Schlüsselwörter
Wundverband - aseptischer Verbandwechsel - Non-Touch-Technik - hygienische Händedesinfektion
Bedeutung
Nach der Punktprävalenzuntersuchung des NRZ (Nationales Referenzzentrum für nosokomiale
Infektionen) von 2016 ist die postoperative Wundinfektion eine der 3 am häufigsten
auftretenden nosokomialen Infektionen in deutschen Krankenhäusern [1]. Der aseptisch durchgeführte postoperative Wundverbandwechsel ist neben prä- und
perioperativen Maßnahmen ein wichtiger Aspekt im Bündel der Präventionsmaßnahmen zur
Vermeidung nosokomialer Wundinfektionen [2]. Eigene Erfahrungen in unterschiedlichen Einrichtungen und Berichte meiner Weiterbildungsteilnehmer
aus ihren krankenhaushygienischen Praktika zeigen: Bei Hospitationen zum Verbandwechsel
lassen sich nicht selten erhebliche hygienische Defizite erkennen. In Zeiten fortschreitender
Arbeitsverdichtung und knapper werdender Personalressourcen verwundert dies nur bedingt.
Die Durchführenden können Maßnahmen eben nur so gut (oder schlecht) umsetzen, wie
sie darin angelernt wurden. Die KRINKO (Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention
am Robert Koch-Institut) hat im April 2018 ihre aktualisierte Empfehlung zur Prävention
postoperativer Wundinfektionen veröffentlicht. Darin wird u. a. besonderes Augenmerk
auf die Qualität der (praktischen) Schulung von Mitarbeitern zu aseptischen Verhaltensweisen
gelegt.
Aufgaben des Wundverbandes
Bei postoperativen Wunden dient der Wundverband primär dazu, die frische OP-Wunde
vor einem Keimeintrag von außen zu schützen. Er schützt die Wunde außerdem vor mechanischen
Belastungen durch Zug, Druck, Reibung und Scherkräfte sowie vor Auskühlung und Nässe.
Bei chronischen oder sekundär heilenden Wunden steht zusätzlich die Schaffung bzw.
Erhaltung eines physiologischen Wundmilieus im Vordergrund, ggf. auch die Applikation
von Medikamenten.
Für alle Wunden gilt, dass eine Austrocknung zu vermeiden ist.
Merke
Grundsätzlich ist jeder Verbandwechsel einer nicht sicher verschlossenen Wunde als
aseptischer Verbandwechsel vorzunehmen. Dies gilt für frische postoperative Wunden
ebenso wie für chronische/infizierte Wunden.
Beim Wundverbandwechsel sind einige grundsätzliche Aspekte zu beachten (s. Praxisbox
„Verbandwechsel: Grundsätze“).
Praxis
Verbandwechsel: Grundsätze
-
erster postoperativer Verbandwechsel (VW) nicht eher als 48 Stunden nach dem primären
Wundverschluss
-
sofortiger VW bei: unklarem Fieber, untypischen Wundschmerzen, Durchnässung, Verschmutzung,
Ablösung des Verbandes
-
Zeitpunkt des VW nach Festlegung des Arztes bzw. nach Wunddokumentationsprotokoll
-
Drainagen möglichst frühzeitig entfernen
-
Wunde regelmäßig ärztlich inspizieren (Palpation durch den Verband, Sichtkontrolle
durch transparente Wundabdeckung)
-
primär verschlossene Wunden benötigen aus infektionspräventiver Sicht keinen weiteren
Wundverband; häufig jedoch Patientenwunsch zum Schutz vor mechanischer Belastung
-
aufwendige VW mit 2 Personen vornehmen (von KRINKO nicht gefordert, aber aus praktischer
Sicht sinnvoll)
-
Verbandwagen kann ins Zimmer mitgenommen werden, keine Trennung aseptischer und septischer
Verbandwagen erforderlich
-
während des VW keine Materialien im Bett ablegen
-
für Schmerzfreiheit des Patienten sorgen, ggf. rechtzeitig vor dem VW Analgetikum
verabreichen
Schritt 1 Vorbereitung
Tragen Sie vor Beginn des Verbandwechsels alle benötigten Materialien zusammen. Je
nach Bedarf können diese auf einem Tablett oder auf der Ablage des Verbandwagens bereitgelegt
werden. Desinfizieren Sie zuvor das Tablett bzw. die Ablage mit einem schnell wirksamen
Flächendesinfektionsmittel.
Benötigtes Material ([Abb. 1]):
-
Händedesinfektionsmittel
-
keimarme Einmalschutzhandschuhe
-
Einmalschürze/Schutzkittel (wenn mit Kontaminationsgefahr der Arbeitskleidung zu rechnen
ist, bei MRE-Patienten [MRE: multiresistente Erreger], bei größeren, infizierten Wunden)
-
Mund-Nasen-Schutz mit Visier (wenn mit Spritzkontamination z. B. bei Spülungen zu
rechnen ist)
-
sterile Handschuhe
-
sterile Instrumente (z. B. Pinzette, Schere, Knopfkanüle)
-
Haut- bzw. Wundantiseptikum zum Sprühen, antiseptische Lösungen (z. B. Octenidin,
Polyhexanid), physiologische Spüllösungen (Kochsalz/Ringer)
-
Nierenschale für Spülungen, Spritzen
-
sterile Tupfer/Kompressen, sterile Wundauflagen, steriler Pflasterverband
-
keimarmes Verbandmaterial, keimarmes Pflaster („Tapete“)
-
separates mit Fußtritt bedienbares bzw. offen bereitstehendes Abfallbehältnis
Abb. 1 Zum Verbandwechsel vorbereitetes Material.
Schritt 2 Händedesinfektion
Ziehen Sie Arbeitskleidung mit langen Ärmeln (z. B. Arztkittel) vor Beginn des Verbandwechsels
aus. Gehen Sie mit allen vorbereiteten Materialien ins Patientenzimmer, informieren
den Patienten über Ihr Vorhaben und richten Sie die notwendigen Dinge im Zimmer. Positionieren
Sie das Material/den Verbandwagen und den Abwurf in für Sie günstiger Position (Griffweite),
jedoch vor Kontamination durch Patientensekrete geschützt. Verbessern Sie ggf. die
Beleuchtung, sorgen für Sichtschutz und schließen das Fenster. Legen Sie falls erforderlich
Ihre Schutzkleidung an.
Führen Sie nun eine hygienische Händedesinfektion durch ([Abb. 2 a]). Nehmen Sie den Verbandwechsel zu zweit vor, führt auch die assistierende Person
jetzt eine hygienische Händedesinfektion durch ([Abb. 2 b]). Nach Ablauf der Einwirkzeit von mindestens 30 Sekunden lagern Sie nun den Patienten
wie gewünscht, um problemlos den Verbandwechsel vornehmen zu können.
Abb. 2 Hygienische Händedesinfektion.
a Händedesinfektion der den Verbandwechsel durchführenden Person.
b Auch die assistierende Person führt eine Händedesinfektion durch.
Schritt 3 Abnehmen des alten Verbandes
Legen Sie keimarme Einmalhandschuhe an ([Abb. 3 a]) und entfernen Sie vorsichtig den alten Verband, ohne dabei die Wunde zu berühren
([Abb. 3 b]). Falls der Verband angeklebt ist, lösen Sie ihn mittels steriler Flüssigkeit; dazu
eine Spritze mit aufgezogener NaCl-Lösung vom Assistenten anreichen lassen oder zuvor
vorbereitet haben.
Cave
Nicht mit den mittlerweile kontaminierten Handschuhen an den Verbandwagen gehen, um
dort etwas vorzubereiten!
Entsorgen Sie den abgenommenen Wundverband nun unmittelbar in den bereitstehenden
Abwurf, ohne die Umgebung zu kontaminieren ([Abb. 3 c]). Ziehen Sie die Handschuhe aus und entsorgen diese ebenfalls ([Abb. 3 d]).
Abb. 3 Abnehmen und Entsorgen des alten Verbandes.
a Anlegen keimarmer Handschuhe.
b Entfernen des alten Verbandes.
c Entsorgen des Verbandes mit dem ersten Handschuh.
d Entsorgen des zweiten Handschuhs.
Schritt 4 Erneute Händedesinfektion
Führen Sie nach dem Abwerfen des alten Verbandes und der Handschuhe erneut eine hygienische
Händedesinfektion durch (s. [Abb. 2 a]). Inspizieren Sie währenddessen bereits die Wunde und entscheiden Sie, wie Sie weiter
vorgehen wollen.
Merke
Das offene Liegenlassen der vom Verband befreiten Wunde mit nur notdürftiger Interimsabdeckung,
wie es auch heute immer noch bei Chefarztvisiten beobachtet werden kann, ist obsolet!
Schritt 5 Wundbehandlung – Reinigung/Antiseptik
Wenn die Wunde reinigungsbedürftig ist, lassen Sie sich eine sterile Pinzette und
sterile mit physiologischer Lösung getränkte Tupfer vom Assistenten anreichen und
reinigen Sie die Wunde ([Abb. 4]): Entfernen von Blutresten und angetrockneten Sekreten, Abtragung von avitalem Gewebe,
Nekrosen, Belägen. Sofern die Wunde keine Infektionszeichen aufweist, ist an dieser
Stelle keine Antiseptik erforderlich.
Ist die Wunde mit unerwünschten Erregern kolonisiert oder besteht der Verdacht auf
eine Wundinfektion, können Sie nun eine Wundantiseptik nach ärztlicher Anordnung vornehmen
(z. B. Polyhexanid, Octenidin). Anwendungshinweise zu Wirksamkeiten und Kontraindikationen
sowie zeitlicher Begrenzung der Anwendung sind zu beachten. Vorgehen wie bei Reinigung.
Abb. 4 Wundreinigung/Wundantiseptik.
a Die Assistenzperson reicht einen mit Lösung getränkten sterilen Tupfer an.
b Reinigen der Wunde mit steriler Pinzette und sterilem, getränktem Tupfer.
Merke
Sollen chronische oder sekundär heilende Wunden ausgeduscht werden, ist dafür sterile
Flüssigkeit bzw. sterilfiltriertes Wasser zu verwenden. Die Verwendung von Leitungswasser
birgt die Gefahr einer Kontamination mit z. B. Pseudomonas aeruginosa.
Schritt 6 Sterile Wundauflage
Bei diesem Schritt sind 2 unterschiedliche Herangehensweisen möglich, die Non-Touch-Technik
und die Touch-Technik.
Merke
Bei der Non-Touch-Technik kommt die Hand des Durchführenden nicht in Kontakt mit der
Wunde/sterilen Wundauflage, sondern nur sterile Instrumente. Bei der Touch-Technik
arbeitet man direkt mit den Händen, dabei sind sterile Handschuhe zu tragen.
Non-Touch-Technik
Lassen Sie sich nun die Materialien für die sterile Wundabdeckung von Ihrem Assistenten
anreichen ([Abb. 5 a]). Wenn Sie allein arbeiten, haben Sie sich zuvor alle benötigten sterilen Materialien
so weit geöffnet bereitgelegt, dass Sie diese kontaminationsfrei greifen können. Greifen
Sie nun zunächst die sterile Pinzette und nehmen dann mit dieser die sterile Wundauflage
aus der Verpackung und platzieren sie auf der Wunde ([Abb. 5 b]). Bei dieser Variante benötigen Sie keine Handschuhe. Wenn möglich sollte diese
Methode bevorzugt zur Anwendung kommen.
Cave
Achten Sie darauf, dass Sie zu keiner Zeit direkt mit Ihren Händen auf die Wunde oder
die Wundauflage greifen!
Abb. 5 Non-Touch-Technik.
a Anreichen der sterilen Wundauflage.
b Platzieren der sterilen Wundauflage mit steriler Pinzette.
Touch-Technik
Legen Sie sterile Handschuhe an ([Abb. 6 a] u. [Abb. 6 b]). Lassen Sie sich nun die sterile Wundabdeckung von Ihrem Assistenten anreichen.
Greifen Sie die Wundabdeckung mit den sterilen Handschuhen ([Abb. 6 c]) und platzieren Sie sie auf der Wunde. Wenn Sie allein arbeiten, haben Sie sich
zuvor alle benötigten sterilen Materialien so geöffnet bereitgelegt, dass Sie diese
kontaminationsfrei greifen können. Die Touch-Technik wird in der Regel dann bevorzugt,
wenn die Wundauflage schwierig ein- oder anzupassen ist.
Abb. 6 Touch-Technik.
a Anlegen steriler Handschuhe: Entnehmen Sie dabei den zweiten Handschuh mit der bereits
behandschuhten Hand.
b Halten Sie den Handschuh an der Stulpe fest, während er über die andere Hand gestülpt
wird.
c Entnehmen der angereichten sterilen Wundauflage mit sterilen Handschuhen.
Schritt 7 Fixierung mit Pflaster
Fixieren Sie die auf die Wunde aufgelegten sterilen Wundauflagen nun mit einem keimarmen
Pflasterverband ([Abb. 7]). Sofern Sie beim Aufkleben des Pflasterverbandes nur die seitlichen Klebeflächen
berühren, können Sie dies auch mit bloßen Händen vornehmen.
Abb. 7 Fixieren der Wundauflage mit Pflasterverband.
Schritt 8 Entsorgung
Entsorgen Sie nun die verbliebenen Materialien in den Abwurf bzw. die Instrumente
in den Entsorgungscontainer ([Abb. 8]). Decken Sie den Patienten zu, stellen das Bett richtig ein, räumen den Bettplatz
auf und Ihre Sachen zusammen. Führen Sie eine hygienische Händedesinfektion durch
und verabschieden sich von dem Patienten. Verlassen Sie mit dem Verbandwagen bzw.
Ihrem Tablett das Zimmer. Dokumentieren Sie den Verbandwechsel und den Wundzustand
in der Patientendokumentation.
Abb. 8 Entsorgung der Instrumente.