarine, Koffein, Fluorouracil,
Paracetamol, Phentolamin, Reserpin, Nikotin, Acetaminophen, Phenobarbital, Ephedrine,
Methamphetamine, Melphalan, Phenacetin, Mesalamin. Medikamente, die zu falsch niedrigen
Werten führen können sind Aspirin, Heparin, Levodopa, Chlorpromazin, Streptozotocin,
Ranitidin, MAO-Hemmer, Phenothiazin, Isoniazid, Corticotrophin. Auch Alkohol kann
zu falsch niedrigen Werten führen. Falsch niedrige Werte werden gefunden bei Niereninsuffizienz
oder Dialyse, falsch hohe Werte bei Malabsorption. Die genauen Bedingungen des Sammelns
sollen dem Patienten zusätzlich zur mündlichen Erklärung in Form einer schriftlichen
Anleitung mitgegeben werden [22 ]
[54 ]
[75 ]
[76 ]
[77 ]
[78 ]
[79 ]
[80 ]
[81 ]
[82 ]
[83 ].
Bei ausreichender methodischer Qualität der Bestimmung und der Sammelmethode und geringem
klinischem Verdacht kann auch zum Zeitpunkt der Erstdiagnose eine einmalige Bestimmung
ausreichend sein, bei grenzwertigen Befunden oder starkem klinischem Verdacht sollte
eine Mehrfachbestimmung durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Aufgrund von zum Teil starker intraindividueller Schwankungen der 5-HIES-Ausscheidung
im Urin wird von den meisten Experten eine Zweifachbestimmung zum sicheren Ausschluss
oder der Erstdiagnose eines Karzinoid-Syndroms empfohlen [22 ]. Bei geringem klinischem Verdacht und gesicherter Qualität der Sammelbedingungen
und der Bestimmungsmethode kann nach Expertenmeinung des Leitliniengremiums auch eine
Einfachbestimmung zum Ausschluss eines Karzinoid-Syndroms ausreichend sein.
Inwieweit sich die Bestimmung der 5-HIES-Ausscheidung im nächtlichen 8-Stunden-Sammelurin
aufgrund der geringeren tageszeitlichen Schwankung als Alternative zur 24-Stunden-Urinsammlung
bei der Bestimmung von 5-HIES im Urin durchsetzen wird, muss in weiteren Studien geklärt
werden [84 ]
[85 ]. Eine weitere vielversprechende Alternative zu der aufwändigen, fehlerbehafteten
und für den Patienten unangenehmen Urinsammlung stellt die Bestimmung von 5-HIES im
Serum mittels Flüssigkeits-Chromatografie und Tandem-Massenspektometrie dar, für welche
vergleichbare Sensitivitäten und Spezifitäten wie für die 5-HIES-Ausscheidung im Urin
berichtet wurden [86 ]
[87 ]
[88 ].
Eine Bestimmung von Serotonin im Serum sollte aufgrund von starken individuellen Schwankungen
und methodischen Problemen routinemäßig nicht durchgeführt werden.
Empfehlung, Konsens
Die Bestimmung von Serotonin im Serum ist prinzipiell möglich, zeigt aber aufgrund
starker individueller Schwankungen und methodischer Probleme eine geringere Sensitivität
und Spezifität und wird daher in der klinischen Routine nicht für die Verlaufskontrolle
von Patienten mit NET empfohlen [22 ]
[68 ]. Auch die Bestimmung von Serotonin in den Thrombozyten, in welchen Serotonin in
Abhängigkeit von den Serumspiegeln gespeichert wird, besitzt zwar nach einigen Publikationen
eine bessere Sensitivität und Spezifität, konnte sich aber in der klinischen Routine
aufgrund von eingeschränkter Verfügbarkeit nicht durchsetzen [70 ].
Neuronen-spezifische Enolase (NSE)
Bei NEC sollte neben Chromogranin A zumindest einmalig auch NSE bestimmt werden.
Empfehlung, Konsens
Die Neuronen-spezifische Enolase (NSE) ist ein zytoplasmatisches Enzym, welches in
Zellen neuronalen und neuroektodermalen Ursprungs gefunden wird. Erhöhte Konzentrationen
von NSE im Serum werden bei etwa 20 – 45 % der differenzierten NET gefunden und scheinen
mit einer negativen Prognose assoziiert zu sein [23 ]
[31 ]
[33 ]
[49 ]
[50 ]
[75 ]. Dabei weist die NSE im Vergleich zu Chromogranin A eine geringere Sensitivität
und Spezifität für den Nachweis eines differenzierten NET auf und wird daher bei NET
nicht als Routineparameter empfohlen [23 ]
[31 ]
[89 ]. Im Gegensatz zu Chromogranin A zeigt die NSE jedoch eine Assoziation mit höher
proliferativen und undifferenzierten NEN, bei denen es eine zu CgA vergleichbare oder
leicht bessere Sensitivität und Spezifität und prognostische Aussagekraft besitzt.
So findet sich bei insgesamt begrenzter Datenlage eine Erhöhung von NSE bei 54 % der
NET G2 (vs. 19 % der NET G1, [33 ]) und bei 50 – 70 % aller NEN G3 [23 ]
[31 ]
[33 ]. Die Bestimmung von NSE als allgemeinem Tumormarker kann daher zusätzlich zu Chromogranin
A insbesondere bei hochproliferativen NET G2/3 und vor allem bei NEC zumindest bei
der Erstdiagnose ein weiterer hilfreicher Tumormarker sein [90 ].
Carcinoembryonales Antigen (CEA)
Bei MANEC sollte neben Chromogranin A auch CEA bestimmt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Obwohl CEA (Carcinoembryonales Antigen) als Tumormarker bei NET aufgrund der sehr
geringen Sensitivität von nur 15 % keine Rolle spielt [89 ] und keine guten Daten zu seiner Rolle bei gemischten adeno-neuroendokrinen Karzinomen
MANEC (mixed adeno-neuroendocrine carcinoma) vorliegen, wird von den Experten der
Leitlinie empfohlen, bei MANEC zusätzlich zu CgA auch das CEA zu bestimmen, da der
immunhistologische Nachweis eine wichtige Rolle bei der Diagnose eines MANEC [91 ]
[92 ] spielt und CEA ein wichtiger Tumormarker für zahlreiche Adenokarzinome ist.
2.2.2 Spezielle Labordiagnostik
Die Bestimmung weiterer biochemischer Parameter soll nur bei entsprechender klinischer
Symptomatik erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Neben den allgemeinen Tumormarkern NSE und CgA sowie der bei einem Großteil der Dünndarm
NET erhöhten 5-HIES-Ausscheidung gibt es eine Reihe von weiteren hormonellen Parametern
und Tumormarkern, die in Abhängigkeit von der Tumorlokalisation und dem Vorliegen
einer möglichen hormonellen Klinik in speziellen Situationen für die Diagnostik und
Verlaufsbeobachtung hilfreich sein können. So kann bei einem NEN mit unbekanntem Primarius
neben der Immunhistochemie und der funktionellen Bildgebung mittels PET auch die Bestimmung
von zusätzlichen Laborparametern Hinweise auf die Primärlokalisation ergeben, wie
zum Beispiel das pankreatische Polypeptid als Hinweis für einen nicht funktionellen
Pankreas-NET und die 5-HIES-Ausscheidung als Hinweis für einen intestinalen NET. Bei
gesichertem Karzinoid-Syndrom ist die Bestimmung des N-terminalen pro-brain natriuretic
peptide (NTpro BNP) ein hilfreicher Marker für das Vorliegen eines Karzinoid-Herzsyndroms
(Hedinger Syndrom) mit rechtsventrikulärer Fibrosierung des Endokards, Trikuspidalinsuffizienz
und Pulmonalstenose [93 ]
[94 ]. Darüber hinaus werden für die Diagnose eines funktionell aktiven NET neben dem
Vorhandensein eines entsprechenden klinischen Krankheitsbildes auch der Nachweis der
inadäquaten Hormonsekretion gefordert, sodass der alleinige immunhistochemische Nachweis
für die Diagnosestellung nicht ausreichend ist [95 ].
Die [Tab. 4 ] fasst die möglichen Indikationen für die Bestimmung biochemischer Parameter zusammen.
Tab. 4
Übersicht über mögliche Indikationen für die Bestimmung biochemischer Parameter.
Parameter
Indikation
Chromogranin A
bei allen NEN zumindest einmalig
NSE
bei allen NEN G3 zumindest einmalig
5-HIES
bei allen NEN des Dünndarms zumindest einmalig,
bei V. a. Karzinoid-Syndrom
Pankreatisches Polypeptid (PP)
bei unbekanntem Primarius, (pankreatische NET)
Insulin/C-Peptid
bei V. a. Insulinom (pNET)
Gastrin
bei duodenalen NET zumindest einmalig, bei V. a. Zollinger-Ellison-Syndrom
Glukagon
bei V. a. Glukagonom/Erythema necrotica migrans (pNET)
VIP
bei Durchfällen (pNET)
PTHrP
bei Hypercalciämie
Calcitonin
bei Va. MTC, Durchfälle (pNET)
ACTH/Cortisol
bei V. a. Cushing Syndrom
GHRH
bei V. a. Akromegalie
(meist pulmonale und pankreatische NET)
Karzinoid-Syndrom
Bei Verdacht auf ein Karzinoid-Syndrom soll eine Bestimmung von 5-HIES im 24-Stunden-Sammelurin
durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Der Nachweis einer erhöhten Ausscheidung von 5-HIES im Sammelurin hat bei Vorliegen
von klinischen Zeichen eines Karzinoid-Syndroms mit Auftreten von Flushing und Diarrhö
eine sehr hohe Sensitivität und Spezifität für das Vorliegen eines hepatisch metastasierten,
Serotonin-produzierenden NET jejuno-ilealen Ursprungs. In seltenen Fällen wurde jedoch
auch bei gastroenteropankreatischen NET anderer Lokalisation das Vorliegen eines Karzinoid-Syndroms
mit erhöhter 5-HIES-Ausscheidung beschrieben, sodass bei entsprechender klinischer
Symptomatik in sehr seltenen Fällen auch bei NET des Duodenums, des Appendix oder
kolorektalen NET zusätzlich zu Chromogranin A die Bestimmung von 5-HIES im Urin sinnvoll
sein kann [96 ]
[97 ]
[98 ]
[99 ]. Mit Ausnahme der bronchopulmonalen und urogenitalen NET, bei denen sich ein Karzinoid-Syndrom
aufgrund der Umgehung des portalen Kreislaufs auch ohne Lebermetastasierung entwickeln
kann, ist das Auftreten eines Karzinoidsyndroms mit Erhöhung der 5-HIES-Ausscheidung
bei lokalisierten intestinalen NET ohne hepatische Metastasierung eine Rarität und
nur in wenigen Fällen in der Literatur beschrieben. Eine 5-HIES-Bestimmung wird daher
hier nur in Ausnahmefällen empfohlen [100 ]
[101 ]
[102 ]
[103 ]
[104 ].
Zollinger-Ellison Syndrom/Gastrinom
Die Diagnose eines Zollinger-Ellison-Syndroms (ZES)/Gastrinoms soll durch den Nachweis
von erhöhten Nüchterngastrinspiegeln im Serum bei gleichzeitigem Nachweis einer verstärkten
Magensäuresekretion durch den Nachweis eines erniedrigten Magensaft-pH < 2 gestellt
werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Die biochemische Diagnose eines Zollinger-Ellison-Syndroms durch einen Gastrin- sezernierenden
neuroendokrinen Tumor des Duodenums oder Pankreas erfolgt durch den Nachweis von erhöhten
Gastrinspiegeln im Blut bei daraus resultierender verstärkter Magensäuresekretion
[22 ]. Eine alleinige basale oder stimulierte Gastrinbestimmung ohne Nachweis eines erniedrigten
Magensaft-pH ist für die Diagnosestellung nicht ausreichend, da eine starke Erhöhung
der Serum-Gastrinspiegel auch bei chronisch atrophischer Fundusgastritis, Helicobacter-pylori-Infektion,
Magenausgangsstenose, Niereninsuffizienz, Kurzdarm-Syndrom, und vor allem unter einer
PPI-Therapie gefunden werden kann. So können insbesondere bei laufender PPI-Therapie
stark erhöhte Nüchternplasmaspiegel von Gastrin mit Werten über > 1000 pg/ml gefunden
werden.
Sind die Gastrinspiegel im Grenzbereich erhöht und liegt der pH unter 2, soll zur
weiteren Differenzialdiagnose ein Sekretin-Test durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Wenn der nüchterne Serumgastrinspiegel über das 10-Fache der oberen Norm erhöht ist
(meist > 1000 pg/ml) und der Magensaft-pH < 2 ist, ist die Diagnose eines Gastrinoms
gesichert [105 ]. In 60 % der Fälle eines Zollinger-Ellison-Syndroms liegen die Gastrinspiegel unterhalb
dieser Schwelle (ca. 200 – 1000 pg/ml), sodass bei einem pH < 2 eine weitere Abklärung
durch den Sekretin-Test notwendig ist [106 ]
[107 ]. Bei einem Anstieg von Gastrin um mehr als 200 pg/ml ist der Sekretin-Test als positiv
zu werten. Ein Anstieg der Serumgastrinspiegel nach Gabe von Sekretin 2U/kg Körpergewicht
i. v. um über 120 pg/ml hat eine Sensitivität und Spezifität für das Vorliegen eines
Zollinger-Ellison-Syndroms von 94 bzw. 100 % [108 ]. Falsch positive Ergebnisse des Sekretintests finden sich insbesondere dann, wenn
der Sekretintest im Zusammenhang mit einer Hypochlorhydrie (BAO < 5mEq/h in der Magensaftanalyse)
oder Achlorhydrie bei atropher Gastritis oder fortgesetzter PPI-Therapie durchgeführt
wird oder werden muss [109 ], sodass der Ausschluss/Nachweis einer atrophen Gastritis durch eine Mapping-Biopsie
der Schleimhaut ebenso wie die Dokumentation der Magensäureproduktion durch eine pH-Bestimmung
oder Magensaftanalyse bei der Interpretation der Ergebnisse zwingend zu fordern ist
und im Zweifelsfall der Patient zur weiteren Diagnostik an ein entsprechendes Zentrum
verwiesen werden sollte.
Für die Diagnostik eines Gastrinoms sollen nur spezifische Gastrinassays herangezogen
werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Wenn klinisch möglich, sollten die PPI für 10 – 14 Tage vor dem Test abgesetzt und
durch H2-Blocker ersetzt werden. Letztere sollten – soweit klinisch möglich – 48 Stunden
vor dem Test abgesetzt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Bei eingeschränkter Expertise oder Nichtverfügbarkeit der notwendigen methodischen
Voraussetzungen sollte der Patient zur Diagnostik in ein erfahrenes NET-Zentrum überwiesen
werden.
Empfehlung, starker Konsens
Neben der eingeschränkten Verfügbarkeit von Sekretin stellt die zunehmende Verbreitung
unspezifischer Gastrinassays ein relevantes Problem dar, da dies zu schwerwiegenden
klinischen Fehlinterpretationen führen kann. So zeigten in einer Untersuchung 7 von
12 kommerziell verfügbaren Assays entweder falsch normale oder falsch hohe Werte an,
was durch die unterschiedlichen im Plasma vorhandenen Fragmente von Gastrin erklärt
werden kann [110 ]. Für die Diagnostik sollen daher nur spezifische Gastrinassays herangezogen werden
und bei der Blutabnahme muss ein rascher Transfer der Plasmaröhrchen auf Eis ins Labor
gewährleistet sein [22 ]. Ein großes klinisches Problem ist die Notwendigkeit des Absetzens einer Protonenpumpeninhibitor-Therapie
für die Diagnostik, da es hierdurch bei der Bestimmung der Serumgastrinspiegel oder
der Durchführung des Sekretin-Stimulationstests häufig zu falsch positiven Befunden
kommen kann. Ein Absetzen der PPI-Therapie bei Patienten mit Verdacht auf ein Zollinger-Ellison-Syndrom
sollte nicht abrupt und unkontrolliert durchgeführt werden, da die Patienten hierbei
durch eine Ulkuskomplikation gefährdet werden können [111 ]. Die Patienten sollten daher für die weitere Diagnostik in ein erfahrenes Zentrum
überwiesen werden, wo die Diagnostik unter Verfügbarkeit von Sekretin und einer Magensaftanalyse
optimalerweise unter stationären Bedingungen und mit langsamem Ausschleichen der PPI-Therapie
bei gleichzeitigem Magenschutz durch H2-Blocker individuell durchgeführt werden kann
[22 ]
[54 ]
[105 ]
[109 ].
Bei allen gesicherten Gastrinomen sollte, wenn keine Gendiagnostik zum Ausschluss
oder Nachweis einer MEN1 erfolgt, zumindest einmalig eine Bestimmung von Serumkalzium,
PTH und Prolaktin durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Bei 20 % aller Patienten mit Gastrinom tritt dies im Rahmen einer multiplen Endokrinen
Neoplasie Typ 1 (MEN1) auf. MEN1-assoziierte Gastrinome sind in der Regel multiple,
kleine (< 5 mm), intramukosale Läsionen im Duodenum. Sie wachsen meist langsam, zeigen
jedoch häufig frühzeitig bereits eine Metastasierung in regionale Lymphknoten oder
die Leber. Sie finden sich nur selten im Pankreas, wo sie schwer von nicht-funktionellen
pankreatischen NEN zu unterscheiden sind [11 ]
[112 ]
[113 ]. Aufgrund der Häufigkeit einer Assoziation eines Gastrinoms mit einer MEN1 empfiehlt
die Clinical Practice Guideline der Amerikanischen Gesellschaft für Endokrinologie
bei Patienten mit Gastrinom die Durchführung einer entsprechenden MEN1-Gendiagnostik.
Sollte diese, aus welchen Gründen auch immer, nicht erfolgen, wird zumindest ein biochemisches
Screening empfohlen, um das Vorliegen eines primären Hyperparathyreoidismus und eines
Prolaktinoms, als der häufigsten weiteren Manifestationsformen einer MEN1, ausschließen
zu können, bzw. bei Auffälligkeiten weitere diagnostische Maßnahmen einzuleiten [114 ].
Insulinom
Für eine laborchemische Sicherung eines Insulinoms soll eine faktitielle Ursache einer
Hypoglykämie durch die gleichzeitige Bestimmung von Insulin, Proinsulin und C-Peptid
sowie ggfs. durch ein Drogen-Screening auf Sulfonylharnstoffe oder andere Insulinsekretagoga
im Serum und Urin zum Zeitpunkt einer Hypoglykämie ausgeschlossen werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Das Insulinom ist der häufigste hormonaktive Tumor des Pankreas und stellt sich klinisch
durch die sogenannte Whipple-Trias dar mit: 1. Symptomen einer Hypoglykämie, 2. dem
Nachweis von erniedrigten Blutzuckerspiegeln und 3. dem Verschwinden der Symptome
nach Glukosegabe. Die Definition einer Hypoglykämie ist in diesem Zusammenhang nicht
einheitlich und reicht je nach Empfehlung von 40 – 55 mg/dl (2,2 – 3,0 mmol/l) als
oberem Grenzwert [105 ]
[115 ]
[116 ].
Eine der wichtigsten Differenzialdiagnosen zu einem Insulinom stellt bei ähnlicher
Klinik die faktitielle Hypoglykämie dar, die für eine korrekte Diagnosestellung eines
Insulinoms noch vor Einleitung einer weiteren bildgebenden Diagnostik unbedingt ausgeschlossen
sein muss. Der Verdacht auf eine Hypoglycaemia factitia ergibt sich aus der Kombination
von hohen Seruminsulinspiegeln bei supprimiertem C-Peptid oder beim Nachweis von Sulfonylharnstoffen
oder anderer Insulinsekretagoga [22 ]
[117 ]
[118 ].
Zum Nachweis eines Insulinoms soll ein 72-Stunden-Hungerversuch durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Der 72-Stunden-Hungerversuch sollte in einem erfahrenen Zentrum stationär durchgeführt
werden.
Empfehlung, starker Konsens
Das Verhältnis von Insulin/Glukose soll nicht zur Diagnosestellung herangezogen werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Die Durchführung eines Hungerversuchs ist der Goldstandard für die biochemische Diagnose
eines Insulinoms, auch wenn in der Literatur unterschiedliche Kriterien für die Durchführung
und Interpretation der Werte existieren [105 ]
[116 ]
[119 ]
[120 ]
[121 ]
[122 ]
[123 ]
[124 ]
[125 ]
[126 ]. Nach der Leitlinie der Endocrine Society sind die Diagnosekriterien für den biochemischen
Nachweis eines Insulinoms: Hypoglykämie-Symptome mit gleichzeitigem Nachweis von Serumglukosespiegel
< 55 mg/dl (in nass-chemischer Messung und mit Inhibition der Glykolyse im Probenmaterial)
und Insulin-Spiegel ≥ = 3 uU/ml und C-Peptid-Spiegel ≥ = 0,6 ng/ml sowie Proinsulin-Spiegel
von ≥ = 5,0 pmol/l. Eine Bestimmung der ß-Hydroxybutyrat-Spiegel oder Urin-Ketonkörper
sollte am Ende des Tests durchgeführt werden, um ein ausreichendes Fasten zu bestätigen
[116 ]
[119 ]
[120 ]. Niedrige Hydroxybutyrat-Spiegel (< 2,7 mmol/l) im Zusammenhang mit einer nachgewiesenen
Hypoglykämie weisen auf eine inadäquate autonome Insulinsekretion hin, auch wenn insbesondere
bei Patienten mit Insulinomrezidiv und Z. n. partieller Pankreatektomie auch höhere
Hydroxybutyrat-Spiegel beschrieben wurden [123 ]. Ein Glukagon-Test am Ende der 72-Stunden-Hungerperiode kann zusätzlich durchgeführt
werden. Ein Anstieg der Serumglukose um mindestens 25 mg/dl nach i. v. Gabe von Glukagon
belegt die Insulin-vermittelte Hypoglykämie [119 ]. Ein Insulin-/Glukoseindex wird bei Verwendung eines spezifischen Insulinassays
und zusätzlicher Bestimmung von Proinsulin als biochemisches Diagnose-Kriterium für
ein Insulinom von den meisten Autoren nicht empfohlen [54 ]
[105 ]
[119 ]. Allerdings kann eine autonome Insulinsekretion alleine aufgrund dieser Kriterien
im 72-Stunden-Hungerversuch nicht immer ausgeschlossen werden, da in einer Subgruppe
nur postprandiale Hypoglykämien auftreten, sodass in diesen Fällen eine veränderte
Insulinsekretion im Glukosetoleranztest als weiteres Diagnosekriterium herangezogen
werden kann [105 ]
[126 ]
[127 ]. Die Bestimmung von Chromogranin A ist für die biochemische Diagnosestellung eines
Insulinoms nicht hilfreich, da es im Gegensatz zu der sehr guten Sensitivität von
92 % bei nicht funktionellen pankreatischen NET bei Insulinomen mit einer Sensitivität
von 73 % häufig nicht erhöht ist [128 ].
Magen NET
Zum Nachweis einer atrophen Gastritis kann neben einer Mapping-Biopsie der Magenschleimhaut
eine Serumgastrin- und pH-Magensaftbestimmung durchgeführt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Bei Nachweis einer chronisch atrophen Gastritis sollten zusätzlich zum Blutbild Vitamin-B12-Spiegel,
TSH und ggf. Intrinsic-Faktor- und Parietalzellantikörper bestimmt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Bis zu 50 % aller Patienten mit chronisch atropher Gastritis weisen positive Intrinsic-Faktor-Autoantikörper
bzw. Schilddrüsenautoantikörper (TPO- und TAK-Autoantikörper) auf. Um eine möglicherweise
damit assoziierte perniziöse Anämie bzw. einen Vitamin-B12-Mangel oder eine Hypothyreose
zu detektieren, sollten daher neben dem Blutbild (makrozytäre Anämie) auch der Vitamin-B12-Spiegel
bestimmt werden sowie die Schilddrüsenfunktion, um ggfs. eine entsprechende Substitutionstherapie
einleiten zu können [98 ]
[129 ]
[130 ].
Duodenale NET
Neben CgA kann die Bestimmung des Serum-Gastrin als zusätzlicher Laborparameter auch
beim klinisch asymptomatischen Patienten sinnvoll sein.
Empfehlung offen, starker Konsens
Bei periampullären NET sollte an eine Assoziation mit einer Neurofibromatose von Recklinghausen
gedacht und nach entsprechenden klinischen Manifestationen gesucht werden.
Empfehlung, starker Konsens
Eine Gastrinsekretion stellt die häufigste funktionelle Aktivität bei etwa 10 % der
duodenalen NET dar, gefolgt von einer Serotoninsekretion mit einem Karzinoid-Syndrom
in etwa 4 % der Fälle, andere paraneoplastische Hormonsekretionen sind eine Rarität.
Da die Klinik bei einem Gastrinom im frühen Stadium noch unspezifisch sein kann, kann
die Bestimmung von Gastrin als zusätzlicher Laborparameter auch beim klinisch asymptomatischen
Patienten mit duodenalem NET sinnvoll sein [98 ]
[131 ]
[132 ]. Multiple duodenale NET sind selten (ca. 9 %) und sollten ebenso wie das Vorliegen
eines ZES an eine MEN1 denken lassen, mit der etwa 6 % aller duodenalen NET und 20 – 30 %
aller duodenalen Gastrinome assoziiert sind. Bei periampullären NEN, die oft eine
positive Immunhistologie für Somatostatin aufweisen (ohne klinisches Krankheitsbild)
und häufiger mit einer Neurofibromatose von Recklinghausen assoziiert sind, sollte
bei Erstdiagnose eines duodenalen NEN im Bereich der Ampulle an die Neurofibromatose
von Recklinghausen gedacht und nach entsprechenden klinischen Manifestationen gesucht
werden [132 ]
[133 ]
[134 ]
[135 ]
[136 ]
[137 ]
[138 ].
Pankreatische NET
Bei klinischem Verdacht auf ein VIPom sollte zur Diagnosesicherung VIP im Serum bestimmt
werden.
Empfehlung, starker Konsens
Bei klinischem Verdacht auf ein Glukagonom sollte zur Diagnosesicherung eine Bestimmung
von Glukagon durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Bei pankreatischen NET sollte im Hinblick auf eine mögliche Assoziation mit einer
MEN1 einmalig eine Bestimmung von Serumkalzium, PTH und Prolaktin durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Neben Chromogranin A kann die Bestimmung des pankreatischen Polypeptids (PP) als Tumormarker
bei nicht funktionellen pankreatischen neuroendokrinen Tumoren für die Differenzialdiagnose
und für den Nachweis eines Progresses oder eines Tumorrezidivs zu einem früheren Zeitpunkt
hilfreich sein. Das pankreatische Polypeptid (PP) besitzt im Vergleich zu Chromogranin
A eine deutlich geringere Sensitivität von etwa 40 – 60 % und eine Spezifität von
etwa 65 % für den Nachweis von pankreatischen NET, kann aber in Kombination mit CgA
insbesondere bei den hormoninaktiven pankreatischen NET eine Sensitivität von bis
zu 80 – 90 % aufweisen [139 ]
[140 ]
[141 ].
Bei Verdacht auf das Vorliegen einer tumorspezifischen hormonellen Klinik sollten
die entsprechenden hormonellen Marker bestimmt werden (z. B. VIP bei V. a. VIPom und
Glukagon bei V. a. ein Glukagonom). Da bis zu 15 – 30 % aller pankreatischer NET im
Rahmen einer MEN1 auftreten, sollte zumindest einmalig bei allen pankreatischen NET
als biochemisches Screening zusätzlich eine Bestimmung von Serumkalzium, PTH und Prolaktin
durchgeführt werden [141 ]
[142 ].
MEN1
Eine MEN1-Gendiagnostik sollte erwogen werden bei familiärer Häufung von NET, bei
multiplen pankreatischen NET, bei Gastrinomen, bei Insulinomen insbesondere, wenn
das Lebensalter unter 30 Jahren liegt oder bei Vorliegen von mindestens zwei MEN1-typischen
Tumoren.
Empfehlung, starker Konsens
Die Multiple Endokrine Neoplasie Typ 1 (MEN1) ist charakterisiert durch das Auftreten
von Tumoren in 2 oder mehr endokrinen Drüsen bei einem Patienten. Charakteristisch
ist das Auftreten von Nebenschilddrüsenadenomen, NEN des Pankreas (sowie des Magens,
Duodenums, der Lunge und des Thymus) und von Hypophysenadenomen (häufig Prolaktinome
und Wachstumshormon-sezernierende Adenome). Die MEN1 tritt auf im Rahmen von Mutationen
des Menin-Gens und wird autosomal dominant vererbt. Etwa 10 % der Mutationen entstehen
de novo. In etwa 80 % der Fälle lässt sich durch eine molekulargenetische Diagnostik
eine spezifische Mutation nachweisen, wobei keine relevanten Mutations-Hotspots vorliegen
und auch keine Genotyp-Phänotyp-Korrelation besteht. Die klinische Ausprägung kann
bei unterschiedlichen Familienmitgliedern trotz identischer Mutation eine starke Variabilität
zeigen. Nebenschilddrüsenadenome treten bei bis zu 95 % aller MEN1-Patienten auf,
ein Hypophysenadenom bei etwa 30 – 40 %. 40 – 70 % aller MEN1-Patienten entwickeln
im Laufe ihres Lebens einen neuroendokrinen Tumor des Pankreas, neuroendokrine Tumore
der Lunge finden sich bei etwa 8 % der Patienten, NEN des Magens bei 5 – 7 % und neuroendokrine
Neoplasien des Thymus bei 1 % [113 ]
[143 ]
[144 ].
Bei duodenalen oder pankreatischen NEN im Rahmen einer MEN1 kann zusätzlich zu Chromogranin
A auch PP bestimmt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Zum Nachweis anderer MEN1-assoziierter Tumormanifestationen sollen zudem Serumkalzium,
PTH und Prolaktin bestimmt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bei duodenalen oder pankreatischen NET im Rahmen einer MEN1 soll unabhängig von der
Klinik auch eine Gastrinbestimmung erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Weitere Diagnostik wie Insulin, C-Peptid und Hungerversuch, IGF-1, Dexamethason- Hemmtest,
VIP oder Glukagon sollten bei klinischem Verdacht bestimmt werden.
Empfehlung, Konsens
s. Kommentar zu Empfehlung 2.84 Nachsorge
2.3 Bildgebende Diagnostik
2.3.1 Nuklearmedizinische Verfahren
Eine initiale SSR-Bildgebung soll bevorzugt mittels PET/CT bei jedem NET G1 oder NET
G2 erfolgen. Ausnahmen hiervon sind: Magen-NET Typ I und Rektum-NET G1 (jeweils < 1 cm
und ohne Risikofaktoren), und der Zufallsbefund eines Appendix-NET (< 1 cm) ohne Risikofaktoren.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Soweit möglich und verfügbar soll die funktionelle SSR-Bildgebung mittels eines SSTR-
PET/CT erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Für die nuklearmedizinische Bildgebung von SSR-positiven NET stehen verschiedene Radiopharmaka
mit hohen Affinitäten vor allem für den SSR-Subtyp 2 zur Verfügung. Prinzipiell ist
von einer Gleichwertigkeit der drei am häufigsten genutzten Somatostatin-Analoga DOTATATE,
DOTATOC und DOTANOC in der Bildgebung von NET auszugehen [145 ]
[146 ]. In einer prospektiven Vergleichsstudie zeigte sich für gastrointestinale NET eine
klare signifikante Überlegenheit für die [68Ga]-DOTA-Peptid-PET/CT im Vergleich zu
Octreoscan® und CT/MRT, mit einer Sensitivität von jeweils 95,1, 30,9 und 45,3 % [147 ]. Insbesondere in der Diagnose von Knochenmetastasen zeigte sich eine signifikant
höhere Sensitivität der SSR-PET/CT von 94,1 % im Vergleich zu 12,4 % von CT/MRT. Folglich
sollte zum Nachweis von Knochenmetastasen eine SSR-PET/CT erfolgen. Diese diagnostische
Überlegenheit führte bei 32,8 % der Patienten zu einer Änderung in Bezug auf das therapeutische
Vorgehen durch zusätzliche Befunde in der [68Ga]-DOTA-Peptid-PET/CT. Eine Unterscheidung
in Bezug auf die Lokalisation des Primärtumors erfolgte nicht. Für unterschiedliche
Primärtumorlokalisationen gibt es nur retrospektive Studien. So konnte für pankreatische
NET eine signifikant höhere Sensitivität der SSR-PET/CT von 100 % im Vergleich zu
65,2 % der MRT gezeigt werden [148 ].
Nur falls eine SSR-PET/CT nicht verfügbar ist, soll zusätzlich zu CT/MRT alternativ
ein Octreoscan® durchgeführt werden. Dieser Octreoscan® sollte bevorzugt als SPECT/CT durchgeführt werden, da die SPECT/CT im Vergleich zur
planaren Szintigrafie eine signifikant höhere diagnostische Genauigkeit aufweist [149 ].
Da Insulinome teils keine Expression von SSR aufweisen, ist die Wertigkeit der SSR-PET/CT
nicht klar, auch wenn einzelne Studien, wenngleich mit niedrigen Fallzahlen, von Sensitivitäten
von bis zu 87 – 90 % berichten [150 ]
[151 ]. Eine neue Entwicklung stellt die PET/CT mit [68Ga]-NOTA-Exendin-4, das an den GLP-1-Rezeptor
bindet, dar. In einer prospektiven Pilotstudie erreichte sie eine patientenbezogene
Sensitivität von 97,7 % [152 ]. Jedoch ist [68Ga]-NOTA-Exendin-4 bislang nur in ausgewählten Zentren verfügbar.
Eine funktionelle SSR-Bildgebung, idealerweise als SSR-PET/CT, kann bei morphologisch
gut differenzierten NET G3 (nach WHO Klassifikation 2017 für NEN des Pankreas) zumindest
einmalig durchgeführt werden, da diese Untergruppe trotz des höheren Proliferationsgrades
häufig noch eine Expression des SSR aufweist und sich hieraus evtl. therapeutische
Konsequenzen ergeben können.
Empfehlung offen, starker Konsens
Studien haben gezeigt, dass G3 NET eine bessere Prognose als G3 NEC aufweisen; allerdings
gibt es keinen klaren Konsens über die Behandlung von G3 NET. Wenn G3 NET Somatostatin-Rezeptoren
exprimieren, stellt die Durchführung einer PRRT eine prinzipielle Möglichkeit dar.
Daher sollten alle G3 NET mindestens einmal mit SSR-PET/CT dargestellt werden.
Eine SSR-PET/CT-Bildgebung kann auch bei NEC G3, die bezogen auf den Proliferationsindex
klinisch ein nur sehr langsames/diskrepantes Tumorwachstum zeigen oder nicht auf eine
platinbasierte Chemotherapie ansprechen, sinnvoll sein, da sich in seltenen Fällen
hieraus prognostische und therapeutische Konsequenzen ergeben können und diese Tumoren
dadurch auch nach klonaler Heterogenität beurteilt werden können [153 ]
[154 ].
Bei NEC G3 kann ein FDG PET/CT zum initialen Staging, Restaging und zur Rezidivdiagnostik
indiziert sein.
Empfehlung offen, starker Konsens
Generell ist die konventionelle Bildgebung für das Staging und Restaging des G3 NEC
ausreichend, bei Patienten mit einem groß- und kleinzelligen NEC der Lunge sowie des
Urogenitaltraktes kann das FDG-PET präoperativ jedoch ergänzend eingesetzt werden
[155 ]
[156 ]. Ein FDG-PET/CT kann auch bei NET G1/2 sinnvoll sein, da die FDG-PET prognostische
Aussagekraft bei G1/2 NET aufweist und insbesondere zur Biopsieplanung bei unklaren
Verläufen eingesetzt werden kann.
Die MIBG-Szintigrafie sollte nicht als Standardverfahren bei G1-G2 NET angewandt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Die MIBG-Szintigrafie sollte aufgrund ihrer niedrigen Sensitivität von 49 – 52 % insbesondere
im Vergleich zur SSR-PET/CT nicht als Standarddiagnostik angewandt werden [157 ]
[158 ].
2.3.2 CT/MRT
Für die Primärdiagnostik von abdominellen NET oder Metastasen soll eine Schnittbildgebung
mittels hochauflösender Multidetektor-CT (in resultierender Schichtdicke von ≤ 2 mm)
mit Kontrastmittel (3 Phasen, inkl. früharterieller Phase) oder eine KM-unterstützte
MRT durchgeführt werden, gegebenenfalls in Kombination mit einer funktionellen SR-PET,
wenn das Hybridgerät den oben genannten vollen diagnostischen Spezifikationen entspricht.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Neben dem transabdominellen Ultraschall und dem Ultraschall mit Kontrastmittel ist
beim Staging von NEN die CT mit einer mittleren Sensitivität und Spezifität von 82
und 96 % für pankreatische NEN (119 Patienten) sowie eine mittlere Detektionsrate
von 79 % für Lebermetastasen (79 Patienten) und die MRT mit einer Sensitivität und
Spezifität von bis zu 100 % für pankreatische NEN und von 70 – 80 und 98 % für Lebermetastasen
(2 Studien, 200 Patienten) in wenigen neueren Studien als Schnittbildgebung zur Primärdiagnostik
bei bekannter abdomineller NEN und deren Metastasen im Rahmen eines Stagings geeignet
[159 ]
[160 ]. Essenziell ist hierbei die intravenöse Kontrastmittelgabe insbesondere bei der
CT, wobei eine mehrphasige (in der Regel arteriell, portalvenös und Equilibrium; auf
eine native CT kann verzichtet werden) Darstellung des Oberbauches für die verbesserte
Detektion und Charakterisierung von Leber- und Pankreasläsionen wichtig ist [159 ]. Eine früharterielle Phase kann bei der Metastasendetektion und bei der Primärtumordetektion
in Darm oder Pankreas entscheidend sein [161 ]. Es sollte kein positives (röntgendichtes) orales Kontrastmittel bei der CT verwendet
werden, damit kleine kontrastmittelaufnehmende Tumoren in der Darm- und Magenwand
nicht maskiert werden [159 ]. Eine Sonderform der CT- oder MRT-Untersuchung ist die CT-/MR-Enterografie bzw.
das CT-/MR-Enteroklysma. Dabei wird der Darm mit einer Wasser-Mannitol-Mischung distendiert,
um die Darmwände besser beurteilen zu können. Dies kann in seltenen Fällen indiziert
sein, wenn der Nachweis/Ausschluss eines intestinalen Primarius von klinischer Relevanz
ist und mit der konventionellen CT oder MRT bzw. mit der SR-Bildgebung die klinische
Fragestellung nicht ausreichend gut beantwortet werden kann.
Im Gegensatz zum Ultraschall gelingt mit der CT und MRT die allumfassende Darstellung
des untersuchten Körperabschnittes. Der initiale Status der Tumorausbreitung für die
Verlaufsbeobachtung soll untersucherunabhängig und in lückenloser Bilddokumentation
festgehalten werden. Für die eventuelle Operationsplanung muss die vollständige Topografie
der Tumormanifestationen mit relevanten anatomischen Strukturen bereitgestellt werden.
Aus diesen Gründen ersetzt auch der kontrastmittelgestützte Ultraschall die CT oder
MRT nicht.
Der Einsatz funktioneller bildgebender Verfahren der Nuklearmedizin ist zur CT und
MRT komplementär [161 ]
[162 ]
[163 ], wobei die morphologische Bildgebung mittels CT und MRT zur Bestimmung von Größe
und Topografie der Tumormanifestationen aber unabdingbar ist. Eine CT- oder MRT-Untersuchung
kann dabei mit der funktionellen nuklearmedizinischen Diagnostik in sogenannten Hybridgeräten
(PET-CT, SPECT-CT, MR-PET) kombiniert werden. Um die CT- oder MRT-Untersuchung vollwertig
in die nuklearmedizinische Untersuchung zu integrieren, muss ein solches Hybridgerät
den vollen diagnostischen Einsatz der CT- oder MRT-Technik gewährleisten können.
Für den Nachweis pulmonaler Metastasen oder eines pulmonalen Primarius sollte eine
CT durchgeführt werden, welche ggf. in eine PET/CT-Untersuchung integriert sein kann,
wenn die damit verbundenen qualitativen Abstriche der CT klinisch akzeptabel erscheinen.
Empfehlung, Konsens
Die Detektion von Lungenrundherden und damit Lungenmetastasen gelingt am sensitivsten
mit der dünnschichtigen CT. Für die intrapulmonale Diagnostik und ein orientierendes
mediastinales Tumorstaging hinsichtlich eines Lymphknotenbefalls ist eine native CT
in resultierender Schichtdicke von ≤ 1 mm in Niedrigdosistechnik ausreichend, wohingegen
eine kontrastmittelgestützte CT mit normaler Strahlendosis in venöser Phase notwendig
ist, um mediastinale und Thoraxwandweichteile exakt zu differenzieren. Es muss also
vor der Untersuchung klar sein, welche diagnostische Genauigkeit die CT in diesen
Regionen erzielen soll. Die CT zum Thoraxstaging kann in eine PET/CT-Untersuchung
integriert werden, muss aber in Atemanhaltetechnik und maximaler Inspiration durchgeführt
werden, um die maximale diagnostische Genauigkeit in der Lunge zu erreichen. Wird
die Thoraxkomponente der Schwächungskorrektur-CT oder die diagnostische KM-CT für
die Bildfusion aus dem regulären PET-CT-Protokoll für das Staging verwendet, dann
sind Abstriche bei der Sensitivität für intrapulmonale Läsionen zu erwarten [164 ]. Bei der Detektorkollimation ist darauf zu achten, dass die Thorax-CT in einem einzigen
Atemanhaltemanöver für den Patienten durchführbar ist, dies gilt auch für PET-CT-Geräte.
Bei entsprechender Verfügbarkeit und gesicherter (und zum CT vergleichbarer) Qualität
sollte in Fällen mit absehbaren, langfristigen, regelmäßigen abdominellen Verlaufskontrollen
aus Strahlenschutzgründen einer MRT gegenüber der CT der Vorzug gegeben werden.
Empfehlung, starker Konsens
Bei Beachtung der Kontraindikationen, Verwendung sicherer MRT-Kontrastmittel und normaler
Nierenfunktion ist zum jetzigen Zeitpunkt keine nachteilige Wirkung der MRT-Untersuchung
bekannt [165 ]. Insbesondere bei Patienten mit guter Prognose und jungem Lebensalter sollte die
MRT gewählt werden, welche zudem bei Staging und Verlaufskontrolle bei guten Untersuchungsbedingungen
vor allem in der Leber (insb. bei Verwendung von diffusionsgewichteten Sequenzen und
leberspezifischem Kontrastmittel) eine höhere diagnostische Genauigkeit hat [166 ]
[167 ]
[168 ].
Für den Nachweis von Lebermetastasen kann bei entsprechender Fragestellung die Durchführung
einer MRT gegenüber einer CT vorteilhaft sein.
Empfehlung offen, starker Konsens
Die akkurate Detektion von Lebermetastasen im Rahmen des Primärstagings spielt eine
große Rolle für die nachfolgende Verlaufskontrolle und ist für einen kurativen chirurgischen
Ansatz bei NEN zur Evaluation und Planung essenziell. Die Literatur zum kolorektalen
Karzinom (breiteste Datenlage) zeigt klar eine Überlegenheit der MRT gegenüber der
CT beim Metastasennachweis [166 ]
[169 ], weshalb sie zur Operationsplanung als Standard gefordert werden sollte. Eine weitere
Verbesserung der Detektionsrate und der Spezifität der MRT ist durch den Einsatz der
diffusionsgewichteten Sequenzen und den Einsatz von leberspezifischem Kontrastmittel
möglich, wobei hier auch ein Vorteil gegenüber der SR-PET/CT, die dennoch wichtige
ergänzende Befunde liefert, gezeigt wurde [163 ]
[166 ]
[167 ]
[168 ]
[170 ]
[171 ]
[172 ].
2.3.3 Sonografie
Eine transabdominelle Ultraschalluntersuchung kann eine sinnvolle Ergänzung oder Alternative
zu einer abdominellen Schnittbildgebung mittels CT oder MRT bei der bildgebenden Verlaufskontrolle
sein.
Empfehlung offen, Konsens
Aufgrund der nahezu ubiquitären Verfügbarkeit und risikolosen und kostengünstigen
Prozedur sowie der ausreichenden Sensitivität bei der Metastasendetektion in der Leber
ist der Ultraschall geeignet, Markerläsionen im Verlauf zu dokumentieren. Dies kann
eine Alternative zu CT und MRT darstellen, um z. B. rasch orientierende Information
über den Tumorstatus zu bekommen und das weitere diagnostische Vorgehen zu planen.
Eine Steigerung der Genauigkeit kann durch intravenöses Ultraschallkontrastmittel
erreicht werden.
2.3.3.1 Endosonografie
Die Rolle der Endosonografie bei gastralen, duodenalen und rektalen NEN wird im Kapitel
3 Endoskopische Therapie näher ausgeführt. Zudem spielt die Endosonografie bei unbekanntem
Primärtumor (s. Empfehlung 2.65) und zur Verlaufskontrolle kleiner pankreatischer
Befunde im Rahmen der MEN1-Erkrankung eine wichtige Rolle.
2.3.3.2 Echokardiografie
Eine transthorakale Echokardiografie (TTE) sollte bei allen Patienten mit einem Karzinoid-Syndrom
zumindest im Rahmen der Primärdiagnostik einmalig zum Ausschluss eines Hedinger-Syndromes
durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Bei Vorliegen eines Karzinoid-Syndromes ist die Durchführung einer Herzultraschalluntersuchung
zum Nachweis bzw. Ausschluss einer Karzinoid-Herzerkrankung (Hedinger-Syndrom) indiziert.
Eine initiale Herzultraschalluntersuchung kann auch sinnvoll sein bei Patienten ohne
klinisches Karzinoidsyndrom, aber mit Erhöhung der 5-HIES-Spiegel und klinischen Verdachtsmomenten
(Herzinsuffizienz, erhöhtes BNP, auskultatorischer Vitiumverdacht). Als Nebenbefund
in einer Staging-CT kann ein im Vergleich zum linken Ventrikel vergrößerter rechter
Ventrikel (Diameter auf Klappenebene) ein Indikator für eine zweitgradige Trikuspidalinsuffizienz
(TI) sein (in einer Studie mit 44 Patienten war die Sensitivität und Spezifität zur
Erkennung einer TI-II gegenüber T-0/I 89 und 72 %), was mit einem TTE weiter abgeklärt
werden sollte [173 ]. Ein klinischer Risikofaktor scheint auch die in CT oder MRT dargestellte fibrotische
Raffung um mesenteriale Lymphknotenmetastasen ilealer NETs zu sein [174 ].
2.4 Diagnostik bei CUP
Als diagnostische Mittel können beim CUP-Syndrom folgende Untersuchungen zum Einsatz
kommen: CT-Abdomen, MRT-Sellink, Hydro-CT, Ileokoloskopie, ÖGD, obere Endosonografie,
SSR-PET-CT.
Empfehlung offen, Konsens
Die bildgebende Basis-Diagnostik beinhaltet in der Regel eine hochauflösende Multidetektor-CT
(in resultierender Schichtdicke von ≤ 2 mm) von Thorax und Abdomen (inklusive Becken).
Essenziell ist hierbei die intravenöse Kontrastmittelgabe, wobei eine mehrphasige
(in der Regel arterielle und portalvenöse) Darstellung des Oberbauches für die verbesserte
Detektion und Charakterisierung eines möglichen Primärtumors wichtig ist [159 ]. Eine früharterielle Phase kann insbesondere bei der Primärtumordetektion in Darm
oder Pankreas entscheidend sein [161 ]. Es sollte kein positives (röntgendichtes) orales Kontrastmittel bei der CT verwendet
werden, damit kleine kontrastmittelaufnehmende Tumoren in der Darm- und Magenwand
nicht maskiert werden [159 ].
Darüber hinaus sollte routinemäßig eine einmalige endoskopische Diagnostik mittels
ÖGD und Ileokoloskopie erfolgen. Weitere bildgebende Verfahren (z. B. Endosonografie
des Pankreas, MRT-Sellink, Hydro-CT etc.) erfolgen gezielt nach Anamnese, Befund und
Arbeitsdiagnose. Die routinemäßige Untersuchung asymptomatischer Regionen über das
Basisprogramm hinaus ist in der Regel nicht sinnvoll. Auch eine im Verlauf wiederholte
Diagnostik trägt meist nicht zur Primärtumoridentifikation bei.
Mit einer PET-CT-Untersuchung (SSR-PET/CT bei NET, FDG-PET/CT bei NEC) zu Anfang der
Diagnostik gelingt ein rasches Staging, zusätzliche Schnittbilduntersuchungen mit
CT und/ oder MRT können häufig eingespart werden, die weitere Diagnostik kann gerichteter
erfolgen. Die Identifikation des Primärtumors ist vor allem bei gut differenzierten
SSR-exprimierenden NET häufiger möglich als mit der konventionellen CT oder MRT [175 ]
[176 ]; die Datenlage insbesondere zur FDG-PET-Diagnostik bei NEC ist jedoch nicht eindeutig
[177 ]
[178 ]
[179 ].
Zumindest für gut differenzierten NET sollte daher eine initiale SSR-Bildgebung (idealerweise
als SSR-PET/CT) erfolgen.
Neben der Routinelabordiagnostik sollte bei histologisch gesicherter NEN als Tumormarker
eine Bestimmung von Chromogranin A erfolgen sowie bei NEC zusätzlich von NSE (siehe
auch Kommentar zu Empfehlungen 2.18 – 2.22 und 2.28). Aufgrund der Häufigkeit von
NET im Bereich des Dünndarms und der damit meist assoziierten Serotonin-Produktion
sollte bei NET und unklarem Primärtumor darüber hinaus auch eine Bestimmung von 5-HIES
im 24-Stunden-Sammelurin erwogen werden, da diese eine relativ hohe Spezifität für
einen Primarius im Bereich des Dünndarms (oder seltener der Lunge) aufweist (siehe
auch Kommentar zu Empfehlung 2.24). Der Nachweis erhöhter Serumspiegel des pankreatischen
Polypeptids (PP) kann ein Hinweis für einen nicht funktionellen Pankreas-NET sein.
Die Bestimmung weiterer biochemischer Parameter sollte sich nach der entsprechenden
klinischen Symptomatik richten (siehe Kommentar und Tabelle zu Empfehlung 2.30).
2.5 Nachsorge und Verlaufskontrolle
Insgesamt ist die Datenlage für die Empfehlungen zur Nachsorge und Verlaufskontrolle
sehr schlecht und beruht im Wesentlichen auf der persönlichen Expertise der Teilnehmer
der Konsensuskonferenz. Dabei stehen die unten aufgeführten Empfehlungen im Einklang
mit den ENETS-Konsensus-Empfehlungen für die Nachsorge von NEN [180 ]. Die Nachsorge von NEN-Patienten sollte bevorzugt in spezialisierten Zentren mit
großer Erfahrung bei der Behandlung von NEN-Patienten oder zumindest in enger Kooperation
mit einem NET- Zentrum erfolgen. In der nachsorgenden Einrichtung müssen alle notwendigen
diagnostischen Maßnahmen verfügbar sein und die regelmäßige Vorstellung der Patienten
in einem interdisziplinären Tumorboard gewährleistet sein. Eine wesentliche Aufgabe
des Tumorboards ist es, neben den Vorschlägen zur Therapie auch die Ergebnisse der
Verlaufskontrollen interdisziplinär zu beurteilen und im Rahmen der Nachsorge die
weiteren diagnostischen Maßnahmen und Kontrollintervalle individuell und unter Berücksichtigung
der unten genannten Faktoren festzulegen [180 ].
2.5.1 Nachsorge bei Z. n. R0-Resektion
Eine Nachsorge soll bei allen NET (mit Ausnahme der in Empfehlung 68 ausgeführten
Appendix-NET) auch bei Zustand nach R0-Resektion und ohne Nachweis einer Metastasierung
erfolgen und richtet sich in ihrer Art und Häufigkeit nach der Tumorentität.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bei Patienten mit Appendektomie und R0-Resektion eines NET der Appendix (pT1, < 1 cm
ohne Risikofaktoren) sollte auf eine spezifische Tumornachsorge verzichtet werden.
Empfehlung, starker Konsens
Auch wenn es kaum evidenzbasierte Daten zur Nachsorge bei NEN gibt, wird vom Expertenpanel
der Leitlinie eine Nachsorge bei allen Patienten mit NEN empfohlen. Die einzige Ausnahme
stellt dabei ein im Rahmen einer Appendektomie R0-resezierter NET G1 der Appendix
< 1 cm und ohne Risikofaktoren dar, bei welchem aufgrund des extrem geringen Risikos
für eine Metastasierung auf eine spezifische Nachsorge verzichtet werden sollte [181 ]
[182 ]
[183 ]. Auch bei Patienten mit kurativ entferntem Appendix-NET im Rahmen einer Hemikolektomie
ohne Lymphknoten- oder residualen Tumorbefall und bei gut differenzierten NET G1/2
und einer Größe von 1 – 2 cm besteht ein sehr geringes Rezidiv- und Metastasierungsrisiko,
sodass eine spezifische Nachsorge nicht in jedem Fall zwingend notwendig erscheint,
aufgrund der unzureichenden Datenlage jedoch individuell in Erwägung gezogen werden
kann. Risikofaktoren, die eine Nachsorge auch bei Appendix-NET mit einer Größe von
1 – 2 cm empfehlenswert machen, sind das Vorliegen von Angioinvasion, Invasion der
Mesoappendix > 3 mm, NET G2, Lokalisation an der Basis der Appendix und unsicherer
Resektionsrand. Bei einer Größe > 2 cm, NEN G3, LK-Befall oder Metastasen ist eine
regelmäßige Nachsorge in jedem Fall zwingend notwendig [180 ]
[182 ].
Für die laborchemische Nachsorge nach R0-Resektion kann die Bestimmung von Chromogranin
A unter Berücksichtigung der oben genannten Einschränkungen als allgemeiner neuroendokriner
Tumormarker im Rahmen der Nachsorgeuntersuchung bestimmt werden.
Empfehlung offen, Konsens
Die bildgebenden Verlaufskontrollen sollen mindestens eine CT oder MRT und in größeren
Intervallen auch eine Somatostatin-Rezeptor-Bildgebung, optimalerweise mittels PET/CT,
beinhalten.
Starke Empfehlung, Konsens
Eine Somatostatin-Rezeptor-Bildgebung sollte bei NET G1/2 im Rahmen der initialen
Diagnostik optimalerweise mittels PET/CT erfolgen, dann alle 1 – 3 Jahre, bzw. im
Verlauf immer dann, wenn sich daraus therapeutische Konsequenzen ableiten lassen oder
eine Änderung des therapeutischen Konzeptes geplant ist.
Empfehlung, Konsens
Die Nachsorge R0-resezierter Patienten umfasst in der Regel sowohl laborchemische
als auch bildgebende und – bei NET des Ösophagus, Magens, Duodenums und kolorektalen
NET – auch endoskopische Verfahren (siehe hierzu auch Empfehlungen 3.9, 3.13 und 3.23
im Abschnitt Endoskopie). Dabei ist Chromogranin A auch in der Nachsorge der wichtigste
allgemeine NET- Tumormarker, der neben den initial erhöhten Biomarkern bei allen Verlaufskontrollen
mitbestimmt werden sollte (mit Ausnahme von NET des Appendix und des Rektums) [180 ].
Die Auswahl des bildgebenden Verfahrens (US, CT, MRT, Somatostatin-Rezeptor-Bildgebung)
sollte sich an individuellen Besonderheiten (Patientenalter, Tumorcharakteristika,
Lokalisation des Tumors) der Verfügbarkeit und der lokalen Expertise orientieren.
Während in den amerikanischen Leitlinien der routinemäßige Einsatz einer Somatostatin-Rezeptor-Bildgebung
im Rahmen der Nachsorge bei resezierten NET nicht empfohlen wird [184 ], erscheint nach Ansicht der Experten dieser Leitlinie und in Übereinstimmung mit
den Leitlinien der ENETS die Durchführung einer funktionellen SSR-Bildgebung zumindest
bei Patienten mit initial positivem Befund aufgrund der damit verbundenen möglichen
therapeutischen Konsequenzen durchaus empfehlenswert [180 ]. Ausnahmen hiervon sind ggf. Patienten mit nicht metastasierten NET G1 des Magens
und die oben genannten NET des Appendix und Rektums sowie solitäre Insulinome, die
keiner weiteren Nachsorge bedürfen.
Nachsorgeintervalle bei R0-resezierten NEN
Die Zeitabstände der bildgebenden und laborchemischen Verlaufskontrolle sollten sich
an der proliferativen Aktivität des Tumors orientieren. Bei NET G1 sollte diese zunächst
alle 6 – 12 Monate erfolgen, bei NET G2 alle 6 Monate, während bei NET/NEC G3 initial
mindestens alle 3 Monate eine bildgebende Verlaufskontrolle erfolgen sollte.
Empfehlung, starker Konsens
Bei fehlendem Tumornachweis unter fortgesetzter bildgebender Verlaufskontrolle kann
eine sukzessive Verlängerung der Nachsorgeintervalle gerechtfertigt sein.
Empfehlung offen, starker Konsens
Die Nachsorgeintervalle bei R0-resezierten Patienten richten sich nach dem Proliferationsgrad,
dem Tumorstadium, der Tumorlokalisation, dem vorherigen Proliferationsverhalten, einer
möglichen Hormonaktivität oder hereditärem Hintergrund, dem zeitlichen Abstand von
der Resektion und anderen individuellen klinischen Parametern. In der Regel werden
Nachsorgeintervalle von 6 – 12 Monaten bei NET G1/2 und 3 Monaten bei NEN G3 empfohlen.
Kürzere Intervalle von 3 – 6 Monaten werden bei R0-resezierten NET G1/2 des Duodenums
und Pankreas sowie bei > 2 cm großen NET G1/2 des Appendix und Rektums empfohlen,
eine Nachsorge alle 3 Monate bei NET G1/2 des Ösophagus und bei NET Typ 3 des Magens
[180 ]. Nachsorgeuntersuchungsintervalle von 12 Monaten sind bei niedrigproliferativen
NET G1 des Rektums mit einer Größe von 1 – 2 cm ausreichend. Bei NET G1/2 des Rektums
< 1 cm genügt eine einmalige endoskopische Nachsorge, bei Insulinomen (pT1, < 2 cm)
mit niedrigem Proliferationsindex und ohne Hinweis auf hereditäre Genese erscheint
ebenfalls eine einmalige Nachsorgeuntersuchung mit Bildgebung nach ca. 6 Monaten ausreichend.
Ein häufiges klinisches Problem stellt die Tatsache dar, dass bei der Mehrzahl der
im Rahmen einer Endoskopie als Zufallsbefund in der Biopsie diagnostizierten/abgetragenen
rektalen NET eine R0-Resektion im Biopsat nicht mit Sicherheit belegt ist. Bei fraglich
inkomplett abgetragenem G1-differenzierten Rektum-NET < 1 cm und ohne Risikofaktoren
sollen kurzfristig als auch nach 1 Jahr Kontrollbiopsien entnommen werden. Sind diese
Kontrollen sowie die Endosonografie nach 1 Jahr unauffällig, kann auf weitere Kontrollen
verzichtet werden. Je länger die tumorfreie Nachsorgezeit ist, umso länger können
die Nachsorgeintervalle gestreckt werden. Die Nachsorgeintervalle sollten jedoch nicht
länger als 3 Jahre betragen. Eine Ausweitung der Nachsorgeintervalle kann im Einzelfall,
vor allem in der Langzeitnachsorge ggfs. auch auf 5 Jahre ausgedehnt werden.
Dauer der Nachsorge bei R0 resezierten NEN
Aufgrund des meist langsamen Tumorwachstums insbesondere gut differenzierter NET soll
eine langfristige, ggfs. auch lebenslange Tumornachsorge erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Eine Nachsorge sollte auch nach erfolgter kompletter Tumorentfernung und fehlendem
Nachweis einer Metastasierung über einen Zeitraum von mindestens 10 – 15 Jahren durchgeführt
werden.
Empfehlung, starker Konsens
Die Nachsorgeintervalle und Nachsorgedauer sollten in Abhängigkeit von der Tumorentität
und Tumorbiologie individuell festgelegt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Aufgrund des langsamen Wachstums von NET mit dem möglichen Auftreten von Rezidiven
oder Metastasen auch viele Jahre bis Jahrzehnte nach der Resektion wird – mit Ausnahme
von NET des Appendix, Rektums und der Insulinome, wenn sie die oben genannten Kriterien
für ein niedriges Risiko erfüllen – auch bei R0-Resektion von GEP-NET eine langfristige
Nachsorge empfohlen. In den meisten Studien tritt der Großteil der Rezidive etwa zwei
Jahre nach Resektion eines GEP-NET und innerhalb der ersten 5 Jahre auf, während im
Zeitraum von 5 – 10 Jahren nur noch wenige Rezidive hinzukommen und nach 10 Jahren
in erster Linie in Einzelfällen oder bei Patienten mit hereditärem Hintergrund das
Auftreten eines Rezidivs oder einer Fernmetastasierung beschrieben werden [51 ]
[52 ]
[185 ]
[186 ]
[187 ]
[188 ]
[189 ]. Die Nachsorge sollte daher zumindest für 10 Jahre [184 ]
[190 ] und gegebenenfalls auch lebenslänglich erfolgen, insbesondere bei jüngeren Patienten
und bei Patienten mit einem hohen Risiko für ein Rezidiv [180 ]
[191 ]. Eine Ausdehnung der Untersuchungsintervalle auf zum Beispiel 12 Monate und länger
kann mit zunehmender Dauer der Rezidiv-Freiheit in Erwägung gezogen werden.
2.5.2 Verlaufskontrolle bei metastasierter Situation
Bei Patienten mit inoperablem Rest- oder Rezidivtumor und bei Vorliegen von Metastasen
soll eine regelmäßige laborchemische und bildgebende Verlaufskontrolle durchgeführt
werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Die Zeitabstände der bildgebenden und laborchemischen Verlaufskontrollen sollten sich
an der proliferativen Aktivität des Tumors, der durchgeführten Therapie, der Wachstumskinetik
des Tumors und der speziellen NET-Entität orientieren. Als grobe Orientierung sollte
bei NET G1 diese zunächst alle 6 – 12 Monate erfolgen, bei NET G2 alle 6 Monate, während
bei NET/NEC G3 initial mindestens alle 3 Monate eine bildgebende Verlaufskontrolle
erfolgen sollte.
Empfehlung, starker Konsens
Bei stabiler Befundsituation und ohne Hinweise für einen Tumorprogress kann eine Verlängerung
der oben genannten Nachsorgeintervalle gerechtfertigt sein.
Empfehlung offen, starker Konsens
Alle Patienten mit einem fortgeschrittenen metastasierten NEN bedürfen einer lebenslänglichen
Verlaufskontrolle, die sich in der Art der durchgeführten Untersuchungen grundsätzlich
nicht von der Nachsorge nach kompletter Resektion unterscheidet, sich aber stark nach
den individuellen Tumorparametern, der klinischen Situation des Patienten, seiner
Therapie und dem therapeutischen Ansprechen richtet.
In der Regel sind die Untersuchungsintervalle bei Patienten mit residualem Tumorgewebe
kürzer als bei primär R0-resezierten Patienten. Eine engmaschige Verlaufskontrolle
wird insbesondere bei schnell wachsenden Tumoren mit hohem Proliferationsgrad, bei
einer hohen Tumorlast (z. B. > 30 % metastatischem Leberbefall), bei disseminierter
Erkrankung mit Vorliegen von Lungen- oder Knochenmetastasen, bei sehr stark erhöhten
Tumormarkern (> 10-mal der oberen Norm), bei klinischer Verschlechterung des Patienten
(z. B. Gewichtsabnahme, Asthenie) und bei schweren, nicht gut kontrollierten Hormonsyndromen
empfohlen. Dabei spielt bei der Beurteilung der Aggressivität der Tumore neben dem
Grading insbesondere das oft nur im bildgebenden Verlauf beurteilbare klinische Progressionsverhalten
der Tumore eine entscheidende Rolle. So werden bei rasch wachsenden NEN kurze Untersuchungsintervalle
von 3 Monaten und bei langsam wachsenden oder unter der Therapie bzw. in den Therapiepausen
stabilen Tumoren längere Intervalle von 6 – 12 Monaten empfohlen. Dabei kann z. B.
das Intervall der bildgebenden Untersuchungen bei einem über ein Jahr stabilen GEP-NET
auf 6 Monate ausgedehnt werden, wobei die klinischen und laborchemischen Untersuchungen
weiterhin aller 3 Monate durchgeführt werden [180 ].
Labordiagnostik in der Verlaufskontrolle
Bei der laborchemischen Diagnostik soll Chromogranin A als Tumormarker im Rahmen der
Verlaufskontrollen bei jedem NET mit initial erhöhtem Chromogranin A bestimmt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bei NEC kann zusätzlich die Bestimmung von NSE zur Verlaufsbeurteilung herangezogen
werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Bei Patienten mit einem initial erhöhten Tumormarker oder Hormonparameter (insbes.
5-HIES) sollte dieser Tumormarker zusätzlich zur laborchemischen Verlaufskontrolle
herangezogen werden.
Empfehlung, starker Konsens
Eine Bestimmung weiterer Hormonparameter soll nur bei spezifischer Symptomatik durchgeführt
werden.
Starke Empfehlung, Konsens
Grundsätzlich gelten für die Laborkontrollen in der metastasierten Situation die gleichen
Besonderheiten und Einschränkungen wie bei der Erstdiagnose und der Nachsorge bei
resezierten NEN.
Bei MEN1 soll die Bestimmung von Ca, PTH, Prolaktin, IGF-1, Gastrin und Nüchtern-Glukose
ohne klinische Auffälligkeiten in der Routinenachsorge jährlich bestimmt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Weitere spezifische Tumormarker und Hormontests (z. B. Dexamethason-Hemmtest) sollten
nur bei klinischer Symptomatik durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Neben pulmonalen und GEP-NEN treten bei Patienten mit MEN1-Erkrankung gehäuft ein
primärer Hyperparathyreoidismus sowie Hypophysenadenome auf. Die Hypophysenadenome
sind häufig funktionell aktiv und produzieren in erster Linie Prolaktin, gefolgt von
Wachstumshormon [192 ]. Als biochemische Screening-Parameter empfiehlt die Clinical Practice Guideline
der Amerikanischen Endocrine Society die jährliche Bestimmung von Kalzium und Parathormon
zur Detektion eines (Rezidiv-) Hyperparathyreoidismus sowie Prolaktin und Wachstumshormon
zur Detektion eines Prolaktinoms oder einer Akromegalie [114 ]. Bei den gastro-entero-pankreatischen NEN kommt den funktionell aktiven Gastrin-
oder Insulin-sezernierenden NET eine besondere Rolle zu. MEN1-assoziierte Gastrinome
zeichnen sich dadurch aus, dass sie in der Regel als sehr kleine, kaum detektierbare
intramukosale Tumore im Duodenum lokalisiert sind, jedoch bereits frühzeitig metastasieren.
Der Nachweis einer relevanten Gastrinerhöhung (für die Besonderheiten bei der Interpretation
der Gastrinspiegel siehe Empfehlungen zur biochemischen Diagnostik des Gastrinoms)
spricht daher für eine Tumorlokalisation im Duodenum bzw. bereits vorhandene lymphogene
oder hepatische Metastasen und kann bei der Planung der weiteren Lokalisationsdiagnostik
und Therapie hilfreich sein [105 ]. Der Nachweis einer Nüchternhypoglykämie (klinisch und parallel durch Bestimmung
der venösen Plasma-Glukose) kann ein Hinweis auf das Vorliegen einer autonomen Insulinsekretion
im Rahmen eines pankreatischen NET sein, weshalb bei der jährlichen biochemischen
Kontrolle bei allen MEN1-Patienten neben einer entsprechenden diesbezüglichen Anamneseerhebung
auch die Bestimmung der Nüchtern-Glukose nach Fasten seit dem Vorabend sinnvoll ist.
Diese sollte (insbesondere bei fehlender direkter Analysemöglichkeit) zur Hemmung
der Glykolyse im Fluoridplasma erfolgen.
Bildgebung in der Verlaufskontrolle
Für die bildgebenden Verlaufskontrollen soll eine schnittbildgebende Diagnostik entweder
mittels CT oder MRT erfolgen, sowie im Intervall auch eine Somatostatin-Rezeptor-Bildgebung,
optimalerweise mittels PET/CT.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Die Auswahl des bildgebenden Verfahrens (CT, MRT) sollte sich an individuellen Besonderheiten
(Patientenalter, Lokalisation des Tumors/der Metastasen), der Verfügbarkeit, der lokalen
Expertise und der im Verlauf erfolgten Therapie orientieren.
Empfehlung, starker Konsens
Aufgrund der kumulativen Strahlenexposition im Rahmen einer repetitiven Bildgebung
sollte insbesondere bei jungen Patienten (v. a. junge Frauen im reproduktionsfähigen
Alter) bei vergleichbarer diagnostischer Aussagekraft der MRT der Vorzug gegeben werden.
Empfehlung, starker Konsens
Eine Somatostatin-Rezeptor-Bildgebung sollte vorzugsweise mittels PET/CT bei metastasierten
NET (G1 – 3) im Rahmen der initialen Diagnostik erfolgen, um das Ausmaß der Metastasierung
einschätzen zu können und um die Möglichkeit einer Peptid-Radiorezeptortherapie zu
überprüfen.
Empfehlung, starker Konsens
Im weiteren Verlauf sollte diese bei vorhandenem Speicherverhalten wiederholt werden,
wenn sich daraus therapeutische Konsequenzen ableiten lassen oder eine Änderung des
therapeutischen Konzeptes geplant ist.
Empfehlung, starker Konsens
In der Regel stellt das CT aufgrund der sehr guten Auflösung, der guten Vergleichbarkeit
bei standardisierten Schnittebenen, der guten Verfügbarkeit und der geringeren Kosten
das bevorzugte bildgebende Verfahren bei der Nachsorge insbesondere von Patienten
mit hoher Tumorlast dar [184 ]. Vorteile bezüglich des MRT ergeben sich bei jüngeren Patienten aufgrund der geringeren
Strahlenbelastung, für den Nachweis kleinerer Lebermetastasen (insbesondere wenn eine
Metastasenresektion geplant ist) und bei pankreatischen oder rektalen NEN [171 ]
[184 ]. Bei sonografisch gut beurteilbaren Läsionen (z. B. Lebermetastasen) kann auch eine
sonografische Diagnostik für einzelne Verlaufskontrollen herangezogen werden. Zusätzlich
zu den schnittbildgebenden Verfahren wird bei zuvor SSR-positiven Tumoren in größeren
Abständen von zumeist 12 – 24 Monaten die Durchführung einer funktionellen Somatostatin-Rezeptor-Bildgebung
empfohlen [180 ]. Dabei ist das PET-CT aufgrund der wesentlich höheren Sensitivität und Auflösung,
der geringeren Strahlenbelastung und der kürzeren Untersuchungszeiten der Octreotidszintigrafie
und SPECT-Untersuchung deutlich überlegen und kann aufgrund des möglichen Nachweises
zusätzlicher, in der konventionellen Bildgebung nicht entdeckter kleinerer Metastasen
und zur Beurteilung des Speicherverhaltens für die Planung einer operativen Therapie
oder PRRT von entscheidender Bedeutung sein.
Bei NEN G3 hat in der Regel die 18 FDG-PET-CT die höhere Sensitivität und sollte bei diesen Tumoren als funktionelle
Bildgebung bevorzugt eingesetzt werden. Eine positive 18 FDG-PET-CT ist mit einer deutlich schlechteren Prognose assoziiert [193 ], spielt aber in der Nachsorge aufgrund oft fehlender therapeutischer Konsequenzen
eine untergeordnete Rolle. Im Gegensatz dazu kann bei NEN G3 mit geringerer Proliferationsrate
(ca. < 50 %) und noch differenzierter Morphologie (NET G3) die Durchführung einer
Somatostatin-Rezeptor-Bildgebung sinnvoll sein, um die seltene Möglichkeit einer Peptid-Radiorezeptortherapie
zu überprüfen.
3. Endoskopische Therapie
3. Endoskopische Therapie
3.1 Allgemeiner Teil: Endoskopische Therapie
Bei gegebener Indikation zur endoskopischen Resektion sollten rektale NET mittels
ESD oder modifizierter EMR (EMR-C, EMR-L, EMR-CMI) en bloc reseziert werden.
Empfehlung, starker Konsens
Für die endoskopische Resektion gastrointestinaler NET sind beschrieben:
Entfernung mittels Zangenbiopsie
Schlingenresektion
endoskopische Mukosaresektion (EMR) in konventioneller Technik (Unterspritzung mit
anschließender Schlingenresektion)
EMR in modifizierter Form (Kappentechnik EMR-C, Ligaturtechnik EMR-L, EMR nach zirkumferenzieller
Inzision EMR-CMI)
endoskopische Submukosadissektion (ESD)
Resektion nach Applikation eines Over-the-scope-Clips (OTSC) bzw. endoskopische Vollwandresektion
(FTRD)
Zur endoskopischen Resektion rektaler NET liegen multiple Studien zur konventionellen
EMR, zur modifizierten EMR (EMR-C, EMR-L, EMR-CMI) und auch zur ESD vor. In einer
Metaanalyse sehen Zhong et al. die ESD der EMR hinsichtlich kompletter Resektion signifikant
überlegen (OR 0,29; 95 % CI 0,14 – 0,58; p = 0,000). Der Zeitbedarf der ESD war höher;
Komplikationen und Rezidive unterschieden sich nicht signifikant [194 ]. In den vier eingeschlossenen Studien betrug die R0-Resektionsrate 52,2 – 84,6 %
für die EMR gegenüber 77,8 – 100 % für die ESD. Eine kürzlich publizierte Studie bestätigt
diese Ergebnisse und zeigt einen geringen Vorteil der EMR-C im Vergleich zur konventionellen
EMR (hinsichtlich kompletter Resektionen) aber auch zur ESD (hinsichtlich der Eingriffszeit)
bei der endoskopischen Resektion rektaler NET [195 ]. Eine weitere Metaanalyse von Zhou et al. vergleicht die konventionelle EMR mit
modifizierter EMR (EMR-C, EMR-L) und mit ESD. Auch hier zeigt sich die ESD der konventionellen
EMR hinsichtlich kompletter Resektion signifikant überlegen (RR 0,89, 95 % CI 9,79 – 0,99;
p = 0,03). Auch die modifizierte EMR war der konventionellen EMR signifikant überlegen
(RR 0,72, 95 % CI 0,60 – 0,86; p = 0,0004); zwischen modifizierter EMR und ESD bestand
kein signifikanter Unterschied (RR 1,03, 95 % CI 0,95 – 1,11; p = 0,52) [196 ]. In beide Metaanalysen wurden ausschließlich retrospektive Studien eingeschlossen.
Eine kürzlich publizierte Studie vergleicht die ESD mit EMR-CMI. Die R0-Resektionsraten
unterschieden sich nicht signifikant (88,2 vs. 81,2 %; p = 0,592), der Zeitbedarf
der ESD war höher (20,1 vs. 9,7 Minuten; p = 0,004) [197 ].
Neue Resektionsverfahren: Sarker et al. berichten über die endoskopische Resektion
submuköser Tumoren nach Applikation eines Over-the-scope-Clips (OTSC). Bei der Resektion
von 5 NET (Durchmesser 9 – 15mm; Duodenum n = 4, Rektum n = 1) gelang in allen Fällen
eine R0-Resektion; Komplikationen traten nicht auf [198 ]. Als Einzelfälle sind auch endoskopische Vollwand-Resektionen unter Verwendung eines
sog. FTRD-Systems beschrieben [199 ]. Größere Studien sind erforderlich, um den Stellenwert dieser neuen Resektionsverfahren
bewerten zu können.
Bei gegebener Indikation für gastrale NET (> 5 mm) sollten diese mittels ESD oder
EMR en-bloc reseziert werden; kleine gastrale NET (< 5 mm) können mit der Biopsiezange
entfernt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Kleinere Studien zur EMR bei gastralen NET zeigten 100 %ige technische Erfolgsraten
[130 ]
[200 ]. In einer prospektiven Studie berichten Merola et al. über 33 Resektionen (Entfernung
mit Biopsiezange bei Läsionen < 5mm; EMR bei Läsionen > 5 mm). Eine komplette Resektion
war in allen Fällen möglich [130 ]. In einer Studie von Hopper et al. zur EMR-L (n = 34) zeigten alle Resektate eine
R0-Resektion [201 ]. Komplikationen wurden in beiden Studien nicht berichtet. Für die ESD gastraler
NET sind zwei größere Studien mit R0-Resektionsraten von 97 bzw. 100 % publiziert;
Komplikationen waren je eine verzögerte Blutung in beiden Studien [202 ]
[203 ]. Eine sehr kleine, nicht randomisierte Studie vergleicht EMR und ESD (n = 6 vs.
n = 7); in dieser Studie wird für die EMR eine R0-Resektionsrate für den lateralen
Rand von 33,3 % angegeben. In der ESD-Gruppe waren alle Resektionen histologisch R0
[204 ]. Prospektive Vergleichsstudien oder Metaanalysen zu verschiedenen Resektionsverfahren
liegen für gastrale NET aktuell jedoch nicht vor.
Im Duodenum soll eine ESD zur Resektion von NET aufgrund des hohen Perforationsrisikos
nicht durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
In einer kleinen Studie berichten Scheerer et al. über eine erfolgreiche EMR kleiner
duodenaler NET in 90 % beim Vorliegen einer „low-risk“-Histologie (Größe < 10 mm,
G1, Beschränkung auf Mukosa und Submukosa) [205 ]. Weitere, sehr kleine Publikationen zur EMR duodenaler NET beschreiben verschiedene
EMR-Techniken mit jeweils hohen R0-Resektionsraten. Yokoyama et al. beschreiben eine
erfolgreiche Resektion von 4 größeren Bulbus-NET (bis 13 mm Durchmesser) mittels konventioneller
EMR [206 ]. Otaki et al. berichten über 5 erfolgreiche Resektionen mittels EMR-CMI; Neumann
et al. berichten eine erfolgreiche Resektion mittels EMR-L [207 ]
[208 ]. Für die ESD duodenaler NET liegen nur kleine Studien mit hier relevanten Komplikationsraten
vor. In einer Studie von Suzuki et al. wird über 2 Perforationen bei der Resektion
von 3 duodenalen NET berichtet [209 ]. Matsumoto et al. berichten über die ESD von 14 duodenalen Läsionen (davon 7 NET);
hier traten drei Perforationen auf [210 ]. Eine koreanische retrospektive Studie vergleicht EMR (n = 18), EMR-L (n = 16),
EMR-CMI (n = 3) und ESD (n = 4). Eine histologische R0-Situation konnte in 56, 25,
33 bzw. 100 % erreicht werden. Blutungen traten bei 6, 0, 33 bzw. 75 % auf; Perforationen
wurden hier nicht berichtet [211 ]. Prospektive Vergleichsstudien oder Metaanalysen zu verschiedenen Resektionsverfahren
liegen für duodenale NET aktuell nicht vor.
Bei älteren oder komorbiden Patienten können die nachfolgend genannten Indikationen
zur alleinigen endoskopischen Therapie von gastrointestinalen NET erweitert werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens
Da viele Patienten mit NET des Gastrointestinaltraktes, gleich welchen Typs und welcher
Größe, bei Diagnosestellung hochbetagt sind und an signifikanten Komorbiditäten leiden,
kann im Einzelfall selbst bei Vorliegen von Risikofaktoren das konservative oder minimal-invasive
Vorgehen der onkologischen Resektion vorzuziehen sein, wobei die Vorteile, aber auch
die Risiken des konservativen oder minimal-invasiven Vorgehens mit dem Patienten besprochen
werden müssen [212 ].
3.2 Gastrische NET
Gut differenzierte gastrische NET Typ I und Typ II sollen endoskopisch überwacht (< 1 cm)
bzw. endoskopisch therapiert (bis 2 cm) werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Neuroendokrine Tumoren des Magens werden in 4 Typen unterteilt ([Tab. 5 ]). Entsprechend dieser Einteilung ergeben sich unterschiedliche therapeutische Optionen.
Tab. 5
Klinisch-pathologische Charakteristika der neuroendokrinen Magenneoplasien. Nach [20 ]
[21 ]
[24 ]
[25 ].
Gut differenzierte neuroendokrine Tumoren
Schlecht differenzierte neuroendokrine Magenkarzinome
Typ I
Typ II
Typ III
Typ IV
Häufigkeit
70 – 80 %
5 – 6 %
14 – 25 %
6 – 8 %
Eigenschaften
meist < 1 cm, multipel
meist < 1 cm, multipel
oft > 2 cm, solitär
> 2 cm, solitär, oft exulzeriert
Assoziationen
CAG
MEN1/ZES
keine
keine
Histologie
gut differenziert, meist G1
gut differenziert, meist G1
gut bis mäßig differenziert, G1 / G2
schlecht differenziert, G3
Gastrin i. S.
(sehr) hoch
(sehr) hoch
normal
normal
Magen-pH
anazid
hyperazid
normal
normal
Metastasen
< 10 %
10 – 30 %
50 – 100 %
80 – 100 %
Tumorbedingte Todesfälle
keine
< 10 %
25 – 30 %
> 50 %
CAG: chronisch atrophische Korpusgastritis, MEN1: multiple endokrine Neoplasie Typ
1, ZES: Zollinger-Ellison-Syndrom.
Etwa 70 – 80 % aller NET des Magens gehören dem Typ I an. Betroffen sind in der Mehrzahl
(> 80 %) Frauen im Alter zwischen 40 und 60 Jahren. Diese NET präsentieren sich als
multiple polypöse Schleimhautvorwölbungen im Korpus und Fundus, die gewöhnlich kleiner
als 1 cm sind. Sie treten im Zusammenhang mit einer (autoimmunen) chronisch atrophischen
Korpusgastritis und einer damit gelegentlich verbundenen perniziösen Anämie auf. Ein
hormonelles Syndrom entwickelt sich nicht [212 ]
[213 ].
Rund 5 – 6 % aller Magen-NET entfallen auf den Typ II, der mit einer multiplen endokrinen
Neoplasie Typ 1 (MEN1) und einem Zollinger-Ellison-Syndrom (ZES) als Folge eines Gastrinoms
assoziiert ist [212 ].
Auf den Typ III der Magen-NET entfallen 14 – 25 %. Als sporadischer NET ist er mit
keiner weiteren Erkrankung assoziiert. Das mittlere Alter der Patienten liegt bei
50 Jahren, wobei Männer und Frauen gleich häufig betroffen sind. Die solitär auftretenden,
polypoiden Tumoren zeigen keine spezielle Lokalisation im Magen, sind häufig zum Zeitpunkt
der Diagnose bereits größer als 1 cm, infiltrieren die Muscularis propria und/ oder
zeigen eine Angioinvasion. Bei diesen Tumoren muss daher häufig mit Lymphknoten- und
Lebermetastasen gerechnet werden [212 ].
Die schlecht differenzierten neuroendokrinen Karzinome des Magens können als Typ IV
der neuroendokrinen Magenneoplasien bezeichnet werden. Es sind seltene und sporadische
Karzinome, die in allen Bereichen des Magens auftreten, ulzeriert sind und zum Zeitpunkt
der Diagnose meist eine erhebliche Größe aufweisen. Betroffen sind vor allem ältere
Männer (> 60. Lebensjahr). Mikroskopisch handelt es sich um solide Karzinome, die
an klein- oder großzellige Bronchialkarzinome erinnern, reich an Mitosen sind sowie
eine Angioinvasion und eine tiefe Wandinfiltration zeigen. Die Proliferationsrate
liegt in der Regel weit über 20 – 30 % (G3) [212 ].
Gut differenzierte NET des Magens vom Typ I, Typ II oder Typ III, die auf die Mukosa/Submukosa
beschränkt sind, einen Durchmesser bis zu 1 cm besitzen, eine niedrige proliferative
Aktivität (Ki-67 < 2 %, G1) zeigen und nicht angioinvasiv sind, können als NET ohne
Risikofaktoren bezeichnet werden [214 ].
Aufgrund des benignen Verhaltens kleiner gut differenzierter (G1) gastraler NET Typ
I und II können diese entweder jährlich bioptisch überwacht oder endoskopisch reseziert
werden [212 ]
[215 ]
[216 ]. Vergleichende Studien liegen diesbezüglich jedoch nicht vor. In jedem Fall werden
Kontrollgastroskopien alle 12 Monate angeraten [215 ]
[216 ].
Sind die Typ-I- und Typ-II-NET zwischen 1 und 2 cm groß und zeigen sonst keine weiteren
Risikofaktoren, wird eine endoskopische Abtragung durch Mukosektomie [212 ]
[216 ]
[217 ]
[218 ] oder endoskopische Submukosa-Dissektion (ESD) [203 ]
[204 ] empfohlen. Tumorrezidive nach endoskopischer Therapie können in bis zu 60 % auftreten
[130 ]. Prognoserelevante Tumorrezidive nach Polypektomie oder Mukosektomie wurden bislang
jedoch nicht beobachtet. Das Langzeitoutcome nach endoskopischer Therapie ist vergleichbar
dem der operativen Therapie [219 ].
Für Patienten mit kleinen (< 2 cm) Magen-NET Typ I und II mit G2-Differenzierung liegen
keine einheitlichen Studien und Leitlinienempfehlungen vor. Die aktuell gültige ENETS-Leitlinie
empfiehlt bei gut differenzierten Magen-NET Typ I und II ein rein endoskopisches Vorgehen,
ohne zwischen G1 / G2 oder anhand des Ki-67-Indexes zu differenzieren [98 ]
[135 ]. Aufgrund der lückenhaften Datenlage sollte jedoch in diesen Fällen in Abhängigkeit
weiterer Risikofaktoren (s. u.) und in Abhängigkeit von Alter und Komorbiditäten zwischen
einem lokal endoskopischen oder einem radikal chirurgischen Verfahren entschieden
werden.
Bei Risikofaktoren wie Angioinvasion, Infiltration der muskulären Wandschicht, G3
oder V. a. Lymphknotenmetastasen sollte zur Operation geraten werden. Zudem ist bei
R1 nach endoskopischer Therapie die lokale chirurgische Exzision zu diskutieren, ebenso
bei NET mit einem Ki-67 > 10 %, obwohl es hierzu keine guten Daten gibt. Der Evidenzgrad
für diese Empfehlung ist somit niedrig und auf der Ebene einer Expertenmeinung [212 ]
[216 ]
[218 ].
Während in den USA gut differenzierte, nicht metastasierte Magen-NET vom Typ I und
Typ II bis zu einem Durchmesser von 3 cm oftmals konservativ oder minimalinvasiv behandelt
werden [220 ], wird in Europa und Japan bei gut differenzierten Magen-NET, welche die Submukosa
überschreiten oder über 2 cm groß sind und in den meisten Fällen auch gleichzeitig
eine Angioinvasion und erhöhte Proliferation (> 2 %) zeigen (NET mit Risikofaktoren),
die Operation empfohlen [212 ]
[215 ]
[216 ]
[220 ]. Kontrollierte Studien zu diesen unterschiedlichen Vorgehensweisen fehlen jedoch
bislang [212 ]
[213 ].
Nach kurativer endoskopischer Resektion kleiner (< 1 cm) gut differenzierter (G1 / G2)
gastrischer NET Typ III ohne tiefe Submukosainfiltration, ohne Lymphgefäßinfiltration,
ohne Angioinvasion kann auf eine chirurgische Nachresektion verzichtet werden.
Offene Empfehlung, Konsens
Gastrale NET Typ III < 1 cm sollen endoskopisch reseziert werden, um eine optimale
histopathologische Einschätzung zur Graduierung und Invasionstiefe zu erhalten. Bei
fehlenden Risikofaktoren kann auf eine chirurgische Nachresektion verzichtet werden.
Typ-III-Magen-NET sollen primär operiert werden, wenn sie bei Diagnosestellung über
1 cm groß sind und/ oder Risikofaktoren (tiefe Submukosainfiltration, L1, V1, G3)
aufweisen [212 ]
[216 ]. Eine neuere Studie belegt, dass auch bei gastrischen Typ III-NET < 2 cm ohne Risikofaktoren
eine endoskopische Therapie erfolgen kann [221 ]. Siehe hierzu auch die Empfehlungen im Kapitel 4 zur chirurgischen Therapie.
Vor einer endoskopischen Therapie von Typ-I-NET des Magens soll mindestens folgende
Diagnostik durchgeführt werden: Histologie aus dem NET, Histologie aus der nicht neoplastischen
Magenkorpusschleimhaut, Gastrinbestimmung im Serum, Endosonografie (bei NET Typ I
≥ 1 cm).
Starke Empfehlung, starker Konsens
Typ-I-NET des Magens sind definiert als gut differenzierte NET des Magens, die im
Zusammenhang mit einer (autoimmunen) chronisch atrophischen Korpusgastritis (CAG)
und einer Hypergastrinämie im Serum auftreten [212 ]
[222 ]. Somit muss vor einer entsprechenden Therapie Folgendes festgelegt werden:
Definition des gut differenzierten NET durch die Histologie
Definition der CAG im Magenkorpus durch die Histologie (Cave: bei Fehlen einer CAG
kann bei gleichzeitiger Hypergastrinämie auch ein ZES und somit ein Typ II vorliegen)
Definition der Hypergastrinämie im Serum (zum Beweis des Entstehens des Typ-I-NET
auf dem Boden einer ECL-Zell- und G-Zell Hyperplasie)
Darüber hinaus sollte eine Endosonografie bei gastralen NET Typ I über 1 cm Größe
zur genauen präinterventionellen Größenbestimmung und zum Ausschluss einer Infiltration
tieferer Magenwandschichten sowie zum Ausschluss von LK-Metastasen erfolgen [212 ]
[213 ]
[222 ].
Weiterführende diagnostische Maßnahmen (Chromogranin-A-Bestimmung, CT, Rezeptor-Szintigrafie)
haben keine therapeutischen Implikationen [213 ]
[222 ].
Die endoskopische Resektion aller multiplen unter 1 cm großen, gut differenzierten
gastrischen NET Typ I und Typ II ist nicht erforderlich.
Empfehlung, starker Konsens
Aufgrund des benignen Verhaltens kleiner gut differenzierter NET Typ I und II [212 ]
[215 ]
[216 ] und der in ihrer speziellen pathophysiologischen Tumorgenese begründeten hohen Rezidivhäufigkeit
nach endoskopischen Resektionen [130 ] muss eine endoskopische Resektion aller sichtbarer Läsionen nicht durchgeführt werden.
Eine endoskopische Resektion von „Indextumoren“ und eine alleinige jährliche Überwachung
sind gerechtfertigt [212 ]
[215 ]
[216 ].
Nach kurativer endoskopischer Resektion gut differenzierter gastrischer NET (ohne
Risikokonstellation) sollen endoskopische Kontrollen in jährlichen Abständen erfolgen.
Weitere Nachsorgeuntersuchungen sollten nicht erfolgen.
Starke Empfehlung bzw. Empfehlung, starker Konsens
s. Erläuterungstext zu Empfehlung 3.5
3.3 Duodenale NET
Bis 1 cm große, gut differenzierte (G1) duodenale NET (mit Ausnahme der Gastrinome)
können endoskopisch mittels EMR reseziert werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens
Neuroendokrine Tumoren des Duodenums werden heutzutage 5- bis 10-fach häufiger festgestellt
als noch vor 35 Jahren [223 ]. Duodenale NET werden oftmals „en passant“ im Rahmen einer Ösophagogastroduodenoskopie
diagnostiziert, die unter anderer Fragestellung erfolgt [224 ]. Abgesehen von den duodenalen Gastrinomen entwickeln die duodenalen NET in der Regel
kein hormonelles Syndrom und bleiben lange asymptomatisch [215 ].
Gut differenzierte, nicht-funktionelle NET des Duodenums, die auf die Mukosa/Submukosa
beschränkt sind, einen Durchmesser bis zu 1 cm besitzen, eine niedrige proliferative
Aktivität (Ki-67 < 2 %, G1) zeigen und nicht angioinvasiv wachsen, können als NET
ohne Risikofaktoren bezeichnet werden. Sie können endoskopisch mittels EMR reseziert
werden [211 ]
[225 ]. Das Risiko von Lymphknotenmetastasen ist bei ihnen sehr gering [226 ]
[227 ]. Eine endoskopische Resektion mittels ESD soll aufgrund der hohen Perforationsrate
nicht erfolgen (s. Empfehlung 3.3).
Eine Studie der Mayo-Klinik belegt, dass auch bei duodenalen NET von 1 – 2 cm Durchmesser
und ohne Risikofaktoren eine endoskopische Therapie erwogen werden kann. 18 von 19
Patienten mit duodenalen NET < 2 cm blieben nach einer lokalen (endoskopischen oder
transduodenalen) Exzision krankheitsfrei [228 ].
Duodenale NET mit Angioinvasion oder einer Proliferationsrate > 2 % oder Infiltration
der tiefen Submukosa oder einer Größe von > 2 cm sollen primär operiert werden [215 ]
[216 ]
[227 ]. Ferner ist die endoskopische Therapie nicht adäquat bei duodenalen Gastrinomen
(jedweder Größe), bei schlecht-differenzierten (G3) neuroendokrinen Karzinomen (jedweder
Größe) sowie bei sporadischen, oftmals periampullär gelegenen Somatostatin-produzierenden
Duodenum-NET von > 1 – 2 cm [229 ]
[230 ]
[231 ]. Die schlecht differenzierten (G3) neuroendokrinen Karzinome des Duodenums finden
sich meist periampullär oder direkt im Bereich der Papilla Vateri. Ihre Proliferationsrate
liegt in der Regel weit über 20 % (G3). Zu letzteren Entitäten wird auch auf den Abschnitt
„Papillen-NET“ verwiesen.
Eine besondere Entität neuroendokriner Tumoren stellen die gangliozytischen Paragangliome
des Duodenums dar, die als benigne Neoplasien gelten. In einer Fallserie aus Korea
wurden bis 3 cm große, gangliozytische Paragangliome des Duodenums erfolgreich endoskopisch
entfernt [232 ].
Eine endoskopische Therapie von duodenalen Gastrinomen soll nicht durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Da selbst kleine Gastrinome < 1 cm häufig metastasieren, ist eine endoskopische Behandlung
nicht adäquat [233 ], s. auch Erläuterungstext zu Empfehlung 3.10.
Vor einer endoskopischen Therapie von duodenalen NET soll mindestens folgende Diagnostik
durchgeführt werden: Histologie aus dem NET, Gastrinbestimmung im Serum, Endosonografie,
spezielle Anamneseerhebung (Gastrinom-typische Anamnese? MEN1-Anamnese?).
Starke Empfehlung, starker Konsens
Duodenale NET treten i. d. R. sporadisch auf; insbesondere duodenale Gastrinome können
aber Bestandteil der hereditären MEN1-Erkrankung sein. Hinsichtlich Gastrinome und
MEN1 wird auf die Abschnitte Gastrinom und MEN1 in Kapitel 4 der Leitlinie verwiesen.
Präinterventionell soll eine Endosonografie erfolgen zur genauen Größenbestimmung
des NET, zum Ausschluss einer Infiltration tieferer Darmwandschichten sowie zum Ausschluss
von LK-Metastasen [215 ]
[216 ].
Weiterführende diagnostische Maßnahmen (wie CT, MRT, Somatostatin-Rezeptor-Szintigrafie,
Chromogranin-A-Bestimmung) sind bei gut differenzierten, nicht funktionellen duodenalen
NET < 1 cm präinterventionell nicht erforderlich [215 ]
[216 ]. Eine Gastrinbestimmung im Serum zum Ausschluss eines Gastrinoms wird empfohlen,
bei Gastrinom-typischer Anamnese (Zollinger-Ellison-Syndrom) soll zusätzlich zur Bestimmung
des basalen Gastrinwertes eine Bestimmung des Magen-pH und ggf. ein Sekretintest (pH < 2,
aber erhöhtes Gastrin von < 1000) durchgeführt werden.
Nach kurativer endoskopischer Resektion gut differenzierter duodenaler NET (ohne Risikokonstellation)
sollen endoskopische Kontrollen in jährlichen Abständen erfolgen. Weitere Nachsorgeuntersuchungen
sollten nicht erfolgen.
Starke Empfehlung bzw. Empfehlung, starker Konsens
Kontrollendoskopien alle 12 Monate werden angeraten [234 ]. Vergleichende Studien liegen diesbezüglich jedoch nicht vor. Die Dauer der Überwachung
soll sich am Metastasierungs- und Rezidivrisiko, am Lebensalter und an therapeutischen
Konsequenzen orientieren [234 ]. Bei älteren Patienten mit R0-reseziertem, G1-gut-differenziertem duodenalem NET
< 1 cm kann bei unauffälliger Kontroll-Duodenoskopie und -Endosonografie die Nachsorge
nach 1 Jahr beendet werden.
3.4 NET der Papille
Bei kleinen (< 2 cm), gut differenzierten (G1) NET der Papille kann eine endoskopische
Resektion der Papille erfolgen. Fortgeschrittene NET der Papille sollen chirurgisch
entfernt werden.
Offene Empfehlung bzw. starke Empfehlung, starker Konsens
Ein NET der Papille ist eine seltene Manifestation eines NET. In retrospektiven Serien
von Papillektomiepräparaten werden NET der Papille in unter 10 % der Resektate beschrieben
[235 ]
[236 ]
[237 ]. Das SEER (Surveillance, Epidemiology, and End Results) -Programm zählte über einen
35-Jahreszeitraum 6081 Fälle einer Neoplasie der Ampulla Vateri, davon waren 139 (2,2 %)
NET: Nach alter Nomenklatur 82 sog. Karzinoide und 57 hochgradig differenzierte neuroendokrine
Karzinome (42 neuroendokrine Karzinome, 9 kleinzellige Karzinome, 6 großzellige Karzinome)
[238 ]. NET der Papille können in Assoziation zu einer Neurofibromatose Typ 1 (Morbus Recklinghausen,
periphere Neurofibromatose), zu endokrinen Syndromen wie etwa dem Zollinger-Ellison-Syndrom
(ZES), der multiplen endokrinen Neoplasie (MEN) Typ 1 und dem Cushing-Syndrom oder
spontan auftreten [239 ]. Sie zeigen häufig eine Somatostatin-Reaktivität in der immunhistochemischen Untersuchung,
klinische Zeichen eines Somatostatin-Syndroms sind aber eine Rarität. Als typische
Symptome von NET der Papille werden Oberbauchschmerzen, ein Ikterus oder rezidivierende
intestinale Blutungen bei Ulzeration der Schleimhaut über dem submukösen Tumor beobachtet,
es können begleitend erhöhte Serumspiegel von Pankreasenzymen (Lipase, Amylase) auftreten.
Ein NET der Papille wächst primär submukös und kann daher in vielen Fällen nicht vor
einer Resektion histologisch gesichert werden. Tumore unter 2 cm sind eher gut differenziert
(G1), Tumore über 3 cm entsprechen häufiger einem neuroendokrinen Karzinom (NEC) [240 ]. Bei NECs sind – abhängig vom Entartungsgrad des Karzinoms – in 20 bis 45 % regionäre
Lymphknoten befallen [241 ]. Wenn kein Hinweis auf Fernmetastasen vorliegt, wird in kurativer Therapieindikation
bei NECs daher allgemein eine chirurgische Resektion mit Entfernung der Lymphabflussbahnen
empfohlen.
Bei kleinen (< 2 cm), gut differenzierten (G1) NET der Papille kann sowohl eine endoskopische
Papillektomie wie auch eine chirurgische Entfernung (z. B. Pylorus-erhaltende partielle
Duodenopankreatektomie) eine kurative Therapie darstellen, wenn keine Metastasen nachweisbar
sind [242 ]
[243 ]; kontrollierte Studien zum Vergleich dieser Therapien in dieser Indikation liegen
nicht vor. Es muss daher im Einzelfall die geringe Morbidität der endoskopischen Abtragung,
die nur von einer bildgebenden Untersuchung (z. B. endoskopischer Ultraschall bzw.
radiologische Schnittbildgebung) der regionären Lymphknotenstationen begleitet ist
[244 ], gegen den Erhalt eines histologischen Lymphknotenstatus, den die chirurgische Entfernung
bei allerdings höherer Morbidität und Mortalität bietet, abgewogen werden. Nach endoskopischer
Papillektomie besteht eine gute Prognose nach kompletter (R0-) Resektion bei G1-Tumoren.
Sollte in Verlaufskontrollen Lymphknotenmetastasen auftreten, muss eine chirurgische
Resektion erwogen werden.
3.5 Dünndarm NET
Eine Entfernung von jejunalen oder ilealen NET soll nur durch eine operative Resektion
vorgenommen werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Etwa ein Drittel der Dünndarmtumore sind NET, die vorzugsweise im distalen Dünndarm
vorkommen. Nach Ergebnissen des SEER-Programms kann zum Zeitpunkt der Diagnosestellung
in 29 % ein lokal beschränkt wachsender Tumor, in 41 % regionäre Lymphknotenmetastasen
und in 30 % Fernmetastasen erwartet werden [245 ]
[246 ]. 10 – 20 % der Tumore können eine zweite NET-Manifestation im Dünndarm synchron
oder metachron aufweisen. NET können sich als mittlere intestinale Blutung manifestieren
oder werden durch abdominale Beschwerden (z. B. Schmerzen) bzw. nach Auftreten von
Lebermetastasen auffällig. Die Tumore sind submukös lokalisiert und können eine Ulzeration
der Mukosa ausbilden.
Eine endoskopische Diagnostik ist bei allen Patienten mit Verdacht auf einen Dünndarm-NET
– bzw. bei intestinalen Symptomen (z. B. Abklärung einer Dünndarmblutung) oder zur
Suche des Primarius bei Lebermetastasen – indiziert, wenn eine therapeutische Konsequenz
absehbar ist [247 ]
[248 ]. Als diagnostische Methoden stehen die Dünndarmkapselendoskopie und die Ballonenteroskopie
zur Verfügung [249 ]
[250 ]. Die Resektion des Dünndarmtumors wird chirurgisch durchgeführt, der Tumor wird
zusammen mit dem Lymphabflussgebiet entfernt. Experimentelle Ansätze zu einer endoskopischen
Resektion dieser Tumore werden bisher nicht sichtbar. Eine endoskopische Resektion
ist aus grundsätzlichen Erwägungen nicht zu empfehlen, da das Risiko eines transmuralen
Defektes hoch ist und die Lymphabstrombahn bei einer endoskopischen Resektion nicht
entfernt werden kann.
3.6 Kolon-NET
NET des Kolons können bei Vorliegen bestimmter Kriterien (Größe < 10 mm, keine Submukosainvasion,
G1) endoskopisch entfernt werden. Die Entscheidung, ob die endoskopische Resektion
kurativ war, soll am resezierten Präparat histologisch gestellt werden. Bei nicht-kurativer
Resektion soll eine onkologische Nachresektion erfolgen.
Offene Empfehlung bzw. starke Empfehlung, starker Konsens
Die Datenlage zur endoskopischen Resektion von NET des Kolons ist – abgesehen von
NET des Rektums – sehr spärlich. Al Natour et al. analysierten das Risiko von Lymphknotenmetastasen
bei 929 operativ therapierten kolorektalen NET. Bei mukosalen NET mit einem Durchmesser
< 1 cm lag das Risiko für Lymphknotenmetastasen bei lediglich 4 % [251 ]. Damit kann eine endoskopische Therapie dieser kleinen mukosalen NET durchgeführt
werden. Im Falle einer Risikokonstellation oder einer nicht-kurativen endoskopischen
Resektion muss eine chirurgisch-onkologische Nachresektion erfolgen.
Auch beim histologischen Nachweis fokaler NET innerhalb endoskopisch resezierter Adenome
sollen die Kriterien für die NET-Komponente beachtet werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Pulitzer et al. berichteten über den histologischen Nachweis von kleinen NET innerhalb
endoskopisch entfernter Adenome; die NET waren in den 4 berichteten Fällen 5 – 15 mm
groß. Nach einem mittleren Follow-up von 2 Jahren trat kein Rezidiv auf; allerdings
waren zwei Patienten nach initial inkompletter endoskopischer Resektion operiert worden
[252 ]. Zwei weitere Publikationen berichten über aus unterschiedlichen Anteilen zusammengesetzte
Tumore (Adenomanteile und NET). Lin et al. berichten über 5 Fälle, wobei der NET in
4 Fällen auf die Mukosa beschränkt war und in einem Fall eine Submukosainvasion vorlag.
Alle Patienten wurden nach der Polypektomie operiert; nur bei der submukosainvasiven
Läsion war im chirurgischen Resektat eine Lymphknotenmetastase nachweisbar [253 ]. Salaria et al. konnten in 11 Adenomen fokale NET nachweisen (Ki-67 in allen Läsionen
< 2 %); bei 10 nachverfolgbaren Patienten wurde im Verlauf kein Rezidiv beobachtet
[254 ].
3.7 Rektum-NET
Bis 1 cm große, gut differenzierte NET des Rektums G1 sollen endoskopisch reseziert
werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Neuroendokrine Tumoren (NET) des Rektums werden heutzutage 30- bis 35-fach häufiger
festgestellt als noch vor 40 Jahren [255 ]
[256 ]. Rektum-NET entwickeln in der Regel kein hormonelles Syndrom und bleiben lange Zeit
asymptomatisch. Ihre Diagnose erfolgt meist im asymptomatischen Stadium und oftmals
im Rahmen einer Vorsorgekoloskopie [255 ]
[256 ].
Neuroendokrine Tumoren des Rektums, die auf die Mukosa/Submukosa beschränkt sind,
einen Durchmesser bis maximal 10 mm besitzen, eine niedrige proliferative Aktivität
(Ki-67 < 2 %, G1) zeigen und weder lymphovaskulär noch angioinvasiv wachsen, können
als NET ohne Risikofaktoren bezeichnet werden. Sie können endoskopisch reseziert werden
[257 ]
[258 ]
[259 ]
[260 ]
[261 ]
[262 ]. Das Risiko einer stattgehabten Metastasierung ist bei ihnen gering [216 ]
[257 ]
[262 ]
[263 ]. Für die endoskopische Resektion kommen die endoskopische Mukosaresektion ohne (EMR)
oder mit Kappe (EMR-C), modifizierte endoskopische Mukosaresektionstechniken (EMR-L;
EMR-CMI), oder die endoskopische Submukosadissektion (ESD) in Betracht. Kontrollierte
große Studien, die die einzelnen Techniken prospektiv vergleichen, liegen nicht vor
(s. hierzu auch Empfehlung 3.1).
Liegen Risikofaktoren in Form einer lymphovaskulären Angioinvasion, Infiltration der
muskulären Wandschicht (Muscularis propria), Lymphknotenmetastasen oder einer erhöhten
Proliferationsrate (Ki-67 > 10 %) vor, soll Patienten ohne wesentliche Komorbiditäten
zur Operation geraten werden [257 ]
[260 ]
[264 ]. Die Festlegung des Ki-67-Schwellenwertes von > 10 % bei G2 erfolgt aufgrund von
Expertenmeinungen. Gute Evidenz liegt nicht vor, ein geeigneter Cut-off-Wert sollte
in weiteren Studien evaluiert werden.
Für Patienten mit kleinen (< 1 cm) rektalen NET und G2-Differenzierung und Patienten
mit rektalen NET zwischen 10 und 20 mm Größe und G1-Differenzierung liegen keine einheitlichen
Studien und Leitlinienempfehlungen vor. Aufgrund der lückenhaften Datenlage sollte
jedoch in diesen Fällen in Abhängigkeit weiterer Risikofaktoren (s. o.) und in Abhängigkeit
von Alter und Komorbiditäten zwischen einem lokal endoskopischen oder einem radikal
chirurgischen Verfahren entschieden werden.
Vor einer endoskopischen Therapie histologisch gesicherter, bislang nicht abgetragener
Rektum-NET sollte eine Endosonografie durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Zur genauen Größenbestimmung des Rektum-NET, zum Ausschluss einer Infiltration tieferer
Darmwandschichten (Muscularis propria) sowie zum Ausschluss von Lymphknotenmetastasen
soll vor der endoskopischen Resektion eine Endosonografie erfolgen [265 ].
Weiterführende diagnostische Maßnahmen wie MRT des Beckens, CT, Somatostatin-Rezeptor-Szintigrafie
sind bei gut differenzierten Rektum-NET < 1 cm präinterventionell nicht erforderlich.
Anders verhält es sich bei Rektum-NET > 1 cm, bei V. a. Lymphknotenmetastasen, bei
lymphatischer und/ oder Angioinvasion, bei Infiltration der Muscularis propria oder
bei einer Proliferationsrate von ≥ 2 %. Zudem soll bei allen Patienten mit Rektum-NET
eine komplette Koloskopie durchgeführt werden, um multifokale NET sowie synchrone
Adenome und Adenokarzinome des Dickdarms festzustellen und entsprechend zu behandeln.
Besteht makroskopisch der Verdacht auf einen endoskopisch R0-resektablen, gut differenzierten
Rektum-NET, sollte auf die Biopsieentnahme verzichtet werden.
Empfehlung, starker Konsens
Initiale Biopsieentnahmen aus einem Rektum-NET können infolge der Narbenbildung die
R0-Resektionsrate einer späteren endoskopischen Resektion verringern [266 ].
Bioptisch gesicherte 1 – 5 mm große, gut differenzierte Rektum-NET G1, die endoskopisch-makroskopisch
nicht mehr auffindbar sind und nicht angioinvasiv wachsen, sollten nach 1 Jahr rektoskopisch
und endosonografisch nachuntersucht werden. Bei unauffälligen Befunden kann auf eine
weitere Nachsorge verzichtet werden.
Empfehlung bzw. offene Empfehlung, starker Konsens
Es handelt sich hierbei immer um Rektum-NET von < 1 cm im Durchmesser; i. d. R. sind
es 1 – 5 mm große, gut differenzierte (G1-) NET, die mittels Biopsiezange abgetragen
wurden und histologisch keine lymphovaskuläre Infiltration aufweisen [257 ]
[265 ]. Angesichts der guten Prognose von 1 – 5 mm großen, gut differenzierten (G1) und
nicht-angioinvasiv wachsenden NET des Rektums ist eine rektoskopische und endosonografische
Kontrolluntersuchung nach 1 Jahr ausreichend. Nicht mehr auffindbare Rektum-NET mit
anderen Charakteristika sollen in einem Referenzzentrum vorgestellt werden. Vergleichende
Studien liegen nicht vor. Um das Auffinden kleiner Rektum-NET zu erleichtern, ist
bei der initialen Endoskopie ggfls. eine Markierung (z. B. mit Tusche) empfehlenswert.
Inkomplett abgetragene, gut differenzierte Rektum-NET ohne lymphatische oder Angioinvasion,
ohne Lymphknotenmetastasen, ohne Infiltration der Muscularis propria und einer Größe
< 10 mm können einer nochmaligen endoskopischen Resektion unterzogen werden.
Offene Empfehlung, Konsens
Bei inkomplett abgetragenen, gut differenzierten Rektum-NET ohne lymphatische oder
Angioinvasion, ohne Lymphknotenmetastasen, ohne Infiltration der Muscularis propria
und einer Größe < 10 mm kommen prinzipiell die nochmalige endoskopische oder die transanale
(mikrochirurgische) Resektion in Frage [264 ]
[267 ]
[268 ]. Unabhängig vom gewählten Verfahren soll die erfolgreiche R0-Resektion des Rektum-NET
histologisch bestätigt werden.
Bei fraglich inkomplett abgetragenem G1-differenzierten Rektum-NET < 1 cm und ohne
Risikofaktoren sollen kurzfristig als auch nach 1 Jahr Kontrollbiopsien entnommen
werden. Sind diese Kontrollen sowie die Endosonografie nach 1 Jahr unauffällig, kann
auf weitere Kontrollen verzichtet werden. Bei Resektion von gut-differenzierten Rektum-NET
> 1 cm soll eine langfristige, jährliche Nachsorge erfolgen.
Nach kurativer endoskopischer Resektion von gut differenzierten (G1-) Rektum-NET (ohne
Risikokonstellation) von < 1 cm soll eine endoskopische Kontrolle (Rektoskopie und
Endosonografie) nach 1 Jahr erfolgen. Wenn diese unauffällig ist, kann auf weitere
Nachsorgeuntersuchungen verzichtet werden
Starke Empfehlung bzw. offene Empfehlung, starker Konsens
Vergleichende Studien zur Nachsorge liegen nicht vor. Angesichts der exzellenten Prognose
von G1-gut-differenzierten Rektum-NET von < 1 cm und ohne Risikokonstellation sollte
insbesondere bei älteren Patienten keine regelhafte Nachsorge erfolgen. Eine einmalige
Kontrolle nach 1 Jahr mittels Rektoskopie und Endosonografie soll angeboten werden.
Das Vorgehen bei gut differenzierten Rektum-NET wird im Therapiealgorithmus 1 zusammengefasst
[Abb. 1 ].
Abb. 1 Therapiealgorithmus 1: Vorgehen bei gut differenzierten NET des Rektum.
3.8 Pankreas-NET
Zur symptomatischen Therapie eines resektablen Insulinoms kann eine EUS gesteuerte
endoskopisch-ablative Therapie bei Kontraindikation zur Operation erwogen werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens
Die Therapiemöglichkeiten von Insulinomen sind vielfältig [121 ]. In Fällen einer insuffizienten Kontrolle des Hyperinsulinismus kann eine endosonografisch
gesteuerte ablative Therapie erfolgen. Einzelfallberichte bzgl. dieser Therapie belegen
eine gute Symptomkontrolle [269 ]
[270 ]
[271 ].
4. Chirurgische Therapie
4.1 Allgemeine Fragen zur Chirurgie bei metastasiertem Leiden mit primär kurativem
oder primär palliativem Anspruch
4.1.1 Lebermetastasen NET G1 / G2
Alle Lebermetastasen von Patienten mit G1/2-Tumoren, die operativ vollständig entfernbar
erscheinen (siehe Definition ENETS), sollten reseziert werden. Dies sollte angestrebt
werden, wenn die vollständige Entfernung des Primarius und eventueller Lymphknotenmetastasen
möglich ist und keine diffusen extrahepatischen Fernmetastasen vorliegen.
Empfehlung, starker Konsens
Resektable Metastasen sollten reseziert werden, auch wenn ein Primärtumor nicht darstellbar
ist.
Empfehlung, Konsens.
So zeigt die Metaanalyse von Bacchetti et al. [272 ] mit 3 aus 2546 primär betrachteten Studien eine verbesserte Prognose bei R0/1-resezierten,
als bei nicht operierten Patienten. Weitere Metaanalysen publizierter Studien bestätigen
diese Daten mit 5-Jahres-Überlebensraten von 60 – 80 % nach Operation und etwa 30 %
bei nicht operativer Therapie [273 ]
[274 ]
[275 ]). All diese Studien sind jedoch retrospektiv und meist univariat analysiert worden.
Bei der multivariaten Analyse der Daten von Lesurtel ergibt sich kein Unterschied
operierter gegenüber nicht operierter Patienten. Den Vorteil der Operation weist auch
die Analyse von Mayo [276 ] mit 339 Patienten und einer 5-Jahres-Überlebensrate von 54 % bei R0- und 33 % bei
R1-resezierten Patienten auf. Bacchetti et al. [272 ] sehen bei dem nachgewiesenen Vorteil der Operation von Lebermetastasen zwischen
R0- und R1-resezierten Patienten keinen Unterschied, wohingegen Watzka und Mitarbeiter
[277 ] 10-Jahres-Überlebensraten von 90 % bei R0-Resektion, 53 % bei R1- und 51 % bei R2-Resektion
sowie 19 % bei nicht operativem Vorgehen zeigen. Das 10-Jahres-Überleben in einem
Kollektiv von 603 Patienten liegt nach der Erfahrung der Gruppe aus Uppsala bei operierten
Patienten bei 67 %, bei mit RFA und TAE/TACE therapierten bei 41 – 75 % und bei nicht
lokal behandelten Patienten bei 28 %. Werden die Patienten jedoch in einer matched
Analyse verglichen, weist die Operation gegenüber der RFA sowie RFA und Operation
keinen Überlebens-Vorteil gegenüber der Kontrolle auf, der Vorteil der Operation liegt
in der geringeren Tumor-Progression [278 ]. Für den Vergleich Operation vs. Embolisation hatte Osborne schon 2006 [279 ] den Vorteil der Chirurgie gezeigt. Auch die Daten von Du et al. [280 ] an 74 operierten und 56 nicht operativ therapierten Patienten mit NEN und Lebermetastasen
weisen den Vorteil chirurgischer Therapie auf mit 5-Jahres-Überlebensraten von 40,5
vs. 5,4 %.
Letztendlich ist die Indikation zur Resektion der Lebermetastasen eine interdisziplinär
im Tumorboard zu fällende, die das Tumorvolumen, Ausbreitungsmodus und Proliferationsgrad
sowie individuelle Patientenfaktoren berücksichtigen muss.
Auch für CUP-Syndrome gilt, dass isolierte, vollständig resektable Metastasen chirurgisch
entfernt werden sollten, zumal teilweise bei der Operation der Metastasen der Primarius
entdeckt wird [281 ].
Bei der meist multifokalen Metastasierung sollte unter kurativer Intention oder dem
Ziel der Symptomkontrolle parenchymsparenden Resektionen der Vorzug geben werden.
Empfehlung, starker Konsens
Bei Patienten mit NET G1/2 2546 sollte die Entscheidung zur 1- oder 2-zeitigen Entfernung
des Primärtumors und seines Lymphknotenabflussgebietes sowie vorhandener Lebermetastasen
vom Allgemeinzustand des Patienten und der Ausdehnung des Eingriffs abhängig gemacht
werden. Die hepatische Resektion kann damit ggf. auch in einer zweiten Sitzung erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens
Bei allen Patienten mit Lebermetastasen eines NET, die operiert werden, kann eine
Cholezystektomie erwogen werden.
Empfehlung offen, Konsens
Eine kürzliche internationale Konsensus-Konferenz [282 ] und die ENETS „Standards of Care“-Empfehlungen [283 ] kamen zum Schluss, dass allein aufgrund der Ausdehnung der Lebermetastasierung nur
in 20 – 57 % der Fälle eine operative Resektion (auch als Major-Resektion) bei Typ
1 und in ausgewählten Fällen Typ 2 zu empfehlen ist (Typ 1 = einzelne Metastase jeder
Größe, Typ 2 = isolierte Hauptmasse der Metastase in einem Leberlappen, immer begleitet
von isolierten, resektablen Metastasen im anderen Leberlappen; Typ 3 = disseminierte
Metastasierung, immer mit multiplen Metastasen in beiden Leberlappen [284 ]), wenn > 90 % der Metastasen entfernt werden können. Dies ist auch nur bei hochdifferenzierten
NEN Grad 1 und 2 sinnvoll, wenn kein gleichzeitig nachweisbares Karzinoid-Herz-Syndrom/Hedinger-Syndrom
vorliegt und wenn mehr als 30 % Leber belassen werden. Die Mortalität der Operation
sollte unter 5 % liegen (ggf. mehrzeitiges Vorgehen) [285 ]
[286 ]
[287 ]. Die Entscheidung zu einem 1- oder 2-zeitigem Vorgehen muss bei jedem Patienten
individuell getroffen werden. Für die Entscheidung spielen Patientenfaktoren (Allgemeinzustand
und notwendige Ausdehnung des hepatischen Eingriffs) die wichtigste Rolle.
Da eine Cholecystolithiasis bei NEN-Patienten häufiger vorzukommen scheint, insbesondere
bei denen unter SSA-Therapie, wurde bis vor wenigen Jahren regelhaft eine Cholezystektomie
auch bei asymptomatischen Patienten empfohlen. Allerdings gibt es bisher keine prospektiv
randomisierte Studie, die eine erhöhte Inzidenz von klinischen Beschwerden im Sinne
einer symptomatischen Cholezystolithiasis bei SSA-Therapie belegen. Deshalb kann die
Entscheidung zur begleitenden Cholezystektomie im Falle einer Operation in Abhängigkeit
von technischen und klinischen Aspekten (z. B. vorhandene Cholelithiasis, frühere
Episoden einer Cholezystitis, geplante TAE oder SIRT von Lebermetastasen) erwogen
werden.
4.1.2 Lebermetastasen NEN G3
Lebermetastasen von Patienten mit NEC sollten nicht primär reseziert werden.
Empfehlung, starker Konsens
Solitäre Metastasen bei G3 CUP können in Einzelfällen reseziert werden.
Empfehlung offen, Konsens
Ausnahmen sind jedoch kritisch zu prüfen, wenn begrenzte G3-Tumoren und Metastasen
vorliegen. Du et al. [280 ] konnten bei 36 Patienten, von denen 26 operiert wurden und 12 eine nicht operative
Tumortherapie erhielten, einen Überlebensvorteil der operierten Patienten nachweisen.
Doch ist dies eine retrospektive Studie, in der die operierten und konservativ therapierten
Patienten nicht unbedingt vergleichbar waren. Die neue ENETS-Leitlinie (2016) sieht
bei einer Fernmetastasierung bei NEC keine OP-Indikation.
4.1.3 Primärtumorresektion bei nicht kurativ resektablen NET
Die Entfernung des Primarius kann auch bei nicht kurativ resektablen Metastasen indiziert
sein, wenn der Primarius Beschwerden verursacht oder um Komplikationen (z. B. Ileus)
vorzubeugen.
Empfehlung offen, starker Konsens
Die Untersuchungen der Gruppe aus Uppsala für NEN des Dünndarms zeigen [288 ], dass die Entfernung des Primärtumors und abdomineller Lymphknotenmetastasen positive
prognostische Faktoren darstellen. Dies bestätigt die Arbeit von Keutgen et al. [289 ] anhand der SEER-Daten aus den Jahren 1973 bis 2011 auch für 401 Patienten mit malignen,
funktionellen NEN des Pankreas.
4.1.4 Indikation zur Debulking-Operation
Debulking-Operationen können indiziert sein, wenn dadurch lokale Beschwerden verbessert
oder ein hormonelles Syndrom, das medikamentös nicht ausreichend therapierbar ist,
durch die Resektion eines Großteils der Tumorlast verbessert wird.
Empfehlung offen, starker Konsens
Hierzu liegen keine Studiendaten vor. Angestrebt wird eine Größenreduktion, die möglichst
ca. 90 % der Tumorlast darstellen sollte. Wie o. g. kann dies aus rein funktionellen
Erwägungen, aber auch bei nicht funktionellen Tumoren bei lokalen Problemen erfolgen.
Eine Debulking-Resektion kann auch mit einer lokal ablativen Maßnahme wie RFA kombiniert
werden, insbesondere um Major-Resektionen zu vermeiden. Die Entfernung von Lebermetastasen
und der Gallenblase ohne Resektion des NEN Primarius erscheint nur sinnvoll, wenn
der Primarius so klein ist, dass er schwer auffindbar ist oder ein hormonelles Syndrom
im Vordergrund steht, das medikamentös nur unzureichend behandelt werden kann.
4.1.5 Indikation zur Lebertransplantation bei NET G1 / G2 mit disseminierter Lebermetastasierung
(Typ 3 nach ENETS)
Bei selektionierten Patienten mit funktionellen NET G1 / G2 und einem medikamentös
nicht beeinflussbaren hormonellen Syndrom, oder Patienten mit nicht funktionellen
Tumoren und einer diffusen nicht resektablen Lebermetastasierung, die auf alle anderen
verfügbaren Behandlungsoptionen nicht ansprechen, kann eine Lebertransplantation erwogen
werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Die Analyse von 213 bei NEN durchgeführten Lebertransplantationen konnte zeigen, dass
mit verbesserter Patientenauswahl und Transplantations-Erfahrung die 5-Jahres-Überlebensrate
von 62 % vor dem Jahr 2000 auf 82 – 99 % zwischen 2000 – 2009 anstieg [290 ]. Besonders auch deshalb, weil Faktoren für eine schlechte Prognose (Hepatomegalie,
große Lebermetastasen, gleichzeitige Whipple’sche Operation oder Milzentfernung, Alter
> 50.LJ, hohes Grading) berücksichtigt wurden. Jedoch ist nach Norlen [291 ] bei einem Vergleich der Lebenserwartung von für die Transplantation in Frage kommenden
Patienten (78/672 Pat.) der Erfolg anderer Therapien so groß, dass dadurch das zu
erwartende 5-Jahres-Überleben der transplantierten Patienten mit realen 97 % übertroffen
wird. Das Expertengremium im Rahmen einer kürzlichen Konsensus-Konferenz hat somit
auch keine Empfehlung zur Indikation der LTX herausgegeben, und nur auf die Notwendigkeit
der Beachtung strikter Kriterien hingewiesen [282 ]. Diese Kriterien umfassen nach ENETS Alter < 50.LJ, Ki-67 < 10 %, keine extrahepatische
Metastasierung, Primärtumor entfernt, stabile Erkrankung über 6 Monate und nicht resektable
Lebermetastasen.
4.1.6 Knochenmetastasen und/ oder Fernmetastasen von NET G1 / G2 in anderen Organen
(z. B. ZNS, PC, Peritoneum)
Extrahepatische, nicht-ossäre Fernmetastasen von NET G1 / G2, die mit geringer Morbidität
vollständig entfernt werden können, sollten chirurgisch entfernt werden, wenn damit
Tumorfreiheit erzielt oder Komplikationen verhindert bzw. therapiert werden können.
Empfehlung, Konsens
Eine Peritonektomie bei Peritonealmetastasierung kann bei umschriebener lokaler Aussaat
von G1/2-Tumoren erwogen werden.
Empfehlung offen, Konsens
Eine HIPEC-Therapie sollte außerhalb von Studien nicht durchgeführt werden, da diese
gegenüber alleiniger zytoreduktiver Therapie bisher keinen Benefit gezeigt hat.
Empfehlung, Konsens
In der einzigen publizierten Studie zur Bedeutung chirurgischer Optionen bei Peritonealmetastasierung
bei NEN G1 / G2 [292 ] scheint eine zytoreduktive Therapie bei Peritonealmetastasierung möglicherweise
einen positiven Effekt aufzuweisen. Eine HIPEC-Therapie hatte gegenüber alleiniger
zytoreduktiver Therapie keinen positiven Effekt. Sie kann nicht empfohlen werden.
4.2 Spezielle Empfehlungen zur chirurgischen Therapie von NEN nach Organursprung
4.2.1 CUP-NEN
Bei einer abdominellen Manifestation von gut differenzierten NET mit unbekanntem Ursprung
(CUP) (G1 / G2) kann eine diagnostische Laparatomie erwogen werden, wenn die nicht
invasive Diagnostik ohne Primärtumornachweis blieb.
Empfehlung offen, Konsens
Chirurgische Therapieoptionen sollten bei gut differenzierten NET bedacht werden,
da die chirurgische Exploration sowohl diagnostisch zur Primarius-Suche als auch mit
kurativem Ansatz bei nicht diffuser Metastasierung eingesetzt werden [293 ] kann. Intraoperativ sollte der Dünndarm bimanuell durchgemustert werden, da Dünndarm-NEN
sich häufig hinter dem CUP-Syndrom verbergen. Selten können es aber auch pankreatische
oder duodenale NEN sein, sodass die Exploration dieser Abschnitte und die intraoperative
Sonografie des Pankreas berücksichtigt werden sollten. Bei gut differenzierten NEN-CUP’s
mit abdomineller Manifestation ist bei operablen Patienten die chirurgische Exploration
zu erwägen. Häufig kann der Primärtumor so im Dünndarm und seltener im Pankreas lokalisiert
werden. Selbst die Resektion von Metastasen ohne den Nachweis eines Primärtumors kann
gute Langzeiterfolge zeigen [294 ].
4.2.2 Magen-NEN
4.2.2.1 Magen-NEN Typ 1 und Typ 2
Eine chirurgische Resektion von Typ-1/2-Magen-NEN sollte unabhängig von einer Multiplizität
bei einer Größe > 2 cm, bei Angioinvasion, Infiltration der M. propria und/ oder Nachweis
von Lymphknotenmetastasen erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens
Ist das Magen-NEN > 2 cm, infiltriert die Submukosa und liegen keine Zeichen lokaler
Lymphknotenmetastasen vor, kann eine lokale Resektion (Wedge-Resektion) oder eine
formale Magenteilresektion vorgenommen werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Bei Typ-1/2-Magen-NEN soll eine onkologische Magenresektion (partiell, subtotal oder
total) mit systematischer D2-Lymphadenektomie nur bei prä- oder intraoperativ nachgewiesenen
Lymphknotenmetastasen vorgenommen werden.
Starke Empfehlung, Konsens
Das Management der Magen-NEN hängt vom jeweiligen Typ (Typ 1 – 4, siehe Kapitel 3
Endoskopische Therapie) ab, da dieser entscheidend ist für die Vorhersage des malignen
Potenzials und der Prognose [295 ]. Eine chirurgische Resektion bei Typ-1- (auf dem Boden einer chronisch atrophen
Gastritis: CAG) und Typ 2 (im Rahmen eines Gastrinoms) NET sollte durchgeführt werden,
wenn der Tumor > 2 cm ist, die M. propria infiltriert, positive Resektionsränder nach
endoskopischer Resektion (EMR/ESD) oder Lymphknotenmetastasen vorliegen [296 ]
[297 ]. Aufgrund fehlender Evidenz kann keine klare Empfehlung zum Ausmaß der Magenresektion
gemacht werden. In der Abwesenheit von lokoregionären Lymphknotenmetastasen sind organsparende
Magenresektionen (z. B. Wedge-Resektion, 2/3-Magenresektion) ohne systematische Lymphadenektomie
ausreichend.
Eine Antrektomie ist eine mögliche Therapieoption für Patienten mit multifokalen (> 6
Läsionen, 3 – 4 Läsionen > 1 cm), invasiven oder rekurrierenden Typ1-NEN. Die Antrektomie
entfernt die G-Zellen-vermittelte Hypergastrinämie und führt zur Regression der gastrischen
NEN in über 90 % der Fälle [295 ]
[298 ], wird jedoch heute sehr selten durchgeführt. Im Falle von Lymphknoten- oder resektablen
Lebermetastasen ist eine subtotale/totale Gastrektomie mit systematischer D2-Lypmphadenektomie
zu erwägen.
Typ-2-Magen-NEN sind im allgemeinen auch gut differenziert (G1 oder G2), obwohl eine
Invasion der M. propria und Metastasen in regionäre Lymphknoten und die Leber (5 – 30 %)
häufiger als bei Typ 1 auftreten [129 ]
[299 ]. Die tumorbedingte Sterblichkeit liegt bei etwa 5 %.
Alle Typ-2-Läsionen > 1 cm sollten aufgrund ihres Metastasierungsrisikos endoskopisch
oder chirurgisch reseziert werden, insofern nicht bereits eine Metastasierung durch
einen anderen Primarius vorliegt. Eine endoskopische Resektion sollte bei Tumoren
< 2 cm ohne Infiltration der M-propria und ohne Metastasierung primär vorgenommen
werden. Eine chirurgische Resektion ist analog zu den Typ-1-Magen-NEN bei invasiv
wachsenden oder lokoregionär metastasierten Typ-2-NEN indiziert. Beim Typ-2-NEN spielt
die Antrektomie keine Rolle, da die Hypergastrinämie nicht vom Magenantrum herrührt.
Vielmehr sollte die Therapie der Typ-2-NEN auch die Beseitigung der Quelle der Hypergastrinämie
anstreben, die entweder durch eine chirurgische Exzision der Duodenalwandgastrinome
(durch Duodenotomie mit Lymphadenektomie oder eine partielle Duodenopankreatektomie)
oder durch eine medikamentöse Therapie mit PPI ggf. unterstützt durch eine Therapie
mit SSA erfolgen kann.
Ein ggf. synchron vorliegender pHPT mit Hyperkalzämie im Rahmen des MEN1-Syndroms
kann die Gastrinproduktion und ggf. auch die ECL-Zellen des Magens stimulieren. Da
nach operativer Sanierung des pHPT und damit der Hyperkalzämie reproduzierbar eine
Rückbildung von Typ-2-Magen-NEN beschrieben wurde, sollte ein pHPT bei Vorliegen von
Typ-2-Magen-NEN operativ saniert werden [300 ]
[301 ].
4.2.2.2 Magen-NEN Typ 3 und 4
Typ-3- und 4-Magen-NEN > 1 cm ohne Fernmetastasen sollten primär operiert werden.
Empfehlung, Konsens
Die chirurgische Therapie der Typ-3- und 4-Magen-NEN sollte analog der Therapie des
Adenokarzinoms mit subtotaler/totaler Gastrektomie und systematischer D2-Lymphknotendissektion
erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens
Die chirurgische Resektion von Lebermetastasen und des Primärtumors kann bei Typ-3-Magen-NET
erwogen werden, wenn eine lokale R0-Situation erreichbar ist.
Empfehlung offen, Konsens
Typ-3/4-Magen-NEN sind bei Diagnosestellung meist lokal fortgeschritten (> 2 cm) und
weisen einen aggressiven Verlauf mit früher Metastasierung auf. Obwohl die Datenlage
hierzu spärlich und von niedrigem Evidenzgrad geprägt ist, erscheint es logisch, dass
die Entscheidung zur chirurgischen Resektion und die Festlegung des Resektionsausmaßes
den Prinzipien und Leitlinien der chirurgischen Therapie des Adenokarzinoms des Magens
folgen sollte. Je nach Lokalisation des Tumors sollte eine subtotale oder totale Gastrektomie
mit systematischer D2-Lymphadenektomie erfolgen [98 ]. Eine Ausnahme bilden hier möglicherweise kleine, G1/G2 differenzierte Typ-3-NEN
(< 1 cm), welche auf die Submukosa beschränkt sind und keine lymphovaskuläre Invasion
aufweisen. Kwon et al. berichteten über 50 Patienten mit Typ-3-Magen-NEN, die endoskopisch
reseziert wurden. Nach einer Nachbeobachtung von median 43 Monaten traten bei keinem
der Patienten ein Tumorrezidiv oder Metastasen auf [221 ], sodass die endoskopische Resektion bei dieser Konstellation eine Alternative zur
Operation darstellt (siehe hierzu Empfehlung im Kapitel 3 Endoskopische Therapie).
Das therapeutische Vorgehen ist bei höherer Proliferationsrate im Einzelfall interdisziplinär
zu diskutieren. Bei Patienten mit fernmetastasierten Typ-3/4-Magen-NEN sollte in erster
Linie eine systemische Therapie, wie in Abschnitt Medikamentöse Therapie Kapitel 5.2.2
empfohlen, in Betracht gezogen werden.
4.2.3 Sporadische duodenale NEN
Nicht-funktionelle duodenale NET über 2 cm und alle duodenalen Gastrinome ohne diffuse
Fernmetastasierung sollten reseziert werden, wenn keine signifikante Komorbidität
gegen eine Operation spricht.
Empfehlung, starker Konsens
Nicht-funktionelle duodenale NET zwischen 1 – 2 cm sollten operativ reseziert werden,
wenn Risikofaktoren wie Infiltration der Muscularis propria, lymphovaskuläre Invasion,
ein Ki-67 > 2 % oder Lymphknotenmetastasen vorliegen.
Empfehlung, starker Konsens
Bei nicht-funktionellen und funktionellen duodenalen NET< 2 cm ohne Hinweis auf Metastasen
sollte eine lokale Exzision favorisiert werden.
Empfehlung, starker Konsens
Bei allen Gastrinomen und bei V. a. Lymphknotenmetastasen nicht-funktioneller duodenaler
NEN sollte eine systematische Lymphadenektomie erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens
Vor Operation eines duodenalen Gastrinoms sollte das Vorliegen eines MEN1-Syndroms
und ggf. eines pHPT abgeklärt sein.
Empfehlung, starker Konsens
Duodenale NEN machen 1 – 4 % aller klinisch behandelten NEN aus, sind jedoch bei pathologisch
anatomischer Untersuchung häufiger zu finden und werden basierend auf den SEER-Daten
der Jahre 1983 – 2010 [302 ] immer häufiger diagnostiziert (0,27/100 000 1983 und 1,0/100 000 2010).
Die in über 90 % weniger als 2 cm messenden und funktionell nicht in Erscheinung tretenden
Tumoren zeigen immunhistochemisch meist eine Expression für Somatostatin, bei erhöhter
Ki-67-Rate dagegen vermehrt eine Calcitonin-Expression. In beiden Fällen ist bei kleinem
Primärtumor und Fehlen hormoneller Symptome die endoskopische Entfernung der rein
submukösen Tumore ausreichend [303 ]
[304 ].
Rosentraeger et al. [305 ] beobachteten bei einem Vergleich von 41 Patienten, dass bei Tumoren ohne Zeichen
hormoneller Symptome seltener Metastasen nachgewiesen werden als bei Tumoren mit hormonellen
Syndromen (6 vs. 75 %).
Bei Patienten mit Morbus Recklinghausen und bei MEN1-Patienten ist das multiple Auftreten
dieser kleinen Tumoren die Regel, welches bei sporadischen Tumoren in etwa 10 % zu
erwarten ist, was zur engmaschigeren biochemischen (Gastrin, PP etc.) und endoskopischen
Kontrolle auch nach vollständiger Abtragung des Befundes führen sollte.
Fischer et al. [306 ] und Kachare et al. [226 ] verwenden bei sporadischen Tumoren (> 90 % aller duodenalen NEN) die Tumorgröße
als Maß für die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Lymphknotenmetastasen. Basierend
auf Daten von 949 Patienten mit duodenalen NEN schlagen Kachare et al. [226 ] vor, dass die bisherige Grenze für lokale Therapien von 1 cm auf 2 cm Tumorgröße
heraufgesetzt werden kann. Patienten mit T1a und T1b zeigten in 4,7 % Lymphknotenmetastasen,
wohingegen bei einer Größe von > 2 cm in 20,8 % Lymphknotenmetastasen zu verzeichnen
waren.
Frühzeitige Operationen sind dagegen bei periampullären Tumoren indiziert, da die
Patienten häufig an intermittierenden Schmerzen (50 – 60 %) und wiederkehrender extrahepatischer
Hyperbilirubinämie (> 10 %) mit oder ohne Pankreatitis leiden [307 ].
Beger et al. [308 ] zeigen die Vorteile parenchymsparender Pankreasoperationen anhand von 503 Operationen
periampullärer Tumore, von denen 10,3 % neuroendokrine Tumoren waren. So konnten in
der Arbeit von Jang et al. [309 ] 195 periampulläre Tumore mittels MDCT schon präoperativ in pankreatische Karzinome
(50,3 %) und andere Tumore (davon 26,7 % NEN) unterteilt und somit gezielt eine eingeschränkt
radikale Vorgehensweise ermöglicht werden.
Dumitrascu et al. [310 ] vergleichen die Literatur und konnten zeigen, dass für die Prognose von Patienten
mit periampullären neuroendokrinen Tumoren das Grading G1 + G2 vs. G3 und die Größe
von bis zu 2 cm gegenüber mehr als 2 cm von entscheidender Bedeutung sind.
Sporadische Duodenalgastrinome metastasieren unabhängig von ihrer Größe sehr früh
und bei über 50 % der Tumoren < 10 mm liegen bereits Lymphknotenmetastasen vor [311 ]. Daher sollte bei allen sporadischen Duodenalgastrinomen eine chirurgische Exzision
mit Lymphadenektomie im Gastrinomdreieck durchgeführt werden [105 ]
[311 ].
4.2.4 Pankreatische NEN
4.2.4.1 Sporadische nicht funktionelle pNEN
Alle NF-pNEN > 2 cm ohne diffuse Fernmetastasierung sollten reseziert werden, wenn
nicht eine signifikante Komorbidität gegen eine Operation spricht.
Empfehlung, starker Konsens
Asymptomatische NF-pNEN ≤ 2 cm können bei selektionierten Patienten überwacht werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Das Ausmaß der Pankreasresektion (formal oder atypisch) sollte von der Größe (</> 2 cm)
und Lokalisation (Pankreas-Kopf und Hals versus Pankreas-Korpus und Schwanz; Tiefe
im Gewebe; Abstand zum Ductus Wirsungianus) des NF-pNEN abhängig gemacht werden.
Empfehlung, starker Konsens
Bei NF-pNEN ≤ 2 cm mit potenziell benignem Verhalten und prä- sowie intraoperativ
unauffälligen Lymphknoten sollte keine systematische prophylaktische Lymphknotendissektion
durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Minimal-invasive Prozeduren bei NF-pNEN können bei selektionierten Patienten durchgeführt
werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Grundvoraussetzung für die Diagnose eines pNEN ist der Nachweis einer hypervaskularisierten
Läsion (CT/MRT) und eines positiven Somatostatin-Rezeptor-Nachweises mittels PET oder
SRS. Bei einem geplanten konservativen Vorgehen kann die Verifizierung eines gut differenzierten
G1/„low G2“-Tumors durch eine endosonografisch gesteuerte Feinnadelpunktion mit Bestimmung
des Ki-67-Index angestrebt werden, was aber nicht selten technisch schwierig ist.
Die chirurgische Resektion ist die Therapie der Wahl für jeden lokalisierten nicht-funktionellen
pNEN, da dies mit einem signifikanten Überlebensvorteil assoziiert ist [312 ]. Allerdings können NF-pNEN ≤ 2 cm auch engmaschig beobachtet werden, da diese nur
ein geringes Risiko von 6 % für eine Metastasierung haben [313 ]. Gaujoux et al. konnten in einer kürzlichen Studie an 46 Patienten mit NFP-NEN < 2 cm
bei einem medianen Follow-up von 34 Monaten zeigen, dass dies eine gangbare Option
ist. Nur 8 Patienten (17 %) wurden nach einer medianen Zeit von 41 Monaten nach initialer
Evaluation wegen einer Größenprogredienz operiert. Davon hatten alle 8 Patientinnen
einen G1, nodal-negativen Tumor ohne vaskuläre oder peripankreatische Fettinvasion
[314 ]. Ein intensives Follow-up in 3-monatlichen Abständen im ersten Jahr und in 6-monatlichen
Abständen bis zum dritten Jahr wurde in der vorherigen Version der ENETS-Leitlinie
für diese Patienten empfohlen [141 ]. In der neuesten Version der ENETS-Leitlinie [105 ] wurde das Follow-up aufgrund der neuen Daten gelockert, und bei niedrigem Ki-67
und Stabilität nach einer ersten Evaluation nach 6 Monaten wurden nachfolgend Follow-up-Intervalle
von 6 – 12 Monaten empfohlen.
Die chirurgische Therapie von lokalisierten NF-pNEN schließt formale und atypische
Resektionen ein. Diese hängen im Wesentlichen von der Tumorgröße und der Tumorlokalisation
ab. Tumoren > 2 cm oder mit Verdacht auf Lymphknotenmetastasen sollten einer formalen
Pankreasresektion zugeführt werden; bei Lokalisation im Kopf einer partiellen Pankreatikoduodenektomie,
bei Läsionen im Pankreaskorpus und -schwanz einer Pankreaslinksresektion mit oder
ohne Erhalt der Milz, was von der technischen Möglichkeit abhängt. Kleine pNEN (< 2 – 3 cm),
können auch durch atypische Resektionen, entweder durch eine Pankreaskorpusresektion
oder Enukleation reseziert werden. Eine Enukleation sollte nur vorgenommen werden,
wenn der Hauptpankreasgang sicher geschont werden kann. Der Hauptvorteil der atypischen
Resektion ist, dass sie mit einer deutlich geringeren Beeinträchtigung der endokrinen
und exokrinen Langzeitfunktion des Pankreas assoziiert ist als Standardresektionen.
Auf der anderen Seite sind atypische Resektionen mit einer höheren Rate an Pankreasfisteln
vergesellschaftet, obwohl diese meist transient und ohne große klinische Auswirkung
sind. Eine systematische Lymphadenektomie ist bei atypischen Resektionen nicht erforderlich,
allerdings sollte ein nodales Lymphknotensampling vorgenommen werden. Laparoskopische
Pankreaslinksresektionen mit und ohne Erhalt der Milz sowie auch Enukleationen gelten
inzwischen als sicher durchführbar mit den bekannten Vorteilen der minimalinvasiven
Chirurgie für den Patienten [315 ]. Eine eindeutige Aussage bezüglich der Pankreaskopfresektion lässt sich bisher nicht
machen. Bis zu welcher Größe eine atypische Pankreasresektion aus onkologischer Sicht
sicher durchgeführt werden kann, ist bisher nicht definitiv belegt, allerdings kann
aufgrund der derzeitigen Datenlage die 2cm-Grenze als sicher betrachtet werden [316 ].
4.2.4.2 Sporadisches Insulinom
Insulinome ohne chirurgisch inkurable Fernmetastasen sollen reseziert werden.
Starke Empfehlung, Konsens
Bei potenziell gutartigen Insulinomen sollte die Enukleation (laparoskopisch oder
offen) oder limitierte Pankreasresektion (laparoskopisch oder offen) einer formalen
Pankreasresektion vorgezogen werden.
Empfehlung, starker Konsens
Der intraoperative Ultraschall und die Möglichkeit eines intraoperativen histologischen
Gefrierschnitts sollen zur sicheren intraoperativen Diagnose des Insulinoms vorgehalten
werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bei potenziell malignen Insulinomen (große Tumore und/oder V. a. Lymphknotenmetastasen)
ohne Fernmetastasen soll die vollständige Resektion mit formaler Pankreasresektion
und Lymphadenektomie durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bei malignen Insulinomen mit resektablen Fernmetastasen soll die komplette Entfernung
des Primärtumors und der Metastasen angestrebt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bei malignen Insulinomen mit chirurgisch nicht kurablen Fernmetastasen sollte die
Entfernung des Primärtumors und ein Debulking der Fernmetastasen zur Verbesserung
der Hypoglykämiesymptomatik erwogen werden.
Empfehlung, starker Konsens
Eine blinde Resektion von Pankreasgewebe ohne intraoperativen Tumornachweis soll nicht
durchgeführt werden. Bei Nichtauffinden des Insulinoms soll der Patient einer spezialisierten
Einheit zur weiteren Diagnostik und Therapie zugewiesen werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bei einem Erwachsenen wird in etwa 90 % ein isoliertes Insulinom (etwa 90 % gutartig,
10 % maligne) erwartet und selten eine regionale pathologische Inselzellansammlung
(Insulinomatose, NIPHS) [317 ].
Im Kleinkindesalter und in der Häufigkeit abnehmend auch bei Kindern und Jugendlichen
wird bei fehlendem Tumornachweis eine fokale oder diffuse Verteilung pathologischer
Inseln mit Insulinsekretion (regionale, gemischte oder diffuse Nesidioblastose) angetroffen
[318 ]
[319 ].
Mit biochemischem Nachweis der pankreatogenen Hypoglykämie und Ausschöpfung der bildgebenden
Verfahren ist die Operationsindikation mit und ohne positiven Tumorbefund gegeben.
Im Falle eines negativen Tumorbefundes sollte jedoch die regionalbedingte pathologische
Insulinsekretion bekannt sein. Die Indikation zur Operation ist bei umschriebenen
Insulinomen, die in über 90 % als gutartige Adenome in Erscheinung treten, grundsätzlich
indiziert.
Operationsverfahren bei Insulinomen ohne Fernmetastasierung
Enukleation und limitierte Pankreasresektion werden formalen Pankreasresektionen gegenüber
bevorzugt. Die Entscheidung über das offene oder laparoskopische Vorgehen wird von
der Lage des Tumors im Pankreas und in Verbindung zum Pankreasgang bestimmt, sodass
hieraus Enukleationen, Pankreasschwanzresektionen, mediale Pankreaskonsolenresektionen
sowie Duodenum-erhaltende Pankreaskopfteilresektionen folgen können.
Zur Frage, ob das laparoskopische Vorgehen dem offenen Operieren überlegen ist, wurden
inzwischen viele Daten gesammelt, die insgesamt Vorteile für das laparoskopische Vorgehen
zeigen. So zeigt die systematische Literaturzusammenstellung von Mehrabi et al. [320 ] von 114 Artikeln und 6222 Patienten mit operiertem Insulinom, dass die laparoskopische
Operation (n = 288 Pat.) gegenüber dem offenen Vorgehen (n = 4780 Pat.) weniger Fisteln,
Abszesse und eine geringere Mortalität aufweist. In 56 % wurde das Insulinom enukleiert
und in 32 % mittels einer distalen Resektion des Pankreasschwanzes entfernt.
Die Metaanalyse von Drymousis et al. [321 ] verwendete 11 Artikel mit 906 Patienten und konnte für das laparoskopische Vorgehen
eine geringere Komplikationsrate (38 vs. 48 %), einen geringeren Blutverlust durch
die Operation, sowie eine kürzere Krankenhausverweildauer nachweisen. Die verkürzte
Krankenhausverweildauer wurde in zwei weiteren Metaanalysen bestätigt [322 ]
[323 ].
Für die Pankreasschwanzresektion stellt das endoskopische Vorgehen heute fraglos die
zu bevorzugende Operationsmethode dar und ist nach eigener Erfahrung von Xourafas
et al. an 171 Patienten mit einem kürzeren Krankenhausaufenthalt verbunden [324 ].
Im Falle möglicher maligner Tumoren mit V. a. Lymphknotenmetastasen oder nachgewiesenen
Malignomen, sowie bei Insulinomen mit Fernmetastasen ist die formale Pankreasresektion
im Sinne einer Linksresektion, erweiterten Linksresektion und einer PPPD mit regionaler
Lymphadenektomie indiziert. Die Linksresektion kann ggf. auch eine Milzentfernung
notwendig machen. Die Operation segmental auftretender pathologischer Inseln mit vermehrter
Insulinproduktion (Insulinomatose, regionale NIPHS, regionale Nesidioblastose) erfolgt
durch erweiterte Resektion der betroffenen Pankreasregion ohne Notwendigkeit der Lymphknotendissektion.
Dies schließt ggf. eine bis zu 90 %ige Resektion von Pankreasgewebe ein.
Eine Besonderheit stellen Insulinome im Pankreaskorpus dar. Hier ist zwischen erweiterter
Linksresektion (offen oder laparoskopisch) und einer zentralen Konsolenresektion zu
entscheiden Die Konsolenresektion beinhaltet den Vorteil weniger Pankreasgewebe opfern
zu müssen, geht aber mit der Versorgung des Pankreasgangs nach distal und proximal
einher. So steigt nach Sudo et al. [325 ] die Rate der Nachblutungen auf 6 – 38 % an, die sonst unter 5 % lag. Die Rate exokriner
Funktionsstörungen sank dafür von 21 auf 5 % bei den 19 Patienten mit einer Konsolenresektion.
Diese funktionell guten Ergebnisse werden anhand von 36 Patienten mit zentraler Konsolenresektion
und 26 Patienten mit erweiterter Linksresektion von Du et al. [326 ] bestätigt. In dieser Studie zeigte sich eine bessere Insulinreserve nach Glukosebelastung
für die Patienten mit Parenchym-sparender Operation.
Der intraoperative Ultraschall ist heute eine notwendige Voraussetzung zur sicheren
intraoperativen Diagnose des Insulinoms bei laparoskopischem Vorgehen. Beim offenen
Vorgehen hat er zu einer Erhöhung der intraoperativen Erfolgsrate von etwa 80 % auf
weit über 90 % geführt. So zeigt die Metaanalyse von Mehrabi et al., dass die Sensitivität
der Inspektion und Palpation von 41,7 bis 96,4 % stark variierte, während sie für
den intraoperativen Ultraschall in 76 % der Publikationen eindeutig über 90 % lag
[320 ].
Bei V. a. ein malignes Insulinom (Größe des Tumors über 2 cm, irreguläre Tumorgrenze)
und nachgewiesenen Lymphknotenmetastasen präoperativ oder intraoperativ ist die vollständige
Dissektion der peripankreatischen Lymphknoten und des Ligamentum hepatoduodenale sowie
die der periaortalen Lymphknoten indiziert. Die intraoperative Schnellschnittuntersuchung
verdächtiger Lymphknoten ist zum Nachweis der Notwendigkeit einer systematischen Kompartmentdissektion
hilfreich [327 ].
Die Schnellschnittuntersuchung des entfernten Tumors mit Diagnose eines „neuroendokrinen
Tumors“ und der Anstieg der Serum-Glukosewerte nach Insulinomentfernung ohne Infusion
glukosehaltiger Lösungen bestätigen den Erfolg der Operation [328 ]. Als Grenzwert wird ein Anstieg um 30 mg Glukose/dl nach 30 Minuten angegeben [320 ]. Dieses kann durch Nachweis eines Abfalls des Serum-Insulins nach Entfernung des
Tumors und einer intraoperativen Ultraschallkontrolle des restlichen Pankreas ohne
Hinweis auf einen weiteren noch vorhandenen neuroendokrinen Tumor ergänzt werden.
Bei präoperativ biochemischem Nachweis eines Insulinoms und einer positiven präoperativen
Lokalisationsdiagnostik ist im Falle eines negativen intraoperativen Befundes die
blinde Pankreasresektion nicht indiziert. Hier wird die intraoperative selektive Kalziumstimulation
mit Venenblutentnahme empfohlen [320 ]
[328 ]. Der präoperative Verdacht auf und eine Insulinomatose, Nesidioblastose oder eine
NIPHS mit pathologischem SACI-Test ohne Nachweis eines intrapankreatischen Tumors
beinhaltet die „blinde“ Resektion einer Pankreasregion [327 ]. Hier sollte der intraoperative Schnellschnitt zur Bestätigung der pathologischen
Insel vorgenommen werden.
Als intraoperative Erfolgskontrolle können somit der Nachweis des neuroendokrinen
Tumors im Schnellschnitt, der intraoperative Anstieg des Blutzuckers ohne Gabe von
Glukose und ein intraoperativer Schnell-Assay für Insulin mit Abfall nach Tumorentfernung
genutzt werden. Letzterer ist jedoch bei den häufig relativ geringen Insulinsekretionen
in seiner Aussagekraft fraglich und nicht ausreichend validiert [329 ].
4.2.4.3 Sporadisches Gastrinom
Die chirurgische Resektion mit dem Ziel der Heilung sollte bei allen Patienten mit
sporadischem ZES ohne Lebermetastasen oder signifikante Komorbidität durchgeführt
werden.
Empfehlung, starker Konsens
Für eine kurative Operation sollen die komplette Resektion des Primärtumors und eine
systematische Lymphadenektomie im Gastrinomdreieck erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Das Resektionsausmaß sollte von der Lokalisation des Primärtumors und seiner Nähe
zum Pankreasgang abhängig gemacht werden.
Empfehlung, starker Konsens
Bei präoperativ negativer Bildgebung soll die weitere Diagnostik und Therapie an einem
spezialisierten Zentrum erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bei Nichtauffinden des Gastrinoms soll keine totale oder subtotale Magenresektion
durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Beim sporadischen Gastrinom ist die Operation mit der kompletten Resektion des Primärtumors
und des lokalen Lymphknotenabflussgebietes die einzige kurative Therapieoption [311 ]
[330 ]
[331 ]. Es konnte gezeigt werden, dass die chirurgische Resektion zu einem deutlich reduzierten
Risiko für das Auftreten von Lebermetastasen und damit zu einem Anstieg des krankheitsbezogenen
Überlebens führt [331 ]
[332 ]. Daher sollte allen Patienten mit biochemisch nachgewiesenem ZES und einer bildgebend
darstellbaren Läsion ohne Lebermetastasen und ohne signifikante Komorbidität die Operation
empfohlen werden. Eine biochemische Langzeitheilung nach Chirurgie kann in 20 – 50 %
der Patienten mit sporadischem ZES erreicht werden [333 ]. Das Resektionsausmaß hängt von der Größe und Lokalisation des Gastrinoms ab. Pankreatische
Gastrinome können enukleiert werden, wenn der Tumor > 3 mm vom Hauptpankreasgang entfernt
ist. Distale Pankreasresektion unter Erhalt der Milz sollten bei im Pankreasschwanz
lokalisierten Tumoren und eine Duodenotomie zur Detektion von kleinen Duodenalwandgastrinomen
durchgeführt werden [331 ]
[333 ]
[334 ]
[335 ]. Bei Patienten mit tief im Pankreaskopf gelegenen Gastrinomen oder solchen mit einer
Persistenz nach Voroperation kann eine partielle Pankreatikoduodenektomie erwogen
werden [333 ]
[336 ]
[337 ]. Unabhängig von der Lokalisation des Primärtumors sollte routinemäßig eine systematische
Lymphadenektomie im Ligamentum hepatoduodenale, entlang der A. hepatica und retropankreatisch
sowie eine intraoperative Leberexploration mittels intraoperativem Ultraschall durchgeführt
werden, da Lymphknotenmetastasen sowohl von duodenalen als auch pankreatischen Gastrinomen
in bis zu 90 % auftreten [311 ].
Bis zu 30 % der sporadischen Gastrinome können präoperativ nicht exakt lokalisiert
werden. In dieser Situation kann nach multidisziplinärer Diskussion ebenfalls eine
operative Exploration indiziert werden, da in bis zu 90 % der Fälle der Primärtumor
intraoperativ durch den erfahrenen Chirurgen detektiert werden kann. Zudem hat eine
kürzliche Studie gezeigt, dass Patienten mit einer präoperativ negativen Bildgebung
ein längeres krankheitsfreies Überleben und 20-Jahres-Überleben nach der Resektion
aufweisen als Patienten mit einer positiven Bildgebung [143 ].
Im Falle einer negativen präoperativen Bildgebung sollte die operative Exploration
eine Komplettfreilegung des Pankreas mit bidigitaler Palpation und intraoperativem
Ultraschall, eine Duodenotomie, gegebenenfalls mit duodenaler Transillumination und
eine Routine-Lymphadenektomie im Gastrinom-Dreieck umfassen [338 ]
[339 ]
[340 ]
[341 ].
Zur laparoskopischen Resektion von Gastrinomen gibt es bisher nur vereinzelte Fallberichte.
Die laparoskopische/Roboter-assistierte Resektion von Gastrinomen sollte nicht durchgeführt
werden, da der Primärtumor häufig präoperativ nicht detektierbar ist und eine Duodenotomie
mit Detektion von submukosal gelegenen Duodenalwandgastrinomen deutlich erschwert
ist [95 ]
[335 ].
4.2.4.4 Seltene sporadische hormonproduzierende NENs (z. B. Vipom, Glukagonom)
Metabolische Störungen, Elektrolytentgleisungen und Dehydrierungszustände sollten
präoperativ bestmöglich ausgeglichen werden.
Empfehlung, starker Konsens
Bei nicht fernmetastasierten malignen seltenen funktionellen pNETs soll die vollständige
Resektion mit formaler Pankreasresektion und Lymphadenektomie angestrebt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bei fernmetastasierten seltenen funktionellen pNETs mit resektablen Fernmetastasen
sollte die komplette Entfernung des Primärtumors und der Metastasen angestrebt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Bei fernmetastasierten funktionellen pNETs mit nicht resektablen Fernmetastasen kann
die Entfernung des Primärtumors und ein Debulking der Fernmetastasen aus funktionellen
Gründen erwogen werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Die Diagnose profuser, Cholera-ähnlicher wässriger Diarrhö mit massivem Elektrolytverlust
und eine Erhöhung des vasointestinalen Polypeptids lässt die Diagnose eines Vipoms
vermuten. Bildgebend zeigt sich meist ein umschriebener, oft relativ großer Tumor,
der in mehr als 50 % der Fälle bei Diagnose schon Lebermetastasen gesetzt hat. Selten
sind Zufallsbefunde kleiner pankreatischer NEN mit VIP-Sekretion ohne das Vollbild
des Vipoms. Aufgrund der lebensbedrohlichen Elektrolytverschiebung ist vor der Operation
des funktionell aktiven Tumors der Wasser- und Elektrolytausgleich (bis über 20 Liter
pro Tag) und die funktionelle Reduktion der Hormonbildung durch Somatostatin-Analoga
indiziert. Im Falle fehlender Hormonsuppression durch entsprechende medikamentöse
Somatostatin-Analoga kann die Notoperation indiziert sein.
Aufgrund des meist relativ großen und primär malignitätsverdächtigen Tumors ist die
formale Pankreasresektion einschließlich der Lymphadenektomie anzustreben.
Gleiches gilt für Patienten mit Glukagonomen und häufig damit verbundener Diarrhö
sowie den charakteristischen Hautnekrosen. Bei den Patienten liegt zusätzlich eine
Hyperglykämie/ eine diabetische Stoffwechsellage vor. Die Einstellung eines entgleisten
Diabetes mellitus ist vor der Operation vorzunehmen.
Die formal vorzunehmende Pankreasresektion der häufig im Pankreasschwanz befindlichen
Tumoren kann die gleichzeitige Splenektomie und Lymphadenektomie verlangen. Bei möglicher
gleichzeitiger Splenektomie ist die präoperative Pneumokokken-Impfung zu empfehlen.
Kleine Glukagonome und Vipome unter 2 cm sind äußerst selten und können durch umschriebene
Pankreasresektion ggf. mit Lymphadenektomie behandelt werden. Als postoperative Komplikation
treten bei Patienten mit Glukagonomen vermehrt Thrombosen auf (10 – 33 %), weshalb
die Patienten als Hochrisikopatienten für postoperative thromboembolische Ereignisse
eingestuft werden sollten und entsprechend auf eine ausreichende Thromboseprophylaxe
geachtet werden muss.
4.2.5 Ileojejunale NEN
Die chirurgische Resektion ileojejunaler NEN ist die Therapie der Wahl bei kurativer
Intention.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Vor Operation eines ileojejunalen NEN mit Karzinoidsyndrom soll eine Herzbeteiligung/Hedinger
Syndrom u.a mit einer Echokardiografie überprüft werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Aufgrund der möglichen Multifokalität der Tumore soll intraoperativ der gesamte Dünndarm
durchgetastet werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Vor Operation eines Dünndarm-NETs bei einem Patienten mit Karzinoid-Syndrom sollten
perioperativ Somatostatin-Analoga zur Vermeidung einer Karzinoidkrise gegeben werden.
Empfehlung, starker Konsens
Alle Patienten mit ileojejunalen NET sollten als Kandidaten für eine potenziell kurative
Operation durch ein interdisziplinäres Team einschließlich eines erfahrenen Viszeralchirurgen
evaluiert werden. Die kurative Resektion des Primärtumors und seiner lokoregionären
Lymphknotenmetastasen verbessert die Prognose. Nach Resektion werden im Stadium I
und II 5-Jahres-Überlebensraten von nahezu 100 %, im Stadium III von 19 bis 68 % erreicht
[342 ]
[343 ]. Bei Ileum-NET sollte versucht werden eine onkologische Ileumsegmentresektion durchzuführen,
um die Ileozökalklappe zu erhalten und damit das Risiko einer Diarrhö zu reduzieren.
Bei einer bedeutenden Zahl von Patienten muss aufgrund der Tumorlokalisation im terminalen
Ileum aus onkologischen und operationstechnischen Gründen eine Hemikolektomie rechts
durchgeführt werden [343 ]. Die Lymphadenektomie sollte entlang der A. mesenterica superior bis zum Pankreasunterrand
vorgenommen werden. In einer retrospektiven Studie [344 ] an 1364 Patienten wurde kürzlich gezeigt, dass die Resektion von mindestens 8 Lymphknoten
das krebsspezifische Überleben signifikant verlängert (medianes Überleben nicht erreicht
vs. 140 Monaten, p = 0,002). Zudem konnte inzwischen gezeigt werden, dass eine Lymphknotenratio
von > 0,5 mit einem signifikant schlechteren Überleben einhergeht als eine Lymphknotenratio
< 0,5 [345 ], sodass eine systematische Lymphadenektomie auch ein besseres Staging und Prognoseabschätzung
ermöglicht. Bei jeder Operation sollte durch bidigitale Palpation des gesamten Dünndarmes
das Vorliegen multipler Tumore, was in bis zu 35 % der Fälle vorkommt, geprüft werden
[343 ]. Im Falle multipler Tumore, wobei es sich meist um einen dominanten Tumor mit Lymphknotenmetastasen
und weitere nur in der Darmwand gelegene Tumore handelt, sollten neben der Resektion
des Haupttumors mit Lymphadenektomie zusätzliche sparsame Dünndarmsegmentresektionen
gegenüber einer extensiven Darmresektion erwogen werden, um ein Kurzdarmsyndrom zu
vermeiden [345 ].
Ein minimal invasives Vorgehen kann in Betracht gezogen werden, sofern die onkologischen
Standards mit einer R0-Resektion erreicht werden können und der gesamte Dünndarm zur
Überprüfung des Vorliegens multipler Tumoren durchpalpiert werden kann. Bisher gibt
es nur wenige kleine retrospektive Studien, die eine onkologische Gleichwertigkeit
des laparoskopischen Vorgehens bei weniger postoperativem Schmerz und kürzerem Krankenhausaufenthalt
postulieren [346 ]. Daher sollten die potenziellen Vorteile gegenüber einer inkompletten Tumorresektion
oder Lymphadenektomie sorgfältig abgewogen werden. Patienten mit ausgedehnter mesenterialer
Infiltration und/ oder multiplen Tumoren sind keine Kandidaten für ein laparoskopisches
Vorgehen. Bei allen Darmresektionen wegen ileojejunaler NET sollte die Mortalität
unter 2 % und das Auftreten von Dindo-Clavien 3 und 4 Komplikationen unter 20 % liegen
[347 ].
Im Falle einer resektablen Fernmetastasierung, meist der Leber, sollte der Primärtumor
entsprechend den o. g. Standards entfernt werden. Ob im Gesamtkonzept ein ein- oder
zweizeitiges Vorgehen gewählt werden sollte, hängt vom Allgemeinzustand des Patienten
und dem Ausmaß des erforderlichen Lebereingriffes ab [348 ]. Bei nicht resektabler Fernmetastasierung und symptomatischem ileojejunalem Tumor
(Ileus, Blutung, mesenteriale Ischämie) sollten der Primärtumor und Lymphknotenmetastasen
entfernt werden, um die Lebensqualität zu verbessern bzw. den unmittelbaren Tod abzuwenden.
Bei irresektabler Fernmetastasierung und asymptomatischem ileojejunalem NET kann die
Primärtumorresektion erwogen werden, um Komplikationen vorzubeugen (siehe auch A3.1).
Zudem kann die Primärtumorresektion in dieser Situation möglicherweise auch zu einer
Lebensverlängerung führen [349 ]
[350 ]. Allerdings konnten diese Ergebnisse in anderen Studien nicht bestätigt werden [351 ]. Ferner enthalten diese retrospektiven Studien einen potenziellen chirurgischen
Bias zugunsten gut resektabler und wenig morbider Patienten. Daher sollte in dieser
Situation potenzieller Nutzen und Risiko einer Primärtumorresektion interdisziplinär
im Tumorboard abgewogen werden.
4.2.6 Appendix-NEN und GCC
Bei Appendix-NEN < 2 cm ohne histologische Risikofaktoren (d. h. R0-Resektion, keine
Lymphknotenmetastasen, keine Angioinvasion, keine Infiltration der Mesoappendix, Ki-67 < 2 %)
soll eine alleinige Appendektomie erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bei Tumoren < 2 cm mit Risikofaktoren wie ein erhöhter Ki-67-Index > 2 %, einer R1-Resektion,
einer Angioinvasion des Tumors und einer Invasion der Mesoappendix über 3 mm sollte
eine Ileozökalresektion/Hemikolektomie rechts unter Mitnahme des Lymphknotenabflussgebietes
der A./V. ileocolica erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens
In allen Fällen eines Appendix-NEN > 2 cm sollte primär eine rechtseitige onkologische
Hemikolektomie vorgenommen werden.
Empfehlung, starker Konsens
Beim lokalisierten Becherzell-NEN (Goblet Cell Carcinoid, GCC) soll eine Hemikolektomie
rechts durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Das fernmetastasierte GCC sollte analog zum kolorektalen Karzinom therapiert werden.
Empfehlung, starker Konsens
Bei peritoneal metastasiertem GCC (Becherzellkarzinoid) sollte eine zytoreduktive
Chirurgie mit Peritonektomie, Adnektomie und HIPEC erwogen werden, sofern eine R0-
oder R1-Resektion erreicht werden kann.
Empfehlung, starker Konsens
Im Gegensatz zu den insgesamt ansteigenden Inzidenzen der NEN blieb die Häufigkeit
der Appendix-NEN von 1976 – 2006 in Deutschland mit 0,2 – 0,3/100 000 Einwohner relativ
gleich [256 ].
Nach den SEER-Daten [246 ] an 35 618 Patienten mit NEN und den Angaben von Griniatos J & Michail O. [352 ] zeigen etwa 80 % der Appendix-NEN einen Tumor unter 1 cm, 15 % einen von 1 – 2 cm
und in nur 5 % einen über 2 cm. Die Langzeit-Prognose der Patienten ist bei lokalisiertem
Tumor nach den SEER-Daten und den Deutschen Daten [256 ] mit 88 bzw. 86 % 5-Jahres-Überleben und 72 bzw. 81 % 10-Jahres-Überleben sehr gut,
fällt aber bei nachgewiesener Lymphknoten-Metastasierung nach den SEER-Daten auf 78
und 67 % ab.
Weisen die NEN der Appendix eine Gefäßinvasion auf, werden in 30 % Lymphknotenmetastasen
gefunden, während dies nur bei 1 % der G1 – 2-Appendix-NEN ohne venöse Invasion der
Fall ist.
In der Studie von Kleiman et al. [353 ] mit 79 Patienten stellen das männliche Geschlecht, Gefäßinvasion und eine Tumorgröße
von über 2 cm Risikofaktoren für Lymphknotenmetastasen dar und sind mit einem Anstieg
des Rezidivrisikos von 0 auf 13 % verbunden. Fernmetastasen entwickeln sich nach Rossi
et al. [354 ] in 0 – 4,1 %.
Boxberger et al. [355 ] beobachteten 237 Kinder mit Appendix-NEN über im Mittel 2,9 Jahre. In 60 Fällen
wurde eine 2. Operation mit Lymphknotendissektion vorgenommen, die bei 9 (15 % der
Reoperierten und 3,8 % aller Patienten) Lymphknotenmetastasen aufwies. Eine Nachoperation
mit Hemikolektomie und onkologisch systematischer Lymphadenektomie war danach nur
bei Tumoren über 1,5 cm und primär inkompletter Tumorentfernung sinnvoll.
Im Gegensatz zur seltenen Fernmetastasierung bei den G1 – 2-NEN-Tumoren der Appendix
finden Pahlavan und Kanthan [356 ] in einer systematischen Analyse von 57 Publikationen mit knapp 600 Patienten mit
einem Becherzell-NEN der Appendix (etwa 5 % aller Appendix-NEN) in 11,16 % Fernmetastasen
und in 8,76 % Lymphknotenmetastasen. Als Standardtherapie kann hier die Hemikolektomie
mit Lymphadenektomie und ggf. eine Ovarektomie gelten, da in 3,60 % der Fälle eine
Metastasierung in die Ovarien nachgewiesen wurde. Bei einer diffusen Metastasierung,
die in 1,03 % der Fälle beobachtet wurde, empfahlen die Autoren eine zusätzliche zytoreduktive
Therapie.
Die bisher größten Erfahrungsserien hierzu veröffentlichten Rossi et al. [354 ] und Lamarca et al. [357 ], bei denen von 48 bzw. 74 Patienten mit Becherzelltumoren der Appendix 9 (19 %)
und 38 (51 %) Patienten auch eine Chemotherapie oder eine Chemotherapie plus HIPEC
erhielten. Ein Vorteil der Therapien konnte weder für die prinzipielle Hemikolektomie
mit Lymphadenektomie (wegen früher peritonealer Metastasierung), noch für die zytoreduktive
Chirurgie einschließlich HIPEC mit und ohne systemische Chemotherapie nachgewiesen
werden. So ist in der Behandlung von Patienten mit Becherzelltumoren der Appendix
und einem operativen R1-Befund weiterhin kein eindeutiger Vorteil für die einzelnen
verwendeten, unterschiedlichen weiterführenden Therapien belegt.
4.2.7 Kolon-NEN
Kolon-NEN > 1 cm sollen chirurgisch analog zum Kolonkarzinom reseziert werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bei einer Größe < 1 cm sollte ebenfalls eine Operation erwogen werden, wenn ein G2 / G3-Tumor
vorliegt, eine Infiltration der M. propria oder Angioinvasion gegeben ist, oder der
Tumor endoskopisch inkomplett abgetragen wurde.
Empfehlung, starker Konsens
Bei NEC mit lokoregionärer oder gar Fernmetastasierung sollte keine primäre Operation
durchgeführt werden, sofern keine Notfallindikation besteht.
Empfehlung, Konsens
Obwohl nur sehr geringe Evidenz vorliegt, wird empfohlen, Kolon-NEN in ähnlicher Weise
wie Adenokarzinome des Kolons zu behandeln [358 ]. Läsionen < 1 cm können endoskopisch durch Polypektomie oder endoskopische Mukosaresektion
entfernt werden. Im Falle einer inkompletten Resektion oder G2/3-Histologie sollte
sich eine onkologische chirurgische Resektion unter Mitnahme des Lymphknotenabflussgebietes
entsprechend der Lokalisation anschließen. Nach den SEER-Daten aus 5 Dekaden mit 13 715
NEN-Patienten ist eine LK-Metastasierung bei 4 % der unter 1 cm und 15 % der unter
2 cm großen Kolon-NEN zu erwarten [359 ]. Aufgrund der heute geringen Morbidität einer klassischen, formalen Kolonresektion
(Hemikolektomie rechts oder links, etc.) im Vergleich zur segmentalen Kolon-Resektion
sollte daher ab einer Tumorgröße > 1 cm, einer Invasion der M. propria sowie bei G2/G3-Tumoren
eine formale Kolonresektion erfolgen. Auch Al Natour et al. konnten basierend auf
den SEER-Daten von 929 Patienten die Bedeutung der Invasionstiefe für die zu erwartende
Lymphknotenmetastasierung bei Kolon-NEN nachweisen, sodass nur bei T1-Tumoren unter
1 cm mit G1-Grading eine lokale endoskopische Entfernung gerechtfertigt erscheint
[251 ].
Leider weist ein Großteil der Kolon-NEN bei Diagnosestellung bereits ein invasives
Wachstum mit Infiltration der M. propria sowie eine Größe über 2 cm auf. Eine retrospektive
Studie hat zudem gezeigt, dass 85 von 126 (67 %) Patienten zum Diagnosezeitpunkt bereits
eine Metastasierung aufwiesen [360 ]. Die Prognose war insgesamt sehr schlecht mit einem 3-Jahres-Überleben von 5 und
18 % für Patienten mit und ohne Metastasierung. Eine Tumorresektion führte zu keiner
Prognoseverbesserung, insbesondere nicht bei metastasierter Erkrankung. In einer retrospektiven
Studie der SEER-Datenbank an 1367 Patienten mit kolonischen NET [361 ] konnte allerdings gezeigt werden, dass Patienten mit G1 / G2-Tumoren und lokalisierter
Erkrankung ein besseres Überleben nach Tumorresektion aufwiesen (median 21 Monate)
als Patienten ohne Tumorresektion (median 6 Monate, p < 0,001). Dies traf auf Patienten
mit G3-Tumoren nicht zu (median 18 vs. 14 Monate, p = 0,95). Basierend auf diesen
Daten sollte die onkologische Resektion bei Patienten mit lokalisierten G1 / G2-Kolon-NET
erwogen werden, während diese bei NEC nicht primär durchgeführt werden soll.
Ein Teil der Patienten präsentiert sich bei Diagnosestellung bereits mit Symptomen
des Ileus/Subileus bei lokoregionär fortgeschrittenem Kolon-NEN [360 ]
[361 ]. In diesen Fällen kann eine palliative Tumorresektion oder Bypass-Operation zur
Verbesserung der Lebensqualität bzw. zur Abwendung eines kurzfristigen Ileustodes
erwogen werden.
4.2.8 Rektale NET
Das Vorgehen bei gut differenzierten Rektum-NET wird im Therapiealgorithmus 1 zusammengefasst.
Eine totale mesorektale Exzision sollte bei rektalen NET G1/G2 < 1 cm ohne nachgewiesene
Lymphknotenmetastasen nicht durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Bei rektalen NET zwischen 1 – 2 cm Größe ohne Invasion der M. propria, ohne Lymphknotenmetastasen
und mit einer G1 / G2-Differenzierung sollte eine transanale Resektion erwogen werden.
Empfehlung, Konsens
Alle rektalen NET (außer NEC G3) > 2 cm, rektale NET mit lokoregionalen Lymphknotenmetastasen
oder NET G3 sollten analog zum Adenokarzinom des Rektums onkologisch reseziert werden.
Empfehlung, starker Konsens
Bei lokalisiertem NEC ohne Hinweis auf Lymphknoten- oder Fernmetastasen kann eine
primäre Resektion erwogen werden.
Empfehlung offen, Konsens
Die Prognose von rektalen NET G1 / G2 < 10 mm ist nach endoskopischer Resektion mit
10-Jahres-Überlebensraten von 95 – 100 % exzellent [362 ]
[363 ], sodass in diesen Fällen keine onkologische Operation indiziert ist. Selbst bei
Patienten mit NET > 1 cm und/ oder lymphvaskulärer Invasion war die 10-Jahres-Überlebensrate
noch 83 % nach endoskopischer Resektion, wobei 11 % dieser Patienten wegen eines Lokalrezidivs
onkologisch nachoperiert werden mussten [362 ].
Das Vorgehen und die Langzeitergebnisse bei rektalen NET mit 1 – 2 cm Größe sind basierend
auf der vorliegenden Evidenz nicht eindeutig geklärt. Das Metastasierungsrisiko dieser
Läsionen wird mit 7 – 15 % angegeben [364 ]
[365 ], sodass hier auch andere Prognosefaktoren wie Patientenalter, Invasionstiefe und
der Ki-67-Index das Vorgehen mitbestimmen sollten. Ein lokales Staging des Tumors
mittels Endoskopie und Endosonografie sollte die Therapieentscheidung maßgeblich leiten.
Tumore < 2 cm mit einem geringen Ki-67-Index (< 10 %), ohne Invasion der M. propria
und ohne Hinweis auf Lymphknotenmetastasen können lokal endoskopisch oder konventionell
transanal reseziert werden. Im Einzelfall kann auch bei einzelnen lokalen Lymphknotenmetastasen
eines rektalen NEN G1 < 2 cm eine lokale Tumorresektion ohne Lymphknotendissektion
erwogen werden, da dies sich in einer kleinen retrospektiven Studie an 87 Patienten
nicht negativ auf die Prognose bei einer Nachbeobachtung von 67 Monaten ausgewirkt
hat [363 ].
Rektale NEN G1 / G2 > 2 cm haben ein signifikant erhöhtes Metastasierungsrisiko [246 ]
[364 ]
[366 ], welches mit 60 – 80 % angegeben wird. Eine Invasion der Muskularis propria ist
bei diesen Tumoren häufig und zeigt deren hohes Metastasierungspotenzial an. In der
Hoffnung auf einen Überlebensvorteil sollte bei diesen Tumoren eine onkologische Resektion
analog zum Adenokarzinom des Rektums vorgenommen werden, obwohl der Benefit gegenüber
einer lokalen Tumorresektion nur durch retrospektive Studien mit kleiner Fallzahl
und damit niedriger Evidenz belegt ist. In Abhängigkeit von der Tumorhöhenlokalisation
in Bezug auf die Linea dentata kommen dabei eine Totale Mesorektale Exzision (TME),
eine anteriore Rektumresektion oder eine abdominoperineale Rektumamputation infrage.
Diese Eingriffe können allesamt minimalinvasiv vorgenommen werden. Zwar gibt es für
rektale NEN keine Daten, aber für das Adenokarzinom ist inzwischen in RCTs belegt,
dass bei Überwiegen der Vorteile des minimalinvasiven Zugangs das onkologische Langzeitergebnis
gleich ist [367 ].
Ob die Operation eines Lokalrezidivs eines rektalen NETs indiziert ist, kann nach
Datenlage nicht beantwortet werden und obliegt der Einzelfallentscheidung.
Die lokoregionäre onkologische Resektion bei Patienten mit fernmetastasierten rektalen
NEN G1 / G2 verbessert die Prognose wahrscheinlich nicht, führt aber häufig zu einer
Symptombesserung, insbesondere bei Vorliegen einer Obstruktion oder Blutung, sodass
dies aus palliativer Intention erwogen werden kann. Auch bei Vorliegen einer nicht
kurablen Fernmetastasierung kann eine Primärtumorresektion zur Symptomkontrolle lokaler
Tumorkomplikationen, die durch eine rektale Tumormasse verursacht wird, mit palliativer
Intention im Einzelfall erwogen werden.
Bei rektalen NEC G3 sollten – auch wenn keine Fernmetastasierung vorliegt – die Therapieoptionen,
insbesondere die chirurgische Resektion, im interdisziplinären Tumorboard sehr kritisch
abgewogen werden. Dies gilt insbesondere, da eine retrospektive französische Multicenterstudie
aktuell gezeigt hat, dass die Überlebensrate nach Chemotherapie (mit oder ohne Radiotherapie)
versus der nach onkologischer Resektion beim neuroendokrinen Karzinom der Anorektalregion
(NEC G3) ohne Fernmetastasen sowohl bezüglich des progressionsfreien Überlebens (PFS,
13,0 versus 13,2 Monate) als auch des Gesamtüberlebens (OSS, 49,1 versus 39,2 Monate)
gleich war [368 ].
4.2.9 GEP-NEN im Rahmen eines MEN1-Syndroms
4.2.9.1 Allgemeine Empfehlungen zur chirurgischen Therapie von GEP-NEN beim MEN1-Syndrom
Eine rein prophylaktische Operation beim MEN1- oder VHL-Syndrom, die zu der Entwicklung
von pNEN prädisponieren, soll nicht durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Das Resektionsausmaß sollte sich nach Lage, Größe, Anzahl und Präsenz von lokoregionären
Metastasen richten.
Empfehlung, starker Konsens
Eine primäre totale Pankreatektomie sollte vermieden werden.
Empfehlung, starker Konsens
4.2.9.2 MEN1-assoziiertes duodenales ZES
Die Indikation, der Zeitpunkt und das Ausmaß einer Operation beim MEN1-ZES („Zollinger-Ellison-Syndrom“)
sind kontrovers, prospektiv-randomisierte Studien liegen nicht vor. Dennoch können
ein paar akzeptierte Empfehlungen gegeben werden.
Patienten mit MEN1-ZES sollten durch multidisziplinäre Teams, welche eine relevante
Erfahrung bei der Diagnose und der Therapie dieses Syndroms aufweisen, behandelt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Der Operationszeitpunkt und das Operationsausmaß sollte entsprechend der Patientencharakteristika
(Alter, Komorbidität etc.) und den Präferenzen der Patienten festgelegt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Jede Operation für ein MEN1-ZES sollte zumindest eine Duodenotomie mit der Exzision
von Duodenalwandgastrinomen einschließlich einer systematischen peripankreatischen
Lymphadenektomie umfassen.
Empfehlung, starker Konsens
Die höhere Heilungschance durch eine partielle Pankreatikoduodenektomie oder totale
Duodenektomie zum Zeitpunkt des biochemischen ZES-Nachweises soll mit den Patienten
im Hinblick auf Nutzen und Risiko diskutiert werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Es konnte inzwischen klar gezeigt werden, dass das Zielorgan des MEN1-ZES das Duodenum
und nur selten das Pankreas ist [11 ]
[13 ]. Die Prognose des MEN1-ZES ist im Allgemeinen gut, allerdings weisen ca. 25 % der
Patienten einen aggressiven Krankheitsverlauf mit frühzeitiger Metastasierung auf
[369 ]. Obwohl kürzlich beschrieben wurde, dass ein Loss of Interaction mit der CHES1-Domäne
des MENIN-Proteins einen aggressiven Verlauf bei MEN1-pNENs anzeigen kann [370 ], gibt es bisher keinen definitiven Parameter, der einen aggressiven Krankheitsverlauf
anzeigt. Zudem ist das Langzeitüberleben bei der Mehrzahl der Patienten mit MEN1-ZES
mit einem 10-Jahres-Überleben von 95 – 98 % sehr gut. Daher gibt es derzeit keinen
Konsensus bezüglich der Indikation, des Operationszeitpunktes und des Operationsausmaßes.
Beim MEN1-ZES scheinen ein oder mehrere in der Bildgebung darstellbare und voraussichtlich
nicht funktionelle pNENs > 1 – 2 cm ein guter Surrogat-Parameter zu sein, eine Operation
zu indizieren, um die Entwicklung von Fernmetastasen zu verhindern. Allerdings sollte
mit dem Patienten diskutiert werden, dass eine Operation zum Zeitpunkt des biochemischen
Nachweises die höchste Chance auf eine biochemische Heilung bietet [371 ]. Obwohl auch eine Kontroverse über die optimale chirurgische Prozedur besteht, ist
es offensichtlich, dass jede Operation für ein MEN1-ZES eine Duodenotomie oder gar
Resektion des Duodenums mit systematischer peripankreatischer Lymphknotenresektion
beinhalten muss, um eine Chance auf Heilung zu haben. Die partielle Pankreatikoduodenektomie
(PPPD) hat die höchste Langzeit-biochemische Heilungsrate (80 – 90 %) verglichen mit
ca. 30 % nach sogenannten Nicht-PPPD-Resektionen [372 ]. Nichtsdestotrotz führen auch Nicht-PPPD-Resektionen, einschließlich Duodenotomie
mit Exzision von Duodenalwandgastrinomen mit (Thompson Procedure) oder ohne distale
Pankreasresektion zu einem sehr guten Langzeit-Überleben, sodass die Rolle der PPPD-Resektion
aufgrund ihrer erhöhten postoperativen Mortalität und Langzeitmorbidität derzeit unklar
ist. Obwohl man sich prospektiv kontrollierte Studien wünschen würde, um diese Unklarheiten
zu klären, ist es sehr unwahrscheinlich, dass solche Langzeitstudien aufgrund der
Seltenheit der Erkrankung und der Notwendigkeit einer mindestens zehnjährigen Nachbeobachtungszeit
jemals durchgeführt werden. Daher sollten alle Patienten mit MEN1-ZES von einem multidisziplinären
Team, welches eine große Erfahrung mit der Diagnose und Behandlung dieser Erkrankung
hat, behandelt werden. Gegenwärtig sollten die Operationsindikation und der Operationstyp
entsprechend der präoperativen Resultate, der Patientencharakteristika und der Präferenzen
der Patienten angepasst werden.
4.2.9.3 MEN1-assoziierte NF-pNEN
Nicht-funktionelle pNEN im Rahmen einer MEN1 sollen operiert werden, wenn die Tumorgröße
2 cm überschreitet oder in der Bildgebung der Verdacht auf eine Lymphknotenmetastasierung
besteht, sofern eine diffuse Fernmetastasierung ausgeschlossen ist und keine signifikante
Komorbidität vorliegt.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Nicht-funktionelle MEN1-pNEN ≤ 1 cm sollen in der Regel nicht reseziert werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bei MEN1-NF-pNEN zwischen 1 und 2 cm kann sowohl eine Operation als auch eine engmaschige
Überwachung erwogen werden. Über Vor- und Nachteile des Vorgehens muss der Patient
aufgeklärt werden. Die Wachstumsdynamik zwischen zwei Untersuchungszeitpunkten spielt
für die Indikationsstellung eine wichtige Rolle.
Empfehlung offen, starker Konsens
Das chirurgische Management von MEN1-NF-pNEN bleibt im Wesentlichen aus zwei Gründen
kontrovers. Erstens ist inzwischen klar, dass MEN1-NF-pNEN nahezu immer multifokal
im gesamten Pankreasparenchym auftreten [13 ]. Zweitens konnte gezeigt werden, dass das Metastasierungsrisiko von MEN1-NF-pNEN
bei einer Größe von ≤ 1 cm bei 4 % und bei einer Größe von 1 bis 2 cm bei 15 %, ab
einer Größe von > 2 cm bei über 30 % liegt [373 ]. Eine kürzliche Studie konnte zudem zeigen, dass die frühe Diagnose und Operation
von MEN1-NF-pNEN das Überleben verbessern können. Wiederum andere favorisieren ein
mehr konservatives Vorgehen, da ihre Daten nahelegen, dass nur Tumore ≥ 2 cm mit einem
erhöhten Risiko der malignen Entartung assoziiert sind [373 ]
[374 ]
[375 ]
[376 ]. Sollte die Indikation zur Operation gestellt werden, besteht derzeit zudem kein
Konsens über die durchzuführende Operation. Das Spektrum reicht von der Enukleation
bis zur prophylaktischen Erweiterung der Resektion auf eine milzerhaltende Pankreaslinksresektion
bis auf Höhe der Pfortader mit Enukleation von Tumoren aus dem Pankreaskopf [143 ]. Da nahezu alle MEN1-Patienten bei ausreichend langer Nachbeobachtung neue pNEN
in ihrem Restpankreas entwickeln, die häufig über Jahre nur geringe Wachstumstendenz
aufweisen, erscheint eine möglichst parenchymsparende Pankreasresektion sinnvoll.
Eine totale Pankreatektomie sollte aufgrund der hohen Langzeitmorbidität bei kleinen,
nicht metastasierten NF-pNEN nicht durchgeführt werden. Ein laparoskopisches Vorgehen
zur Durchführung von Enukleation oder milzerhaltenden Pankreaslinksresektionen kann
erwogen werden, da inzwischen belegt ist, dass die minimalinvasive Vorgehensweise
sicher durchführbar ist und die Patienten von den Vorteilen der minimalinvasiven Chirurgie
profitieren [315 ]
[377 ]. Bei MEN1-NF-pNEN ohne Hinweis auf Lymphknotenmetastasen ist eine routinemäßige
Lymphadenektomie nicht erforderlich, ein Lymphknotensampling zum Staging sollte vorgenommen
werden [141 ].
4.2.9.4 MEN1-assoziiertes Insulinom
Die operative Therapie des pankreatischen Hyperinsulinismus im Rahmen des MEN1 soll
die biochemische Heilung erzielen und soll unabhängig von der Tumorgröße auch bei
Insulinomen unter 1 cm durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Parenchym-sparende Operationen (Enukleation oder umschriebene Teil-Resektionen des
Pankreas) sollen gegenüber der formalen subtotalen Pankreasresektion bevorzugt zum
Einsatz kommen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Mit der Insulinomentfernung können ggf. auch funktionell inaktive pankreatische NEN
größer 1 – 2 cm mitentfernt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Der intraoperative Ultraschall (IOUS) und die Messung der intraoperativen Serumglukose
vor und nach Tumorentfernung sollen als Qualitätskontrolle erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bei Rezidiven soll eine Reoperation erfolgen, wobei wiederum eine umschriebene lokale
Resektion angestrebt werden und einer Pankreatektomie im Falle eines benignen Insulinoms
vorgezogen werden soll.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bei malignem Insulinom im Rahmen des MEN1 soll eine R0-Resektion des Primärtumors
mit systematischer Lymphadenektomie durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Basierend auf Daten von über 1500 Patienten mit MEN1 [144 ]
[378 ]
[379 ] werden Neuroendokrine Tumore bei etwa 50 % der Patienten mit MEN1-Syndrom bis zum
Ende des 5. Dezenniums entdeckt, und ein pankreatischer Hyperinsulinismus tritt bei
10 bis 22 % der Patienten auf ([144 ]
[378 ]
[379 ]
[380 ]
[381 ]
[382 ]
[383 ]. So zeigen die Ergebnisse des japanischen Konsortiums in 69 der 560 MEN1-Patienten
(12,3 %) und die des französischen Konsortiums in 79 der 734 Patienten (10,8 %) ein
Insulinom. [144 ]
[378 ]. Im Gegensatz zu den anderen NEN des Pankreas entwickeln sich Insulinome bei MEN1-Patienten
meist schon im 2.-3. Dezennium und sind in gut 10 % der Fälle auch die Erstmanifestation
des Syndroms [379 ]
[381 ].
Die Therapie zielt bei diesen meist gutartigen Tumoren (> 90 %) auf eine biochemische
Heilung mit gleichzeitigem Erhalt möglichst großer Teile des Pankreas [379 ]
[382 ]. In seltenen Fällen des MEN1-Syndroms werden Insulinome > 2 cm Größe gemessen und
können malignes Wachstum aufweisen [383 ]. Dann ist eine radikalere Operation mit Lymphadenektomie indiziert [383 ]
[384 ].
Biochemische Rezidive und ein postoperativer Diabetes mellitus sind nach Enukleationen
und segmentalen Resektionen selten [380 ], doch muss im Restparenchym auch nach erweiterter Linksresektion oder einer Whipple’schen
Operation (PPPD) im Verlauf der Erkrankung die Entstehung eines funktionell nicht
aktiven neuroendokrinen Tumors des Pankreas regelmäßig abgeklärt werden.
Eine totale Pankreasentfernung sollte auch bei den seltenen malignen Insulinomen im
Rahmen des MEN1-Syndroms, wie sie von Machado [384 ] akzeptiert wird, aufgrund der z. B. von Barbier et al. [385 ] beschriebenen Probleme (in etwa 50 % eine signifikante Verminderung der Lebensqualität,
sowie das Auftreten von lebensbedrohlichen Ketoazidosen und stationär zu behandelnden
Unterzuckerungen) vermieden werden.
Im Falle von Insulinomen > 2 cm und bei verdächtigen Lymphknoten ist dagegen die Dissektion
der regionalen Lymphknoten (peripankreatisch, im Ligamentum hepatoduodenale, um den
Truncus coeliacus und paraaortal indiziert [383 ]
[385 ].
5. Medikamentöse Therapie
5. Medikamentöse Therapie
Bei Patienten mit neuroendokrinen Tumoren und neuroendokrinen Karzinomen sollte die
Therapie interdisziplinär festgelegt werden.
Empfehlung, Konsens
Bei den Neuroendokrinen Neoplasien handelt es sich um sehr heterogene Tumorerkrankungen,
die zum Teil sehr komplex sind, sehr seltene Entitäten einschließen und ein breites
Spektrum an therapeutischen Optionen umfassen. Die Zahl an verfügbaren Phase-III-Studien
ist limitiert und komparative Studien fehlen für die meisten Situationen. Deswegen
ist insbesondere in der metastasierten Situation eine Festlegung des therapeutischen
Procedere nach Diskussion in einer interdisziplinären Tumorkonferenz angeraten. Diese
Empfehlung steht im Einklang mit internationalen Leitlinien wie z. B. der ENETS (European
Neuroendocrine Tumour Society) [386 ]. Ein adäquates interdisziplinäres Vorgehen ist entscheidend, um Fortschritte der
Diagnostik und Therapie in einzelnen Disziplinen in das Management der Betroffenen
zu integrieren und damit eine Prognoseverbesserung zu erzielen.
Entsprechend setzen wir für die Therapieentscheidung eine Diskussion in einer in der
Behandlung von neuroendokrinen Neoplasien erfahrenen interdisziplinären Tumorkonferenz
voraus und verzichten auf einen entsprechenden Passus (nach interdisziplinärer Diskussion/
nach Besprechung in einem interdisziplinären Tumorboard) in den nachfolgenden Therapieempfehlungen.
5.1 Antiproliferative medikamentöse Therapie bei metastasierter Erkrankung
5.1.1 Abwartende Strategie bei nicht resektablen G1/G2-NET ohne Funktionalität
Bei asymptomatischen Patienten mit nicht resektabler Metastasierung eines gut differenzierten
NET kann eine abwartend kontrollierende Strategie als Alternative zu einer sofortigen
Therapie mit Somatostatin-Analoga verfolgt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Die „watch and wait“-Strategie ist bei gut differenzierten NET ein etabliertes Konzept.
Vorteil einer Observationsperiode ist die Beurteilung des spontanen Wachstumsverhaltens
als Kriterium der Auswahl einer adäquaten Therapie. Ein Überlebensvorteil durch eine
sofortige Therapie im Vergleich zur Therapieaufnahme bei Progress ist nicht bewiesen.
Die gute Verträglichkeit der Somatostatin-Analoga und der nachweislich progressionsverzögernde,
aber nicht remissionsinduzierende Effekt, sprechen hingegen eher für einen frühzeitigen
Therapiebeginn. In der PROMID-Studie war der Effekt von Octreotid-LAR bei Patienten
mit niedriger Tumorlast besser als bei höherer Tumorlast [387 ], in der CLARINET-Studie zeigte sich keine signifikant unterschiedliche Effektivität
von Lanreotid-Autogel bezogen auf die Tumorlast [388 ]. In der PROMID-Follow-up-Studie fand sich in der Gruppe der niedrigen hepatischen
Tumorlast ein nicht signifikanter Trend zum besseren Gesamtüberleben im Octreotidarm
(entsprechend eines sofortigen Therapiebeginns) [389 ]. In der Situation des nicht resektablen niedrig proliferativen NETs muss letztlich
individuell zwischen den Vor- und Nachteilen eines abwartenden Verhaltens unter Einbeziehung
des Patientenwunsches abgewogen werden.
Eine erste morphologische Verlaufskontrolle bei abwartend-kontrollierendem Vorgehen
sollte nach 3 – 6 Monaten durchgeführt werden. Bei Größenkonstanz sind halbjährliche
Kontrollen ausreichend.
Patienten, die Symptome durch eine hohe Tumorlast aufweisen oder einen NET G2 mit
Ki-67 > 10 % haben, sind keine Kandidaten für eine „watch and wait“-Strategie. Dies
gilt selbstverständlich auch für Patienten mit funktionell aktiven Tumoren und in
der G3-Situation.
5.1.2 Therapie mit Somatostatin-Analoga in antiproliferativer Intention
Bei Patienten mit metastasierten/nicht resektablen somatostatinrezeptor-positiven,
intestinalen NET und einer Proliferationsrate von < 10 % soll die Gabe von Somatostatin-Analoga
als erste systemische Therapie erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bei Patienten mit metastasierten/nicht resektablen, somatostatinrezeptor-positiven,
gut differenzierten NET der Bauchspeicheldrüse mit Ki-67 < 10 % und niedriger oder
mittlerer hepatischer Tumorlast können Somatostatin-Analoga in antiproliferativer
Intention in der Erstlinientherapie gegeben werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Bei Patienten mit metastasierten/nicht resektablen, somatostatinrezeptor-positiven,
gut differenzierten NET des Magens, Duodenums, Kolons oder Rektums mit Ki-67 < 10 %
und niedriger oder mittlerer Tumorlast können Somatostatin-Analoga als Erstlinientherapie
eingesetzt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Neben zahlreichen Phase-II-Studien mit überwiegend gemischten Patientenkollektiven,
in denen geringe Remissionsraten (meist < 10 %), aber hohe Stabilitätsraten um die
50 – 60 % unter Therapie mit Somatostatin-Analoga beschrieben wurden, ist der Stellenwert
der Somatostatin-Analoga in antiproliferativer Intention durch die Daten von zwei
prospektiven randomisierten Placebo-kontrollierten Phase-III-Studien jetzt gesichert:
Die beiden Placebo-kontrollierten Studien zur antiproliferativen Therapie der SSA
umfassten überwiegend therapie-naive Patienten (PROMID: 100 %; CLARINET: 84 %).
In der PROMID-Studie wurden Patienten mit metastasierten NET des Midgut – also vorwiegend
des Dünndarms – oder unbekannter Primärtumorlokalisation mit 30 mg Octreotid LAR versus
Placebo behandelt. Die mediane Zeit bis zum Progress war unter Octreotid signifikant
länger als im Placebo-Arm (14,3 vs. 6 Monate; HR 0,34; p = 0,000 072) [387 ]. Die günstigsten Ergebnisse fanden sich bei Patienten mit niedriger hepatischer
Tumorlast (< 10 %). Es wurden sowohl funktionell nicht aktive als auch Patienten mit
mildem Karzinoid-Syndrom eingeschlossen. Die Mehrzahl der Studienpatienten hatte szintigrafisch
einen Rezeptor-positiven Tumor, dies war aber nicht Einschlusskriterium.
Octreotid LAR 30 mg alle 4 Wochen i. m. wurde zur wachstumshemmenden Therapie bei
metastasierten Midgut-NET und NET mit unklarer Primärtumorlokalisation zugelassen.
In der CLARINET-Studie wurden Patienten mit metastasierten, funktionell nicht aktiven,
Somatostatin-Rezeptor-positiven enteropankreatischen NET oder NET mit unklarem Primarius
mit einem Proliferationsindex von Ki-67 < 10 % mit Lanreotid Autogel 120 mg alle 4
Wochen tief subkutan oder Placebo behandelt. In einer Vorbeobachtungsphase über 3 – 6
Monate waren fast alle Patienten (96 %) morphologisch nach RECIST-Kriterien stabil.
Lanreotid war mit einer signifikanten Verlängerung des progressionsfreien Überlebens
(PFS) assoziiert (Median nicht erreicht versus 18 Monate; HR 0,47; p < 0,001) [388 ]. In einer Extensionsstudie lag das mediane PFS der Patienten, bei denen die Therapie
mit Lanreotid Autogel fortgeführt wurde, bei 32,8 Monaten [390 ]. Der Benefit war bei Patienten mit Midgut-NET (HR 0,35; p = 0,009) deutlicher als
in der pankreatischen Subgruppe (HR 0,58; p = 0,06). Die Gruppe der Hindgut-NET war
zu klein (n = 14), um eine klare Aussage zur Wirksamkeit von Lanreotid zu erlauben.
Lanreotid Autogel 120 mg alle 4 Wochen subkutan wurde zur Therapie gastroenteropankreatischer
NET mit Ki-67 < 10 % zugelassen, für Hindgut-NET besteht keine Zulassung.
Die Datenlage zur antiproliferativen Therapie mit SSA bei gastralen, duodenalen, kolorektalen
NET ist weniger klar. Die retrospektiven Studien beinhalteten teilweise auch Patienten
mit diesen Primärtumorlokalisationen. Entsprechend ist ein Therapieversuch mit SSA
bei Patienten, insbesondere bei Rezeptorpositivität, G1-Tumor und niedriger Tumorlast
als Erstlinientherapie gerechtfertigt.
Das günstige Nebenwirkungsprofil von Somatostatin-Analoga und Daten zur Sicherheit
einer Langzeittherapie [390 ]
[391 ] stützen neben den Effektivitätsdaten den Einsatz als Erstlinientherapie bei den
oben genannten Entitäten. Eine Behandlung über viele Jahre ist bei langsam proliferierenden
Tumoren problemlos möglich.
Bei pankreatischen metastasierten NET G2 mit Ki-67 > 10 % sollte keine antiproliferative
Erstlinientherapie mit SSA durchgeführt werden; dies gilt auch für Patienten mit G2-Tumoren
< 10 %, aber deutlicher Wachstumsdynamik oder hoher, symptomatischer Tumorlast.
Empfehlung, starker Konsens
Bei NET mit hoher hepatischer Tumorlast > 50 % kann eine alleinige Therapie mit Somatostatin-Analoga
nur in Einzelfällen bei Rezeptorpositivität, niedriger Proliferationsrate, Symptomarmut
(funktionelle Syndrome ausgenommen) oder fehlenden therapeutischen Alternativen empfohlen
werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Die CLARINET-Studie hatte als Obergrenze der Proliferationsrate einen Ki-67 von 10 %
gewählt. Auch in einer retrospektiven Analyse bei Patienten mit pankreatischen NET,
die als Erstlinienbehandlung Octreotid LAR erhielten, zeigte sich eine längere Wachstumskontrolle
in der Subgruppe der Patienten, deren Proliferationsrate unter 10 % lag [392 ]. Die Datenlage zur antiproliferativen Wirksamkeit der Somatostatin-Analoga bei erhöhter
Proliferationsrate mit Ki-67 > 10 % ist ungenügend.
Hohe hepatische Tumorlast war in verschiedenen Studien prognostisch ungünstig [389 ]
[393 ]
[394 ]
[395 ]
[396 ] In der PROMID-Studie war der Effekt von Octreotid LAR im Vergleich zu Placebo in
der Gruppe der Patienten mit einer Tumorlast > 10 % nicht signifikant, wobei diese
Subgruppe klein war [387 ]. In der CLARINET-Studie fand sich sowohl für Patienten mit geringer Tumorlast bis
25 % ein signifikant längeres progressionsfreies Überleben (HR 0,34) unter Lanreotid
als auch in der Gruppe der Patienten mit einer Tumorlast > 25 % (HR 0,45) [388 ]. Auch in dieser Studie waren nur wenige Patienten mit sehr hoher Tumorlast > 50 %
eingeschlossen. Zudem ist die besondere Patientenselektion mit fast ausschließlich
stabilen Patienten in der Vorbeobachtungsphase zu berücksichtigen.
Somatostatin-Analoga sind in der Regel progressionsverzögernd, aber nicht remissionsinduzierend
(objektive Ansprechraten bis 5 %). Deswegen erscheint bei Patienten mit Symptomen
durch die hohe Tumorlast eine alleinige Therapie mit Somatostatin-Analoga nicht ausreichend.
Entscheidet man sich bei asymptomatischen Patienten für eine alleinige SSA-Gabe, sollte
eine erste Verlaufskontrolle nach 3 Monaten erfolgen.
Eine Somatostatin-Analoga-Therapie trotz negativem bildmorphologischem Somatostatin-Rezeptor-Status
sollte zur antiproliferativen Therapie nicht erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens
Die überwiegende Mehrzahl der Patienten mit gut differenzierten NET ist Somatostatin-Rezeptor-positiv.
Als antiproliferative Wirkmechanismen der Somatostatin-Analoga werden sowohl direkte,
über den Somatostatin-Rezeptor auf der Tumorzelle vermittelte, wie auch indirekte
Mechanismen beschrieben [397 ]
[398 ]. Ein symptomatischer Benefit (bei Karzinoid-Syndrom) wurde auch bei szintigrafischer
Rezeptornegativität in Einzelfällen beschrieben. Zu berücksichtigen ist, dass die
Sensitivität der szintigrafischen Bildgebung bei Leberläsionen < 1 cm begrenzt ist.
Aus diesem Grund kann bei Patienten mit einem G1-Tumor und niedriger hepatischer Tumorlast
im Einzelfall eine Somatostatin-Analoga-Therapie auch bei fehlendem Rezeptornachweis
erwogen werden, wenn die Tumorläsionen klein (< 1 cm) sind und davon ausgegangen wird,
dass diese in der SSR-Bildgebung falsch negativ zur Darstellung kommen. Hingegen sollten
Somatostatin-Analoga in antiproliferativer Intention bei Patienten mit mittlerer oder
hoher Tumorlast nur dann eingesetzt werden, wenn mittels Somatostatin-Rezeptor-Szintigrafie
oder spezifischem PET-CT der Rezeptorbesatz in den Tumorläsionen belegt ist. In der
CLARINET-Studie, die die antiproliferative Effektivität für NET des Pankreas und höhere
Tumorlast belegt hat, wurden nur Patienten mit szintigrafisch Somatostatin-Rezeptor-positiven
Tumormanifestationen eingeschlossen.
Bei Somatostatin-Rezeptor-positiven, gut differenzierten NET mit einem Ki-67-Wert
< 10 % kann eine Therapie mit Somatostatin-Analoga auch nach Vorbehandlung erwogen
werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Der Einsatz von SSA in höherer Therapielinie ist systematisch weniger gut untersucht.
Der milde antiproliferative Effekt lässt sich bei Einhaltung der oben genannten Auswahlkriterien
auch in höherer Therapielinie erwarten. Derzeit untersucht eine randomisierte und
Placebo-kontrollierte Studie den Stellenwert von Lanreotid-Autogel bei duodenopankreatischen
NET nach Vorbehandlung mit Chemotherapie oder molekular-zielgerichteter Therapie im
Sinne einer Remissionserhaltung (REMINET-Studie).
Unter symptomatischem Aspekt (Therapie einer funktionellen Aktivität bzw. eines hormonell
bedingten Syndroms) sind Somatostatin-Analoga in jeder Therapielinie indiziert. Bei
funktionell nicht aktiven Tumoren ist die Effektivität einer SSA-Therapie über einen
dokumentierten Progress hinaus oder eine Wiederaufnahme der SSA-Behandlung bei zuvor
unter SSA-Therapie dokumentiertem Progress nicht belegt.
5.1.3 Einsatz von Interferon-alpha aus antiproliferativer Indikation bei metastasierten
NET
Interferon-alpha (IFN-α) kann zur Behandlung von Patienten mit gut differenzierten
NET des Dünndarms eingesetzt werden, wenn Patienten eine Therapie mit Somatostatin-Analoga
wegen Unverträglichkeit absetzen müssen oder sich bei negativem Somatostatin-Rezeptor-Status
nicht für eine Therapie mit Somatostatin-Analoga qualifizieren.
Empfehlung offen, Konsens
Interferon-alpha (IFN-α) wurde bei gut differenzierten NET als Monotherapie oder Kombinationstherapie
mit Somatostatin-Analoga sowohl in antisekretorischer als auch in antiproliferativer
Intention eingesetzt. Es besteht eine Zulassung zur Behandlung von Patienten mit Karzinoid-Syndrom.
Placebo-kontrollierte Daten sind nicht verfügbar. Die größte Erfahrung besteht bei
metastasierten intestinalen NET, wobei viele Studien auch gemischte Kollektive von
Patienten mit gastroenteropankreatischen Tumoren eingeschlossen haben.
In einer kürzlich vorgestellten randomisierten Phase-III-Studie (SWOG S0518) mit über
400 Patienten mit extrapankreatischen fortgeschrittenen NET wurde Octreotid LAR in
Kombination mit IFN-α mit der Kombination von Octreotid und Bevacizumab verglichen.
Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) im Octreotid- + IFN-α–Arm betrug 15,4
Monate und war nicht signifikant unterschiedlich zum Vergleichsarm Octreotid+Bevacizumab
mit einem medianen PFS von 16,6 Monaten [399 ].
Die größte retrospektive Studie berichtet bei 111 Patienten (75 % Dünndarm-NET) in
15 % ein Tumoransprechen, in weiteren 39 % eine stabile Situation mit einer mittleren
Dauer des Therapieansprechens von 32 Monaten [400 ]. Die größte retrospektive Serie bei pankreatischen NET umfasste 57 Patienten, bei
denen es in 12 % zu einem objektiven Ansprechen, in 24,5 % zu einer Stabilisierung
kam [401 ].
Prospektive Daten zur Monotherapie sind begrenzt; in der randomisierten Studie von
Faiss et al. (gemischtes Kollektiv, Progress zu Therapiebeginn) betrug die Rate an
Patienten mit mindestens stabiler Krankheitssituation nach 12 Monaten nur 29,6 % [402 ], wohingegen in einer anderen randomisierten Studie im IFN-Arm ein medianes progressionsfreies
Überleben von 14,1 Monaten berichtet wird [403 ].
In 2 von drei randomisierten Studien mit Vergleich zwischen SSA-Monotherapie und Kombinationsbehandlung
mit SSA+ IFN-α konnte kein Vorteil der Kombinationstherapie gezeigt werden [402 ]
[404 ], die dritte Studie bei Patienten mit Karzinoid-Syndrom zeigte eine bessere morphologische
Kontrollrate in dem Kombinationstherapiearm, aber keine signifikant bessere 5-Jahres-Überlebensrate
[405 ]. Da die Interferontherapie Toxizität addiert und der Benefit im Vergleich zur alleinigen
Somatostatin-Analoga-Therapie nicht belegt ist, besteht keine Indikation zur primären
Kombinationstherapie. Da das Nebenwirkungsprofil der SSA günstiger als das von IFN-α
ist, stellt die IFN-α-Therapie in der Regel keine Erstlinienbehandlung dar. Seltene
Ausnahme könnte der gut differenzierte Somatostatin-Rezeptor-negative metastasierte
Dünndarm-NET sein. IFN-α kann bei intestinalen NET in der Zweitlinie oder einer höheren
Linie zur antiproliferativen Therapie eingesetzt werden. Bei pankreatischen NET ist
es bei vorhandenen, besser belegten Therapiealternativen von untergeordneter Bedeutung.
Kontraindikationen einer IFN-α-Therapie sind zu beachten, insbesondere sollten Patienten
mit Autoimmunerkrankungen oder unkontrollierten psychiatrischen Erkrankungen (Depression,
Psychose) nicht mit IFN-α behandelt werden. Vorsicht ist auch bei Patienten mit hoher
Tumorlast (> 50 %) geboten, sowie bei Patienten mit eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion
und bei Z. n. Organtransplantation.
Die Standarddosis von IFN-α 2b (IntronA ® ) ist 3 – 5 MU s. c. 3-mal/Woche, die von IFN-α 2a (Roferon ® ) 3 – 4,5 MU s. c. 3-mal/Woche. Pegyliertes IFN-α 2a oder IFN-α 2b werden in einer
Dosierung von 50 – 180 µg s. c. 1-mal/Woche eingesetzt.
Die meisten Daten wurden mit den kurzwirksamen Präparaten erhoben, wobei eine kleine
Studie auf eine bessere Verträglichkeit bei Einsatz der pegylierten Substanz hinweist
[406 ].
Die IFN-Dosis muss (im oben genannten Dosisbereich) individuell nach subjektiver Verträglichkeit
und Blutbild (Leukozyten ≥ 3000/µl) angepasst werden.
5.2 Pankreatische und extrapankreatische NET
5.2.1 Pankreatische NET
5.2.1.1 Medikamentöse Therapieoptionen bei pankreatischen NET
Bei Patienten mit primär irresektablen pankreatischen NET, die durch eine Tumorrückbildung
resektabel werden könnten, kann als individueller Heilversuch eine neoadjuvante Therapie
zum Downstaging gewählt werden.
Empfehlung offen, Konsens
Ein neoadjuvanter Ansatz ist bei NET kein etabliertes Konzept.
Es gibt keine Daten, die bei initial resektabler Erkrankung den möglichen Benefit
einer neoadjuvanten Behandlung im Sinne einer Prognoseverbesserung oder Senkung der
Rezidivrate belegen würden.
Es existieren einige Einzelfallberichte für pankreatische NET, bei denen bei lokaler
Irresektabilität oder grenzwertiger Resektabilität und begrenzter Metastasierung nach
Vorbehandlung mit PRRT [286 ]
[407 ]
[408 ] oder Chemotherapie [409 ] ein Tumorrückgang mit anschließender R0-Resektion erzielt wurde. Wie häufig dieses
Konzept erfolgreich durchgeführt werden kann, lässt sich aus diesen Kasuistiken nicht
ableiten. Eine kürzliche niederländische Publikation [410 ] berichtet von 29 Patienten mit funktionell nicht aktiven NET des Pankreas, die primär
als nicht/grenzwertig resektabel oder oligometastatisch eingestuft wurden und zur
Remissionsinduktion mit Lu177-DOTA-TATE-PRRT behandelt wurden. Neun Patienten (31 %)
konnten nachfolgend erfolgreich operiert werden. Insbesondere bei pankreatischen NET
sollte in einem erfahrenen interdisziplinären Team diskutiert werden, ob bei primär
nicht bzw. grenzwertig-resektabler Situation durch eine Tumorremission eine R0-Resektion
erreicht, und damit ein potenziell kurativer Ansatz erzielt werden könnte. In diesen
Fällen sollten Therapien mit objektiven Ansprechraten > 25 %, wie eine Chemotherapie
mit Streptozotocin+ 5-FU, eine Chemotherapie mit Temozolomid +/- Capecitabin, oder
eine PRRT gegenüber den molekular-zielgerichteten Therapien (Somatostatin-Analoga,
Everolimus, Sunitinib) mit niedrigen Ansprechraten (< 10 %) favorisiert werden.
Die Chemotherapie sollte als Erstlinientherapie bei Patienten mit pankreatischem NET
eingesetzt werden bei hoher hepatischer Tumorlast (> 25 %), signifikantem Tumorprogress
in 6 Monaten oder G2-NET mit > 10 % Ki-67.
Empfehlung, Konsens
Die Kombination von Streptozotocin und 5-Fluorouracil sollte als Standardchemotherapie
bei pankreatischen NET eingesetzt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Als orales Chemotherapieschema kann alternativ auch Capecitabin/ Temozolomid bei pankreatischen
NET gegeben werden.
Empfehlung offen, Konsens
Die Streptozotocin (STZ)-basierte Chemotherapie wird seit den 80er Jahren bei NET
eingesetzt und ist nach älteren Studien mit objektiven Responseraten von 45 – 69 %
verbunden [411 ]
[412 ]. Der Einsatz der Kombination von Doxorubicin mit STZ ist durch eine potenzielle
kumulative Kardiotoxizität (die maximale Doxorubicin-Dosis muss unter 500 mg/m2 liegen)
beschränkt und weitgehend durch den Einsatz der Kombination von 5-Fluorouracil (5-FU)
mit STZ abgelöst [412 ]. Obwohl kleine Studien nicht konsistent die ursprünglich sehr hohe Remissionsrate
bestätigt haben, gibt es neuere retrospektive Datenerhebungen bei pankreatischen NET
von europäischen Exzellenzzentren, die unter Verwendung objektiver radiologischer
Methoden Remissionsraten von 30 – 40 % bestätigen [413 ]
[414 ]
[415 ]. Die berichteten medianen PFS/TTP-Angaben in diesen jüngsten Studien sind 16 Monate,
19,4 Monate und 23 Monate. Mit der Kombination von STZ/5-FU mit Bevacizumab wurde
in einer prospektiven Studie ein medianes PFS von 23,7 Monaten erzielt bei einer Remissionsrate
von 44 % [416 ]. Ob die Kombination mit dem Angiogenese-Inhibitor der reinen Chemotherapie überlegen
ist, bleibt jedoch ohne komparative Studie unklar.
Die STZ-basierte Chemotherapie ist in Deutschland bisher nicht zugelassen, aber vonseiten
des BfArM als Standardtherapie anerkannt und über die Auslandsapotheke verfügbar.
Sollte kein Zugang zur STZ-Therapie bestehen, kann alternativ eine Dacarbazin- oder
Temozolomid +/- Capecitabin-Therapie in Betracht gezogen werden. Die Datenlage ist
jedoch begrenzt und basiert überwiegend auf retrospektiven Studien [417 ]
[418 ]. Die Ansprechraten reichen von 14 bis 70 %; das mediane PFS bzw. die mediane TTP
von 5 bis 36 Monate [419 ]. Daher kann diese Therapie nur vor der zugelassenen molekular-zielgerichteten Therapie
erwogen werden, wenn ein Remissionsdruck besteht. Die höchsten Remissionsraten (70 %)
wurden in einer retrospektiven Studie für die Kombinationstherapie von Temozolomid
und Capecitabin berichtet [418 ], in einer neueren Studie aus demselben Zentrum wird bei 143 Patienten eine objektive
Ansprechrate von 54 % gefunden [420 ]. Eine prospektive Studie in den USA untersucht derzeit, ob die Kombinationstherapie
von Temozolomid mit Capecitabin der Monotherapie mit Temozolomid bei progredienten
pankreatischen NET überlegen ist (www.clinicaltrials.gov ).
Sichere prädiktive molekulare Parameter für das Therapieansprechen existieren nicht.
Die Therapieselektion erfolgt vielmehr aufgrund der genannten klinisch-radiologischen
Kriterien. Diese Empfehlung ist konsistent mit den ENETS-Leitlinien [386 ].
In der chemotherapeutischen Behandlung metastasierter pankreatischer NET sollte eine
Therapiezeit von mindestens 6 Monaten angestrebt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Die Therapiedauer ist abhängig von der Tolerabilität der Chemotherapie und dem Therapieziel.
Es gibt Hinweise dafür, dass eine längere Therapiedauer mit längerer Ansprechdauer
verbunden ist. Die mediane Therapiezeit in einer retrospektiven Studie bei 133 Patienten,
die mit STZ/5-FU in Uppsala behandelt wurden, war relativ lang und betrug 15,8 Monate;
5 Patienten erhielten STZ/5-FU länger als 120 Monate, 13 Patienten für einen Zeitraum
von 60 – 120 Monaten, und 112 Patienten für 0 – 60 Monate. Das mediane PFS betrug
23 Monate [415 ]. In einer anderen Studie mit 96 Patienten lag die mediane Therapiezeit bei 8,71
Monaten (0,13 – 17,9 Monate). Die mittlere Anzahl der applizierten Zyklen nach dem
Moertel-Schema (q 6 Wochen) lag bei 6 (Bereich 1 – 18). Das mediane PFS lag bei 19
Monaten. Gründe für eine kurze Behandlungsdauer (< 6 Monate) waren vor allem das Auftreten
einer Krankheitsprogression [413 ]. In der größten retrospektiven Serie zu mit Temozolomid +/- Capecitabin behandelten
pankreatischen NET lag die mediane Behandlungszeit bei 9 Zyklen (Bereich 1 – 28),
entsprechend 9 Monaten Therapie. Das erzielte PFS lag bei 17 Monaten [420 ].
Auch ohne dokumentierten Tumorprogress kann eine Chemotherapie empfohlen werden bei
Patienten mit pankreatischem NET und hoher Tumorlast und/oder tumorassoziierten Symptomen.
Empfehlung offen, Konsens
Es wurden in Studien mit STZ/5-FU Patienten mit und ohne vorausgehenden Tumorprogress
behandelt. Insbesondere bei Patienten mit hoher Tumorlast bzw. höherer Proliferationsrate
ist ein abwartendes Verhalten zur Beurteilung des spontanen Tumorwachstums nicht vertretbar.
Die Chemotherapie kann sowohl bei G1 als auch G2-NET eingesetzt werden.
Empfehlung offen, Konsens
Es gibt Daten aus retrospektiven Serien, die belegen, dass die STZ-basierte Chemotherapie
sowohl bei G1 als auch bei G2 pankreatischen NET wirksam ist [413 ]. Die Proliferationsrate ist eher ein prognostischer als ein prädiktiver Faktor für
das Ansprechen der Chemotherapie [414 ]
[421 ].
Everolimus oder Sunitinib können bei progredienten nicht resektablen pankreatischen
NET gegeben werden.
Die Auswahl für die eine oder andere molekulare Therapie erfolgt in erster Linie basierend
auf der Komorbidität und den jeweiligen Kontraindikationen/Nebenwirkungen.
Empfehlung offen, starker Konsens bzw. Konsens (bei Ausschluss der Konferenzteilnehmer
mit potenziellem COI)
Everolimus wurde in mehreren Studien (RADIANT-1, RADIANT-3, COOPERATE-2) bei progredienten
pankreatischen NET untersucht. Das progressionsfreie Überleben lag zwischen 9,7 und
16,6 Monaten [422 ]
[423 ]. Eine randomisierte Placebo-kontrollierte Studie zeigte eine Verlängerung des progressionsfreien
Überlebens von 4,6 Monaten mit Placebo auf 11,0 Monate mit Everolimus. Die objektive
Remissionsrate betrug 5 % [424 ]. Die Kombination von Everolimus mit einem Somatostatin-Analogon (Pasireotid) hatte
keine Verlängerung des PFS im Vergleich zur Monotherapie mit Everolimus erbracht [423 ].
Sunitinib wurde in einer Placebo-kontrollierten Studie bei progredienten pankreatischen
NET evaluiert. Es zeigte sich eine Verlängerung des progressionsfreien Überlebens
von 5,5 Monaten mit Placebo auf 11,4 Monate mit Sunitinib; die objektive Remissionsrate
lag bei unter 10 % [425 ]. Etwa zwei Drittel der Patienten hatten eine vorausgehende Systemtherapie (i. d. R.
Chemotherapie), ein Drittel sogar 2 Systemtherapien.
Es existieren keine komparativen Studien zu Everolimus versus Sunitinib bei pankreatischen
NET. Typische Nebenwirkungen von Everolimus sind Stomatitis, Hyperglykämie, Diarrhö,
Infektionen und seltener Pneumonitis [49 ]. Patienten mit unkontrolliertem bzw. schwer einstellbarem Diabetes mellitus oder
COPD sollten daher bevorzugt mit Sunitinib behandelt werden. Nebenwirkungen von Sunitinib
sind hypertensive Entgleisung, Blutungen, Hand-Fuß-Syndrom [425 ]. Patienten mit Prädisposition zu diesen Nebenwirkungen bzw. unkontrolliertem Hypertonus
oder Blutungsrisiko sollten bevorzugt mit Everolimus behandelt werden. Einfluss auf
die Therapieauswahl hat ferner die Patientenpräferenz. Bei Patienten mit metastasiertem
Insulinom ist bevorzugt Everolimus einzusetzen aufgrund des günstigen Einflusses auf
die Blutzuckerstoffwechsellage und die Absenkung zirkulierender Hormonspiegel [426 ].
Everolimus oder Sunitinib sollten nicht in der Erstlinientherapie eingesetzt werden.
Empfehlung, starker Konsens bzw. Konsens (bei Ausschluss der Konferenzteilnehmer mit
potenziellem COI)
In Studien wurde Everolimus überwiegend nach vorausgegangener Systemtherapie mit Somatostatin-Analoga
und/ oder Chemotherapie eingesetzt. In der Placebo-kontrollierten Studie mit Everolimus
(RADIANT-3) waren 40 % der Patienten therapie-naiv, während 46 % eine vorausgegangene
Chemotherapie und 50 % eine vorausgegangene Somatostatin-Analoga-Therapie erhielten.
Auch in der Sunitinib-Studie waren die meisten Patienten vorbehandelt; im Sunitinib-Arm
erhielten 66 % eine Chemotherapie und 35 % Somatostatin-Analoga. Damit reflektiert
die Empfehlung überwiegend das Studiendesign, mit dem Everolimus bzw. Sunitinib untersucht
wurden, aber auch die Würdigung der nicht unbeträchtlichen Nebenwirkungen, die mit
einer molekular-zielgerichteten Therapie wie Everolimus oder Sunitinib einhergehen.
5.2.1.2 Sequenz von STZ/5FU im Vergleich zu targeted drugs (Everolimus, Sunitinib,
SSA) bei pankreatischen NET
Eine Ausnahme zur Erstlinienchemotherapie stellen NET mit niedriger Tumorlast und
geringer Proliferationsrate dar, bei denen eine SSA-Therapie bei positivem SSR-Status
als hinreichend erscheint. Bei signifikantem Progress sollte die weitere Therapieabfolge
(Chemotherapie, molekular-zielgerichtete Therapie oder PRRT) in einem interdisziplinären
Tumorboard unter Berücksichtigung von Tumordynamik und Komorbidität festgelegt werden.
Empfehlung, Konsens
Wenn bei Patienten mit pankreatischen NET SSA die Erstlinientherapie darstellt, erfolgt
der Einsatz von Sunitinib bzw. Everolimus in der Zweitlinie oder in der Drittlinie
nach systemischer Chemotherapie.
Empfehlung, starker Konsens
Es gibt Daten aus retrospektiven Serien, die belegen, dass die STZ-basierte Chemotherapie
auch nach Versagen einer SSA-Therapie wirkt [413 ]. Die CLARINET-Studie belegt, dass Lanreotid das Tumorwachstum auch bei pankreatischen
NET hemmt (medianes PFS mit Lanreotid > 27 versus 18 Monate mit Placebo). Entsprechend
dem Studienprofil sollte daher bei Niedrig-Risiko-Patienten (G1, G2 < 10 %, stabile
Erkrankung oder langsamer Progress, niedrige Tumorlast) auch aufgrund der exzellenten
Verträglichkeit von SSA, der SSA-Therapie der Vorzug gegeben werden [388 ]. Die Daten der CLARINET-Studie stützen somit den Einsatz von Somatostatin-Analoga
als Erstlinientherapie bei niedrig-proliferativen oder stabilen pankreatischen NET
[388 ]. In der Placebo-kontrollierten Studie mit Everolimus (RADIANT-3-Studie) lag das
mediane PFS auch bei Patienten, die Everolimus nach systemischer Chemotherapie erhalten
haben, bei 11 Monaten [427 ]. In einer laufenden prospektiven Studie (SEQTOR-Studie) wird die Sequenz der Therapie
im Vergleich zur STZ-basierten Chemotherapie (Everolimus vs. STZ/5-FU mit Cross-over
bei Progression) weiter untersucht. Weitere Studien untersuchen den Stellenwert der
molekular-zielgerichteten Therapien (Everolimus bzw. Sunitinib) im Vergleich zur PRRT
(COMPETE-Studie, OCCLURANDOM-Studie; www.clinicaltrials.gov ). Da komparative Studienergebnisse zu verschiedenen Systemtherapien bisher nicht
vorliegen, und unklar bleibt, ob der Patient von einer speziellen Therapieabfolge
quoad vitam profitiert, erfolgt die Therapieauswahl unter Einbeziehung von klinischen,
pathologischen und radiologischen Erkenntnissen zum Tumorverlauf.
Das Vorgehen bei pankreatischen NET G1 / G2 wird im Therapiealgorithmus 2 zusammengefasst
([Abb. 2 ]).
Abb. 2 Therapiealgorithmus 2: Vorgehen bei metastasierten oder lokal-fortgeschrittenen und
nicht resektablen gut-differenzierten NET des Pankreas.
5.2.2 Extrapankreatische NET
5.2.2.1 Chemotherapie bei gut differenzierten extrapankreatischen NET
Bei NET G1 / G2 des Dünndarms sollte keine Chemotherapie zum Einsatz kommen.
Empfehlung, starker Konsens
Es gibt keine etablierte Chemotherapie bei NET des Dünndarms. Es liegen nur Erfahrungen
zu verschiedenen Regimen in heterogenen, kleinen Populationen vor; das objektive Tumoransprechen
ist generell deutlich geringer als bei NET des Pankreas [428 ]. Eine spezifische Therapie kann daher nicht empfohlen werden.
Bei NET G1 / G2 des Dünndarms soll eine Chemotherapie erst nach jeweils Therapieversagen
der gut evaluierten systemischen Therapieansätze mit Biotherapie (Somatostatin-Analoga,
Interferon-alpha), Radiorezeptortherapie und Everolimus in Erwägung gezogen werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Die Rolle der Biotherapie mit Octreotid LAR [387 ]
[389 ] und Lanreotid Autogel [388 ]
[390 ] oder Interferon [403 ]
[429 ] sowie der Radiorezeptortherapie mit Lu177-DOTA-TATE [430 ] in der Therapie von NET G1 / G2 des Dünndarms ist jeweils durch kontrollierte Phase-III-Studien
gut belegt und etabliert. Dagegen gibt es keine etablierte Chemotherapie bei NET des
Dünndarms.
Streptozotocin-basierte Chemotherapieregime zeigen bei neuroendokrinen Tumoren des
Pankreas eine hohe objektive Tumorresponserate [413 ]
[414 ]
[415 ]. Im Gegensatz hierzu sind extrapankreatische NET G1 / G2 des Dünndarms relativ insensitiv
gegenüber Streptozotocin-basierten Chemotherapieregimen und diese sollen deshalb bei
extrapankreatischen NET nicht eingesetzt werden. Unter Chemotherapie mit Streptozotocin/5-FU
oder Streptozotocin/Doxorubicin kam es in einer Phase-III-Studie an 249 Patienten
mit Karzinoiden nur zu einer ORR von jeweils 16 % und einer medianen TTP/PFS von nur
5,3 und 4,5 Monaten [431 ]. Im Vergleich von Streptozotocin/5-FU versus Interferon-alpha 2a bei 64 Patienten
mit Karzinoiden zeigte eine Phase-III-Studie eine jeweils niedrige ORR von 3 versus
9 % und ein kürzeres TTP/PFS mit 5,5 Monaten im Chemotherapie-Arm versus 14,1 Monaten
im Interferon-alpha-Arm [403 ].
Temozolomid-basierte Chemotherapieregime zeigen bei neuroendokrinen Tumoren des Pankreas
eine hohe objektive Tumorresponserate [420 ]. Im Gegensatz hierzu ist die Effizienz von Capecitabine/Temozolomid bei extrapankreatischen
Tumoren/ GI-NET bisher nicht ausreichend belegt bzw. scheint in den meisten Fallserien
im Gegensatz zu pankreatischen NET deutlich geringer zu sein [419 ]
[432 ].
Oxaliplatin-basierte Chemotherapie mit FOLFOX oder XELOX können für die Therapie von
GI-NET nach Ausschöpfen der etablierten Therapieoptionen als Viertlinientherapie im
Einzelfall erwogen werden. Oxaliplatin-basierte Chemotherapie mit FOLFOX oder XELOX
zeigte bei 19 extrapankreatischen NET des GI-Trakts eine ORR von 26 % und eine stabile
Erkrankung bei 37 % [433 ]. Capecitabin-Monotherapie bei 19 extrapankreatischen NET (davon 12 im Darm) zeigte
als bestes Ansprechen nur eine stabile Erkrankung bei 13/19 Patienten (68 %) mit einem
medianen PFS von 9,9 Monaten und einem medianen Überleben von 36,5 Monaten [434 ]. Bevacizumab hat bisher keinen etablierten Stellenwert bei NET. Jedoch berichten
mehrere unkontrollierte Phase-II-Studien über vielversprechende Ergebnisse von Bevacizumab
in Kombination mit Capecitabin oder in Kombination mit XELOX oder FOLFOX bei extrapankreatischen
NETs. In eine klinischen Phase-II-Studie (BETTER-Studie) [435 ], wurden 49 Patienten mit extrapankreatischen NET des Gastrointestinaltrakts (82 %
Primariuslokalisation im Ileum) und Ki-67 < 15 % eingeschlossen und mit Capecitabin
plus Bevacizumab behandelt. Die ORR betrug 18 % und die Rate stabiler Erkrankungen
70 %; das mediane PFS lag bei 23,4 Monaten und das 2-Jahres-Überleben bei 85 % [435 ]. In der retrospektiven XELBEVOCT-Studie [436 ] wurden 45 Patienten mit NET mit Octreotid LAR 20 mg alle 28 Tage, Capecitabin in
metronomischer Applikation mit 2000 mg/Tag und Bevacizumab 5 mg/kg alle 14 Tage behandelt.
Das objektive Ansprechen bei den extrapankreatischen NET lag bei 11,5 % (3/26 Patienten)
[436 ]. In der Kombination XELOX oder FOLFOX plus Bevacizumab wurde bei 22 extrapankreatischen
NETs eine ORR von 13,6 % (3/22 Patienten) und ein medianes PFS von 19,3 Monaten berichtet
[437 ]. Der Mehrwert der Bevacizumab-Therapie bleibt aufgrund fehlender komparativer Studien
unklar.
Bei gastralen NET Typ 3 und kolorektalen NET G2 kann eine primäre Chemotherapie nach
interdisziplinärer Indikationsstellung in Betracht gezogen werden, wenn ein aggressiver
Tumorverlauf besteht.
Empfehlung offen, starker Konsens
Für die seltenen fortgeschrittenen metastasierten NET Typ 3 des Magens und kolorektalen
NET G2 liegen keine dezidierten Studiendaten zur Chemotherapie vor. Die sporadisch
auftretenden NET Typ 3 des Magens gehen jedoch mit einem höheren Ki-67 und einer schlechteren
Prognose einher im Gegensatz zu NET Typ 1 und Typ 2 des Magens [438 ]. Kolorektale NET im Stadium IV zeigen eine ungünstige Prognose und ein 5-Jahres-Überleben
von nur 15 – 25 % [439 ].
Aufgrund des häufig aggressiven Tumorverlaufs kann hier eine primäre Chemotherapie
mit FOLFOX oder Capecitabin/Temozolomid erwogen werden. Die Datenlage für die Chemotherapie
in dieser Situation ist jedoch unzureichend und die Empfehlung entspricht lediglich
einer Expertenmeinung.
5.2.2.2 Stellenwert von Sunitinib bei extrapankreatischen NET
Sunitinib soll außerhalb von Studien bei Patienten mit extrapankreatischen NET nicht
verordnet werden.
Starke Empfehlung, Konsens
Die Effizienz von Sunitinib bei Patienten mit extrapankreatischen NET wurde lediglich
in einer Subgruppe einer Phase-II-Studie mit 107 Patienten mit NET untersucht. Unter
Sunitinib 50 mg p. o. Tag 1 – 28, Wiederholung ab Tag 43, zeigte sich bei einem von
41 Patienten (2,4 %) mit extrapankreatischen NET ein objektives Tumoransprechen, eine
stabile Erkrankung bei 83 %, und eine mediane TTP von nur 7,7 Monaten [440 ].
5.2.2.3 Stellenwert von Everolimus bei extrapankreatischen NET
Everolimus kann bei progredienten NET des Jejunums/ Ileums nach SSA und PRRT gegeben
werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Everolimus ist zur Behandlung von inoperablen oder metastasierten NET G1 / G2 des
Pankreas und nicht funktionellen neuroendokrinen Tumoren gastrointestinalen oder pulmonalen
Ursprungs bei Erwachsenen mit progressiver Erkrankung zugelassen.
In den beiden Placebo-kontrollierten Phase-III-Studien RADIANT-2 und RADIANT-4 wurde
jeweils eine Verbesserung des medianen PFS unter Everolimus gezeigt:
In die RADIANT-2-Studie [441 ] wurden 429 Patienten mit progredientem NET und Karzinoidsyndrom (Primarius im Dünndarm
bei 51 bzw. 53 % in den beiden Therapiearmen) eingeschlossen und mit Everolimus 10 mg/Tag
p. o. plus Octreotid LAR 30 mg alle 28 Tage i. m. versus Placebo plus Octreotid LAR
30 mg alle 28 Tage i. m. therapiert. Das mediane PFS war 16,4 Monate im Everolimus-Arm
versus 11,3 Monate im Placebo-Arm (HR 0,77; 95 % CI 0,59 – 1,00; p = 0,026). Das vordefinierte
Signifikanzniveau wurde knapp verfehlt [441 ]. Subgruppenanalysen zeigten eine Effizienz des Therapieregimes in NET des Dünndarms
und NET des Kolorektums [441 ]. In die RADIANT-4-Studie [442 ] wurden 302 Patienten mit nicht-funktionellen NET G1 (64 %)/G2 (35 %) der Lunge und
des GI-Trakts (häufigste Primariuslokalisationen: Lunge 30 %, Ileum 24 %, Rektum 13 %)
eingeschlossen. Das mediane PFS der Gesamtkohorte war 11,0 Monate im Everolimus-Arm
versus 3,9 Monate im Placebo-Arm (HR 0,48; 95 % CI 0,35 – 0,67; p < 0,001) [442 ]. In einer Post-hoc-Subgruppenanalyse zeigte sich Effektivität für alle GI-NETs als
auch für Lungen-NETs [442 ]. Die große Subgruppe der 71 Ileum-NET wurde jedoch in der Publikation der RADIANT-4-Studie
nicht gesondert analysiert [442 ]. Eine weitere differenzierte Post-hoc-Analyse der pulmonalen und der nicht-pulmonalen
NET zeigte positive Behandlungseffekte in allen Subgruppen, außer in der Subgruppe
von Patienten mit Primärtumor im Ileum (Ileum n = 71: HR = 1,22 [95 %-KI: 0,56 – 2,65];
NET außerhalb des Ileums n = 141 HR = 0,34 [95 %-KI: 0,22 – 0,54]; Lunge n = 90: HR = 0,43
[95 %-KI: 0,24 – 0,79]) [443 ].
Everolimus kann bei progredienten NET des Magens, Duodenums sowie bei kolorektalen
NET gegeben werden.
Empfehlung offen, Konsens
Everolimus ist zur Behandlung von inoperablen oder metastasierten nicht funktionellen
neuroendokrinen Tumoren gastrointestinalen oder pulmonalen Ursprungs bei Erwachsenen
mit progressiver Erkrankung zugelassen.
In die RADIANT-4-Studie [442 ] wurden 302 Patienten mit nicht funktionellen NET G1 (64 %)/ G2 (35 %) der Lunge
und des GI-Trakts (häufigste Primariuslokalisationen: Lunge 30 %, Ileum 24 %, Rektum
13 %) eingeschlossen. Das mediane PFS der Gesamtkohorte war 11,0 Monate im Everolimus-Arm
versus 3,9 Monate im Placebo-Arm (HR 0,48; 95 % CI 0,35 – 0,67; p < 0,001) [442 ]. In einer Post-hoc-Subgruppenanalyse zeigte sich Effektivität für die Subgruppe
der GI-NETs als auch für die der Lungen-NETs. In die Studie waren unter anderem jeweils
11 Magen-NET, 10 duodenale NET, 8 Kolon-NET und 40 Rektum-NET eingeschlossen worden
[442 ].
5.2.2.4 Therapiesequenz bei extrapankreatischen NET
Bei NET G1 / G2 des Jejunums/Ileums sollte als Systemtherapie die Therapie mit Somatostatin-Analoga,
und nachfolgend bei Therapieversagen die Radiorezeptortherapie (PRRT) eingesetzt werden.
Empfehlung: Konsens
Die Rolle der Biotherapie mit Octreotid LAR [387 ]
[389 ] und Lanreotid Autogel [388 ]
[390 ] sowie der Radiorezeptortherapie mit Lu177-DOTA-TATE [430 ] in der Therapie von NET G1 / G2 des Dünndarms ist jeweils durch kontrollierte Phase-III-Studien
gut belegt und etabliert.
Everolimus ist zur Behandlung von nicht-funktionellen neuroendokrinen Tumoren gastrointestinalen
oder pulmonalen Ursprungs bei Erwachsenen mit progressiver Erkrankung zugelassen.
Es fehlen bisher Ergebnisse von komparativen Studien zum Stellenwert von Everolimus
im Vergleich zu anderen Systemtherapien einschließlich PRRT. Aufgrund des Nebenwirkungsprofils
von Everolimus und geringem bzw. fehlendem Benefit in der Subgruppe der Ileum-NET
aus einer Post-hoc-Analyse der RADIANT-4-Studie, sollte Everolimus insbesondere bei
ilealen NET erst nach Ausschöpfen anderer Therapieoptionen und bei signifikantem Tumorprogress
eingesetzt werden. Eine prospektive randomisierte Studie (COMPETE-Studie) untersucht
den Stellenwert von Everolimus im Vergleich zur PRRT bei progredienten intestinalen
NET in der Zweitlinie nach Versagen von SSA.
Der Therapiealgorithmus 3 fasst das Vorgehen bei Dünndarm-NET zusammen [Abb. 3 ].
Abb. 3 Therapiealgorithmus 3: Vorgehen bei Patienten mit metastasierten und nicht kurativ
resektablen gut-differenzierten NET des Dünndarmes (Ileum und Jejunum).
Bei progredienten NET G1 / G2 des Rektums oder hoher Tumorlast kann eine Radiorezeptortherapie
(PRRT) oder eine Therapie mit Everolimus gegeben werden.
Empfehlung offen, Konsens
Everolimus ist für die Behandlung von NET des Rektums zugelassen und hat für die Subgruppe
der kolorektalen NET in den beiden klinischen Phase-III-Studien (RADIANT-2- und RADIANT-4-Studien
[441 ]
[442 ] jeweils Effizienz gezeigt. Für kolorektale NET liegen bisher nur wenig publizierte
Daten zur PRRT vor – die ORR scheint jedoch mit anderen Primariuslokalisationen des
gastroenteropankreatischen Systems vergleichbar zu sein [444 ].
Bei metastasiertem CUP-NET und Irresektabilität oder Inoperabilität sollte sich die
systemische Therapie nach dem wahrscheinlichsten Primarius orientieren.
Empfehlung, starker Konsens
Trotz entsprechender Diagnostik (siehe auch Kapitel 1) bleibt bei 10 – 15 % der Patienten
der Primärtumor nicht detektierbar [246 ]
[445 ]
[446 ]. Das immunhistochemische Profil (z. B. CDX-2 und Serotoninpositivität als Hinweis
auf einen intestinalen Primärtumor, Gastrinpositivität als Hinweis auf duodenalen
oder pankreatischen Primarius, TTF-1 als Hinweis auf ein Bronchuskarzinoid, Islet-1
und/ oder Glukagon als Hinweis auf einen pankreatischen Ursprung) kann einen Hinweis
auf die wahrscheinliche Primärtumorlokalisation liefern und somit neben Grading und
Somatostatin-Rezeptor-Status die Therapieauswahl erleichtern. Die Mehrzahl von CUP-NETs
sind intestinalen Ursprungs [281 ]
[447 ], da die häufig kleinen jejuno-ilealen Primärtumoren der Diagnostik entgehen können,
wohingegen z. B. pankreatische NET meist über 2 cm Größe aufweisen, wenn sie metastasieren
und dann mit Schnittbildgebung und Endosonografie gut darstellbar sind. Somit scheint
es in den meisten Fällen gerechtfertigt, bei fehlendem Primärtumornachweis und gut
differenziertem NET analog zu Dünndarm-NET vorzugehen.
5.3 Neuroendokrine Karzinome, NET G3 und MANEC sowie Becherzellkarzinoid der Appendix
Cisplatin+Etoposid oder Carboplatin+Etoposid soll als Standardtherapie bei extrapulmonalen
metastasierten neuroendokrinen Karzinomen (NEC) G3 unabhängig von der Primärtumorlokalisation
und unabhängig von der Klassifikation in kleinzelliges NEC oder großzelliges NEC eingesetzt
werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
In der metastasierten Situation des NEC sollten 6 Therapiezyklen angestrebt werden.
Dabei soll das Therapieansprechen engmaschig überprüft werden – klinisch und biochemisch
(NSE, LDH, CgA) nach jedem Therapiezyklus und bildmorphologisch alle 3 Monate.
Starke Empfehlung, Konsens
Cisplatin plus Etoposid ist das bisher am extensivsten in mehreren retrospektiven
Studien untersuchte Chemotherapieregime bei gering differenzierten NEC G3 extrapulmonalen
Ursprungs [448 ]
[449 ]. In der bisher größten retrospektiven multizentrischen Studie, der „Nordic NEC Study
Group“ [32 ] an 252 Patienten mit fortgeschrittenen NEC G3 des gastroenteropankreatischen Systems
zeigte sich eine vergleichbare Wirksamkeit von Cisplatin plus Etoposid (n = 129) und
Carboplatin plus Etoposid (n = 67) hinsichtlich ORR, PFS und OS [32 ]. In der Gesamtkohorte der „Nordic-NEC-Studie“ zeigten sich 2 % komplette Remissionen
(CR), 29 % partielle Remissionen (PR), 33 % stabile Erkrankungen (SD) und damit definitionsgemäß
eine objektive Responserate (ORR) von 31 % und eine Tumorkontrollrate (DCR) von 64 %
bei einem medianen PFS von nur 4 (3,1 – 4,6) Monaten und einem medianen Gesamtüberleben
(OS) von nur 11 (9,4 – 12,6) Monaten [32 ]. Die Prognose von Patienten mit metastasiertem NEC G3 extrapulmonalen Ursprungs
ist schlecht. Das 2- und 3-Jahres-Überleben in der Gesamtkohorte lag nur bei 14 %
bzw. 9,5 % [32 ] und liegt damit unterhalb der Ansprechraten, die in anderen Studien berichtet wurden.
In einer anderen großen retrospektiven Studie aus Japan an 258 Patienten mit fortgeschrittenen
NEC G3 des gastroenteropankreatischen Systems zeigte sich Cisplatin plus Etoposid
(n = 46) gegenüber Cisplatin plus Irinotecan (n = 160) mit einer ORR von 28 vs. 50 %,
einem medianen PFS von 4,0 vs. 5,2 Monate und einem medianen OS von 7,3 vs. 13,0 Monate
jeweils etwas weniger effektiv [450 ]. Der Stellenwert von Cisplatin plus Irinotecan beim extrapulmonalen NEC G3 des gastroenteropankreatischen
Systems bleibt dennoch abzuwarten bzw. ist in Europa nicht etabliert.
Aufgrund der Aggressivität der NEC ist ein engmaschiges Restaging alle 8 – 12 Wochen
notwendig.
Bei neuroendokrinen Tumoren (NET) G3 kann keine Chemotherapiekombination als Standard
empfohlen werden. Einem weniger toxischen Regime (z. B. Temozolomid-basiert oder bei
pankreatischem NET G3 STZ/5FU) sollte der Vorzug gegeben werden.
Empfehlung, starker Konsens
Bei den neuroendokrinen Neoplasien Grad 3 werden die typischen gering differenzierten
NEC G3 und die kleine Gruppe der gut differenzierten NET G3 unterschieden [451 ]. NEC G3 haben typischerweise sehr hohe mediane Proliferationsindizes (Ki-67) von
meist 60 – 90 %, während NET G3 nur Proliferationsindizes (Ki-67) von 21 – 40 % aufweisen
[451 ]
[452 ]
[453 ]. Unter einem Chemotherapieregime mit Platin plus Etoposid ist die zu erwartende
objektive Ansprechrate (ORR) bei den höher proliferativen NEC G3 mit 31 – 39 % signifikant
höher als bei den im Vergleich weniger proliferativen NET G3 mit 0 – 10 % [451 ]
[453 ]. Analog lag auch in der „Nordic-NEC-Studie“ [32 ] bei NEN G3 mit Ki-67 > 55 % die ORR bei 42 %, während diese bei NEN G3 mit Ki-67 < 55 %
nur bei 15 % lag [32 ]. Insgesamt zeigen neuroendokrine Tumoren (NET) G3 im Vergleich zu neuroendokrinen
Karzinomen (NEC) G3 eine geringere objektive Ansprechrate auf Platin plus Etoposid.
Andererseits ist das Gesamtüberleben bei den höher proliferativen NEC G3 mit nur 10 – 17
Monaten deutlich ungünstiger im Vergleich zur Gruppe der etwas niedriger proliferativen
NET G3 mit 41 – 99 Monaten [451 ]
[452 ]
[453 ]. Vor diesem Hintergrund werden in der Literatur für die Therapie von NET G3 alternative
weniger toxische Chemotherapieregime wie Capecitabin plus Temozolomid, FOLFOX oder
FOLFIRI vorgeschlagen und favorisiert [453 ]. Allerdings basieren diese Empfehlungen auf kleinen retrospektiven Studien und bedürfen
der Validierung an größeren Kollektiven. In einer retrospektiven Serie mit 15 Patienten,
die mit Everolimus behandelt wurden, 11 davon mit vorausgegangener Chemotherapie,
wurde ein medianes PFS von 6 Monaten berichtet. Die Tumoren wurden als gut bis mittelgradig
differenzierte NEC mit < 55 % Proliferationsrate eingestuft [454 ]
[455 ]. In einer retrospektiven Analyse zur PRRT von 28 Patienten mit NEN G3, davon 25
mit GEP-NET und 22 Patienten mit einem Ki-67 ≤ 55 % lag das mediane PFS bei 9 Monaten;
die Mehrheit der Patienten erhielt jedoch eine radiosensibilisierende Chemotherapie
(n = 20) und 79 % erhielten eine vorausgehende Chemotherapie [455 ]. Die Frage, welches Therapieregime für NET G3 als Standard anzusehen ist, bleibt
letztendlich derzeit unklar [90 ]
[386 ]
[453 ]
[456 ]. Erschwerend kommt hinzu, dass die Terminologie NET G3 erst kürzlich eingeführt
wurde, die akkurate diagnostische Einordnung einer hohen Expertise bedarf und aus
Literaturdaten nicht sicher erkennbar ist, ob es sich um einen NET G3 handelt. Der
Therapiealgorithmus zu NEN G3, insbesondere zu NET G3 stellt daher eine Therapieempfehlung
ohne fundierte Datenlage dar; die Therapieabfolge kann in Ermangelung einer klaren
Datenlage auch in anderer Reihung erfolgen. Bevorzugt sollten Patienten in klinische
Studien eingeschlossen werden.
Therapiealgorithmus 4 fasst das Vorgehen bei metastasierten NEN G3 zusammen [Abb. 4 ].
Abb. 4 Therapiealgorithmus 4: Vorgehen bei Patienten mit metastasierten NEN G3.
GI: Gastrointestinaler Primärtumor
CAP/TEM: Capecitabin+Temozolomid
Bei NEC G3 mit unbekanntem Primärtumor (CUP) sollte eine primäre Chemotherapie durchgeführt
werden.
Empfehlung, Konsens
Bei metastasierten neuroendokrinen Karzinomen besteht unabhängig von der Primärtumorlokalisation
(siehe auch Empfehlung 5.30) die Indikation zur platinbasierten Chemotherapie. Dies
gilt auch für neuroendokrine Karzinome unbekannter Primärtumorlokalisation. Die Ansprechrate
auf platinbasierte Chemotherapie bei CUP-NEC wird mit 55 % berichtet, die Prognose
ist wie bei sonstigen metastasierten NEC mit einem medianen Gesamtüberleben von 15,5
Monaten limitiert [457 ].
Die Auswahl des Chemotherapieregimes beim Mixed Adenoneuroendocrine Carcinoma (MANEC)
sollte jeweils nach der die Prognose maßgeblich bestimmenden Tumorkomponente erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens
Die Prognose bei Mixed Adenoneuroendocrine Carcinomas (MANEC) sollte sich jeweils
an der aggressivsten Tumorkomponente orientieren [458 ]. Low grade MANECs sind zum Beispiel Goblet Cell Karzinoide (Becherzellkarzinoide).
Intermediate grade MANECs setzen sich häufig aus einem neuroendokrinen Tumor NET G1/
G2 und einem Adenokarzinom oder Karzinom vom Siegelringtyp zusammen. Im Gegensatz
hierzu sind high grade MANECs definitionsgemäß aus einem Adenokarzinom und einem kleinzelligen
oder großzelligen neuroendokrinen Karzinom (NEC) G3 zusammengesetzt [458 ]. Da bei intermediate MANECs die Adenokarzinomkomponente prognostisch führend ist,
sollte in diesen Fällen eine Chemotherapie in Analogie zum Adenokarzinom des GI-Trakts
erfolgen. Beim high grade MANEC ist dagegen die Komponente des neuroendokrinen Karzinoms
(NEC) G3 prognostisch führend und es sollte eine Chemotherapie in Analogie zum neuroendokrinen
Karzinom (NEC) G3 mit Cisplatin plus Etoposid erfolgen. Die Datenlage hierzu ist sehr
limitiert.
Bei neuroendokrinen Karzinomen (NEC G3) extrapulmonalen Ursprungs können nach Versagen
einer platinhaltigen Chemotherapie Capectitabin plus Temozolomid, FOLFOX oder FOLFIRI
als mögliche Zweitlinien-Chemotherapien eingesetzt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Es besteht eine sehr limitierte Datenlage zur Zweit- und Drittlinientherapie bei NEN
G3; diese basiert in erster Linie auf unizentrischen Fallserien mit kleiner Fallzahl.
Nach Therapieversagen der Platin-Etoposid Chemotherapie bei extrapulmonalen NEC G3
konnten bisher FOLFIRI [453 ]
[459 ] FOLFOX [453 ]
[460 ] oder Capecitabin plus Temozolomid [461 ] als mögliche Zweitlinien-Chemotherapien identifiziert werden.
FOLFIRI [459 ] führte bei 19 Patienten zu einer ORR von 31 % (6/18 Patienten) und einer Rate stabiler
Erkrankungen bei 31 % (6/18 Patienten) mit einem medianen PFS von 4 Monaten und einem
medianen OS von 18 Monaten. FOLFOX [460 ] führte bei 17 Patienten zu einer ORR von 29 % (5/17 Patienten) und einer Rate stabiler
Erkrankungen bei 35 % (6/17 Patienten) mit einem medianen PFS von 4,5 Monaten und
einem medianen OS von 9,9 Monaten. In einer großen retrospektiven multizentrischen
Serie von 204 Patienten mit NEN G3 (37 NET G3 und 167 NEC G3) wurde eine Zweitlinien-Chemotherapie
in 48 % und eine Drittlinien-Chemotherapie in 23 % der Fälle durchgeführt [453 ] und hierzu am häufigsten FOLFIRI in 58 % und FOLFOX in 48 % eingesetzt. Unter der
Zweit- und Drittlinien-Chemotherapie zeigte sich ein medianes PFS von 3,0 und 2,5
Monaten und ein medianes OS von 7,5 und 6,2 Monaten [453 ].
Nach Therapieversagen einer Platin-Etoposid-Chemotherapie wurde bei 25 Patienten mit
schlecht differenzierten neuroendokrinen Karzinomen durch Einsatz eines Temozolomid-basierten
Therapieregimes (n = 19 CAP/TEM, n = 7 TEM/BEV, n = 3 TEM mono) eine ORR von 25 %
(8/25 Patienten), eine stabile Erkrankung bei 32 % (9/25 Patienten) bei einem medianen
PFS von 6,0 Monaten und einem medianen OS von 22 Monaten erzielt. Positiver Prädiktor
eines Therapieansprechens war ein Proliferationsindex von Ki-67 < 60 % [461 ].
Bei neuroendokrinen Karzinomen (NEC) extrapulmonalen Ursprungs sollte Topotecan nicht
eingesetzt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Im Gegensatz zur Therapie des SCLC, wo Topotecan effektiv ist und in den Leitlinien
als Secondline-Therapie des SCLC empfohlen wird [462 ], zeigte Topotecan bei extrapulmonalen NEC G3 in der Secondline-Therapie keine klinisch
relevante Effektivität [463 ]
[464 ] mit ORR von nur 0 – 7 % und einem medianen PFS von 2,1 Monaten bzw. medianem OS
von 3,2 – 4,1 Monaten [463 ]
[464 ].
Sunitinib und Everolimus sollen bei extrapulmonalen NEC G3 nicht außerhalb klinischer
Studien eingesetzt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Klinische Studien zur Effektivität von Sunitinib bei extrapulmonalen NEC G3 liegen
nicht vor. Bei 23 Patienten mit SCLC und Versagen der Standard-Chemotherapieprotokolle
zeigte Sunitinib 50 mg p. o. von Tag 1 bis 28 und Wiederholung am Tag 43 kein klinisch
relevantes Ansprechen mit nur 9 % partiellem Ansprechen (2/23 Patienten) und einem
kurzen medianen PFS von 1,4 Monaten (95 % CI, 1,1 – 1,7) und medianem OS von 5,6 Monaten
(95 % CI, 3,5 – 7,7) [465 ]. In der Erhaltungstherapie nach Chemotherapie konnte ein positiver Effekt von Sunitinib
beim SCLC dagegen bisher in 2 Phase-II-Studien gezeigt werden [466 ]
[467 ].
Klinische Studienergebnisse zur Effektivität von Everolimus bei extrapulmonalen NEC
G3 liegen bisher nicht vor. Auf der Basis präklinischer Ergebnisse [468 ]
[469 ] wird aktuell eine Phase-II- AIO-NET-0112 (EVINEC) -Studie zur Prüfung von Sicherheit
und Verträglichkeit von Everolimus als Zweitlinientherapie nach platinbasierter Chemotherapie
bei NEN G3 durchgeführt.
Bei 40 Patienten mit SCLC und Versagen der Standard-Chemotherapieprotokolle zeigte
Everolimus 10 mg tgl. p. o. kein klinisch relevantes Ansprechen mit einem objektiven
Ansprechen bei nur 1 von 40 Patienten (3 %) und einem geringen medianen PFS von 1,3
Monaten und medianem OS von 6,7 Monaten [470 ]. Die Kombination von Cisplatin oder Paclitaxel beim SCLC mit Everolimus in einer
Phase-I-Studie war durch Toxizität limitiert [471 ]
[472 ]
[473 ].
Bei einzelnen positiven Fallberichten in der Literatur zu Everolimus oder Sunitinib
in der Therapie von NEN G3 des GEP-Systems [474 ]
[475 ] dürfte es sich größtenteils um NET G3 und nicht um NEC G3 gehandelt haben, sodass
sich hieraus nicht unbedingt ein Stellenwert von Everolimus oder Sunitinib bei NEC
G3 ableiten lässt.
In der metastasierten Situation sollte beim Becherzellkarzinoid der Appendix eine
Chemotherapie mit FOLFOX oder XELOX durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Die Datenlage zur systemischen Chemotherapie und zur HIPEC beim Becherzellkarzinoid
der Appendix ist sehr limitiert; es liegen einige aktuelle retrospektive Fallserien
vor [354 ]
[357 ]
[476 ]
[477 ].
Die 5-Jahres-Überlebensrate beim Becherzellkarzinoid der Appendix lag nach Rossi et
al. in einer Fallserie von 48 Patienten stadienabhängig bei Stadium I-II bei 59 %,
im Stadium III bei 27 % und im Stadium IV bei 0 % [354 ], und in einer weiteren Fallserie von 74 Patienten stadienabhängig im Stadium I bei
100 %, im Stadium II bei 74,2 %, im Stadium III bei 36,4 % und im Stadium IV bei 15,8 %
[357 ]. In einer Fallserie von Olsen et al. bei 83 Patienten in den Stadien I bis III lag
die 5-Jahres-Überlebensrate bei 80 % und im Stadium IV bei 18 % [478 ]. Von den histopathologischen Parametern korrelierte der Tang Score beim Becherzellkarzinoid
mit der Prognose [357 ]
[478 ], während Ki-67 hier kein prognostischer Parameter zu sein scheint [357 ]
[478 ].
In der palliativen Situation werden laut Literatur häufig zum CRC-analoge Chemotherapieregime
wie FOLFOX/FOLFIRI eingesetzt, mit denen Ansprechraten von 14 – 22 % erzielt werden
[354 ]
[357 ]
[478 ]. Hierbei handelt es sich meist um Subgruppenanalysen mit kleinen Patientenzahlen,
sodass die zugrundeliegende Evidenz niedrig ist.
Die Peritonealmetastasierung ist die häufigste Rezidivlokalisation beim Becherzellkarzinoid
der Appendix. In der Serie von Lamarca et al. wurden 25/74 (34 %) Patienten mit zytoreduktiver
Chirurgie (CRS) plus HIPEC behandelt – ohne signifikante Änderung der Rezidivrate
und des OS [357 ]. In der Serie von Randle et al. wurden 31 Patienten mit CRS plus HIPEC behandelt
– das mediane OS lag bei 18,4 Monaten; eine komplette CRS zeigte einen nicht signifikanten
prognostischen Vorteil mit medianem OS bei R0 / R1 von 28,6 vs. 17,2 Monaten bei R2-Resektion,
p = 0,47) [477 ]. In der Serie von McConnell et al. wurden 45 Patienten mit CRS plus HIPEC behandelt
und die Ergebnisse mit den Ergebnissen von CRS plus HIPEC bei 708 Patienten mit epithelialen
Appendixtumoren verglichen – das 3-Jahres-Überleben betrug bei den Becherzellkarzinoiden
63,4 %, verglichen mit 40,1 % für high-grade muzinöse Neoplasien, 52,2 % für Adenokarzinome
und 80,6 % für low-grade muzinöse Neoplasien [476 ].
Eine adjuvante Chemotherapie beim Becherzellkarzinoid der Appendix kann in Analogie
zum Adenokarzinom des Kolons bei fortgeschrittenen Tumorstadien als individuelle Therapieentscheidung
gegeben werden, jedoch existieren keinerlei Studiendaten für dieses Vorgehen.
Empfehlung offen, Konsens
Für die adjuvante Chemotherapie wird in der Literatur meist FOLFOX als Therapieregime
verwendet; die Fallzahlen sind mit n = 18 [357 ] und n = 9 [354 ] Patienten sehr gering, es wurden keine signifikanten Effekte auf das krankheitsfreie
Überleben beschrieben bzw. es lagen keine Kontrollgruppen vor.
5.4 Adjuvante Therapie
Bei Patienten mit gut differenzierten NET soll nach R0 / R1-Resektion keine adjuvante
Therapie außerhalb von klinischen Studien erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Abhängig von initialem Tumorstadium, Rate der befallenen Lymphknoten, Grading, Primärtumorlokalisation,
Lymph- und Blutgefäßinvasion besteht ein unterschiedlich hohes, jedoch relevantes
Rezidivrisiko [185 ]
[186 ]
[479 ]. Dabei können späte Rezidive, vereinzelt nach mehr als 10 Jahren nach der Resektion
auftreten [46 ]
[479 ]. Die meisten Rezidive treten als Fernmetastasierung auf, sodass eine Nachbestrahlung
des Resektionsgebietes nicht sinnvoll ist [480 ]. Aussagekräftige prospektive randomisierte Studien, die eine adjuvante Behandlung
mit einer Nachsorgestrategie vergleichen, sind nicht verfügbar, d. h. ein möglicher
Benefit einer adjuvanten Therapie gegenüber der Nachsorge und Therapieeinleitung bei
Rezidivnachweis ist nicht belegt. Eine kleine Studie (n = 52 Patienten) hat den Stellenwert
einer adjuvanten Therapie mit STZ und 5-FU bei Patienten mit NET des GI-Traktes und
Lebermetastasen nach kurativer Resektion im Vergleich zu postoperativ unbehandelten
Patienten untersucht. Das rekurrenzfreie Überleben unterschied sich nicht in beiden
Patientengruppen. Die kleine Fallzahl und die Anwendung der Chemotherapie bei gemischtem
Patientenkollektiv lassen keine genaue Schlussfolgerung zu [481 ]. Außerhalb klinischer Studien kann eine adjuvante Therapie bei NET deshalb nicht
empfohlen werden. Eine französische Multicenterstudie (NCT02 465 112) untersucht derzeit
die mögliche Rolle einer Radiorezeptortherapie nach R0-Resektion von Lebermetastasen
bei gut differenzierten gastrointestinalen NET.
Bei Patienten mit R0 / R1-Resektion eines neuroendokrinen Karzinoms kann eine adjuvante
Therapie in Analogie zum kleinzelligen Bronchialkarzinom als Einzelfallentscheidung
gegeben werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Auch für Patienten mit gastrointestinalen neuroendokrinen Karzinomen und lokoregionaler
Erkrankung bei Diagnose existieren keine Daten zur adjuvanten Therapie. Eine Heilung
durch alleinige Chirurgie ist selten, die Prognose insgesamt ungünstig [482 ]. Bei limited disease des kleinzelligen Bronchialkarzinoms ist die Prognoseverbesserung
durch sequenzielle oder simultane Radiochemotherapie belegt [483 ]
[484 ]. Insbesondere bei jüngerem Patientenalter, fehlender Komorbidität, kleinzelliger
hochproliferativer Histologie und Nachweis von Lymphknotenmetastasen erscheint es
gerechtfertigt, dem Patienten nach R0/1-Resektion eine adjuvante Chemotherapie (4
Zyklen Cisplatin+Etoposid) ggf. gefolgt von lokaler Radiatio (abhängig von Primärtumorlokalisation/Bestrahlungsfeld)
anzubieten. Diese Vorgehensweise steht im Einklang mit den europäischen Leitlinien
[90 ]. Eine prophylaktische Ganzhirnbestrahlung sollte hingegen nicht erfolgen, da das
Risiko einer Hirnmetastasierung bei extrapulmonalen neuroendokrinen Karzinomen insgesamt
viel geringer zu sein scheint als bei kleinzelligen Bronchialkarzinomen [32 ]
[453 ].
5.5 Symptomatische Therapie bei Hypersekretionssyndromen
5.5.1 Karzinoid-Syndrom
Somatostatin-Analoga (SSA) sollen in der Erstlinientherapie des Karzinoid-Syndroms
eingesetzt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Somatostatin-Analoga sind in der Lage, die Freisetzung bioaktiver Peptide und Amine
zu hemmen und damit die oft schwerwiegenden Symptome des Karzinoid-Syndroms (Diarrhö,
Flush, Bronchokonstriktion) zu lindern [485 ]
[486 ]. Bei ca. zwei Drittel der Patienten lässt sich durch die Gabe von Somatostatin-Analoga
eine ausreichende Symptomkontrolle erzielen [397 ]
[487 ]. Die Nebenwirkungsquote ist – gemessen an der hohen Effektivität der Behandlung
– gering. Daher sind SSA in der Erstlinientherapie des Karzinoid-Syndroms etabliert.
Die zugelassenen Medikamente für diese Indikation sind Octreotid und Lanreotid. Die
Effektivität in der Symptomkontrolle ist vergleichbar [488 ], wobei es keinen randomisierten Therapievergleich zwischen den beiden derzeitig
verfügbaren Depotpräparaten gibt. Die Verträglichkeit der Somatostatin-Analoga kann
subkutan getestet werden (z.B 2 – 3-mal 50 – 100 µg Octreotid s. c./ die), um dann,
wenn keine unerwünschten Effekte aufgetreten sind, auf ein Depot-Präparat zu wechseln
[489 ]. Häufig wird auch direkt mit den Depotpräparaten gestartet.
Die Dosierungen für die Depot-Präparate betragen initial 20 mg einmal pro Monat intramuskulär
für Octreotid LAR und 90 mg einmal pro Monat tief subkutan für Lanreotid Autogel.
Bei guter Verträglichkeit sollte aufgrund der Daten zur antiproliferativen Wirksamkeit
für die hohen Dosen (s. o.) auf die höhere Dosis von 30 mg Octreotid LAR bzw. 120 mg
Lanreotid Autogel gesteigert werden. Kontraindikationen ergeben sich nur aus einer
bekannten Unverträglichkeit für die Medikamentengruppe oder bei Antikoagulanzienbehandlung
für die intramuskuläre Injektion von Octreotid LAR.
Bei nicht ausreichend kontrolliertem Karzinoid-Syndrom wird wegen der guten Verträglichkeit
als erste Maßnahme eine hochdosierte SSA-Therapie empfohlen.
Empfehlung, starker Konsens
Bei weiterhin nicht ausreichender Symptomkontrolle können Interferon-alpha (IFN-alpha),
sowie lokoregionäre und lokal-ablative Therapieverfahren (transarterielle Embolisation
[TAE], transarterielle Chemoembolisation [TACE], Radiofrequenzablation [RFA], selektive
intraarterielle Radiotherapie [SIRT]), Tumordebulking sowie PRRT eingesetzt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Telotristatethyl kann bei SSA-refraktärer Diarrhö im Rahmen des Karzinoidsyndroms
additiv eingesetzt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Bei nicht ausreichend kontrolliertem Karzinoid-Syndrom stehen verschiedene zusätzliche
Modalitäten zur Verfügung, die allerdings nicht miteinander verglichen wurden, und
in ihrem Stellenwert lediglich empirisch zu beurteilen sind.
Die Datenlage zur Hochdosis-SSA-Therapie spricht dafür, dass Octreotid LAR in höheren
Dosierungen als 30 mg alle 4 Wochen bei der Behandlung therapierefraktärer Hormonexzess-Syndrome
einen Stellenwert hat [49 ]
[490 ]
[492 ]. Prospektive Studien liegen jedoch nicht vor. Die Verträglichkeit einer höheren
Dosierung (bis zu 60 mg [493 ]) ist gut, wie auch aus dem Kontrollarm der NETTER-1-Studie bekannt. Wegen der im
Vergleich zu den anderen Optionen geringeren Nebenwirkungsrate empfehlen wir die Hochdosis-SSA-Therapie
als erste Option bei unzureichend kontrolliertem Karzinoid-Syndrom. Auch mit einer
Verkürzung des Injektionsintervalls auf z. B. 3 Wochen kann eine verbesserte Symptomkontrolle
erreicht werden [494 ].
Interferon-alpha (IFN-alpha) hat einen Nutzen für die Symptomkontrolle bei Patienten
mit Karzinoid-Syndrom [495 ]
[496 ] und ist für diese Indikation zugelassen. Allerdings hat man im Vergleich zu Somatostatin-Analoga
mit einer deutlich höheren Nebenwirkungsquote zu rechnen (Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust,
Müdigkeit, Knochenmarksdepression, hepatotoxische Reaktion, depressives Syndrom, mentale
Veränderungen, Sehstörungen) [497 ], weswegen es hauptsächlich als zusätzliche Gabe bei unter SSA nicht ausreichend
kontrolliertem Karzinoid-Syndrom in relativ niedriger Dosierung eingesetzt wird. Die
Standard-Dosierung liegt bei 3 – 5 Mio. IE s. c. 3-mal/ Woche [498 ].
Mit pegyliertem Interferon (PEG-IFN-alpha 2b) konnte in einer kleineren Serie bei
Patienten, die eine konventionelle IFN-alpha-Therapie nicht tolerierten, eine symptomatische
Besserung erzielt werden [406 ].
Lokoregionäre Therapieverfahren (TAE, TACE, RFA, SIRT) und chirurgisches Tumordebulking
können durch Reduktion der hepatischen Tumorlast einen günstigen Effekt auf Hypersekretionssyndrome
haben [386 ]
[499 ]
[500 ]
[501 ]
[502 ], und stellen ein etabliertes Therapieverfahren dar. Allerdings liegen auch dazu
keine randomisierten vergleichenden Studien, insbesondere zur Systemtherapie, vor.
Der Einsatz der Peptidradiorezeptor-Therapie mit dem Ziel einer Symptomkontrolle kann
ebenfalls erwogen werden [444 ]
[503 ]
[504 ]. Diese ist insbesondere bei signifikanter Tumorprogression zu wählen.
Der oral verfügbare Serotonin-Synthesehemmer LX 1606 (Telotristatetiprat oder Telotristatethyl)
kann eine Linderung der Diarrhö im Rahmen des Karzinoidsyndroms bewirken [505 ]
[506 ]
[507 ]. Zwei multizentrische Phase-II-Studien zeigten eine Verminderung der Stuhlfrequenz
und Verbesserung der Stuhlbeschaffenheit bei Patienten mit einer Karzinoidsymptomatik
bei bereits bestehender Gabe von Somatostatin-Analoga [505 ]
[506 ]. In einer randomisierten Phase-III-Studie wurden 135 Patienten mit metastasierten
NEN und nicht adäquat kontrolliertem Karzinoidsyndrom (im Mittel mehr als 4 Stuhlgänge
am Tag) in einer Placebo-kontrollierten Studie mit Telotristatetiprat (synonym Telotristatethyl)
in einer Dosierung von 250 mg oder 500 mg 3-mal täglich unter Beibehaltung der Somatostatin-Analoga-Therapie
behandelt. Nach zwölf Wochen zeigte sich ein signifikanter Rückgang der Stuhlfrequenz
in beiden Dosisgruppen im Vergleich zur Placebo-Gruppe (p < 0,001). Ein Rückgang der
5-Hydroxindolessigsäure im Urin wurde ebenfalls beobachtet. Die Nebenwirkungen waren
mild und bestanden vorwiegend aus Übelkeit und asymptomatischem Anstieg der GGT [507 ]. Ein leicht vermehrtes Auftreten depressiver Verstimmungen wurde unter der höheren
Dosierung berichtet und bedarf weiterer Beobachtung. FDA und EMA haben kürzlich Telotristatethyl
in einer Dosierung von 3-mal 250 mg täglich zur Behandlung der SSA-refraktären Diarrhö
bei Karzinoid-Syndrom zugelassen.
Die Sequenz, in der bei nicht ausreichend kontrolliertem Karzinoid-Syndrom vorgegangen
werden sollte, kann sich mangels vergleichender Studien nur nach dem Einzelfall richten
und sollte dabei Aspekte wie Komorbidität, Therapierisiken, Therapieverfügbarkeit
und Präferenzen des Patienten einbeziehen, vorzugsweise unter Einbeziehung eines interdisziplinären
Tumorboards.
5.5.2 Insulinom
Der Patient mit metastasiertem Insulinom sollte frühzeitig für lokoregionäre Therapien
evaluiert werden.
Empfehlung, starker Konsens
Patienten mit metastasiertem Insulinom sind oft schwer therapierbar. In Abhängigkeit
von der Tumorlast und dem Somatostatin-Rezeptor-Status ist ein Ansprechen auf eine
medikamentöse Therapie oft nur bedingt oder passager zu erzielen. Um die Voraussetzungen
für das Ansprechen auf eine medikamentöse Therapie zu verbessern, ist insbesondere
bei hoher Tumorlast ein loko-regionäres Verfahren frühzeitig zu evaluieren. In jedem
Einzelfall sollte geprüft werden, inwieweit eine lokoregionäre oder auch ablative
Therapie (TAE, TACE, SIRT, RFA) im Hinblick auf die Lokalisation der Metastasen in
der Leber, die Tumorlast und damit das Hypersekretionssyndrom günstig beeinflussen
kann. Eine Symptomkontrolle bei funktionellen pankreatischen NET kann im allgemeinen
bei 50 – 100 % der Patienten erzielt werden, wobei spezifische Informationen zu Patienten
mit metastasiertem Insulinom generell fehlen [105 ]. In einer Serie von 5 Patienten führte eine Chemoembolisation mit begleitender SSA-Therapie
zur Normalisierung des Blutzuckers bei 2 Patienten und einer Besserung der Hypoglykämie
bei 2 weiteren Patienten [508 ].
Beim lokal fortgeschrittenen bzw. metastasierten Insulinom mit rezidivierenden Hypoglykämien
sollte Diazoxid als Erstlinientherapie zur Symptomkontrolle eingesetzt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Durch die Hypoglykämien als Folge einer inappropriaten Insulin-Sekretion sind die
betroffenen Patientinnen und Patienten vital gefährdet; sobald dieses Problem evident
wird, sollte eine medikamentöse Therapie einsetzen. Mittel der ersten Wahl ist Diazoxid
in Dosierungen 50 – 300 mg/Tag, ggf. mit Dosissteigerung bis zu 600 mg/Tag [95 ]. Die Therapie ist effektiv und hat sich auch im Langzeitverlauf bewährt [509 ]. Wichtig ist, dass von Beginn an ein Diuretikum (z. B. Hydrochlorothiazid 25 mg/Tag)
verordnet wird, da es sonst zu massiver Flüssigkeitsretention kommen kann.
Glukokortikoide werden meist zusätzlich zu Diazoxid eingesetzt, wenn das erstgenannte
Medikament nicht ausreichend wirksam ist; über die Effektivität dieses Ansatzes sind
keine verlässlichen Angaben möglich. Die Nebenwirkungen einer unter Umständen langdauernden
Glukokortikoid-Therapie sollten bedacht werden. Weitere selten genutzte Optionen sind
der Einsatz von Verapamil und Diphenylhydantoin [95 ].
SSA können zur Behandlung von Hypoglykämien beim lokal fortgeschrittenen bzw. metastasierten
Insulinom eingesetzt werden. Die Therapieeinleitung sollte unter stationären Bedingungen
erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens
Da insbesondere maligne Insulinome häufig den Somatostatin-Rezeptor 2 exprimieren
[391 ]
[510 ], kann grundsätzlich von dem Einsatz von SSA eine Besserung rezidivierender Hypoglykämien
erwartet werden.
Die Behandlung ist allerdings insofern problematisch, als diese Substanzgruppe auch
die Sekretion von Glukagon hemmt und somit zu einer Verstärkung der Hypoglykämien
beitragen kann. Der Effekt auf die Insulin-Sekretion ist schlecht vorhersagbar [95 ]
[511 ]
[512 ]
[513 ]. Eine vorsichtig einschleichende Therapie, vorzugsweise unter stationärer Beobachtung,
wird deshalb empfohlen.
Bei therapierefraktären Hypoglykämien sollten eine Behandlung mit Everolimus oder
nuklearmedizinische Behandlungsverfahren eingesetzt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Der mTOR-Inhibitor Everolimus zeigt als Nebenwirkung eine Hyperglykämie, sodass ein
Einsatz bei therapierefraktärer Hypoglykämie im Rahmen fortgeschrittener Insulinome
naheliegt. Die Erfahrungen mit Everolimus für diese Indikation sind derzeit noch begrenzt,
aber durchaus positiv [426 ]
[514 ]
[515 ]
[516 ]. Auch eine kombinierte Therapie mit Somatostatin-Analoga erscheint sinnvoll.
Ebenso bezieht sich der Nachweis der Effektivität einer PRRT zur Syndromkontrolle
auf Einzelfallberichte oder kleine Fallserien. Es wurde für 3 von 5 Patienten mit
metastasiertem Insulinom aus einer Population von 301 Patienten mit NET, die in Rotterdam
mit Lutetium177-Therapie behandelt wurden, eine partielle Remission berichtet sowie
eine stabile Erkrankung bei einem weiteren Patienten [393 ].
Auch eine systemische Chemotherapie mit Streptozotocin/5-Fluorouracil bzw. Temozolomid/
Capecitabin stellt eine Therapieoption dar, insbesondere beim progredienten Tumor
(s. Kap. 5.2.1.1 antiproliferative Therapie von pankreatischen NET).
5.5.3 Gastrinom/ Zollinger-Ellison-Syndrom
Beim Gastrin-Hypersekretionssyndrom sind hochdosierte Protonenpumpeninhibitoren (PPI)
die initiale Therapie der Wahl.
Empfehlung, starker Konsens
Die exzessive Gastrin-Sekretion beim Gastrinom/Zollinger-Ellison-Syndrom führt zu
rezidivierenden Ulzerationen des Magens, Duodenums und Jejunums, sowie unbehandelt
zu oberen gastrointestinalen Blutungen, Diarrhö, Steatorrhö und Refluxbeschwerden.
Das Ziel der medikamentösen Therapie ist die Symptomkontrolle und die Verhinderung
der genannten Komplikationen. Dabei sollte bedacht werden, dass Symptomkontrolle nicht
notwendigerweise mit einer Heilung der Ulzerationen einhergeht, sodass eine regelmäßige
endoskopische Überwachung angezeigt ist [517 ]. Insbesondere bei sporadischen Gastrinomen sollte neben der zu Beginn stets erforderlichen
medikamentösen Therapie eine chirurgische Sanierung angestrebt werden [105 ], siehe Abschnitt operative Therapie.
Therapie der ersten Wahl sind Protonenpumpenhemmer in initial hoher Dosierung (Omeprazol
60 mg pro Tag, Esomeprazol 120 mg pro Tag, Lansoprazol 45 mg pro Tag, Rabeprazol 60 mg
pro Tag, oder Pantoprazol 120 mg pro Tag) [105 ]
[518 ]
[519 ]
[520 ]
[521 ]
[522 ]
[523 ]. Diese Dosierungsempfehlungen gelten für das sporadische Gastrinom/Zollinger-Ellison-Syndrom;
beim MEN1-assoziierten Gastrinom/ZES werden höhere Dosierungen (äquivalent Omeprazol
40 – 60 mg 2-mal täglich) empfohlen [95 ]
[523 ]
[524 ]
[525 ]
[526 ]
[527 ]
[528 ]
[529 ].
Idealerweise wird die Dosis an der Säuresekretion titriert; da dies in der Praxis
jedoch kaum umsetzbar ist, orientiert man sich an der Symptomkontrolle [518 ]. Bei nicht ausreichendem Effekt können deutlich höhere Dosierungen als die angegebenen
Initialdosen erforderlich sein, häufig können aber auch die Dosen im Verlauf reduziert
werden [95 ].
H2-Blocker sind effektiv, müssen aber in bis zu 10-fach höheren Dosierungen als üblich
eingesetzt und alle 4 – 6 Stunden verabreicht werden [95 ].
SSA können die exzessive Gastrin-Sekretion beim Gastrinom/Zollinger-Ellison-Syndrom
reduzieren, werden aber wegen ihrer im Vergleich zu PPI geringeren Effektivität eher
wegen ihres antiproliferativen Effekts eingesetzt [95 ]
[530 ].
Wie bei allen funktionell aktiven lokal fortgeschrittenen und/ oder metastasierten
neuroendokrinen Neoplasien ist in jedem Einzelfall zu prüfen, inwieweit durch chirurgische
und/ oder lokal-ablative sowie nuklearmedizinische Therapieverfahren ein günstiger
Effekt auf das Hypersekretionssyndrom erzielt werden kann.
5.5.4 VIPom-Syndrom (WDHA-Syndrom)
Neben der symptomatischen Therapie, insbesondere einer adäquaten Korrektur der Flüssigkeits-
und Elektrolytdefizite, sollen beim VIPom-Syndrom (WDHA-Syndrom) Somatostatin-Analoga
eingesetzt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Das VIPom-Syndrom, auch WDHA-Syndrom genannt, ist durch den Symptomenkomplex aus wässrigen
Diarrhöen, Hypokaliämie und Achlorhydrie gekennzeichnet. Die massiven Diarrhöen treten
unabhängig von der Nahrungsaufnahme auf und können ein Volumen von über 3 l/Tag erreichen
[531 ].
SSA sind bei den seltenen funktionellen gastroenteropankreatischen NET, zu welchen
auch das VIPom zählt, in den meisten Fällen in der Lage, das Hormonexzess-Syndrom
deutlich zu bessern [95 ]
[105 ]
[217 ]
[397 ]
[532 ]
[533 ]
[534 ].
Neben der symptomatischen Therapie, insbesondere einer adäquaten Korrektur der Flüssigkeits-
und Elektrolytdefizite (u. U. sind mehr als 5 l Flüssigkeit und mehr als 150mval Kalium
pro Tag erforderlich) ist deshalb die Behandlung mit Somatostatin-Analoga die Therapie
der Wahl [105 ]
[229 ]
[230 ]
[401 ]
[535 ]
[536 ]
[537 ].
Glukokortikoide werden gelegentlich bei Patienten eingesetzt, deren Symptomatik gegenüber
SSA refraktär ist [230 ]
[536 ].
Wie bei allen funktionell aktiven lokal fortgeschrittenen und/ oder metastasierten
neuroendokrinen Neoplasien ist in jedem Einzelfall zu prüfen, inwieweit durch chirurgische
und/ oder lokal-ablative sowie nuklearmedizinische und/ oder chemotherapeutische Therapieverfahren
ein günstiger Effekt auf das Hypersekretionssyndrom erzielt werden kann.
5.5.5 Glukagonom-Syndrom
Neben supportiven Maßnahmen, die sich auf die Kontrolle der diabetogenen Stoffwechsellage
und der Malnutrition richten müssen, sollen SSA beim Glukagonom-Syndrom zur Symptomkontrolle
eingesetzt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Die exzessive Glukagon-Sekretion beim Glukagonom fördert in der Leber die Aminosäure-Oxidation
und die Glukoneogenese aus Aminosäure-Substraten [538 ]. Daraus resultieren eine hyperglykäme Stoffwechsellage sowie ein Gewichtsverlust
als Folge des katabolen Stoffwechsels. Ein typisches zusätzliches Symptom ist das
nekrolytische migratorische Erythem [537 ], das wahrscheinlich durch Malnutrition und Aminosäuredefizit entsteht. Pellagra
durch Nikotinsäuremangel ist eine weitere mögliche Hautmanifestation [537 ]. Gelegentlich wird Diarrhö beobachtet, wahrscheinlich als Ergebnis der hohen Glukagon-Spiegel
oder Co-Sekretion von Gastrin, VIP, Serotonin oder Kalzitonin [539 ]
[540 ].
Neben supportiven Maßnahmen, die sich auf die Kontrolle der diabetogenen Stoffwechsellage
und der Malnutrition richten müssen (z. B. Substitution mit Zink, Aminosäuren, essenziellen
Fettsäuren) sowie Antibiotika bei Hautinfektionen sind SSA die Medikamente der Wahl
zur Symptomkontrolle [540 ]
[541 ]
[542 ]
[543 ]
[544 ].
Wie bei allen funktionell aktiven lokal fortgeschrittenen und/ oder metastasierten
neuroendokrinen Neoplasien ist in jedem Einzelfall zu prüfen, inwieweit durch chirurgische
und/ oder lokal-ablative sowie chemotherapeutische [545 ] oder nuklearmedizinische [231 ] Therapieverfahren ein günstiger Effekt auf das Hypersekretionssyndrom erzielt werden
kann.
Für Patienten mit Glucagonom wurde ein erhöhtes Thromboserisiko berichtet [545 ], sodass in der Literatur – insbesondere perioperativ – eine konsequente Heparintherapie
empfohlen wird [546 ]
[547 ].
5.6 Therapie von Knochenmetastasen
Bei lokalisiertem Knochenbefall sollte bei klinischer Symptomatik die lokale Radiatio
erfolgen. Alternativ kann je nach befallenem Skelettabschnitt eine chirurgische Therapie
der Läsion (z. B. am Wirbelkörper) erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens
Bei asymptomatischen Patienten sollte bei isolierter Knochenläsion ohne Frakturgefährdung
bzw. lokaler Kompression eine abwartende Haltung eingenommen werden.
Empfehlung, starker Konsens
Ossäre Metastasen sind selten bei NET, mit einer Prävalenz von 10 – 20 % [548 ]
[549 ], möglicherweise jedoch in ihrer Häufigkeit unterschätzt, da sie oft asymptomatisch
sind und dem bildgebenden Nachweis ohne Ganzkörperuntersuchung entgehen können [550 ].
Entsprechend den allgemeinen Empfehlungen zur Behandlung von Knochenmetastasen sollte
eine Strahlentherapie in der Regel nur bei Frakturgefahr oder aus Schmerzgründen erfolgen
bzw. wenn andere Komplikationen drohen. Der Einsatz perkutaner Radiatio folgt den
allgemeinen Grundlagen der Anwendung dieser Therapie bei ossären Filiae anderen Ursprungs
[551 ].
Alternativ kann, insbesondere bei lokalen Komplikationen durch isolierte ossäre Läsionen,
eine chirurgische Therapie erfolgen, sofern die allgemeinen Bedingungen und der Zustand
des Patienten dies erlauben. Eine OP-Indikation besteht bei Fraktur im Bereich der
Extremitäten oder drohender Fraktur sowie im Bereich von Wirbelkörpern bei therapieresistenten
Schmerzen nach Ausschöpfen sämtlicher konservativer Behandlungsstrategien, progredienter
neurologischer Symptomatik oder Instabilität des Wirbelkörpers mit drohender Gefährdung
des Myelons (Ref. AWMF-Leitlinie der Dt. Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische
Chirurgie, Nr. 033/016).
Bei diffusen osteolytischen Metastasen sollte zur Prävention von skelettbezogenen
Komplikationen eine knochenstabilisierende Substanz eingesetzt werden, z. B. Bisphosphonate
oder Denosumab.
Empfehlung, starker Konsens
Die Datenlage zum Einsatz von knochenstabilisierenden Substanzen bei NEN ist gering
und die Effekte oft nicht von denen der begleitenden Systemtherapien zu trennen. Für
den Einsatz antiresorptiver Substanzen gelten die gleichen Grundlagen wie bei anderen
Malignomen mit ossärer Beteiligung [551 ].
Bei multilokulären Schmerzen im Rahmen multipler Knochenmetastasen bei SSR-positiven
NET sollte eine PRRT in das Therapiekonzept mit einbezogen werden.
Empfehlung, starker Konsens
Die Effektivität der PRRT bei Knochenmetastasen ist vor allem in Fallberichten oder
Kohortenstudien beschrieben [552 ]
[553 ]. Diese kann zu einer Schmerzlinderung führen. Entscheidend für die Auswahl der PRRT
ist der ausgedehnte und/ oder progrediente Knochenbefall, wenn die allgemeinen Voraussetzungen
für die Anwendung der PRRT erfüllt sind.
Bei ausgeprägter Schmerzsymptomatik auf dem Boden isolierter oder weniger ossärer
Foki, die einer Radiatio gut zugänglich sind, sollte der Radiatio gegenüber der PRRT
der Vorzug gegeben werden.
Empfehlung, Konsens
Bei ausgeprägter Schmerzsymptomatik ist der Radiatio der Vorzug gegenüber der PRRT
zu geben, da mit einem rascheren Wirkungseintritt zu rechnen ist.
6. Nuklearmedizin
6.1 Allgemeine Empfehlungen zu nuklearmedizinischen Therapieverfahren bei metastasierter
Erkrankung
6.1.1 Einleitung einer nuklearmedizinischen Therapie
PRRT/Radioembolisation (RE) sollten bei Patienten mit metastasierten, neuroendokrinen
Tumoren nicht als Erstlinientherapie eingesetzt werden.
Empfehlung, Konsens
Aufgrund des günstigen Nebenwirkungsprofiles und prospektiv randomisierter Studien
[388 ]
[554 ] ist der Biotherapie mit SSA in vielen Fällen (v. a. Dünndarm [Midgut] und langsam
progredienten pankreatischen [p] NEN G1) in der Erstlinientherapie der Vorzug zu geben.
Im Falle einer Unverträglichkeit oder eines Progresses unter SSA sollte die PRRT bei
Dünndarm-NET als Zweitlinientherapie zur Anwendung kommen. Grundlage dieser Empfehlung
sind die Ergebnisse der multizentrischen, randomisierten, kontrollierten NETTER-1
Phase-III-Studie bei 229 Patienten mit NEN des Midgut [430 ]. Die radiologischen Ansprechraten auf PRRT bei progredienten NEN bewegen sich im
Bereich 15 – 35 % [555 ] und somit bei progredienten pNEN G1 / G2 eher etwas unterhalb des Ansprechens diverser
Chemotherapie-Optionen. Die PRRT sollte daher im Regelfall nicht als Erstlinientherapie
zum Einsatz kommen.
Mangels randomisierter, vergleichender Studien ist eine eindeutige Sequenzierung der
potenziell Remissions-induzierenden Therapien nicht möglich. Nach den Daten der NETTER-1-Studie
wurde in 18 % der Fälle durch die PRRT eine partielle Remission beim metastasierten
Midgut-NET erzielt [430 ], einer Subgruppe, die kaum auf eine Chemotherapie anspricht.
Der Einsatz der PRRT kann als Erstlinientherapie in Ausnahmefällen bei Patienten mit
hoher Tumorlast eines Dünndarm-Tumors erwogen werden. Die Indikation zur PRRT als
Erstlinientherapie sollte interdisziplinär gestellt werden. Eine niedrige Proliferationsrate
und ein hoher Uptake in der Somatostatin-Rezeptor-Bildgebung gelten als prognostische
Marker [556 ], die ggf. eine frühe Entscheidung zur PRRT unterstützen. Internationale Empfehlungen
(z. B. ENETS-Leitlinien [386 ]) sehen bei alleiniger hepatischer Tumorausbreitung eine Priorität für lokale Therapieformen
vor. In ausgewählten Einzelfällen mit hoher hepatischer Tumorlast kann die Radioembolisation
(RE) in der Erstlinientherapie zum Einsatz kommen, wenn technische Vorteile gegenüber
alternativen Verfahren bestehen (vgl. dezidierte Handlungs-Empfehlung zur Wahl RE/TAE/TACE).
Vor Einleitung einer nuklearmedizinischen Therapie sollte ein Progress der Erkrankung
dokumentiert sein.
Empfehlung, starker Konsens
„Primum non nocere“ stellt eine onkologische Grundregel für alle Patienten ohne potenziell
kurativ intendierte Therapieoption und ohne akuten Interventionsbedarf durch Progress
oder Tumorsymptomatik dar. Daher ist im Regelfall ein Progress vor Einleitung einer
nuklearmedizinischen Therapie zu fordern.
Die Indikation zur PRRT/RE kann in Einzelfällen auch ohne nachgewiesenen Progress
bei symptomatischen Patienten (z. B. sekretorische NENs) gestellt werden, die durch
konventionelle Somatostatin-Analoga nicht suffizient zu kontrollieren sind. Sowohl
für Lu-177-DOTATATE als auch Y-90-DOTATOC wurde in zwei prospektiven Phase-II-Studien
[504 ]
[557 ] per validierten Erhebungsbögen (EuroQoL, EQ-5 D, EORTC QLQ-C30) an ausreichend großen
Kollektiven ein symptomatisches Ansprechen und eine Verbesserung der Lebensqualität
auf PRRT in etwa der Hälfte der Patienten gefunden (dies auch bei Patienten, die auf
konventionelle Somatostatin-Analoga nicht ausreichend angesprochen hatten). Die Dauer
des symptomatischen Ansprechens betrug für Y-90-DOTATOC im Median für den Flush knapp
10 Wochen und für Diarrhöen 13,8 Wochen [504 ]. Für Lu-177 wurde gezeigt, dass symptomfreie Patienten durch die PRRT keine Verschlechterung
der Lebensqualität erfuhren [557 ].
Wird die PRRT ohne nachgewiesenen Progress rein zur Symptomkontrolle durchgeführt,
kann – abhängig vom symptomatischen Ansprechen – individuell entschieden werden, ob
die Therapie bereits nach weniger als den üblichen 4 Therapiezyklen pausiert werden
kann, auch um eine evtl. Wiederaufnahme der PRRT zu einem späteren Zeitpunkt bei Krankheitsprogress
in Hinblick auf das kumulative nephro- bzw. myelotoxische Risiko zu ermöglichen.
6.1.2 Entscheidungskriterien für die Verfahrenswahl (RE/TAE/TACE/PRRT) bei ausschließlicher,
nicht resektabler Lebermetastasierung
Bei ausschließlicher Lebermetastasierung ausgehend von einem Dünndarm-Primarius sollte
bei Progress unter einer Therapie mit Somatostatin-Analoga bei hohem SSR-Besatz die
PRRT als Zweitlinientherapie eingesetzt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Alternativ dazu können bei rein hepatischem Befall lokoregionäre Therapieverfahren
geprüft werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Es liegen keine direkt vergleichenden Studien zum Einsatz der PRRT, TAE, TACE oder
RE bei ausschließlich hepatisch metastasierten NEN vor. Deshalb kann derzeit im Hinblick
auf PFS und OS keiner der o. g. Methoden der Vorzug gegeben werden [282 ]
[558 ]. Für alle Methoden gilt eine niedrige hepatische Tumorlast als prognostisch günstig
[282 ].
Auch in Bezug auf das Nebenwirkungsprofil liegen keine direkt vergleichenden Studien
vor. Unter Berücksichtigung der Toxizität ist die umfänglichste Datenlage für die
PRRT wie auch TAE und TACE vorhanden (s. hierzu auch AG 3, interventionelle Radiologie).
Unerwünschte Nebenwirkungen beinhalten i.R. der PRRT das Risiko einer schwerwiegenden
Nierenfunktionsstörung, welche bei der Verwendung von 90 Y-markierten Somatostatin-Analoga durchschnittlich bei ca. 8 % der Patienten beschrieben
ist [444 ]
[445 ]
[446 ]
[447 ]
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[449 ]
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[498 ]
[499 ]
[500 ]
[501 ]
[502 ]
[503 ]
[504 ]
[559 ]
[560 ], mit den 177 Lu-markierten Liganden liegt die Rate aber deutlich niedriger, insbesondere werden
keine dauerhaften dialysepflichtigen Nierenfunktionseinschränkungen beschrieben [393 ]
[559 ]
[560 ]
[561 ]
[562 ], in der NETTER-1-Studie ist ebenfalls kein Fall einer renalen Toxizität beschrieben
[430 ]. Das Risiko für die Entwicklung eines myelodysplastischen Syndroms liegt bei 1,5 – 2 %
[562 ]
[563 ]. Bei RE, TACE und TAE treten unerwünschte Nebenwirkungen – abhängig von der Erfahrung
der behandelnden Institution – häufiger auf [394 ]
[564 ]. Im Vergleich von RE, TACE und TAE zeigt die RE möglicherweise Vorteile im Hinblick
auf geringere akute Nebenwirkungen sowie einer geringeren Anzahl an notwendigen therapeutischen
Eingriffen [558 ] und damit eine kürzere Hospitalisierung. Die Auswahl des Verfahrens wird derzeit
von der jeweiligen Expertise an den Zentren mitbestimmt.
Die Empfehlung zur PRRT als zweiter Therapielinie bei Dünndarm-NET basiert auf dem
günstigen Nebenwirkungsprofil und auf dem Nachweis einer Überlegenheit gegenüber einer
SSA-Dosiserhöhung in der prospektiv randomisierten NETTER-1-Studie [430 ].
Vergleichende Studien zum Einsatz der PRRT, TAE, TACE oder RE gibt es nicht. Eine
prospektive komparative Studie in den USA untersucht derzeit die Wirksamkeit und Nebenwirkungsrate
der von TAE und TACE, sowie TACE mit Drug Eluting beads (DEB) (www.clinicaltrials.gov ).
Beide kommerziell erhältlichen Yttrium-90-Mikrosphären können für die RE bei Lebermetastasen
eingesetzt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Aktuell sind drei kommerzielle Therapiepräparate mit unterschiedlichen Mikrosphären
(SIR-Spheres® , Therasphere® und QuiremSpheres® ) als Medizinprodukte zur Behandlung primärer oder sekundärer maligner Lebertumoren
mit CE-Kennzeichen nach dem Medizinproduktegesetz (MPG) zugelassen. Es handelt sich
um Kunstharz- bzw. Glasmikrosphären, die mit Yttrium-90 oder Holmium-166 beladen sind.
Für die in 2015 zugelassenen Holmium-166-Mikrosphären liegen noch keine publizierten
Daten zur Behandlung von NEN vor, deswegen beschränkt sich die Empfehlung auf die
Yttrium-90-Mikrosphären.
Rhee et al. [565 ] verglichen Yttrium-90-Kunstharz- und Glasmikrosphären in einer kleinen Multicenterstudie
bei 42 Patienten und konnten die Gleichwertigkeit bei NEN demonstrieren. Das mediane
Überleben betrug 22 Monate für die mit Yttrium-90-Glasmikrosphären im Vergleich zu
28 Monaten für die mit Yttrium-90-Kunstharzmikrosphären behandelte Gruppe (p = 0,82).
6.1.3 Kombination von SIRT, PRRT und TACE
PRRT und RE sollen nicht zeitgleich kombiniert gegeben werden, der Einsatz in Sequenz
im Verlauf ist möglich.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bisher liegen keine prospektiven und keine vergleichenden Studien vor. PPRT und RE
können in Einzelfällen sequenziell zum Einsatz kommen. Bei fehlenden Daten handelt
es sich um einen experimentellen Ansatz, gemäß Empfehlung 3 sollte die PRRT vor der
RE zum Einsatz kommen.
Bislang liegt nur eine retrospektive Studie vor, welche die Sicherheit der RE nach
PRRT untersucht hat. In der Studie von Ezziddin et al. [566 ] wurden 23 Patienten mit progredienten metastasierten NEN (hepatisch, n = 23 und
extrahepatisch, n = 14) eingeschlossen. Die RE erfolgte als Ganzleber-RE, sequenziell
bilobär oder unilobär mit Y-90-Kunstharzmikrosphären. Nach CTCAE V3.0 wurden in weniger
als 15 % Grad-3-Toxizitäten dokumentiert, Grad-4-Toxizitäten traten nicht auf. Das
mediane Gesamtüberleben betrug 29 Monate nach Durchführung der ersten Therapie. Das
mediane Gesamtüberleben wurde 54 Monate nach Beginn des 1. Zyklus PRRT noch nicht
erreicht. Die Studienlage legt ein akzeptables Nebenwirkungsprofil für die Abfolge
RE nach zuvor erfolgter PRRT nahe. Es bedarf jedoch weiterer Daten, um klare Aussagen
zur Sequenz dieser Therapien machen zu können.
Eine zeitgleiche Kombination von RE und TACE soll nicht erfolgen, eine Therapiefolge
in Sequenz kann erwogen werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Hierzu liegen keine Daten vor, die Entscheidung muss im Einzelfall interdisziplinär
in einem Tumorboard getroffen werden.
6.1.4 Cut-off-Werte für die Tumorlast für die Initiierung einer PRRT
Bei persistierendem Karzinoid-Syndrom unter SSA-Therapie und/ oder Progress unter
SSA kann eine PRRT im inoperablen, metastasierten Stadium bei hohem SSR-Besatz auch
bei geringer Tumorlast (Oligometastasierung) angeboten werden.
Empfehlung offen, Konsens
Zur Definition eines unteren Cut-offs der Tumorlast vor Initiierung einer PRRT existieren
bisher keine Studien. Die Entscheidung, ob eine PRRT bereits bei Patienten mit noch
geringer, aber inoperabler Tumorlast (Oligometastasierung) angeboten werden sollte,
sollte in Zusammenschau der Befunde (Ausmaß der SSR-Expression, potenzielle Gefährdung
bei weiterem Wachstum einer oder mehrerer Metastasen, Lokalisation der Metastasen
[rein hepatisch oder auch extrahepatisch]) und der Klinik (Einschränkung der Lebensqualität
durch funktionelle Symptomatik trotz Biotherapie, Endokardfibrose [Hedinger-Syndrom],
schmerzhafte Knochenfiliae) getroffen werden und bei Karzinoid-Syndrom gegen den Einsatz
einer höheren als der Standarddosis von SSA oder den Einsatz von IFN-alpha abgewogen
werden. Da sowohl die funktionelle Aktivität als auch z. B. die Schmerzhaftigkeit
von Knochenmetastasen bereits im oligometastatischen Stadium zu einer erheblichen
Beeinträchtigung der Lebensqualität führen können, kann schon bei geringer Tumorlast
eine PRRT sinnvoll sein. Diese ist wiederum gegenüber dem Einsatz einer lokoregionären
Therapie (mit oder ohne zusätzliches Radiotherapeutikum) abzuwägen. Sowohl für 90 Y- wie auch für 177 Lu-markierte Somatostatin-Rezeptor-Liganden konnte in prospektiven Studien eine Verbesserung
der Symptomatik und der Lebensqualität (QoL, gemessen mit standardisierten Erhebungsbögen)
gezeigt werden, welche bei ausgewählten Patienten den Einsatz einer PRRT auch bei
geringer Tumorlast rechtfertigt [504 ]
[557 ]
[567 ].
Die PRRT sollte nicht eingesetzt werden, wenn die Leberlast bereits zu einer deutlichen
Leberfunktionseinschränkung mit drohendem Leberversagen führt, die Knochenmarksreserve
hochgradig eingeschränkt ist, der Karnofsky-Index bei < 60 % liegt, eine höhergradige
Nierenfunktionseinschränkung vorliegt und/ oder die geschätzte Überlebenszeit unter
3 Monaten liegt.
Empfehlung, starker Konsens
Zur Definition eines oberen Cut-offs der Tumorlast vor Initiierung einer PRRT existieren
bisher keine Studien. Bei sehr hoher Tumorlast mit drohendem Leber- oder Knochenmarksversagen
und/ oder einer geschätzten Überlebenswahrscheinlichkeit unter 3 Monaten sollte keine
PRRT mehr angeboten werden, ebenso darf keine höhergradig eingeschränkte Nierenfunktion
vorliegen, die Grenzwerte können dabei den internationalen Leitlinien und nationalen
Handlungsempfehlungen entnommen werden (ENETS-Leitlinie Standards of Care 2017 [568 ], Practical Guidance on PRRNT [569 ] und Handlungsempfehlung der DGN [570 ]).
Bei lytischen, frakturgefährdeten oder schmerzhaften Knochenmetastasen (v. a. mit
großem Weichteilanteil und/ oder spinaler Kompression) sollte primär eine perkutane
Radiatio, ggf. ein operatives Vorgehen erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens
Es gelten die Grundsätze der Therapie ossärer Filiae [571 ]. Bei hohem SSR-Besatz und weiteren noch (a-)symptomatischen ossären oder auch extraossären
SSR-positiven Filiae kann im Anschluss an die Lokaltherapie ggf. nach interdisziplinärer
Abstimmung eine PRRT durchgeführt werden.
6.1.5 Somatostatin-Rezeptor-Besatz als Kriterium für die Durchführung der PRRT
Für die Entscheidung zur PRRT soll die molekulare SSR-Bildgebung (bevorzugt mit SSR-PET/CT)
herangezogen werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Für eine Entscheidung zur PRRT sollte der Tumor-Uptake über dem Uptake im normalen
Lebergewebe liegen. Das Ergebnis der Immunhistochemie ist hierbei für die Therapieentscheidung
nicht von Bedeutung.
Empfehlung, starker Konsens
NEN weisen einen unterschiedlichen Grad der Somatostatin-Rezeptor-Überexpression auf,
welcher vom Tumortyp, -lokalisation und -differenzierungsgrad beeinflusst wird [572 ]
[573 ]. Es besteht eine hohe Korrelation zwischen der mittels Immunhistochemie (IHC) nachgewiesenen
Somatostatin-Rezeptor-Expression und der Intensität der Traceranreicherung in der
Somatostatin-Rezeptor-Szintigrafie bzw. im SSR-PET [574 ]
[575 ]. Zur Beurteilung der Therapiefähigkeit eines Patienten mittels PRRT sollte die Somatostatin-Rezeptor-PET/CT
bzw. – falls PET/CT nicht verfügbar – die Somatostatin-Rezeptor-Szintigrafie dienen,
zum einen, da dies dem Theranostik-Ansatz entspricht (Diagnostik und Therapie unter
Verwendung des gleichen Targets [576 ]), zum anderen, da keine Überlegenheit der IHC zur Vorhersage des Therapieansprechens
gezeigt werden konnte [575 ]. Als Entscheidungshilfe bei der rein visuellen Bewertung der Intensität der Radionuklidanreicherung
im Somatostatin-Rezeptor-Szintigramm kann die „Krenning-Skala“ verwendet werden, welche
die Tracer-Aufnahme im planaren 111In-Octreotid-Szintigramm in 4 Stufen einteilt:
gering (Grad 1), gleich (Grad 2), höher als in normalem Lebergewebe (Grad 3) oder
höher als im normalen Milzgewebe (Grad 4) [577 ]. Zwischen dem Therapieansprechen und der Intensität der Tracer-Aufnahme besteht
eine Korrelation [577 ].
Gemäß Handlungsempfehlung der DGN kommt die PRRT ab einer Anreicherungsintensität
Grad 2 gemäß Krenning-Skala in Betracht [570 ].
Aufgrund der höheren Sensitivität der PET sowie der höheren SSR-Affinität der für
die PET-Bildgebung verwendeten Liganden und des resultierend höheren Tumor/Hintergrund-Kontrastes
im Vergleich zur konventionellen 111In-Octreotid-Szintigrafie (welche die Grundlage
für die Krenning-Skala darstellt) ist diese Empfehlung nicht direkt auf die heute
meist zur Therapieentscheidung herangezogene PET/CT-Bildgebung mit radioaktiv-markierten
Somatostatin-Rezeptor-Liganden übertragbar.
Für die Empfehlung zur PRRT wurde daher ein Tumor-Uptake über dem normalen Leberuptake
empfohlen. Für die Ga-68 DOTATOC-PET/CT wurde gezeigt, dass der Therapieerfolg mit
der Höhe des maximalen prätherapeutischen Standardized Uptake Value (SUVmax) korreliert
[578 ].
Zur Beantwortung der Frage, wie hoch der prozentuale Anteil an SSR-positiven Läsionen
mindestens sein muss, um eine PRRT sinnvoll durchzuführen, existieren bisher keine
Studien. Prinzipiell sollten alle relevanten Läsionen einen positiven Uptake aufweisen.
Die Entscheidung sollte interdisziplinär in Zusammenschau der Befunde und der Klinik
getroffen werden. Von prognostischem Wert kann hier die F-18 FDG-PET/CT sein: Mit
steigender Proliferationsrate weisen NEN eine zunehmende FDG-Avidität auf [572 ]. Die Höhe des FDG-Hypermetabolismus besitzt dabei eine hohe Aussagekraft hinsichtlich
der Prognose eines Patienten [579 ]
[580 ] und kann zum Abschätzen des Therapieansprechens eingesetzt werden [581 ].
6.1.6 Auswahl des Radiopharmazeutikums und die Art der Anwendung bei PRRT
Zum Einsatz von Lu-177 besteht aktuell die höchste Evidenz bzw. liegen Daten bzgl.
eines günstigeren Nebenwirkungsprofils im Vergleich zu Yttrium-90 vor. Lu-177 sollte
daher bevorzugt angewandt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Aktuell kann über die Empfehlungen der „Practical Guidance“ [569 ] und die der Handlungsempfehlung der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin [570 ] hinaus keine über alle Indikationen hinweg geltende Empfehlung zum bevorzugten Einsatz
von Lu-177 oder Y-90, zur Aktivitätsmenge, zur Anzahl und zum Intervall der Therapiezyklen
bzw. zur Überlegenheit eines Konzeptes gegeben werden. Die o. g. Empfehlungen sind
derzeit überwiegend empirischer Natur. Direkte In-vivo-Vergleiche der Radiopharmaka
existieren v. a. hinsichtlich ihres Bindungsverhaltens. Hinsichtlich des Therapieansprechens
sind diese Vergleiche hingegen rar.
In der größten unizentrischen Studie mit Lu-177-DOTATATE betrug die objektive Ansprechrate
(ORR) nach SWOG-Kriterien 30 % bei GEP-NEN, wobei insgesamt bei 46 % eine Größenreduktion
erreicht wurde, und das Gesamtüberleben ab Beginn der Therapie bei 46 Monaten lag
[393 ]. In der größten, monozentrischen Studie mit Y-90-DOTATOC betrug die ORR bei Patienten
mit verschiedenen NEN 34 %, wobei keine RECIST-Kriterien angewendet wurden, sondern
jegliche morphologische Tumorverkleinerung als Ansprechen gewertet wurde. Patienten
mit morphologischem Ansprechen hatten ein längeres Überleben (median 45 vs. 18 Monate)
[444 ]. In der größten vergleichenden Kohortenstudie zeigte sich hinsichtlich des Überlebens
kein Unterschied zwischen Lu-177-DOTATOC und Y-90-DOTATOC [582 ]. Eine eindeutige Überlegenheit eines der Radiopharmaka oder bestimmter Therapieschemata
lässt sich somit nicht herleiten.
Anfang 2017 wurden die Ergebnisse einer prospektiven, kontrollierten, randomisierten
Multicenterstudie zur Therapie mit Lu-177-DOTATATE (NETTER-1-Studie [430 ]) bei Midgut-NEN publiziert, die das relativ günstige Nebenwirkungsprofil von Lu-177-DOTATATE
bestätigen. Somit liegt in dieser Indikation die höchste Evidenz für den Einsatz von
Lu-177-DOTATATE vor. Direkte Vergleiche des Nebenwirkungsprofils der beiden Radiotherapeutika
sind rar. Es wird eine geringe Nephrotoxizität von Lu-177-DOTA-TOC/-TATE berichtet
[563 ]
[583 ], welche im Vergleich zu Y-90-DOTATOC [563 ] deutlich niedriger ausfällt. In der größten vergleichenden Kohortenstudie zeigte
sich allein ein Unterschied hinsichtlich einer geringeren Hämatotoxizität von Lu-177-DOTATOC
[582 ].
6.1.7 Stellenwert für die Therapie mit I-131-MIBG in der Behandlung von metastasierten,
inoperablen NEN
Bei metastasierten, inoperablen und progredienten NEN kann nach Ausschöpfung etablierter
Therapieoptionen eine I-123-MIBG-Diagnostik – und bei positiver Speicherung – eine
I-131-MIBG-Therapie erfolgen.
Empfehlung offen, starker Konsens
Die I-131-MIBG-Therapie kann bei NEN (der PRRT untergeordnet) in seltenen Fällen bei
Versagen aller anderen etablierten Verfahren zum Einsatz kommen. Im Vergleich zur
Somatostatin-Rezeptor-Expression werden vesikuläre Monoamintransporter, die MIBG in
NEN-Zellen transportieren, geringer als SSR exprimiert [158 ], weshalb die Ansprechraten im Vergleich zur PRRT niedriger ausfallen. Dennoch konnten
für kleine Patientengruppen mit funktionellen NEN symptomatische Ansprechraten von
40 – 80 % gezeigt werden [584 ]
[585 ].
Die Intensität der MIBG-Aufnahme wird durch die Funktionalität mitbestimmt, so weisen
funktionelle, biogene Amine produzierende NEN (v. a. Dünndarm-NEN) eine deutlich höhere
MIBG-Aufnahme als nicht funktionelle NEN auf [585 ]. Pankreatische oder bronchopulmonale NEN (vor allem atypische Karzinoide) weisen
oft nur eine geringere MIBG-Aufnahme auf [158 ]
[586 ].
Da die I-131-MIBG- Therapie nur eine niedrige Nephrotoxizität aufweist, bietet sich
diese nach Ausschöpfen der etablierten Verfahren – eine adäquate Tumoraufnahme vorausgesetzt
– als Therapieoption bei Patienten mit niedriger Somatostatin-Rezeptor-Expression
und eingeschränkter Nierenfunktion an, insbesondere, wenn es sich um funktionelle
NEN handelt [585 ]. In einer größeren retrospektiven Studie bei 98 Patienten [587 ] mit metastasierten NEN konnte ein medianes Überleben von 2,3 Jahren nach MIBG-Therapie
erzielt werden, als häufigste Nebenwirkung wurde eine relevante Knochenmarkstoxizität
bei 13 % der Patienten beschrieben. Bisher existieren keine vergleichenden Studien
zwischen I-131-MIBG-Therapie und PRRT, jedoch wurde über eine höhere erzielbare Tumordosis
durch eine kombinierte Behandlung mit I-131-MIBG und Y-90-DOTATOC berichtet [588 ]. Über Fallberichte hinausgehende Ergebnisse zur Sequenztherapie liegen jedoch nicht
vor.
6.2 Allgemeine Empfehlungen zur Verlaufskontrolle und Nachsorge nach nuklearmedizinischen
Therapieverfahren bei metastasierter Erkrankung
Nach PRRT sollte zur Verlaufskontrolle des Therapieansprechens eine KM-gestützte SSR-PET/CT-Untersuchung
durchgeführt werden. Bei KI gegen eine KM-Gabe oder bei schlecht abgrenzbaren Leberfiliae
in der CT sollte ergänzend eine MRT Leber durchgeführt werden.
Empfehlung, Konsens
Als Standardverfahren zur Verlaufskontrolle und Nachsorge nach PRRT soll die SSR-Bildgebung
(bevorzugt mit PET/CT) eingesetzt werden, wobei im Allgemeinen unter PRRT eine Zwischenkontrolle
nach dem 2. Zyklus erfolgt und die Kontrolle nach Abschluss der Therapie frühestens
nach 3 – 4 Monaten und spätestens nach 6 Monaten erfolgen sollte. Im Rahmen der Nachfolgeuntersuchungen
sollten außerdem relevante Blutwerte (Blutbild, Leber- und Nierenwerte, Tumormarker)
kontrolliert werden. Bei nephrotoxischen Therapien kann eine Nierenszintigrafie zur
Kontrolle der Nierenfunktion in Kombination mit einer Bestimmung der Kreatinin-Clearance
(Bestimmung der Kreatinin-Quotienten aus Wert im 24-Stunden-Urin vs. Serum) durchgeführt
werden [569 ].
Die weiteren Verlaufskontrollen können auch mit konventioneller Bildgebung erfolgen,
vorzugsweise MRT bei Lebermetastasen. Nach ENETS-Leitlinien ist eine Rezeptor-Bildgebung
alle 1 – 2 Jahre indiziert.
Auch im Krankheitsverlauf bei V. a. Tumorprogress hat die SSR-PET/CT einen Mehrwert.
In mehreren teils prospektiven, teils retrospektiven Studien konnte die Überlegenheit
der SSR-PET/CT bei SSR-positiven NEN im Vergleich zu SSR-Szintigrafie und zur CT dokumentiert
werden [147 ]
[161 ]
[589 ]
[590 ]
[591 ]. In der größten prospektiven Studie von Sadowski et al. mit 131 eingeschlossenen
Patienten konnte die 68Ga-DOTATATE-PET/CT signifikant mehr NEN-Läsionen nachweisen
(95,1 %) als die CT/MRT (45,3 %) und die 111In-Octreotid-Szintigrafie mit SPECT/CT
(30,9 %) [147 ]. Bei Buchmann et al. konnten bei 27 Patienten deutlich mehr Tumorläsionen in der
SSR-PET als mit der SSR-Szintigrafie (279 vs. 157) nachgewiesen werden [589 ]. Hervorzuheben ist auch die sehr niedrige Interobserver-Variabilität (Fleiss Kappa
0,82) und die Änderung des therapeutischen Vorgehens bei ca. einem Drittel der prospektiv
eingeschlossenen 78 Patienten [591 ]. Ruf et al. konnten bei 66 Patienten nachweisen, dass ein Drittel aller Tumormanifestationen
ausschließlich in einer Modalität (triple-phase CT 17,1 %, PET 15,5 %) nachweisbar
waren [590 ]. Daher sollte der PET/CT einschl. diagnostischem Multi-Phasen-CT der Vorzug gegeben
werden, wie es auch in den Leitlinien der EANM, IAEA, EANM und SNMMI empfohlen wird
[569 ]
[592 ]. Da jedoch Lebermetastasen in der CT teils schlecht abgrenzbar sind und die SSR-PET
zur Größenbestimmung nicht geeignet ist, sollte ggf. ergänzend eine MRT der Leber
durchgeführt werden. Letzteres Verfahren hat eine höhere Sensitivität wie z. B. Schraml
et al. im Vergleich der SSR-PET/MRT mit der SSR-PET/CT zeigen konnten (99 vs. 92 %)
[161 ]
[593 ]
[594 ].
6.3 Empfehlungen zu PRRT bei bestimmten Tumorentitäten
6.3.1 Pankreatische NEN G1/2
Nach Versagen einer medikamentösen Therapie (nach Biotherapie/targeted drugs bei niedrigproliferativen
Tumoren oder Chemotherapie bei höherproliferativen Tumoren) kann die PRRT bei hohem
SSR-Besatz angeboten werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Auch wenn die Evidenz durch prospektive Daten für die alternativen, medikamentösen
Therapien höher ist, lassen die Ergebnisse keine Rückschlüsse auf die optimale Therapiesequenz
zu. Derzeit kann somit keiner bestimmten Sequenz der Vorzug gegeben werden.
In retrospektiven bzw. vereinzelten prospektiven Studien konnten nach der PRRT für
die Subgruppe der pNEN Overall Response Raten (ORR) von 39 [595 ], 42 [393 ] bis 60 % [596 ] erzielt werden, welche über den ORR von in randomisierten prospektiven Studien erhobenen
Daten für Sunitinib 9 % [425 ] oder Everolimus 5 % [424 ] liegen. Die Daten für die PRRT liegen in ähnlicher Höhe oder nur leicht unterlegen
im Vergleich zu den chemotherapeutischen Optionen (Capecitabin/Temozolomid 70 % [418 ] (retrospektiv, 30 Patienten, PFS 18 Monate), Streptozocin/5-FU/Doxorubizin 39 %
[395 ] (retrospektiv, 84 Patienten, Responsedauer 9 Monate) oder Dacarbazin 33 % [597 ] (prospektiv, 42 Patienten, PFS nicht angegeben). Auch bezüglich des progressionsfreien
Überlebens ergaben sich mit 33 [393 ], 30 [595 ] und 34 Monaten [596 ] in diesen Studien gute Ergebnisse für die PRRT.
In einer deutschen Registerstudie, welche gepoolte retrospektive Daten von Patienten
aus sechs Behandlungszentren in Deutschland zusammenfasst, ergab sich für die Subgruppe
der pNEN (n = 172) ein PFS von 39 Monaten bei einem medianen Gesamtüberleben von 53
Monaten [598 ].
Dabei zeigt die PRRT ein geringes oder vergleichbares Nebenwirkungspotenzial wie die
o. g. Therapien.
6.3.2 Gastrointestinale gut differenzierte NEN
Bei SSR-positiven Midgut-Tumoren sollte die PRRT bei Progress unter Biotherapie und
fehlenden Kontraindikationen als Zweitlinientherapie zur Anwendung kommen.
Empfehlung, starker Konsens
Aufgrund des günstigen Nebenwirkungsprofiles und prospektiver, randomisierter Placebo-kontrollierter
Studien [388 ]
[554 ] ist der Biotherapie mit SSA in der Erstlinientherapie der Vorzug zu geben. Im Falle
einer Unverträglichkeit oder eines Fortschreitens unter SSA-Therapie sollte die PRRT
als Zweitlinientherapie zur Anwendung kommen. Grundlage dieser Empfehlung sind die
Ergebnisse der multizentrischen, randomisierten, kontrollierten NETTER-1 Phase-III-Studie
bei 229 Patienten mit NEN des Mitteldarms. Patienten, die mit 4 Zyklen 177 Lu-DOTATATE alle 8 Wochen therapiert wurden, wiesen ein signifikant längeres progressionsfreies
Überleben auf (PFS) als Patienten, die Octreotid LAR in der doppelten Standarddosis
(60 mg alle 4 Wochen) erhielten (medianes PFS nicht erreicht versus 8,4 Monate; p < 0,001;
HR 0,21) [430 ].
6.3.3 Neuroendokrine NET G3/NEC G3
Die PRRT soll bei NEC G3 (WHO-Klassifikation 2017) nicht durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bei der Subgruppe der gut differenzierten NET G3 (WHO-Klassifikation 2017) mit hoher
SSR-Expression kann nach der Chemotherapie – sofern weiterhin SSR-positive Metastasen
nachweisbar sind – eine PRRT erwogen werden, wobei eine individuelle Therapieentscheidung
erst nach Beratung im interdisziplinären Tumorboard erfolgen sollte.
Empfehlung offen, Konsens
Gastroenteropankreatische NEN G3 weisen hinsichtlich Prognose und Therapieansprechen
eine deutliche Heterogenität auf [599 ]. Einzelfallbeobachtungen zeigen eine gute Wirksamkeit der PRRT bei gut differenzierten
NET G3 [600 ]
[601 ], die einen Therapieversuch in Einzelfällen sinnvoll erscheinen lassen. Für die Selektion
der Patienten ist neben der Histologie die PET-Bildgebung hilfreich. Eine hohe Somatostatin-Rezeptor-Expression
der Metastasen bei niedrigem Glukosestoffwechsel scheint hierbei eine prognostisch
günstige Konstellation zu sein [602 ]
[603 ].
Die PRRT ist bei NEC G3 mit hoher Proliferationsrate nicht indiziert, da diese Tumore
zwar in bis zu 1/3 der Fälle einen (meist) geringen SSR-Besatz aufweisen [451 ], jedoch bei diesen aggressiv wachsenden Tumoren kein langanhaltender Effekt der
PRRT zu erwarten ist. So beschrieben Ezzidin et al. in einer kleinen retrospektiven
Analyse bei G3 NEN (Ki-67 > 20 %) in 5 von 7 Fällen (71 %) einen Progress nach modifizierten
SWOG-Kriterien bereits drei Monate nach der letzten PRRT [604 ]
[605 ].
Eine Empfehlung für die Durchführung einer PRRT wurde bei NEN G3 in der 2013 publizierten
„Joint IAEA; EANM and SNMMI Practical Guidance on Peptide Receptor Radionuclide Therapy
in Neuroendocrine Tumors“ aufgrund fehlender Daten nicht ausgesprochen [569 ]. Vor dem Hintergrund fehlender sonstiger Therapieoptionen wäre eine Evaluation dieser
Patientengruppe in Studien (ggf. in Kombination mit Chemotherapie) evtl. sinnvoll.
6.4 Begleitende periinterventionelle und symptomatische Therapie bei Hypersekretionssyndromen
Bei Patienten mit ausgeprägtem Karzinoid-Syndrom soll post-therapeutisch eine Symptomkontrolle
mittels Octreotid-Dauerinfusion über einen bedarfsabhängigen Zeitraum erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bei Anwendung einer RE bei Patienten mit ausgeprägtem Karzinoid-Syndrom soll peri-interventionell
zur Vorbeugung einer Karzinoid-Krise eine Octreotid-Dauerinfusion verabreicht werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Unter PRRT soll zur überbrückenden Symptomkontrolle bei Karzinoid-Syndrom zwischen
den Therapiezyklen ein SSA verabreicht werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Die kurzwirksamen SSA sollen mindestens 6 bis 12 Stunden (präferenziell 24 Stunden)
vor der geplanten PRRT abgesetzt werden. Die Depotpräparate sollten 4 bis 6 Wochen
zuvor pausiert werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
In Anlehnung an die allgemeinen Empfehlungen zur Therapie des Hypersekretions-Syndroms
bei funktionellen Tumoren [546 ]
[547 ] sollte bei Patienten mit ausgeprägtem Karzinoid-Syndrom zur Prävention schwerwiegender
Symptome (z. B. hypotone Kreislaufreaktionen, Bronchokonstriktion, massive Durchfälle,
ausgeprägter Flush) – unabhängig vom Zeitpunkt der Administration des jeweiligen Radiotherapeutikums
– eine Symptomkontrolle mittels Octreotid-Dauerinfusion (50 – 200 µg/h über Perfusor)
über einen bedarfsabhängigen Zeitraum erfolgen.
Wir empfehlen eine kontinuierliche intravenöse Infusion von Octreotid in einer Dosis
von 50 – 200 µg/h, beginnend 12 Stunden vor der Intervention und fortgesetzt bis mindestens
48 Stunden nach der Intervention. Bei Bedarf sollten zusätzliche i. v.-Bolus-Gaben
(100 – 500 µg) verabreicht werden. Ggf. kann die Gabe von Antihistaminika und Glukokortikoiden
hilfreich sein.
Ansonsten ist die Gabe von Octreotid LAR oder Lanreotid-Autogel üblich. Ein Absetzen
vor RE muss nicht erfolgen. Vor einer PRRT sollen die Depotpräparate 4 bis 6 Wochen
pausiert werden [569 ]. Zur überbrückenden Symptomkontrolle kann im Intervall nach Pausieren des Depotpräparates
Octreotid s. c. verabreicht werden.
Die kurzwirksamen Analoga sollten mindestens 6 bis 12 Stunden (präferenziell 24 Stunden)
vor der geplanten PRRT – soweit vertretbar – abgesetzt werden.
Es erscheint sinnvoll, nach der PRRT – falls klinisch vertretbar – 48 bis 72 Stunden
mit der Wiederaufnahme der SSA-Therapie zu warten. Nach Durchführung der PRRT sollte
im Intervall bei funktionellen Tumoren wieder auf die langwirksamen Somatostatin-Analoga
umgestellt werden.
7. Interventionelle radiologische Therapie
7. Interventionelle radiologische Therapie
7.1 Perkutane Therapien – Lokale Ablation
Die lokal-ablative Therapie des neuroendokrinen Primarius, z. B. beim Pankreas-NET,
sollte primär nicht durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Die lokale Ablation eines pankreatischen Primarius wird in kleinen Einzelfallstudien
untersucht und ist als experimentell zu betrachten [606 ].
Irresektable Lebermetastasen eines NET können mittels lokaler Ablation behandelt werden,
wenn eine Oligometastasierung (< 3 – 5 Metastasen) mit einem Durchmesser von weniger
als 3,5 – 5 cm vorliegt.
Offene Empfehlung, starker Konsens
Die Wahl des geeigneten Ablationsverfahrens von irresektablen Lebermetastasen (Radiofrequenzablation
[RFA] versus Mikrowellenablation [MWA]) sollte von der lokalen Expertise abhängen.
Empfehlung, starker Konsens
Bei biliodigestiver Anastomose sollte eine Thermoablation von Lebermetastasen nicht
durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Beim Karzinoidsyndrom soll eine prophylaktische periinterventionelle Medikation mit
Somatostatin-Analoga vor Durchführung einer Ablation von Lebermetastasen zur Vermeidung
einer Karzinoidkrise durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Ziel einer lokal-ablativen Therapie von Lebermetastasen eines NET ist die Reduktion
des Tumorvolumens mit der konsekutiven Verlängerung des Überlebens, sowie der Reduktion
der Symptome beim symptomatischen NET, analog zur chirurgischen Therapie von NET-Lebermetastasen
[607 ].
In einem systematischen Review der Radiofrequenzablation von NET-Lebermetastasen anhand
von 8 publizierten Studien konnte gezeigt werden, dass eine lokale Kontrolle der NET-Lebermetastasen
bei 80 – 95 % durch die Radiofrequenzablation (RFA) erreicht werden konnte [607 ]. In diesem Review wurden bei 301 Patienten 595 RFA-Ablationen bei 978 NET-Lebermetastasen
ausgewertet. Im Mittel wurden 4,5 NET-Metastasen pro Patient mit einem durchschnittlichen
Durchmesser von 3,8 cm behandelt. 22 % der Patienten hatten eine extrahepatische NET-Metastasierung.
Die Mortalität der Therapie (in 48 % der Patienten erfolgte die RFA in Kombination
mit einer chirurgischen Therapie) war 2 von 301 Patienten (0,7 %) bei einer Morbidität
von 10 %. Berichtete Komplikationen waren Blutungen, Leberabszess, Hohlorganperforation,
Gallengangsleckagen, biliopleurale Fisteln, transiente Leberinsuffizienz, Pneumothorax,
Pleuraergüsse, Pneumonie, Hautverbrennung an der Neutralelektrode (ground pad) und
Harnstauung.
92 % der symptomatischen Patienten entwickelten eine partielle oder komplette Besserung
der Symptome. Die lokale Kontrolle der NET-Metastasen nach Radiofrequenzablation schwankte
zwischen 80 und 95 %, wurde allerdings nicht in allen Studien angegeben und auch die
Methode der Nachbeobachtung und das Nachbeobachtungsintervall waren different. Das
berichtete 5-Jahres-Überleben lag zwischen 57 und 80 %.
In einzelnen Studien wurden folgende Faktoren, die mit einem verkürzten Überleben
verbunden waren, identifiziert: großes hepatisches Tumorvolumen (> 70 ml [ca. 5,1 cm
Durchmesser bei einer Kugel]), symptomatischer Patient, männliches Geschlecht, extrahepatische
Erkrankung und hoher Ki-67-Proliferationsindex [607 ]
[608 ]
[609 ].
Das Ziel einer lokal ablativen Therapie, die lokale Tumorkontrolle der behandelten
NET-Lebermetastase zu erreichen, ist abhängig von der Größe der NET-Lebermetastase.
Da ein Sicherheitssaum gesunden Lebergewebes um die NET-Metastase herum mittherapiert
werden sollte, ist aus vielen Studien bekannt, dass für eine erfolgreiche lokale Kontrolle
die NET-Lebermetastase nicht mehr als 3,5 cm im längsten Durchmesser ausmachen sollte.
In Analogie zum unifokalen hepatozellulären Karzinom kann bei singulärer NET-Lebermetastase
mittels der Umpositionierung des Applikators auch ein größeres Ablationsareal erreicht
werden, sodass bei einer einzelnen NET-Lebermetastase ein längster Durchmesser von
5 cm akzeptabel ist [610 ]. Die Lebermetastasierung bei der lokalen Ablation sollte nicht mehr als 3 – 5 Filiae
umfassen [611 ]. Die Radiofrequenzablation ist das Verfahren der perkutanen lokalen Ablation, das
wissenschaftlich bei verschiedenen Entitäten am besten untersucht ist, dies gilt auch
für die Lebermetastasen eines NET. Alternativen zur Radiofrequenzablation sind die
Mikrowellenablation (MWA), die Laser-Ablation (LITT), die Kryoablation, die irreversible
Elektroporation (IRE) und die lokale Radiotherapie, z. B. als CT-gesteuerte Brachytherapie
[612 ]
[613 ]
[614 ]
[615 ]
[616 ]. Davon ist die Mikrowellenablation (MWA) die verbreitetste Methode nach der RFA.
Die MWA basiert auf der gleichen physikalischen Gewebekoagulation (thermische Ablation)
wie die Radiofrequenzablation, lediglich die Erzeugung der Hitze ist unterschiedlich.
Verschiedene Studien konnten keinen wesentlichen Unterschied zwischen der MWA und
der RFA erarbeiten, außer dass die MWA schneller erfolgt und vermutlich der sogenannte
„heat sink effect“ geringer ist [617 ]
[618 ]
[619 ]. Die Auswahl des geeigneten thermischen Ablationsverfahrens (RFA vs. MWA) sollte
deshalb abhängig von der lokalen Expertise getroffen werden. Die irreversible Elektroporation
(IRE) als nicht thermisches Destruktionsverfahren konnte Vorteile bei sehr zentralen
oder gefäßnahen Lebermetastasen zeigen, allerdings existieren noch keine größeren
vergleichenden Studien, sodass es noch als experimentell eingestuft werden muss [620 ].
Eine biliodigestive Anastomose (BDA) prädisponiert zu einer Besiedlung des Gallengangsystems
mit Darmbakterien. Interventionelle Verfahren, die zu einem ischämischen oder thermischen
Schaden am Gallengangsystem führen, gehen mit einer signifikant erhöhten Rate an biliogenen
Abszessen einher. Dies gilt insbesondere für die thermischen Verfahren (RFA und MWA)
und für die transarteriellen Therapien, die zur Embolisation und Ischämie führen (transarterielle
Embolisation [TAE] und Chemoembolisation [TACE]) [621 ]
[622 ]
[623 ]
[624 ]
[625 ]
[626 ]
[627 ]
[628 ]
[629 ]. Verfahren, die das Gallengangsystem nicht direkt schädigen, wie die IRE und die
lokale Bestrahlung, führen vermutlich seltener zu postinterventionellen Leberabszessen,
dies muss aber wissenschaftlich noch weiter validiert werden. Bei der Radioembolisation
(RE) gibt es Hinweise, dass diese nicht mit einer erhöhten Rate an Leberabszessen
verbunden ist [630 ]
[631 ] ([Tab. 6 ]).
Tab. 6
Häufigkeit von Leberabszessen nach radiologischen Interventionen bei biliodigestiver
Anastomose.
Studie
Intervention
Patienten
Leberabszesse
Elias [622 ]
RFA
9
4 (44 %)
Choi [621 ]
RFA
9
2 (22 %)
Kim [625 ]
TACE
7
6 (86 %)
de Jong [632 ]
TACE
12
4 (33 %)
Cholapranee [630 ]
TACE
13
3 (23 %)
Geisel [631 ]
RE
9
0 (0 %)
Cholapranee [630 ]
RE
16
0 (0 %)
Inwieweit auch einliegende Gallengangstents oder ein Zustand nach endoskopischer Papillotomie
die Leberabszessrate erhöhen, ist unklar.
Die lokale Ablation kann bei Patienten mit Karzinoid-Syndrom zu einer exzessiven Ausschüttung
von aktiven endokrinen Transmittern und dadurch zur Karzinoidkrise führen. Deshalb
wird eine kontinuierliche prophylaktische Therapie mit Somatostatin-Analoga vor, nach
und periinterventionell empfohlen [611 ].
7.2 Transarterielle Therapien – Transarterielle Embolisation (TAE) bzw. transarterielle
Chemo-Embolisation (TACE)
Beim symptomatischen NET und dem Vorliegen nicht resektabler, multipler Lebermetastasen
kann eine Embolisationstherapie (TAE/TACE) der Leber durchgeführt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Bei irresektablen NET-Lebermetastasen mit prognostisch bestimmendem hepatischem Progress
kann eine Embolisationstherapie durchgeführt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Bei lebensqualitätseinschränkenden Symptomen durch multiple Leberfiliae beim NET kann
eine Embolisationstherapie der Leber durchgeführt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Eine Embolisationstherapie kann bei hepatischem Progress und stabiler extrahepatischer
Metastasierung durchgeführt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Eine Embolisationstherapie, entweder als transarterielle Embolisation (TAE) oder als
transarterielle Chemoembolisation (TACE) macht sich zunutze, dass die Lebermetastasen
eines neuroendokrinen Tumors vor allem über die Leberarterie oder deren Äste versorgt
werden, wohingegen das normale Leberparenchym vor allem über die Pfortader versorgt
wird [275 ]. Der Verlust der Blutversorgung nach der Embolisation führt zu einer Ischämie und
somit zu einer Nekrose der Tumorzellen.
Eine Embolisationstherapie (TAE/TACE) kann bei nicht-resektabler Lebermetastasierung
zu einer Verbesserung der Tumormarker, zu einem morphologischen und funktionalen Ansprechen
der Lebermetastasen, zu einer Verminderung des Tumorvolumens und zu einer Lebensverlängerung
führen [633 ]
[634 ]. Bei symptomatischen Patienten mit Lebermetastasen kann die Embolisationstherapie
(TAE/TACE) zu einer Verbesserung der durch die Hormonausschüttung bedingten Symptome
führen [635 ]. Obwohl die Therapie mit Somatostatin-Analoga eine effektive Methode der Symptomkontrolle
bei symptomatischen Patienten ist, kann diese Erkrankung refraktär auf die Therapie
mit Somatostatin-Analoga werden. Hier können transarterielle Embolisationen (TAE/TACE)
helfen, die Hormonkonzentration im Serum zu reduzieren, die Symptome der Patienten
zu kontrollieren und die Tumorlast in der Leber zu reduzieren [636 ], wie in zahlreichen nicht-randomisierten, retrospektiven Studien gezeigt wurde [636 ]. Die radiologische Responserate nach TAE und TACE liegt zwischen 25 und 95 % und
die Rate der berichteten Symptomreduktion zwischen 53 und 100 %. Die 5-Jahres-Überlebensraten
variierten zwischen 13 und 75 %, allerdings war bei den nicht-randomisierten Studien
der Zeitpunkt des Einsatzes der TAE und TACE im Krankheitsverlauf sehr different und
nicht einheitlich.
In einer retrospektiven Studie an 753 Patienten mit Lebermetastasen eines neuroendokrinen
Tumors, von denen etwa die Hälfte hormonaktiv waren, konnten Mayo et. al. zeigen,
dass diese Patientengruppe von einer transarteriellen Therapie (TAE, TACE oder RE)
bezüglich des Überlebens möglicherweise genauso profitiert, wie von einer Resektion
der Lebermetastasen [637 ]. Zwar lag die 5-Jahres-Überlebensrate in der chirurgischen Gruppe bei 74 % und in
der interventionellen Therapiegruppe bei 30 %, in der multivariaten Analyse zeigte
sich aber lediglich bei den Patienten mit hormonaktiven Tumoren und > 25 % Tumorlast
in der Leber ein signifikanter Überlebensvorteil für die Chirurgie.
Eine häufige Komplikation der TAE/TACE ist das Postembolisationssyndrom (PES). Dieses
ist durch rechtsseitigen Oberbauchschmerz, Fieber, Übelkeit und Erbrechen, Leukozytose,
Verschlechterung der Leberwerte und Unwohlsein charakterisiert. Das Postembolisationssyndrom
ist in aller Regel selbstlimitierend und bessert sich nach 3 – 5 Tagen unter supportiver,
Symptom-orientierter Therapie.
Andere Komplikationen wie Karzinoid-Krise, akutes Leberversagen, hepatische Enzephalopathie,
emphysematöse, ischämische Cholecystitis, Magenulzeration, Magenperforation, Blutung,
Abszess und Tumorlysesyndrom sind selten.
Bei Durchführung einer transarteriellen Therapie (TAE/TACE/RE) soll bei hormonaktivem
NET eine periinterventionelle Therapie mit SAA zur Prophylaxe einer Karzinoidkrise
erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Eine Embolisationstherapie (TAE/TACE/RE) bei Patienten mit hormonaktiven NET-Metastasen
kann zu einer plötzlichen Hormonausschüttung mit entsprechenden Symptomen führen.
Das gilt insbesondere für Patienten mit Karzinoidsyndrom. Deshalb soll eine prophylaktische
SAA-Therapie vor, während und nach der Embolisationstherapie erfolgen (siehe Empfehlung
7.5).
Bei einer biliodigestiven Anastomose sollte eine TAE/TACE aufgrund des erhöhten Risikos
eines Leberabszesses kritisch gegenüber den anderen Therapieoptionen abgewogen werden.
Empfehlung, starker Konsens
Beim Vorhandensein von Gallengangstents kann eine TAE/TACE durchgeführt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Die TAE und TACE wirken vor allem antitumoral durch eine Ischämie der Tumorzellen.
Durch die Embolisation kommt es zu einer Minderdurchblutung auch der Gallengänge.
Sollten diese bakteriell besiedelt sein, z. B. nach biliodigestiver Anastomose, so
können diese Bakterien zu einer Infektion der ischämischen Lebermetastase mit Ausbildung
eines Abszesses führen ([Tab. 6 ]). Eine prophylaktische Antibiose kann die Häufigkeit von Abszessen möglicherweise
reduzieren, aber nicht ganz vermeiden [630 ]. Inwieweit Gallengangstents und stattgehabte (endoskopische) Papillotomien ebenfalls
das Risiko für Leberabszesse nach TAE/TACE erhöhen, ist unklar.
Darüber hinaus ist Zurückhaltung bei der Indikationsstellung zur TAE/TACE geboten
beim Vorliegen einer Pfortaderthrombose, einer Leberfunktionsstörung und einer sehr
hohen Tumorlast (> 50 – 75 %).
Die Auswahl, ob eine transarterielle Embolisation (TAE) oder eine transarterielle
Chemoembolisation (TACE) bei der Embolisationstherapie des hepatisch metastasierten
NET verwendet wird, sollte von der lokalen Expertise und der zu erwartenden Toxizität
abhängig gemacht werden.
Empfehlung, Konsens
Je ausgeprägter die Tumorlast ist, desto selektiver sollte die initiale Embolisation
(TAE/TACE) erfolgen und danach die Verträglichkeit und das Therapieansprechen evaluiert
werden.
Empfehlung, Konsens
Bei repetitiven Behandlungen sollten initial, d. h. bis zur Embolisation aller Zielläsionen,
Intervalle von 4 – 8 Wochen eingehalten werden. Die weiteren Intervalle sollten individuell
vom Therapieansprechen, der Verträglichkeit und dem Verlauf der Erkrankung abhängig
gemacht werden.
Empfehlung, Konsens
Zur Embolisation von neuroendokrinen Lebermetastasen sind verschiedene radiologisch-interventionelle
Techniken verbreitet. Ein Verfahren nutzt die reine Ischämie der meist hypervaskularisierten
Tumormetastasen. Bei diesem Verfahren, der transarteriellen Tumorembolisation (TAE),
werden kleine permanente oder abbaubare Partikel in den Tumor über die den Tumor versorgende
Arterie eingebracht [638 ]. Als abbaubare Partikel können zum Beispiel Stärke-Mikrosphären (degradable starch
microspheres [DSM]) oder Gelatine-Partikel verwendet werden. Darüber hinaus ist eine
Mischung des Embolisats mit zytotoxischen Medikamenten weit verbreitet (sog. TACE).
Als Chemotherapeutika kommen Doxorubicin, Cisplatin, Miriplatin, Gemcitabin, Streptozotocin,
Mitomycin C oder 5-Fluorouracil zum Einsatz [275 ]. Eine weitere Methode ist die Verwendung von Chemotherapeutika, die an die Partikel
gebunden sind und im Tumor nach der Embolisation langsam aus den Partikeln freigesetzt
werden. Diese Partikel nennen sich Medikamenten-beladene Partikel (drug-eluding-beads
[DEB]), sodass diese Form der TACE auch DEB-TACE bezeichnet wird. Als Medikamente
zur Beladung der Partikel eignen sich v. a. Doxorubicin und Irinotecan.
In einer Studie von Ruutiainen et al. konnte im nicht-randomisierten Vergleich zwischen
TACE und TAE ein Trend zu besserem Überleben, lokalem Ansprechen und Symptomkontrolle
bei der TACE gezeigt werden, allerdings waren die Ergebnisse nicht signifikant [638 ]. In dieser Studie waren die Toxizität der TAE und TACE gleich. Andere Studien hingegen
konnten keinen Unterschied zwischen TAE und TACE bei neuroendokrinen Lebermetastasen
nachweisen [639 ]
[640 ]
[641 ]
[642 ].
Für die DEB-TACE sind keine vergleichenden Studien zur TAE oder TACE publiziert, gleichzeitig
kann die DEB-TACE zu schwerwiegenden Komplikationen wie Leberinfarkten und Leberabszessen
führen [643 ]
[644 ]. Eine Studie mit DEB-TACE bei NET wurde wegen häufiger Komplikationen vorzeitig
abgebrochen. Insgesamt ist aktuell bei fehlendem Nachweis einer Überlegenheit und
hoher Komplikationsrate hier eher Zurückhaltung geboten. Abschließend kann nicht ein
Embolisationsverfahren (TAE oder TACE) vor dem anderen empfohlen werden. Hier sollten
die lokale Erfahrung und Expertise die Wahl beeinflussen.
Bei der Embolisation von neuroendokrinen Lebermetastasen sollte zur Schonung von gesundem
Lebergewebe und zur Reduktion von Postembolisations-Komplikationen und Nebenwirkungen
möglichst nur die Metastase oder bei disseminiertem Befall nur ein Leberareal behandelt
werden. Dies ist besonders gut möglich, wenn eine tumorversorgende Arterie, sogenannte
„feeder“-Arterie, erkennbar ist. Eine Embolisation der gesamten Leber in einer Sitzung
sollte vermieden werden. Bei disseminiertem Befall der gesamten Leber mit Notwendigkeit
einer Ganzleber-Embolisation sollte eine sequentielle Embolisationstherapie (z. B.
Embolisation über die rechte Leberarterie, nach 4 – 8 Wochen Embolisation über die
linke Leberarterie) in insgesamt 2 – 4 Sitzungen durchgeführt werden.
7.3 Transarterielle Therapien – Radioembolisation (RE) oder selektive interne Radiotherapie
(SIRT)
Bei nicht-resektablen, disseminierten, prognosebestimmenden NET-Lebermetastasen kann
bei entsprechender lokaler Expertise eine Radioembolisation (RE/SIRT) gegenüber der
transarteriellen (Chemo-) Embolisation (TAE/TACE) bevorzugt werden.
Empfehlung offen, Konsens
Die Radioembolisation (RE), synonym selektive interne Radiotherapie (SIRT) oder transarterielle
Radioembolisation (TARE) bezeichnet die transarterielle Applikation eines mit einem
Partikel fest verbundenen β-Strahlers, der über die Leberarterie appliziert wird.
Diese Partikel reichern sich in den Metastasen an und führen so zu einer inneren Radiotherapie
oder Brachytherapie der Lebermetastasen. Einer internationalen Empfehlung folgend
wird im Weiteren nur noch von Radioembolisation mit der Abkürzung RE die Rede sein
[564 ]. Der gebräuchlichste β-Strahler ist Yttrium-90 (Y-90) mit einer Halbwertszeit von
64,2 Stunden und einer mittleren Eindringtiefe von 3,9 mm. Zwei verschiedene Trägerpartikel
für die Y-90-Radioembolisation sind zugelassen und kommerziell erhältlich, Glas-Mikrosphären
mit 20 – 30 μm Durchmesser (TheraSphere, BTG, London, UK) und Kunstharz-Mikrosphären
mit 20 – 60μm Durchmesser (SIR-Spheres, SIRTeX, New South Wales, Australien). Bezüglich
der Dosimetrie und der Applikation beider Mikrosphären existieren Unterschiede, jedoch
ist klinisch bisher kein Unterschied bezüglich des antitumoralen Effekts und der Nebenwirkungen
festgestellt worden [565 ]
[645 ]
[646 ]. Im Folgenden werden ausschließlich Studien und Ergebnisse von diesen beiden zugelassenen
Mikrosphären berichtet. In der klinischen Forschung befinden sich derzeit Mikrosphären,
die Holmium-166 als Radionuklid verwenden [647 ]
[648 ].
Aktuell existieren keine randomisierten Studien im Vergleich zwischen den verschiedenen
transarteriellen Therapien (TAE/TACE vs. RE) oder im Vergleich mit anderen Therapien
(systemische Chemotherapie oder Chirurgie). Auch wird die RE, wie auch die TAE oder
TACE, in unterschiedlichen Stadien der Erkrankung eingesetzt, sodass ein Vergleich
der reinen Überlebenszahlen mit anderen Therapieverfahren nicht sinnvoll ist. Kennedy
et al. konnten zeigen, dass bei disseminierten NET-Metastasen die RE bezüglich der
Lebensqualität und der Anzahl der notwendigen Therapien Vorteile gegenüber der TAE
und TACE hat [558 ]
[649 ]
[650 ]. Dies gilt insbesondere für eine disseminierte, diffuse Metastasierung, die mehrfache,
repetitive TAE/TACE in vielen Sitzungen notwendig macht (siehe Empfehlung 7.15 und
Kommentar dazu), wohingegen die RE mit einer oder zwei Therapiesitzungen auskommen
kann.
Generell sollte die RE bei Patienten mit G1- oder G2-differenzierten neuroendokrinen
Lebermetastasen zur Anwendung kommen, allerdings wurden in einige Studien auch wenige
Patienten mit G3-Tumoren eingeschlossen [642 ]
[651 ]. Bezüglich der Anwendung der RE bei G3-Tumoren sind weitere Studien, insbesondere
auch im Vergleich mit einer Chemotherapie bzw. in Addition zu einer Chemotherapie,
erforderlich.
Eine mögliche Komplikation der Radioembolisation (RE/SIRT) ist die Entwicklung einer
Radioembolisations-induzierten Lebererkrankung (RILD/REILD).
Bei Vorliegen von Risikofaktoren sollte einer RILD/REILD durch sequenzielle Therapie
der Leber (z. B. zeitlich [4 – 6 Wochen] getrennte Behandlung des rechten und linken
Leberlappens) vorgebeugt werden.
Weitere Maßnahmen können sein: Dosisreduktion von bis zu 30 %, postinterventionelle
Medikation mit Ursodeoxycholsäure, Steroiden und ggf. niedermolekularem Heparin und
Pentoxifyllin.
Empfehlung bzw. Empfehlung offen, starker Konsens
Komplikationen der RE sind die extrahepatische Non-Target-Embolisation mit Entwicklung
eines radiogenen Magenulkus, einer Magenperforation, einer radiogenen Cholezystitis
und/ oder einer radiogenen Pankreatitis. Ferner kann es durch die Kathetermanipulationen
zu einer Gefäßverletzung, Dissektion, Blutung oder Thrombose kommen. Die Radiatio
der Leber kann zu einer Radioembolisations-induzierten Lebererkrankung (RE-induced
liver disease [REILD]) führen. Eine REILD ist definiert als ein Serum-Bilirubin-Anstieg
auf über 3 mg/dl (51,3 μmol/l), neu aufgetretener Aszites (klinisch oder bildgebend
diagnostiziert) ohne Zeichen einer Tumorprogression oder einer Gallengangsobstruktion
1 – 2 Monate nach der RE [652 ]
[653 ]
[654 ].
Risikofaktoren für die Entwicklung einer REILD sind: kachektischer Patient (niedriger
BMI), kleines Lebervolumen (< 1200 – 1500 ml), sehr hohes hepatisches Tumorvolumen
(> 70 %), Behandlung der gesamten Leber in einer Sitzung anstatt eines zweizeitigen,
sequenziellen Vorgehens, Höhe der applizierten Y-90-Aktivität, erhöhtes Bilirubin,
Anzahl der vorangegangenen Chemotherapiezyklen und wiederholte RE [653 ]
[654 ]
[655 ]
[656 ]
[657 ]
[658 ]. Insgesamt ist die REILD-Gefahr bei der HCC-Therapie trotz der meist zirrhotischen
Leber geringer, vermutlich durch die starke intratumorale (und geringere extratumorale
hepatische) Anreicherung der strahlenden Partikel aufgrund der ausgeprägten Hypervaskularisation
der HCCs. Da NET typischerweise ebenfalls eine ausgeprägte arterielle Hypervaskularisation
zeigen, könnte auch hier das Risiko eher geringer sein.
Zur Reduktion des Risikos der Entwicklung einer REILD sind folgende Maßnahmen sinnvoll:
Y-90-Dosisreduktion um bis zu 30 %, sequenzielle Therapie (z. B. zeitlich versetzte
Therapie von rechtem und linkem Leberlappen mit einem Intervall von 4 – 6 Wochen),
postinterventionelle Medikation mit Ursodeoxycholsäure, Steroiden und/ oder niedermolekularem
Heparin bzw. Pentoxifyllin [652 ] [Tab. 7 ].
Tab. 7
Beispiele für prophylaktische post-RE-Therapie zur Reduktion der REILD (persönliche
Mitteilungen).
Charité:
alle Patienten:
1 – 1 – 1 für 5 Wochen
1 – 0 – 0 ausschleichend über 5 Wochen
0 – 0 – 1 für 5 Wochen
(bis 80 kg: 0,4ml; > 80kg: 0,6 ml) 1/die
bei Hochrisikopatienten zusätzlich:
1 – 1 – 1 für 8 Wochen
Uni Essen:
1 – 0 – 0 für 3 Monate
1 – 0 – 0 für 1 Monat, dann
1 – 0 – 0, dann ausschleichen
1 – 0 – 1 für 4 Monate
Uni Magdeburg & LMU München:
bei Hochrisikopatienten
(3-mal 400 mg/Tag für 8 Wochen)
(3-mal 250 mg/Tag für 8 Wochen)
(gewichtsadaptiert, 1-mal/Tag für 8 Wochen)
Im Falle von extrahepatischen Metastasen sollte die Radioembolisation (RE/SIRT) nur
bei disseminierten, nicht-resektablen NET-Lebermetastasen, die voraussichtlich die
weitere Prognose bestimmen, eingesetzt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Bei Patienten mit signifikanter extrahepatischer Metastasierung sollte die RE möglichst
nicht zur Anwendung kommen, da diese methodenimmanent nur die hepatische Tumorlast
behandeln kann [558 ]. Bei Patienten, bei denen die hepatische Tumorlast jedoch voraussichtlich die weitere
Prognose bestimmt und die extrahepatische Tumorlast prognostisch nicht relevant ist
(„liver-dominant disease“), kann eine RE zur Anwendung kommen und sinnvoll sein [558 ]
[659 ]. Die Studienergebnisse hierzu sind limitiert, allerdings war beispielsweise bei
Peker et al. eine extrahepatische Metastasierung kein prognostisch ungünstiger Faktor
[659 ].
Bei hormonell-aktiven NET-Lebermetastasen kann die Radioembolisation (RE/SIRT) zur
Symptomlinderung erwogen werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Studien bei symptomatischen Patienten mit Lebermetastasen konnten zeigen, dass der
Einsatz der RE die Symptome des Patienten in 55 – 95 % reduzieren kann [660 ]
[661 ].
Bei vermutlich geringerem Abszessrisiko als bei der RFA/TAE/TACE kann die RE/SIRT
bei Patienten mit biliodigestiver Anastomose durchgeführt werden.
Empfehlung offen, Konsens
In systematischen Analysen der Abszesshäufigkeit bei Patienten mit biliodigestiver
Anastomose, die mit RE behandelt wurden, konnte keine erhöhte Häufigkeit von Leberabszessen
festgestellt werden [630 ]
[631 ]
[662 ]. Gleichwohl gibt es einzelne Fallberichte von Leberabszessen nach RE [663 ]
[664 ]. Gegenüber einer TAE oder TACE ist die Rate an Leberabszessen bei RE jedoch signifikant
geringer und deswegen kann eine RE auch bei Patienten mit biliodigestiver Anastomose
Anwendung finden (siehe oben, [Tab. 6 ]).
8. Palliativversorgung
Palliativversorgung ist definiert als ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität
von Patienten und ihren Familien, die mit Problemen konfrontiert sind, welche mit
einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen. Dies geschieht durch Vorbeugen und
Lindern von Leiden durch frühzeitige Erkennung, sorgfältige Einschätzung und Behandlung
von Schmerzen sowie anderen Problemen körperlicher, psychosozialer und spiritueller
Art. Bezüglich palliativmedizinischer Aspekte sei an dieser Stelle auf die allgemeinen
Richtlinien hingewiesen, wie sie in der im Mai 2015 erschienenen „S3-Leitlinie Palliativmedizin
für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung“ (AWMF-Registernummer: 128/001OL)
ausführlich beschrieben werden (http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/128-001OLl_S3_Palliativmedizin_2015-04.pdf ). Dort finden sich auch wesentliche Empfehlungen zu Versorgungsstrukturen in der
Palliativmedizin mit einem Behandlungspfad für Patienten und Angehörige, da den Angehörigen
bei der Betreuung dieser Patientengruppe eine wichtige Rolle zukommt.
Anhang: Interessenkonflikt-Erklärungen
Anhang: Interessenkonflikt-Erklärungen
Tabellarische Zusammenfassung Stand 20.11.2017
*Berater- bzw. Gutachtertätigkeit oder bezahlte Mitarbeit in einem wissenschaftlichen
Beirat eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft (z. B. Arzneimittelindustrie,
Medizinproduktindustrie), eines kommerziell orientierten Auftragsinstituts oder einer
Versicherung
*Honorare für Vortrags- und Schulungstätigkeiten oder bezahlte Autoren- oder Co-Autorenschaften
im Auftrag eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft, eines kommerziell orientierten
Auftragsinstituts oder einer Versicherung
Finanzielle Zuwendungen (Drittmittel) für Forschungsvorhaben oder direkte Finanzierung
von Mitarbeitern der Einrichtung vonseiten eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft,
eines kommerziell orientierten Auftragsinstituts oder einer Versicherung
Eigentümerinteresse an Arzneimitteln/Medizinprodukten (z. B. Patent, Urheberrecht,
Verkaufslizenz)
Besitz von Geschäftsanteilen, Aktien, Fonds mit Beteiligung von Unternehmen der Gesundheitswirtschaft
Persönliche Beziehungen zu einem Vertretungsberechtigten eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft
Mitglied von in Zusammenhang mit der Leitlinienentwicklung relevanten Fachgesellschaften/
Berufsverbänden, Mandatsträger im Rahmen der Leitlinienentwicklung
Politische, akademische (z. B. Zugehörigkeit zu bestimmten „Schulen“), wissenschaftliche
oder persönliche Interessen, die mögliche Konflikte begründen könnten
Gegenwärtiger Arbeitgeber, relevante frühere Arbeitgeber der letzten 3 Jahre
*als moderate Interessen gewertet.
Albert, Joerg
Alfke, Heiko
Amthauer, Holger
Anlauf, Martin
1
ja
nein
nein
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9
Medizinische Klinik 1, Universitätsklinikum Frankfurt, Theodor-Stern-Kai 7, 60590
Frankfurt
Klinikum Lüdenscheid (Träger: Märkischer Kreis)
gegenwärtig: Charité – Universitätsmedizin Berlin früher: Otto-von-Guericke-Universität,
Magdeburg
Institut Pathologie, Limburg (niedergelassen)
Arnold, Rudolf
Auernhammer, Christoph
Bartenstein, Peter
Bartsch, Detlef
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Bin emeritiert seit 2006
Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München
Ludwig-Maximilians-Universität München
Philipps-Universität Marburg
Baum, Richard
Begum, Nehara
Denecke, Timm
Ezziddin, Samer
1
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9
Zentralklinik Bad Berka
Landkreis Schaumburg, davor Land Schleswig-Holstein
Charité – Universitätsmedizin Berlin
UKS – Universitätsklinikum des Saarlandes
Faiss, Siegbert
Fendrich, Volker
Fottner, Christian
Gebauer, Bernhard
1
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nein
9
Asklepios Klinik Barmbek
Uniklinik Marburg
Schwerpunkt Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen, I. Medizinische Klinik und
Poliklinik Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg Universität, Langenbeckstrasse
1, 55101 Mainz
Charité, Universitätsmedizin Berlin
Gniffke, Stefan
Goretzki, Peter
Gress, Thomas
Haug, Alexander
1
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ja
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nein
9
Niedergelassene ärztliche Tätigkeit als Anästhesist in eigener Praxis
Lukas Krankenhaus Neuss GMBH
Philipps Universität Marburg und Universitätsklinikum Marburg und Giessen (UKGM)
Medizinische Universität Wien vorher: Universitätsklinikum Großhadern, München
Hörsch, Dieter
1
ja
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ja
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ja
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nein
9
Zentralklinik Bad Berka GmbH
Kegel, Thomas
Knoefel, Wolfram Trudo
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nein
9
Universitätsklinikum Halle, Klinik für Innere Medizin IV, Ernst-Grube-Straße 40, 06120
Halle
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Knösel, Thomas
Kratochwil, Clemens
Lahner, Harald
Lordick, Florian
1
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LMU München
Universitätsklinikum Heidelberg
Universitätsklinikum Essen Klinik für Endokrinologie & Stoffwechselerkrankungen, Zentrallabor
Bereich Forschung und Lehre Endokrines Tumorzentrum am WTZ/Comprehensive Cancer Center
und ENETS Center of Excellence Zertifiziertes Diabeteszentrum DDG (Typ 1 und Typ 2),
Hufelandstraße 55, D-45147 Essen
Universitätsklinikum Leipzig
Luster, Markus
Lynen Jansen, Petra
Mahnken, Andreas
Mellar, Katharina
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nein
9
Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Marburg und Philipps Universität
Marburg
DGVS, RWTH Aachen
Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg, Klinik für Diagnostische
und Interventionelle Radiologie, Baldingerstraße, 35043 Marburg
erkrankungsbedingter vorzeitiger Ruhestand
Musholt, Thomas J.
Mönig, Heiner
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nein
9
Universitätsmedizin Mainz
UKSH Campus Kiel
Pape, Ulrich-Frank
Pascher, Andreas
Pavel, Marianne
Prasad, Vikas
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nein
9
Charité Universitätsmedizin Berlin
Charité
Charité Universitätsmedizin Berlin, CVK, Berlin
Charité Universitätsmedizin Berlin
Probst, Andreas
Pöppel, Thorsten
Pöpperl, Gabriele
Rinke, Anja
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nein
nein
nein
9
Bundeskanzlerinamt
Universitätsklinikum Essen, Klinik für Nuklearmedizin
Klinikum Stuttgart, Kriegsbergstr. 60, 70174 Stuttgart
Land Hessen/UKGM
Scheidhauer, Klemens
Scherübl, Hans
Schneider, Dominik
Schott, Matthias
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nein
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nein
nein
9
Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München
Vivantes GmbH, Berlin
Klinikum Dortmund
Universitätsklinikum Düsseldorf
Schrader, Jörg
Seufferlein, Thomas
Sipos, Bence
Spitzweg, Christine
1
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nein
nein
nein
nein
9
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Universitätsklinikum Ulm
Universitätsklinikum Tübingen
Klinikum der Universität München
Steinmüller, Thomas
Trumm, Christoph
Weber, Matthias M.
1
Nein
nein
ja
2
Nein
ja
ja
3
Nein
nein
ja
4
Nein
nein
nein
5
Nein
nein
nein
6
Nein
nein
nein
7
Ja, Kassenwart ENETS
nein
nein
8
Nein
nein
nein
9
DRK-Kliniken Berlin
LMU München 2003-dato
Universitätsmedizin Mainz
Wiedenmann, Bertram
Wurst, Christine
1
nein
nein
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3
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nein
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nein
5
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nein
6
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nein
7
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ja
8
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nein
9
Charité Universitätsmedizin, Berlin
Derzeit: Agaplesion Bethesda Krankenhaus Stuttgart Bis 12/2014: Universitätsklinik
Jena
Zorger, Niels
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nein
2
ja
3
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4
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5
nein
6
nein
7
nein
8
nein
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Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg