Pneumologie 2018; 72(09): 641-643
DOI: 10.1055/a-0576-5453
Fallbericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Granularzelltumor der Lunge – eine bronchoskopische Blickdiagnose?

Granular Cell Tumor of the Lung – a Visual Diagnosis on Bronchoscopy?
S. Keymel
Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie, Medizinische Fakultät, Universitätsklinikum Düsseldorf
,
S. Büter
Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie, Medizinische Fakultät, Universitätsklinikum Düsseldorf
,
S. Krüger
Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie, Medizinische Fakultät, Universitätsklinikum Düsseldorf
› Author Affiliations
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Stefan Krüger
Universitätsklinikum Düsseldorf
Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie
Moorenstr. 5
40225 Düsseldorf

Publication History

eingereicht 12 January 2018

akzeptiert am 13 February 2018

Publication Date:
22 May 2018 (online)

 

Zusammenfassung

Ein 38-jähriger Patient wurde aufgrund einer zunehmenden Verschlechterung des Allgemeinzustandes und einer Kachexie stationär aufgenommen. Bildmorphologisch ergab sich bei einschmelzenden Rundherden und einer kavernösen Formation der Verdacht auf eine Mykobakteriose, sodass die Indikation zu einer Bronchoskopie gestellt wurde. In der Bronchoskopie gelang tatsächlich der Nachweis einer nicht tuberkulösen Mykobakteriose. Als Zufallsbefund zeigte sich im Mittellappenbronchus eine weißliche polypöse Schleimhautveränderung. Histologisch war ein Granularzelltumor (GZT) nachweisbar. Der GZT ist ein seltener Tumor, der an verschiedenen anatomischen Lokalisationen auftreten kann. In der Lunge kann er klinisch durch eine bronchiale Obstruktion manifest werden, bildgebend als Rundherd oder Infiltrat bzw. Atelektase oder als Zufallsbefund in einer Bronchoskopie auffallen. Therapie der 1. Wahl ist die chirurgische Entfernung.


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Abstract

A 38 years old patient presented with a progressive reduction of his general condition and weight loss. Chest imaging revealed consolidations and cavities suggesting a mycobacterial infection. For further diagnosis, a bronchoscopy was performed. In fact, a nontuberculous mycobacterial infection was found. As an incidental finding, we saw a white polypoid tumor in the middle lobe bronchus. The histology of this tumor revealed a granular cell tumor (GCT). The GCT is a rare tumor entity which occurs at different anatomical locations. In the lungs, the GCT may become symptomatic as it can cause bronchial obstruction. In chest imaging, it can manifest as infiltration, atelectasis or nodule. Likewise, GCT can be found as an incidental finding in bronchoscopy. First choice treatment is surgical resection of the tumor.


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Fallbericht

Ein 38-jähriger Patient wurde aufgrund einer zunehmenden schwerwiegenden Verschlechterung des Allgemeinzustandes und einer ausgeprägten Kachexie stationär aufgenommen. An relevanten Vorerkrankungen besteht eine HIV-Erkrankung seit mehr als 10 Jahren. Eine antiretrovirale Therapie war bisher vom Patienten abgelehnt worden. Der Patient war drogen- und alkoholabhängig und hatte schon seit Jahren einen intensiven Nikotinkonsum. Es bestand anamnestisch eine nicht tuberkulöse Mykobakteriose (Mycobacterium avium), die aufgrund der Incompliance des Patienten nicht effektiv behandelt werden konnte.

Der Patient wurde aufgrund ausgedehnter pulmonaler Infiltrate mit Kavernenbildung im linken Lungenoberlappen zur Bronchoskopie vorgestellt ([Abb. 1 a]). In der Bronchoskopie zeigten sich im linken Bronchialsystem in Korrelation zu dem CT-Befund eine diffuse Schleimhautschwellung und eine schlitzförmige Kompression der Ostien des Oberlappens. Hier gelang in der mikrobiologischen Untersuchung des Bronchialsekretes der Nachweis von Mycobacterium avium. Im rechten Bronchialsystem fiel im Mittellappenbronchus als Zufallsbefund eine weißliche, flächige polypöse Schleimhautveränderung auf, die in ihrer Konfiguration an Puffreis erinnerte ([Abb. 2]). In der Biopsie aus diesem Bereich ergab sich pathologisch der Nachweis eines Granularzelltumors (GZT). Immunhistochemisch zeigten sich im Stroma des Tumors zahlreiche mittelgroße Alcianblau-PAS-positive Zellen, die eine kräftige Expression für den Marker CD68 und S100 erkennen ließen. Darüber hinaus war eine kräftige positive Färbereaktion für Vimentin zu erkennen. Dahingegen wiesen die Tumorzellen eine negative Expression für das Panzytokeratin sowie für CK7 und TTF1 auf. Mit dem Proliferationsmarker Mib1 betrug die Proliferationsrate < 1 %. Retrospektiv konnte in der Computertomografie des Thorax in der sagittalen Schnittebene ([Abb. 1 b]) und in der axialen Schnittebene ([Abb. 1 c – d]) ein Korrelat für den GZT identifiziert werden.

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Abb. 1 Computertomografie des Thorax: a Im linken Oberlappen stellen sich eine große Kaverne und im rechten Oberlappen einschmelzende Rundherde dar. Hieraus ergab sich die Indikation für die Bronchoskopie mit dem Verdacht einer Mykobakteriose. b In der sagittalen Schnittführung lässt sich der Tumor im Mittellappenbronchus lokalisieren. Er führt nicht zur einer relevanten bronchialen Stenosierung. c – d In der axialen Schichtführung ist der Tumor im Lungenfenster c bzw. im Weichteilfenster d nach Kenntnis des endobronchialen Befundes zu identifizieren.
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Abb. 2 Flexible Bronchoskopie: ein polypöser weißlicher Tumor an der dorsalen Wand des Mittellappenbronchus vor Aufteilung in die Segmente 4 und 5.

Der GZT ist ein seltener Tumor, der nach dem Erstschreiber auch als Abrikossoff-Tumor bezeichnet wird. Während Abrikossoff den Tumor als ein Myom beschrieb, geht man heute eher von einem Schwannom und somit einem neurogenen Ursprung aus [1] [2]. Immunhistologisch wird die Expression von S100 und NSE beschrieben [2]. GZT können in allen Altersklassen und nahezu allen anatomischen Lokalisationen auftreten. Häufig manifestiert sich der GZT im Kopf-Hals-Bereich. Singuläre und multiple Läsionen sind möglich, ein malignes Verhalten ist selten [2] [3] [4].

Der GZT der Lunge ist selten. Er macht 6 – 10 % der GZT aus [1]. Es wird sowohl eine tracheale [5] als auch eine bronchiale Manifestation beschrieben [1] [4]. Der GZT kann – wie in diesem Fall – als Zufallsbefund gesehen werden oder durch die Folgen der bronchialen Obstruktion symptomatisch werden [1]. In der thorakalen Bildgebung kann sich der pulmonale GZT als Rundherd darstellen oder ein assoziiertes Infiltrat bzw. eine Atelektase nachweisbar sein [1]. In einem Fallbericht eines multifokalen malignen GZT waren die verschiedenen Lokalisationen des GZT mittels 18-Fluoro-deoxy-glucose Positronen-Emissionstomografie als hypermetabolische Raumforderungen sichtbar [3]. Bronchoskopisch wird der GZT typischerweise als polypöser weißlicher Tumor beschrieben. Als Therapie der ersten Wahl gilt die chirurgische Resektion. Bei lokaler endobronchialer Therapie besteht aufgrund des submukösen Wachstums das Risiko für ein lokales Rezidiv [5]. Die schweren Komorbiditäten und die fehlende Zustimmung unseres Patienten führten dazu, dass noch keine Therapie des GZT durchgeführt werden konnte.

Eine Assoziation mit Nikotin- oder Alkoholkonsum oder einer HIV-Erkrankung wird in der Literatur nicht beschrieben. Eine Tuberkulose [5] oder eine nicht tuberkulöse Mykobakteriose wie in diesem Fall sind am ehesten als koexistente Erkrankungen anzusehen.

Fazit

Zusammenfassend präsentieren wir einen Fall eines bronchialen GZT, der klinisch inapparent als Zufallsbefund in einer Bronchoskopie gesehen wurde. Die typische polypöse weißliche Struktur des GZT ist so charakteristisch, dass der Tumor per Blickdiagnose trotz der Seltenheit vermutet werden kann.


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Deavers M, Guinee D, Koss MN. et al. Granular cell tumors of the lung. Clinicopathologic study of 20 cases. Am J Surg Pathol 1995; 19: 627-635
  • 2 Ordóñez NG. Granular cell tumor: a review and update. Adv Anat Pathol 1999; 6: 186-203
  • 3 Fumagalli I, Penel N, Wacrenier A. et al. Advanced Abrikossoff tumour: a metastatic or a multifocal malignancy?. Acta Oncol 2012; 51: 133-135
  • 4 Farooqui SM, Khan MS, Adhikari L. et al. Multifocal pulmonary granular cell tumor presenting with postobstructive pneumonia. Case Rep Pulmonol 2017; 2017: 8513702
  • 5 Lang SM, Specht D, Hecker E. et al. Granularzelltumor der Trachea bei einer Patientin mit offener pulmonaler Tuberkulose. Pneumologie 2008; 62: 158-161

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Stefan Krüger
Universitätsklinikum Düsseldorf
Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie
Moorenstr. 5
40225 Düsseldorf

  • Literatur

  • 1 Deavers M, Guinee D, Koss MN. et al. Granular cell tumors of the lung. Clinicopathologic study of 20 cases. Am J Surg Pathol 1995; 19: 627-635
  • 2 Ordóñez NG. Granular cell tumor: a review and update. Adv Anat Pathol 1999; 6: 186-203
  • 3 Fumagalli I, Penel N, Wacrenier A. et al. Advanced Abrikossoff tumour: a metastatic or a multifocal malignancy?. Acta Oncol 2012; 51: 133-135
  • 4 Farooqui SM, Khan MS, Adhikari L. et al. Multifocal pulmonary granular cell tumor presenting with postobstructive pneumonia. Case Rep Pulmonol 2017; 2017: 8513702
  • 5 Lang SM, Specht D, Hecker E. et al. Granularzelltumor der Trachea bei einer Patientin mit offener pulmonaler Tuberkulose. Pneumologie 2008; 62: 158-161

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Abb. 1 Computertomografie des Thorax: a Im linken Oberlappen stellen sich eine große Kaverne und im rechten Oberlappen einschmelzende Rundherde dar. Hieraus ergab sich die Indikation für die Bronchoskopie mit dem Verdacht einer Mykobakteriose. b In der sagittalen Schnittführung lässt sich der Tumor im Mittellappenbronchus lokalisieren. Er führt nicht zur einer relevanten bronchialen Stenosierung. c – d In der axialen Schichtführung ist der Tumor im Lungenfenster c bzw. im Weichteilfenster d nach Kenntnis des endobronchialen Befundes zu identifizieren.
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Abb. 2 Flexible Bronchoskopie: ein polypöser weißlicher Tumor an der dorsalen Wand des Mittellappenbronchus vor Aufteilung in die Segmente 4 und 5.