Sportphysio 2018; 06(02): 58-64
DOI: 10.1055/a-0562-7811
Focus
Einführung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

ACTIVDISPENS – Bewegung trotz Sportdispens

Bewegungsmangel – Ein Risikofaktor für chronische Krankheiten und eine Herausforderung für das Gesundheitssystem
Guido Perrot
,
Lisa Runge
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Lisa Runge

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Publication Date:
04 May 2018 (online)

 

Zusammenfassung

Mit dem Fortschritt der Medizin und den besseren Hygienestandards hat sich die Haupttodesursache in den westlichen Ländern in Vergleich zum Mittelalter verändert. Heutzutage zählen die nicht übertragbaren Krankheiten (auch bekannt als chronische Krankheiten oder noncommunicable diseases, NCD) zu den häufigsten Todesursachen der Schweizer Bevölkerung. Laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) leiden 2,2 Millionen Menschen in der Schweiz an NCDs [2]; das entspricht einem Viertel der Bevölkerung. Aufgrund von aufwendigen, teuren und vor allem zeitlich unbestimmt langen Therapien stellen chronische Krankheiten eine große Herausforderung für die Ökonomie und Gesundheit der westlichen Gesellschaft dar. Das BAG berichtet des Weiteren, dass allein 2011 die Behandlung der fünf häufigsten NCDs 25,6 Milliarden Franken kostete, was rund 40 % der direkten Schweizer Gesundheitskosten entspricht [2]. Neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Diabetes mellitus und chronischen Atemwegserkrankungen zählen auch die Erkrankungen des Bewegungsapparates dazu. Bestimmte Risikofaktoren verstärken und beschleunigen diese Zustände. Ein ungesunder Lebensstil und mangelnde Bewegung gehören zu den größten Risikofaktoren [2].

Anmerkung: ACTIVDISPENS® ist eine geschützte Marke.


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Kinder, die sich wenig bewegen, kämpfen immer häufiger mit motorischen Einschränkungen. (Quelle: ccvision)

Die Politik setzt verstärkt auf präventive Maßnahmen

International ist die Problematik von zu wenig Aktivität ebenso wie die damit in Zusammenhang gebrachten Erkrankungen an beispielsweise Diabetes Typ II, Herz-Kreislauf- oder muskuloskeletalen Erkrankungen bekannt [8]. Auch die Schweizer Politik hat erkannt, dass ein Handeln in diesem Bereich dringend erforderlich ist. In der Agenda Gesundheit 2020 werden die gesundheitspolitischen Prioritäten des Bundesrates festgehalten [5] und ausdrücklich effiziente Maßnahmen zur Prävention und Früherkennung zur Gesundheitsförderung unterstützt. Die nationale Strategie soll die Gesundheitskompetenz verbessern und Rahmenbedingungen schaffen, die zu einem gesünderen Verhalten und mehr Bewegung motivieren sollen.


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Die Kindheit legt wesentliche Grundlagen für die spätere Gesundheit

Viele chronische Erkrankungen des Bewegungsapparates sind Folge von zu wenig Bewegung und daher vermeidbar. Patienten mit chronischen Erkrankungen am Bewegungsapparat werden häufig dazu ermutigt, sich gesünder zu verhalten und eine Lebensstiländerung vorzunehmen. Im therapeutischen Alltag fällt Physiotherapeuten daher eine aufklärende Rolle bei der Behandlung dieser Patienten zu. Effizienter wäre es, wenn viele dieser chronischen Krankheiten gar nicht erst entstehen würden. Eine Voraussetzung dafür ist, dass das Gesundheitsbewusstsein für mehr Bewegung bereits in der Kindheit fest verankert wird. Ein Trend zeigt jedoch, dass sich heutzutage bereits Kinder und Jugendliche weniger bewegen und immer häufiger im Vergleich zu früher mit motorischen Einschränkungen und Haltungsschwäche zu kämpfen haben [7].

Kinder und Jugendliche bewegen sich weniger und kämpfen im Vergleich zu früher immer häufiger mit motorischen Einschränkungen und Haltungsschwäche.

Die Gesundheit unserer Kinder ist ein zentrales Thema bei wissenschaftlichen Untersuchungen. Ziele der Studien sind die Sammlung landesweit repräsentativer Daten unter anderem über die Gesundheit, das familiäre und soziale Umfeld sowie gesundheitsrelevanter Verhaltensweisen von Jugendlichen. International bekannt ist die in Zusammenarbeit mit der World Health Organization (WHO) Health Behaviour In School-Aged Children (HBSC) Studie. Alle vier Jahre erhebt diese in 47 europäischen und nordamerikanischen Ländern Gesundheitsdaten von Heranwachsenden. Das Robert Koch Institut führt seit Jahren Datenerhebungen für die Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGs) durch. Bewegungsmangel und die Folgeerkrankungen sind ein zentrales Thema in diesen Studien. Gegenmaßnahmen sollen chronischen Rücken- oder Gelenkbeschwerden entgegenwirken.

Die aktuelle Swiss Children’s Objectively Measured Physical Activity Studie (SOPHYA) zeigt, dass Sport bei den Jugendlichen in der Schweiz einen wichtigen Stellenwert einnimmt [1]. Dennoch ist die aktiv verbrachte Zeit bei den 6–19-Jährigen in der Schweiz seit 2008 rückläufig [1]. Mit zunehmendem Alter verbringen Kinder und Jugendliche Zeit mehr sitzend als mit Bewegung [1], [8]. Abgesehen von vielen anderen gesundheitlichen Vorteilen, ist eine angemessene Aktivität die fundamentale Voraussetzung für die motorische und geistige Entwicklung von Kindern [8]. Das Ziel ist es daher, körperliche Bewegung früh zu fördern.


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ACTIVDISPENS – Ein präventives Projekt gegen chronische Erkrankungen des Bewegungsapparates

Ein Projekt, das sich genau mit dieser Problematik beschäftigt ist „ACTIVDISPENS® – Bewegung trotz Sportdispens“ [4]. Es soll das Bewusstsein für ein eigenverantwortliches Gesundheitsverhalten schulen und somit einen Beitrag zur Gesundheitsförderung leisten.

ACTIVDISPENS ist ein Angebot an Schüler, die aus Sicht von Ärzten und Sportlehrern zwar nicht am regulären Sportunterricht teilnehmen können, denen jedoch ein Alternativprogramm angeboten wird, das ihren Genesungsverlauf positiv beeinflusst. Das 2013 von der Schweizerischen Arbeitsgruppe für Rehabilitationstraining und dem Schweizerischen Verband für Sport in der Schule ins Leben gerufene Projekt wird vom Universitäts-Kinderspital beider Basel und von den beiden Bundesämtern für Sport (BASPO) und für Gesundheit (BAG) unterstützt. Das Konzept kommt in den Kantonen Glarus, Graubünden, Nidwalden, Schwyz, Fribourg, Zug und im Fürstentum Liechtenstein flächendeckend auf den Sekundarstufen I und II zum Einsatz. Zusätzlich haben bereits über 250 Schulen in der ganzen Schweiz ACTIVDISPENS umgesetzt. Das Projekt wurde von der Schweizerischen Gesellschaft für Sportmedizin mit einem Preis ausgezeichnet.

Eine komplette Freistellung vom Sport in der Krankheits-, Verletzungs- oder Behinderungsphase widerspricht in zahlreichen Fällen den heutigen Kenntnissen und Erfahrungen der Sportmedizin.

Die Grundidee des Projekts ist die aktive Integration teildispensierter Schüler in den Sportunterricht. Eine komplette Freistellung vom Sport in der Krankheits-, Verletzungs- oder Behinderungsphase widerspricht in zahlreichen Fällen den heutigen Kenntnissen und Erfahrungen der Sportmedizin. Schon vor 10 Jahren hoben Hebestreit et al. [6] die Wichtigkeit von Schulsport und der Bewegung während Krankheits- oder Verletzungsphasen hervor. Eine ärztliche Sportdispensation suggeriert den Kindern früh, dass eine passive Haltung gesund ist und Bewegung schädlich sein kann. Das Übungsprogramm von ACTIVDISPENS soll die Jugendlichen sensibilisieren, wie wichtig physische Aktivität für die Gesundheit und das Wohlbefinden auch in Phasen von Unwohlsein oder einer leichten Verletzung ist und dass es einen Mittelweg zwischen kompletter Inaktivität und intensivem Sport gibt.

Für die Erarbeitung des Konzepts bestand eine enge Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Sportlehrern und Physiotherapeuten. Ein ärztliches Teildispensationsformular wurde entwickelt, welches sicherstellt, dass sich der Verletzungszustand der Jugendlichen nicht durch inkorrekte Bewegung und Aktivität verschlechtert oder eine erneute Verletzung auftritt. Die Erstellung eines geeigneten Trainingsprogramms war die Verantwortung der Physiotherapeuten, die als Fachpersonen für korrekte Bewegungen die Bedürfnisse der Sportlehrer, Ärzte und verletzten Jugendlichen beachteten. Das Ergebnis dieses interdisziplinären Konzepts ist ein Übungskatalog, der einfach und mit wenig Vorbereitungszeit die Sportlehrperson unterstützt, teildispensierte Schüler aktiv in den Schulsport zu integrieren. Im Folgenden wird die Methodik für die Erstellung des Dispensationsformulars und des Übungskataloges vorgestellt.


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Methodik – Bedarfsanalyse und Dispensationsformular

Für die Entwicklung des Dispensationsformulars wurde zunächst eine Bedarfsanalyse erhoben und in einer ersten Phase mittels zweier Online-Fragebögen eine Bedarfsanalyse durchgeführt. Die Online-Fragebögen waren in Bezug auf die Fragestellungen und die Hauptthematiken ähnlich aufgebaut. Der eine Fragebogen wurde zusammen mit einem Begleitschreiben an ca. 2600 Mitglieder von drei schweizerischen Ärztegesellschaften sowie an die Ärzte des Universitäts-Kinderspitals beider Basel versandt. Der andere Fragebogen wurde zusammen mit einem Begleitschreiben an ca. 4000 Sportlehrpersonen des Schweizerischen Verbands für Sport in der Schule geschickt. Die angeschriebenen Personen hatten zwei Wochen Zeit, um den Fragebogen zu beantworten. Die Stichprobengröße der Ärzte betrug n = 87 (Rücksendequote von 3 %), die Stichprobengröße der Sportlehrpersonen betrug n = 213 (5 % der Grundgesamtheit; [3]).

Mithilfe der Rückmeldungen der Ärzte und Sportlehrpersonen wurde im Anschluss an die Bedarfsanalyse ein Schulsportdispensationsformular entwickelt, welches die Bedürfnisse der beiden Fachgruppen abzudecken versuchte ([ Abb. 1 ].).

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Abb. 1 Dispensationsformular. (Quelle: © aktivdispens.ch)

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Aufbau des Übungskataloges

Basierend auf dem Dispensationsformular wurde ein Übungskatalog mit insgesamt 54 Übungen erstellt. Die Übungen wurden mithilfe physiotherapeutischer und schulsportspezifischer Fachliteratur zusammengetragen. Wichtig bei den einzelnen Übungen war, dass diese einfach und ohne viel Instruktion (fast selbsterklärend) durchführbar sind. Weiter dürfen sie keine erneuten Verletzungen hervorrufen oder die leichten Erkrankungen verstärken. Zusätzlich war wichtig, dass für die Übungsdurchführung fast ausschließlich in allen Schulsporthallen vorhandenes Material benötigt wird.

Nach Erstellen des Übungskataloges wurden die 54 Übungen von einem professionellen Filmteam verfilmt. Als Probanden stellten sich eine Schülerin und ein Schüler des Gymnasiums Oberwil im Kanton Baselland zur Verfügung. Zusätzlich wurden alle Übungen beschreibend erklärt und als PDF-Dokumente festgehalten ([ Abb. 2 ]). Mittlerweile wurde zudem eine App entwickelt, welche es den Schülern und Lehrpersonen ermöglicht, nach einmaligem Herunterladen der Übungen auch ohne Internetzugang alle Übungen als Video ansehen zu können. Die App ist in der Schweiz und in Liechtenstein gratis im App-Store erhältlich.

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Abb. 2 Beispielübung „Gewicht hochheben“. (Quelle: © aktivdispens.ch)

Zur besseren Übersicht wurde ein Poster erstellt, welches alle Übungen auf einen Blick zeigt ([ Abb. 3 ]).

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Abb. 3 Poster mit allen Übungen. (Quelle: © aktivdispens.ch)

Abschließend wurden alle erstellten Unterlagen sowie Hintergrundwissen und Anwendungsmöglichkeiten auf einer eigenen Webseite implementiert [4]. Dies ermöglicht bei Verwendung mit Internetzugang, die gewünschten Übungen direkt online anzusehen und mithilfe der Videos auszuführen. Steht kein Internetzugang zur Verfügung, lassen sich die Übungen als PDF-Dokumente ausdrucken und anhand der beschriebenen Anleitung durchführen. Zudem besteht die Möglichkeit, mit der neuen App „ACTIVDISPENS“ alle Übungen offline zu speichern.


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Übungskatalog

Der Übungskatalog ist in zwei Hauptkategorien eingeteilt: (1) Verletzungen und (2) Krankheit. Die Kategorie Verletzungen teilt sich in drei weitere Unterkategorien auf:

  • untere Extremität

  • obere Extremität

  • Rumpf (je nach Art der Verletzung zusätzlich betroffene Extremität nicht einbeziehen)

Die Kategorie Krankheit unterteilt sich in sechs weitere Unterkategorien:

  • Kopfschmerzen

  • Menstruationsbeschwerden

  • Unwohlsein

  • unspezifische Rückenschmerzen

  • Erkältung ohne Fieber

  • Allergien

Weiter ist jede Übung bestimmten Konditionsfaktoren bzw. der Koordination oder der Entspannung zugeordnet. Die Kennzeichnung erfolgt folgendermaßen mittels Farben:

  • blau: Ausdauer

  • rot: Kraft

  • gelb: Beweglichkeit

  • grün: Koordination

  • pink: Entspannung

Um die Übungen zielführend ausüben zu können, sind bei jeder Übung Belastungsvariablen vermerkt. Die Ausführung erfolgt in gleichbleibend ruhigem Rhythmus und nach Möglichkeit beidseitig. Zur besseren Identifizierung der Übung sind diese betitelt und nummeriert.


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Diskussion und Ausblick

Eine Stärke des Projekts ist die einfache Integration der Übungen in den alltäglichen Schulsport. Die Lehrer können das Projekt mit oder ohne Schulung einführen. Die Erfahrung von Sportlehrpersonen zeigt, dass die Organisation leicht umsetzbar ist. Neben dem Fokus der leichten Durchführung wurde auch darauf geachtet, eine der Zielgruppe entsprechend zeitgemäße Technologie zu erarbeiten wie beispielsweise die kostenlose App und anschauliche Videos. ACTIVDISPENS ist in die vier Schweizer Landesprachen und ins Englische übersetzt und damit schweizweit anwendbar.

Eine weitere Stärke liegt in der interdisziplinären Zusammenarbeit von Ärzten, Physiotherapeuten und Sportlehrpersonen. Das Projekt verfolgt eine sogenannte „Bottom-up“-Strategie. Alle beteiligten Berufsgruppen haben die Möglichkeit, konkret mitzuentwickeln. Dies erleichtert die Akzeptanz der involvierten Fachgruppen, da es eine intrinsische Motivation fördert und das Projekt nicht „von oben herab“ diktiert wird.

Das Projekt ist nun vier Jahre alt. Um seine Effizienz zu messen, sind jedoch noch weitere Auswertungen notwendig. Derzeit ist die Erhebung von Daten geplant, die prüfen sollen, ob sich seit Einführung von ACTIVDISPENS die Anzahl an Schuldispensationen zugunsten erstellter Teildispensationen reduzierte. Nur Langzeitstudien können zeigen, ob erwachsene Teilnehmer weniger chronische Erkrankungen am Bewegungsapparat entwickelten und ihre Schulzeit sie in ihrem Gesundheitsbewusstsein geprägt hat.

FALLBEISPIEL

Konkret sieht die Umsetzung in der Schule wie folgt aus: Kommt beispielsweise eine Schülerin mit einem ausgedruckten Dispensationsformular in den Unterricht, kann der Lehrer aus diesem ärztlichen Zeugnis genauere Angaben zu dem bestehenden Problem erhalten. Er erhält folgende Informationen ([ Abb. 1 ]):

  • Dauer der Teildispensation,

  • Wann die nächste Untersuchung stattfindet.

  • Welche Extremität oder Bereich des Körpers nicht belastet werden darf.

  • Was gemacht werden soll und erlaubt ist.

Angenommen, die Schülerin im Beispiel hat eine starke Prellung an ihrem rechten Unterarm. Der Lehrer kann dem Dispensationsformular entnehmen, dass sie die obere Extremität nicht oder nur sehr wenig belasten darf. Die untere Extremität darf sie weiterhin trainieren. Unter der Kategorie „1 untere Extremität“ finden die Sportlehrperson und die Schülerin entsprechende Übungsvorschläge. Der Sportlehrer entscheidet sich für die mit roter Farbe gekennzeichneten Übungen. Diese sind allesamt Kraftübungen der unteren Extremität ([ Abb. 3 ], rote Kategorie: Übungen 14–24), sodass der rechte Arm während der gesamten Übungsausführung unbelastet bleibt.

Die weiteren Empfehlungen wie Ausgangsstellung, Bewegungsablauf, Endstellung, quantitative Kriterien zeigen sich beim „Mausklick“ auf die entsprechende Übung. Das individuelle Programm ist erstellt, und die Schülerin führt die vorgeschlagenen Übungen während des Sportunterrichts selbstständig durch. Bei Internetzugang kann die teilzeitdispensierte Schülerin die erlaubten und gewünschten Übungen auch direkt online ansehen und mithilfe der Videoclips durchführen. Alle Übungen sind online als PDF-Dokument verfügbar und können in Kategorien oder Unterkategorien ausgedruckt werden. Es wurde sehr viel Wert daraufgelegt, die Übungen leicht und verständlich darzustellen, damit sowohl die Sportlehrpersonen als auch die Schüler sich sofort wohl damit fühlen.

Lehrer haben die Möglichkeit, eine Schulung von ACTIVDISPENS zu erhalten. Dabei bekommen Sportlehrpersonen den Tipp, am Anfang des Schuljahres eine Einführung in ACTIVDISPENS abzuhalten. Somit haben alle Schüler die Übungen bereits einmal gesehen und allenfalls auch durchgeführt. Tritt die Situation ein, dass einzelne Schüler nicht am regulären Schulsportunterricht teilnehmen können, verweisen die Lehrpersonen einfach auf ACTIVDISPENS und müssen keine weiteren Informationen geben. Schüler in der Primarstufe sind auf etwas Hilfe der Lehrpersonen angewiesen, Schüler der Sekundarstufe I und II können die Übungen bereits selbstständig durchführen.

Da sich der zunehmende Bewegungsmangel und die Passivität im Alltag bei Kindern und Jugendlichen vermutlich in den nächsten Jahren nicht verbessern, sondern tendenziell eher noch verschlechtern wird und sich Menschen auch in Zukunft verletzen oder krank werden, bleibt das Thema von Dispensationen im Schulsport weiter aktuell. Man darf gespannt sein, inwieweit das Projekt ACTIVDISPENS® – Bewegung trotz Sportdispens“ diese Thematik beeinflusst oder vielleicht sogar Meilensteine zu einer positiven Entwicklung beitragen kann.

Zusammenfassend setzt ACTIVDISPENS bei der Jugend in unserer Gesellschaft an. Es schärft früh das Bewusstsein, verantwortungsbewusst und eigenverantwortlich mit der eigenen Gesundheit umzugehen. Das Ziel ist es, im Kindes- und Jugendalter zu erfahren, dass Bewegung auch bei Einschränkungen wichtig und gesundheitsfördernd ist. Es soll präventiv die Entstehung einer chronischen Erkrankung des Bewegungsapparats im Erwachsenenalter vermieden werden. Die Message des Projekts beinhaltet, dass es (fast) immer eine Alternative zur kompletten Immobilität gibt.

Ein Projekt wie ACTIVDISPENS kann eine Bereicherung bei einer erfolgreichen Umsetzung der Agenda 2020 darstellen. Präventive Maßnahmen, die bei den Jüngsten in der Gesellschaft ansetzen, sind ein wichtiger Baustein bei der Bekämpfung von chronischen Krankheiten des Bewegungsapparats.

TAKE HOME MESSAGE
  • Chronische Krankheiten stellen eine große Herausforderung für die Ökonomie und Gesundheit der westlichen Gesellschaft dar.

  • Zu den fünf häufigsten noncommunicable diseases (NCD), wie chronische Erkrankungen auch genannt werden, zählen neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Diabetes mellitus und chronischen Atemwegserkrankungen auch die Erkrankungen des Bewegungsapparates.

  • Eine komplette Freistellung vom Sport in der Krankheits-, Verletzungs- oder Behinderungsphase widerspricht in zahlreichen Fällen den heutigen Kenntnissen und Erfahrungen der Sportmedizin.

  • Das Schweizer Präventionsprojekt ACTIVDISPENS setzt bei der Jugend der Gesellschaft an und schärft früh das Bewusstsein, verantwortungsbewusst und eigenverantwortlich mit der eigenen Gesundheit umzugehen.


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Guido Perrot

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PT BSc, MAS Sportphysiotherapie, Leiter Therapien Universitätsspital Basel, Studiengangleiter CAS Sportphysiotherapie, Präsident Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für aktive Rehabilitation (SART).

Lisa Runge

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PT BSc, Cand. MScPT, Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW). Ihre Rolle bei Activdispens: Mitglied der Redaktion.


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Kinder, die sich wenig bewegen, kämpfen immer häufiger mit motorischen Einschränkungen. (Quelle: ccvision)
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Abb. 1 Dispensationsformular. (Quelle: © aktivdispens.ch)
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Abb. 2 Beispielübung „Gewicht hochheben“. (Quelle: © aktivdispens.ch)
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Abb. 3 Poster mit allen Übungen. (Quelle: © aktivdispens.ch)