Die Körperwahrnehmung findet im sensorischen Kortex statt. Ein sogenannter Homunkulus
zeigt in Form eines kleinen Männchens die Proportionen der verschiedenen Körperareale
entsprechend deren Repräsentation auf der Gehirnrinde auf ([Abb. 1]).
Je größer die Repräsentationsareale im sensorischen Homunkulus sind, umso besser ist
das Differenzierungsvermögen des Zentralen Nervensystems. Entsprechend werden Areale
mit großem Repräsentationsareal sehr gut vom Gehirn wahrgenommen. Dieses Differenzierungsvermögen
ist im Gesicht, an Zunge und Lippen sehr gut sowie an den Fingerspitzen am besten
ausgeprägt.
Abb. 1 Sensorischer Kortex mit Homunkulus.(Quelle: Thieme Gruppe)
Gehirn-Training Die Evolution trainierte das Gehirn. So verbesserte sich die Wahrnehmung in einem
Körperteil, je mehr man sich auf diesen konzentrierte und ihn benutzte. Heute können
wir mit dem richtigen „Fingerspitzengefühl“ unterschiedlichste Stoffe oder Oberflächen
erkennen, Zunge und Nase nehmen verschiedenste Geschmacksrichtungen bis hin zu Pheromonen
wahr. Demgegenüber belegen andere Körperregionen wie die LWS oder das Knie nur kleine
Bereiche im sensorischen Kortex. Die Wahrnehmung dieser Regionen erfolgt merklich
undifferenzierter als die Sinneswahrnehmung von Fingern oder Händen. Wenn es also
um den eigenen Rücken geht, können wir lediglich sagen, ob sich dieser „verspannt“
anfühlt.
Das Gehirn arbeitet – wie dies auch von der Muskulatur bekannt ist – getreu dem Motto
„Use it or lose it!“. Im Klartext: Ein viel benutzter Körperbereich wird kortikal
gut repräsentiert. Gleichzeitig sprechen einige Indizien dafür, dass sich ein sensorisches
Repräsentationsareal durch Schmerzen verändert.
Änderung der Körperwahrnehmung
Phantomschmerzen
Anhand von Phantomschmerzen wird deutlich, dass Schmerzen die Körperwahrnehmung verändern.
In den 1980er-Jahren wurde nachgewiesen, dass das Phantom-Phänomen mit der Repräsentation
im sensorischen Kortex zusammenhängt [23]. Der Neurowissenschaftler Ramachrandran manipulierte mittels eines Spiegels die
Wahrnehmung seiner Patienten: das Betrachten des Spiegelbildes der noch vorhandenen
Hand linderte den Phantomschmerz der amputierten Hand.
CRPS und CTS
Zur Jahrtausendwende wiesen verschiedene Forscher auch bei beim CRPS (Complex Regional
Pain Syndrome; vormals: Morbus Sudeck) ähnliche Veränderung im sensorischen Homunkulus
nach [1], [7], [8], [11], [21]. Später wurden erfolgreiche klinische Studien zur Normalisierung dieses Phänomens
durchgeführt [17], [18], [22]: Moseley konnte Schmerz und Schwellung einer CRPS-Hand durch eine Kombination aus
Laterality Recognition, Imaginary Movements sowie Spiegelbox-Übungen reduzieren [17].
Eine Studie aus dem Jahre 2012 zeigt, dass selbst beim schmerzfreien Karpaltunnelsyndrom
(CTS) die Körperwahrnehmung gestört zu sein scheint [25]. Beim Laterality-Recognition-Test erkannten die Forscher signifikante Unterschiede
der Körperwahrnehmung von gesunder und betroffener Seite.
Test der Körperwahrnehmung
Die nachfolgend vorgestellten Testverfahren wurden an der Lendenwirbelsäule untersucht.
Im Fokus stand dabei zumeist der chronische nicht-spezifische Rückenschmerz (Chronic
Non Specific Low Back Pain bzw. CNSLBP).
5 Möglichkeiten zum Testen der Körperwahrnehmung
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Zwei-Punkte-Diskrimination (TPD)
-
Laterality-Recognition-Test
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Zeichnen des eigenen Rückens
-
Stimulus-Lokalisation
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Motor-Control-Impairment (MCI)
Zwei-Punkte-Diskrimination
Das für die Untersuchung und Behandlung der Hand etablierte Verfahren der Zwei-Punkte-Diskrimination
(Two-Point-Discrimiation, TPD) wurde für die LWS adaptiert [15], [16]. Unter Verwendung einer Schublehre wurde die Schwelle des Erkennens zweier auseinander
liegender Kontaktpunkte auf der Rückenhaut zwischen erstem Lendenwirbel und Beckenkamm
in horizontaler und vertikaler Richtung gemessen ([Abb. 2]).
Die Messung erfolgte mit konstantem Druck auf die Haut des Patienten in 5 mm-Schritten
entweder absteigend von 10 cm oder aufsteigend von 1 cm. Ab- und aufsteigende Messungen
wurden kombiniert, um Ratespiele der Testpersonen auszuschließen. Bei Gesunden lag
der durchschnittliche TPD-Wert bei 44 mm, während bei Rückenschmerzpatienten der Wert
auf 62 mm anstieg. Nach Catley können TPD-Werte über 60 mm mit 90%iger Sicherheit
als „abnormal“ bezeichnet werden [3].
Abb. 2 Zwei-Punkte-Diskrimination am Rücken.(Quelle: Hannu Luomajoki und Fritz Zahnd (nachgestellte
Situation))
Laterality-Recognition-Test
Um die Links-Rechts-Diskrimination zu beurteilen, wurde „Recognise“ entwickelt. Die
Software vom Neuro Orthopaedic Institute (www.noigroup.com) spielt u. a. 56 Bilder eines rotierten männlichen Rumpfes in verschiedenen Positionen
randomisiert ab. 28 Aufnahmen zeigen eine Rechtsrotation, 28 eine Drehung nach links.
Seitenerkennung Im Jahre 2009 verglichen Bray und Moseley 21 Patienten mit unspezifischen chronischen
Rückenschmerzen mit 14 asymptomatischen Personen [2]. Beide Gruppen erhielten zwei Aufgaben mit jeweils zwei aus 40 Bildern bestehenden
Tests. Die Probanden sollten die Fotos dahingehend beurteilen, ob ein Rumpf links-
oder rechtsrotiert abgebildet ist. Als Kontrollaufgabe sollten Hände als links- oder
rechtsseitig beurteilt werden.
Treffsicherheit Die Analyse beider Tests erfolgte anhand von Antwortzeit und Treffsicherheit. Berücksichtigt
wurde, ob die Teilnehmer der Patientengruppe unter uni- oder bilateralen Rückenschmerzen
litten. Während sich die Antwortzeiten für alle Gruppen ähnlich verhielten, war die
Treffsicherheit unterschiedlich. So unterliefen bilateralen CNSLBP-Patienten mehr
Fehler als Personen mit unilateralen Rückenschmerzen. Diese wiederum beurteilten die
Fotos mit der Rumpfrotation schlechter als symptomfreie Personen. Bei den Beurteilungsaufgaben
zur Hand wurde dieses Phänomen nicht beobachtet.
Demgemäß eignet sich der Laterality-Recognition-Test, um bei CNSLBP-Patienten eine
Störung der Rumpfwahrnehmung festzustellen und um den Behandlungsverlauf zu dokumentieren.
Zeichnen des eigenen Rückens
In einer früheren Studie von Moseley wurde sechs CNSLBP-Patienten ein Bild mit der
schematischen Zeichnung eines Rückens gezeigt [19]. Auf der Grafik waren lediglich die Schulterpartie sowie der untere Teil des Beckens
angedeutet. Die Probanden wurden aufgefordert, die Begrenzungslinien ihres Rückens
auf der Zeichnung zu ergänzen. Dabei sollten sich die Testpersonen nicht auf das objektive
Aussehen ihres Rückens konzentrieren, sondern vielmehr auf die Art und Weise, wie
sich dieser anfühlt. Zum zweiten sollten die Probanden die von ihnen wahrgenommenen
Wirbel einzeichnen. Zusätzlich wurde die Zwei-Punkte-Diskrimination gemessen. Die
Analyse zu den einzelnen Datenerhebungen offenbarte diverse Auffälligkeiten ([Tab. 1]).
Tab. 1 Testergebnis der Studie „Zeichnen des eigenen Rückens“ mit sechs CNSLBP-Patienten
(nach Moseley 2008) [19].
Einzeichnen der Begrenzungslinien des eigenen Rückens
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Einzeichnen der wahrgenommenen Wirbel
|
Zwei-Punkte-Diskrimination
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-
Alle Patienten sagten, sie können „die Begrenzung ihres Rückens nicht finden“.
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Mehrere Patienten pausierten bei der Aufgabe: „Es fühlt sich an, als sei mein Rücken
geschrumpft“.
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Fünf Patienten konnten die Begrenzungslinien nicht vollständig aufzeichnen.
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Fehlende Begrenzungslinien befanden sich stets auf Höhe und Seite des Rückenschmerzes.
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Kein Patient zeichnete alle Wirbel ein.
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Eingezeichnete Wirbel wichen ab zur Seite von fehlender Begrenzungslinie und Schmerz.
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Fehlende Wirbel befanden sich auf Höhe fehlender Begrenzungslinien.
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Zur Körperwahrnehmung des Rückens wurde ein spezieller Fragebogen entwickelt [25]: der Fremantle-Back-Awareness-Questionnaire wurde auch in einer deutschen Version
validiert [4].
Training der Körperwahrnehmung
5 Möglichkeiten zum Training der Körperwahrnehmung
Taktiles Sensorisches Training und Graphästhesie
Taktiles Sensorisches Training bei CRPS-Patienten funktioniert besser, wenn die Betroffenen
während des Übens ein Bild des betroffenen Körperareals sehen [20].
Im Rahmen einer Fallstudie mit drei chronischen Rückenschmerzpatienten setze Wand
eine Reihe von Übungen zur Körperwahrnehmung in Form eines progressiven Trainings
ein [27]. Den Probanden wurden verschiedene taktile Reize am Rücken appliziert – zunächst
während der Betrachtung eines Rückenbildes, im zweiten Schritt ohne Bild. Die Testpersonen
sollten auf einer Zeichnung jene Punkte markieren, an denen ihr Rücken berührt wurde.
Gesteigert wurden die Anforderungen zuerst durch die motorische Vorstellung von Bewegung,
später durch dissoziative Übungen. Die Resultate waren sehr gut: nach fünf Monaten
waren alle Patienten beschwerdefrei.
Graphästhesie In einer Schweizer Studie wurden 40 Rückenschmerzpatienten mit Bewegungskontroll-
und Graphästhesie-Übungen therapiert [8] ([Abb. 3]). Die Patienten bewerteten anhand des Roland-Morris-Fragebogens die Verbesserung
ihrer täglich empfundenen Behinderung am Ende mit ca. 40%. Im Vergleich mit einer
ähnlich gestalteten Fallserien-Studie mit gleichen Inhalten und Zielen, jedoch ohne
Graphästhesie-Übungen, waren die Resultate gleichartig [14].
Abb. 3 Graphästhesie bezeichnet die Fähigkeit, durch Druck „geschriebene“ Buchstaben oder
Ziffern auf der Haut zu erkennen, ohne dabei hinzusehen. Voraussetzung hierfür ist
eine intakte taktile Wahrnehmung.(Quelle: Hannu Luomajoki und Fritz Zahnd (nachgestellte
Situation))
Trainingsaufbau Prinzipiell sollte jedes Übungsprogramm so aufgebaut sein, dass in jedweder Phase
die Voraussetzung für die nächsthöhere Stufe geschaffen wird. Für das Graphästhesie-Training
bedeutet dies etwa eine Veränderung des Berührungs-Stimulus. Die Reizsetzung erfolgt
dann klein- statt großflächig, spitz oder stumpf etc. Oder aber die Intention der
taktilen Stimuli ist anders geartet, und der Patient soll anstatt Berührungspunkte
zu identifizieren, nun Buchstaben oder Wörter auf seinem Rücken lesen oder Rechnungen
ausführen.
Für jede Trainingsphase sind zwei Wochen vorgesehen. Können die Aufgaben nicht erfüllt
werden, wird die Phasendauer wochenweise verlängert. Sollten Bedenken des Patienten
auftreten oder Flare-Ups imponieren, wird der Schwierigkeitsgrad der Übung reduziert
oder der Fokus weg vom betroffenen Körperteil gelenkt.
Eine Zusammenfassung, wie das Training zur Verbesserung der Körperwahrnehmung stufenweise
gesteigert werden kann, ist nachfolgender Tabelle zu entnehmen ([Tab. 2]).
Tab. 2 Zusammenfassung eines sensorisch und motorisch ausgerichteten Trainingsprogramms
zur Verbesserung der Körperwahrnehmung (nach Wand et al. 2011) [27].
Phase
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Sensorisches Training
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Motorisches Training
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1
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Lokalisation:
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Erkennen der Seite:
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|
|
2
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Lokalisation und Art des Stimulus:
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Imitation von gezeigten Bewegungen:
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-
Betrachtung eines Videos mit einem sich bewegenden Model und Nachahmung der Bewegung
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1. Woche: kleine Bewegungsamplitude
-
2. Woche: volles Bewegungsausmaß
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3
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Graphästhesie 1:
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Isometrische Low-load-Rekrutierung lokaler Muskeln:
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-
M. transversus abdominis
-
Mm. multifidi, tiefe Schicht
-
Kokontraktion mit dem Beckenboden
-
Kombination mit Dissoziationsübungen
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4
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Graphästhesie 2:
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Kleine Bewegungen mit maximalem Feedback:
|
|
-
Spiegel zur visuellen Kontrolle
-
intersegmentale Selbst-Palpation zur taktilen Kontrolle
-
elastisches Tape: Palpation
-
Repositions-Training
-
Bewegungen entsprechend Anweisung
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5
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Graphästhesie 3:
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Volle Bewegungen mit maximalem Feedback:
|
|
-
Spiegel zur visuellen Kontrolle
-
intersegmentale Selbst-Palpation zur taktilen Kontrolle
-
elastisches Tape: Palpation
-
Repositions-Training
-
Bewegungen entsprechend Anweisung
|
Motor Imagery
Mittels regelmäßig durchgeführter Motor Imagery können u. a. Qualität, Quantität und
Timing einer Bewegung verbessert werden. Angewandt wird die Bewegungsvorstellung beispielsweise
zur Leistungssteigerung im Sport [4], [5]. In der Physiotherapie liegt der Fokus des mentalen Trainings dagegen auf der Rückführung
kortikaler Veränderungen, die als Treiber für chronische Rückenschmerzen identifiziert
wurden [4].
Bewegungsvorstellung Bei der Motor Imagery wird zwischen kinästhetischer und visueller Bewegungsvorstellung
unterschieden. Die kinästhetische Bewegungsvorstellung konzentriert sich auf das Anfühlen
einer Bewegung. Dabei wird der primär sensomotorische Kortex mehr aktiviert, wenn
sich das Anfühlen der Bewegung egozentrisch auf die eigene als allozentrisch auf eine
andere Person bezieht [13]. Im Gegensatz hierzu beobachtet die visuelle Bewegungsvorstellung eine Bewegung
von außen.
Sowohl bei der Beobachtung einer Bewegung als auch bei deren Ausführung sind Spiegelneurone
aktiv [24]. Diese unterstützten das motorische Lernen durch Imitation [9], [12], [13].
Isolierte Low-Load-Anspannung lokaler Muskeln
M. transversus abdominis
Für das Training des M. transversus abdominis (MTA) sollte der Patient in einem ruhigen
Raum möglichst entspannt in Rücken- oder Seitlage auf der Behandlungsbank gelagert
werden. Der Bauch zwischen Symphyse und unterem Rippenbogen muss zur Palpation und
Beobachtung der Atmungsexkursion frei sein. Mittels Ultraschallgerät kann der Tonus
des querverlaufenden Bauchmuskels vom Therapeuten genauer überprüft und vom Patienten
visualisiert werden. Dabei hat sich gezeigt, dass das Erlernen einer isolierten, kompensationsfreien
Low-Load-Anspannung des MTA unter visueller Kontrolle eines Ultraschallgeräts für
die meisten Patienten am praktikabelsten ist.
Wortwahl Für den Behandlungserfolg ist die Wahl der Worte bei einer therapeutischen Anweisung
entscheidend. Aufforderungen wie „Ziehen Sie Ihren Bauch ein!“ oder „Ziehen Sie den
Bauchnabel zur Wirbelsäule!“ resultieren oftmals in einem überschnellen und zu starken
Anspannen des MTA. Dieses wiederum führt dann zum kompensatorischen Anspannen der
globalen Bauchmuskulatur. Um dem Patienten diese Kompensation zu veranschaulichen,
soll dieser leicht hüsteln. Via Ultraschall wird deutlich, dass beim Hüsteln nicht
allein der MTA ruckartig anspannt, sondern gleichzeitig auch die schrägen Bauchmuskeln
kontrahieren.
Entsprechend sollen Anweisungen an den Patienten durch die Vermittlung von Bildern
erfolgen. Formulierungen wie „Spannen Sie Ihren Bauch an, als ob Sie den Reißverschluss
Ihrer Jeans zuziehen!“ oder „Spannen Sie Ihren Bauch an, als ob Sie Ihre vorderen
Beckenspitzen [SIAS] zur Mitte ziehen!“ veranschaulichen das Übungsziel.
M. multifidus
Das isolierte Anspannen der Mm. multifidi erfolgt aus der Bauchlage. Der Therapeut
legt seinen Zeige- und Mittelfinger im Pinzettengriff beidseits dicht an den Dornfortsatz
eines lumbalen Wirbels an. Der Patient soll nun an dieser Stelle den Muskel langsam
und leicht anspannen.
Visualisierung Um eine Multifidus-Spannung zu generieren, eignen sich Anleitungen wie: „Machen Sie
ein leichtes Hohlkreuz!“ oder „Stellen Sie sich vor, Ihr Kreuzbein ist ihr Schwanz
wie bei einem Hund, und Sie wollen diesen Schwanz nun heben“. Falls die Anweisung
vom Patienten umgesetzt werden kann, soll dieser die Muskelspannung nun ohne Bewegung
realisieren. Auf diesem Weg wird aus einer „globalen“ eine „lokale“ Aktivität.
Wahrnehmungsübung Um das Gefühl einer Multifidus-Spannung zu vermitteln, eignet sich folgende Wahrnehmungsübung
im Stand: Die Hände des Patienten liegen beidseits paravertebral auf Höhe von L5.
Anschließend macht der Patient einen Schritt nach vorne und spürt die sofortige Kontraktion
des M. multifidus. Im nächsten Zug versucht er, die lokale Muskelanspannung zu reproduzieren,
ohne einen Schritt zu machen. Ziel der Übung ist, die Multifidus-Spannung so klein
wie möglich, dabei aber noch fühlbar zu halten: „Je weniger, desto besser.“
Dissoziative Übungen
Wahrnehmungsübungen Spezielle Bewegungen sind nur dann „echte“ Wahrnehmungsübungen, wenn der Fokus des
wachen und motivierten Patienten allein auf der Wahrnehmung liegt. Er soll spüren,
wo und wie eine Bewegung stattfindet und welche Muskeln sich hierfür an- und entspannen.
Auf Grund der übungsbedingten schnellen mentalen Ermüdung des Patienten wird die Übungszeit
kurz, die Übungsfrequenz aber hoch gewählt. Folglich soll mehrmals täglich geübt werden.
Dissoziatives Üben bedeutet das bewusste Bewegen von Körperabschnitten unabhängig
voneinander. Folglich sollen weiterlaufende Bewegungen angrenzender Körperabschnitte
aktiv und bewusst verhindert werden. Als praktische Übung soll der Patient eine Hüft-Flexion
ohne weiterlaufende LWS-Flexion durchführen oder sein Becken samt LWS still halten,
während er die BWS in Flexion, Extension oder Rotation bewegt ([Abb. 4]).
Abb. 4 Dissoziative Übungen.
a Die Wirbelsäule soll während der Bewegungen in den Hüft- und/oder anderen Beingelenken
in Neutralstellung gehalten werden.
b Bei der Verschiebung im Vierfüßler soll das Becken nach hinten-unten bzw. vorn verschoben
werden, ohne dass die Wirbelsäule flektiert bzw. extendiert.(Quelle: Thieme Gruppe)
Zusammenfassung
Die aktuelle Studienlage liefert deutliche Indizien, dass chronische Schmerzen die
Körperwahrnehmung beeinträchtigen können. Unklar bleibt, wie stark die Wahrnehmungsstörungen
ausgeprägt sind. Dessen ungeachtet kann die Körperwahrnehmung eines Patienten zuverlässig
auf verschiedene Arten getestet und somit auch deren Störung erfasst werden. Für die
Therapie stehen unterschiedliche Möglichkeiten bereit. Die Effektivität der vorgestellten
Therapieform wurde bei CRPS-Patienten am besten nachgewiesen. Bei Rückenschmerzen
ist die Evidenz der Effektivität weiterhin unklar, diesbezügliche Studien müssen folgen.