Fortschr Neurol Psychiatr 2018; 86(05): 260
DOI: 10.1055/a-0595-6379
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Erholung von Rückenmarksverletzungen lässt sich vorhersagen

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Publication Date:
29 May 2018 (online)

Verletzt sich ein Mensch am Rückenmark, führt dies innerhalb kurzer Zeit zu einem fortschreitenden Verlust von Nervengewebe. Dieser betrifft nicht nur die verletzte Stelle, sondern mit der Zeit auch weitere Teile des Rückenmarks und sogar das Gehirn. Die Magnetresonanztomografie (MRT) ermöglicht detaillierte Einblicke in diese neurodegenerativen Veränderungen. Ein internationales Forscherteam vom Spinal Cord Injury Center der Universität Zürich und des Universitätsspitals Balgrist hat zum ersten Mal untersucht, wie der Abbau von Nervenzellen sowie Veränderungen der neuronalen Mikrostruktur während den ersten 2 Jahren nach der Rückenmarkverletzung verlaufen.

Je geringer der anfängliche Nervenabbau, desto besser die längerfristige Erholung

In ihrer Studie untersuchten die Wissenschaftler 15 Patientinnen und Patienten mit einer akuten traumatischen Rückenmarksverletzung zusammen mit 18 gesunden Studienteilnehmenden nach 2, 6, 12 und 24 Monaten. In Gehirn und Rückenmark bestimmten sie jeweils das anatomische Ausmaß der Neurodegeneration, den Verlust an Myelin sowie die degenerations- und entzündungsbedingte Ansammlung von Eisen im Nervengewebe. Dabei zeigte sich, dass die Erholung der Patienten nach 2 Jahren in direktem Zusammenhang steht mit dem Ausmaß der neurodegenerativen Veränderungen 6 Monate nach der Verletzung. Je geringer der gesamthafte anfängliche Verlust an Nervengewebe, desto besser sind längerfristig die klinischen Fortschritte der Betroffenen.


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Prognose der langfristigen Erholung dank Messung früher Veränderungen

Überraschend war für die Forschenden, dass die neurodegenerativen Veränderungen im Gehirn und Rückenmark auch 2 Jahre nach einem Trauma fortschreiten. Im Gegensatz dazu erholen sich Patienten in den ersten 6 Monaten am stärksten, danach flacht diese Entwicklung ab. Dies deutet darauf hin, dass sich früh nach der Verletzung neurodegenerative und kompensierende Veränderungen konkurrenzieren, dass mit der Zeit aber die Neurodegeneration überwiegt. Anhand der frühen, charakteristischen Nervenzellveränderungen lässt sich präzise vorhersagen, wie sich ein Patient mit Rückenmarksverletzung langfristig erholen wird. Die hochauflösende Bildgebung ermöglicht zudem, die durch die Rückenmarksverletzung verursachte Neurodegeneration von therapiebedingten positiven Veränderungen zu unterscheiden. Mit diesem Werkzeug lassen sich Effekte von Behandlungs- und Rehabilitationsmaßnahmen im Vergleich zu den rein verletzungsbedingten Veränderungen erstmals verlässlich ermitteln. Klinische Studien kömnen dadurch zukünftig effizienter und kostengünstiger durchgeführt werden.


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Klinische Studien zum Einfluss von Arm- und Beintrainings geplant

Die in der Studie beteiligten Patienten werden nach 5 Jahren nochmals mit der gleichen Methode untersucht. Die Wissenschaftler wollen feststellen, ob die neurodegenerativen Veränderungen dann zu einem Stillstand gekommen sind oder weiter voranschreiten. Die Forscher planen zudem Trainingsstudien, die aufzeigen sollen, ob intensives Training von Arm- und Beinfunktionen hilft, den Verlust an Nervengewebe zu bremsen oder aufzuhalten.

Nach einer Mitteilung der Universität Zürich


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