Dtsch Med Wochenschr 2018; 143(07): e42-e50
DOI: 10.1055/a-0543-4544
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen deutscher Assistenzärztinnen und -ärzte in internistischer Weiterbildung: eine zweite bundesweite Befragung durch die Nachwuchsgruppen von DGIM und BDI

Work and Training Conditions of Young German Physicians in Internal Medicine – Results of a Second Nationwide Survey by Young Internists from the German Society of Internal Medicine and the German Professional Association of Internists.
Matthias Raspe
1   Medizinische Klinik m.S. Infektiologie und Pneumologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin
,
Anja Vogelgesang
2   Herzzentrum – Kardiologie und Pneumologie, Universitätsmedizin Göttingen
,
Johannes Fendel
3   Institut für Psychologie – Abteilung Wirtschaftspsychologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
,
Cornelius Weiß
4   Kardiologie und internistische Intensivstation, Klinikum für Innere Medizin I, Städtisches Klinikum Darmstadt
,
Kevin Schulte
5   Klinik für Innere Medizin IV mit dem Schwerpunkt Nieren- und Hochdruckkrankheiten, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
,
Thierry Rolling
6   Sektionen Infektiologie und Tropenmedizin, I. Medizinische Klinik und Poliklinik, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Dr. med. Matthias Raspe
Medizinische Klinik m.S. Infektiologie und Pneumologie
Campus Virchow Klinikum
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin

Publication History

Publication Date:
03 April 2018 (online)

 

Zusammenfassung

Hintergrund Die Zeit der ärztlichen Weiterbildung ist der Grundstein für die Karriereentwicklung junger Internisten und für die Aufrechthaltung einer hochwertigen ärztlichen Versorgung. Bereits 2014 haben die Nachwuchsgruppen der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) und des Berufsverbandes Deutscher Internisten (BDI) eine Befragung ihrer jungen Mitglieder durchgeführt und wesentliche Konfliktfelder beschrieben. Mit dieser überarbeiteten Folgeuntersuchung soll ein aktualisiertes Abbild der Konflikte im Arbeitsleben junger Ärzte erstellt und eine Verlaufsbeurteilung ermöglicht werden. Ein neuer Schwerpunkt ist das Spannungsfeld von Beruf und Familie.

Methoden Ende 2016 wurde eine webbasierte Befragung aller bei DGIM und BDI organisierten Weiterbildungsassistenten durchgeführt. Dafür wurde der Fragebogen von 2014 modifiziert und um Items zur Untersuchung des Spannungsfeldes von Familie und Beruf ergänzt. Zusätzlich wurde erneut das Modell beruflicher Gratifikationskrisen eingesetzt.

Ergebnisse Insgesamt konnten 1587 Fragebögen ausgewertet werden. Im Vergleich zu 2014 ergeben sich keine wesentlichen Änderungen. Die psychosoziale Arbeitsbelastung unter den Teilnehmern ist weiterhin sehr hoch. Ein strukturiertes Weiterbildungscurriculum und qualitativ hochwertige Weiterbildungsgespräche sind mit einer geringeren Ausprägung psychosozialer Arbeitsbelastung und einer höheren Zufriedenheit im Beruf assoziiert. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird von der Mehrheit der Teilnehmer mit Kind(ern) als unzureichend empfunden. Das betrifft insbesondere Frauen.

Schlussfolgerung Auf Basis dieser Befragung bestehen weiterhin gravierende und System-relevante Belastungen im Arbeitsleben junger Ärzte in internistischer Weiterbildung, die Anpassungen der Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen dringlich erfordern. Insbesondere das Potenzial von Frauen in der Medizin muss über eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Zukunft stärker genutzt werden.


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Abstract

Background Medical specialty training is the basis for career development of young internists and it is vital for the delivery of high-quality medical care. In 2014 the young internists of two professional bodies in Germany conducted a survey among their young members and described major factors influencing training and working conditions. We present the results of a follow-up survey to describe changes of these factors over time. An additional focus is set on the difficulties of balancing medical career and family.

Methods In the end of 2016 we conducted an online-based survey of all members in training of the German Society of Internal Medicine (DGIM) and the Professional Association of German Internists (BDI). The questionnaire used in the 2014 survey was modified and items investigating the balance between career and family were added.

Results A total of 1587 questionnaires were returned and analysed. Mayor findings did not change over time. Psychosocial strain remains very high among medical trainees in internal medicine. A structured training curriculum and meaningful feedback are associated with lower psychosocial strain and higher work satisfaction. Internists – and here especially women – with children experience the daily balance of medical career and family as extremely challenging.

Conclusion These results demonstrate that there is still a serious need for adjusting training and working conditions of young internists in Germany. Especially the role and increasing importance of female physicians has to be recognized by enabling a successful integration of medical career and family.


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Hinweis

Im vorliegenden Text wird aus Gründen der Lesbarkeit immer die maskuline Form verwendet. Es sind ausdrücklich alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen.

Einleitung

Die internistische Weiterbildung ist von maßgeblicher Bedeutung sowohl für die fachliche und allgemeine berufliche Entwicklung von jungen Ärzten in der Inneren Medizin als auch für die Versorgungsqualität ihrer aktuellen und zukünftigen Patienten. Neben intrinsischen Charakteristika der Ärzte in Weiterbildung und den festgelegten Anforderungen der Weiterbildungsordnung haben externe Faktoren aus dem Arbeitsumfeld einen wesentlichen Einfluss auf die Qualität der Weiterbildung. Exemplarisch zu nennen sind hier die Organisation von Arbeitsabläufen rund um Patientenversorgung und Weiterbildung, die Personalausstattung, die Arbeitsbelastung und der Einfluss ökonomischer Vorgaben.

Frühere Umfragen unter Assistenzärzten aller Fachdisziplinen haben eklatante Mängel aufgezeigt. In einer durch den Marburger Bund durchgeführten Umfrage haben beispielsweise weniger als die Hälfte der Teilnehmer ihr Krankenhaus als Weiterbildungsstätte weiterempfohlen [1]. Wichtige Kritikpunkte waren hier die fehlende Vermittlung von Weiterbildungsinhalten während der Arbeitszeit sowie das Fehlen eines strukturierten Weiterbildungscurriculums.

Um die spezifischen Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen in der Inneren Medizin zu beleuchten, haben die Nachwuchsgruppen der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin und des Berufsverbandes Deutscher Internisten 2014 eine erste Befragung ihrer jungen Mitglieder durchgeführt [2]. Hier konnten erhebliche Belastungsfaktoren herausgearbeitet werden, die potenziell gravierende systemrelevante Konsequenzen nach sich ziehen.

Eine weitere Herausforderung im Gesundheitswesen ist die zunehmende Feminisierung der Ärzteschaft. Aktuell ist fast die Hälfte der Mediziner weiblich und dieser Anteil wird weiter steigen [3]. So liegt bei Ärzten in Weiterbildung der Anteil von Ärztinnen bereits bei ca. 60 % [4]. Im Gegensatz dazu ist der Anteil von Ärztinnen in Führungspositionen mit 13 % sehr niedrig [5]. Die traditionelle tägliche Arbeitsaufteilung in Partnerschaften ist seit einigen Jahren im Wandel, mit der Konsequenz, dass sich Frauen stärker im Beruf engagieren und Männer im Privaten mehr Aufgaben übernehmen [6]. Trotzdem verbringen Ärztinnen weiterhin weniger Zeit in der Klinik als Ärzte [7]; dies stellt unser Gesundheitssystem vor eine große Herausforderung. Rahmenbedingungen, die allen Ärzten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen, sind nicht nur im Sinne einer gelebten Gleichberechtigung geboten, sondern auch gesundheitspolitisch notwendig, um zukünftig ausreichend Ressource „Arzt“ im Gesundheitswesen zur Verfügung zu haben.

Die vorliegende Befragung hat zum Ziel, ein aktuelles Bild der vielseitigen Belastungen von Ärzten innerhalb der stationären internistischen Weiterbildung zu zeichnen. Im Vergleich zur Vorbefragung von 2014 ist dabei bei unterschiedlichen Stichproben in gewissem Maße eine Verlaufsbeurteilung möglich. Einen neuen Schwerpunkt setzt die aktuelle Befragung auf die Untersuchung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.


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Methoden

Stichprobe und Durchführung

Alle bei der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM) und dem Berufsverband Deutscher Internisten e. V. (BDI) registrierten Ärzte in Weiterbildung wurden per E-Mail zur anonymisierten Befragung über die Geschäftsstellen eingeladen. Dabei wurde aufgrund der ebenfalls anonymisierten Umfrage 2014 eine im Vergleich zu dieser Befragung neue Stichprobe gezogen. Eine Teilnahme war innerhalb von 6 Wochen zwischen dem 8. November und 19. Dezember 2016 möglich. Nach 2 und 4 Wochen wurden Erinnerungsschreiben versandt. Die Umfrage wurde über den Online-Fragebogen-Anbieter SurveyMonkey® (Survey Monkey Inc., San Mateo, CA, USA) realisiert. Aufgrund der Anonymisierung der Umfrage bestand keine Beratungspflicht bei der zuständigen Ethikkommission (Charité – Universitätsmedizin Berlin).


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Fragebogen

Der Fragebogen umfasste in der endgültigen Version 54 Fragen zu 6 Themenfeldern. Diese waren im Einzelnen:

  1. Modell der beruflichen Gratifikationskrisen: 16 Fragen

  2. Arbeitsbedingungen im Berufsalltag: 5 Fragen

  3. Ärztliche Fort- und Weiterbildung: 8 Fragen

  4. Vereinbarkeit von Beruf und Familie: 10 Fragen

  5. Vereinbarkeit von Arbeit und Forschung: 3 Fragen

  6. Basisdaten: 12 Fragen

Ein Großteil des Fragebogens basierte auf den für die Vorbefragung 2014 überwiegend eigenständig entwickelten Items [2]. Die nicht validierten Items wurden vor der erneuten Verwendung auf Basis der Vorerfahrungen kritisch durchgesehen und teilweise modifiziert oder von einer erneuten Verwendung ausgeschlossen. Der Themenbereich „Einfluss ökonomischer Erwägungen auf ärztliches Handeln“ von 2014 wurde nicht wiederholt. Für den neuen Schwerpunkt „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ wurden 8 nicht validierte Items aus einem Fragebogen der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN) von 2012 nach vorherigem schriftlichem Einverständnis entnommen [8]. Zusätzlich wurde die Kurzfassung des validierten Fragebogens zum Modell beruflicher Gratifikationskrisen [9] [10] [11] mit 16 Items in die Befragung integriert (Subskala Verausgabung 3, Belohnung 7 und Verausgabungsneigung 6 Fragen; 4 Punkte Likert-Skala):

Info

Modell beruflicher Gratifikationskrisen

  • Das validierte Modell misst Bestehen und Ausmaß einer beruflichen Gratifikationskrise.

  • Als Gratifikationskrisenquotient wird das Verhältnis von Verausgabungs- zu Belohnungsfaktoren bezeichnet. Ein Quotient größer eins deutet auf das Bestehen einer Gratifikationskrise hin.

  • Das Modell wurde international in einer Vielzahl von Untersuchungen angewendet. Ein hoher Quotient ist u. a. mit psychischen und kardiovaskulären Erkrankungen assoziiert.

Aus den Subskalen Verausgabung (engl. effort) und Belohnung (engl. reward) wurde ein Quotient gebildet, um das Ausmaß einer beruflichen Gratifikationskrise quantitativ abzuschätzen (Gratifikationskrisenquotient oder ER-Ratio). Der Fragebogen erforderte die Beantwortung jeder Frage vor dem Fortschreiten zur nächsten. Es wurden nur komplett bearbeitete Fragebögen ausgewertet. Der Fragebogen ist in den online Supplements einzusehen.


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Statistik

Als parametrische Verfahren zur statistischen Hypothesenprüfung wurden zum Vergleich von 2 Gruppen der t-Test für unabhängige Stichproben (mit 95 %-Konfidenzintervall [KI]) und bei mehr Gruppen eine ANOVA mit Tukey als post-hoc-Test angewandt. Als nicht-parametrische Pendants kamen der Mann-Whitney-U- (MWU) und der Kruskal-Wallis-Test (mit MWU-Tests zur post-hoc-Analyse) zum Einsatz. Erwartete und beobachtete Verteilungsmuster wurden durch Kreuztabellen verglichen und durch den Chi2-Test auf statistische Signifikanz geprüft. Für Korrelationen wurde Pearson’s r oder Spearman’s rho verwendet.

Für die vorgenannten Tests wurden folgende Kennzahlen der Effektstärke verwendet: t-Test: Cohen’s d (Effektgröße für Mittelwertunterschiede): < 0,5 kleiner, 0,5 – 0,8 mittlerer, > 0,8 starker Effekt. ANOVA: Eta2 (Anteil erklärter Varianz): < 0,06 kleiner, 0,06 – 0,14 mittlerer, > 0,14 starker Effekt. MWU-Test: r (Effektgröße für Medianunterschiede): < 0,3 kleiner, 0,3 – 0,5 mittlerer, > 0,5 starker Effekt. Chi2: Cramér’s V (Chi2-basiertes Zusammenhangsmaß): 0,1 kleiner, 0,3 mittlerer, 0,5 starker Effekt. Pearson’s r und Spearman’s rho (Maß für Korrelationen): < 0,3 kleine, um 0,5 mittlere, > 0,7 hohe Korrelation.

Um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit Hilfe einer Skala quantitativ abschätzen zu können, wurden die Antworten zu den Items des Themenbereichs 4 umcodiert (von „trifft voll zu“ = + 2 bis „trifft nicht zu“ = – 2). Aufgrund ihrer inhaltlichen Deckung sowie den Ergebnissen einer Item- und Skalenanalyse wurden die Items 4.2, 4.4 und 4.5 (Details zu den Items s. Ergebnisteil) zu einem Summenscore zusammengefasst, der für die weiteren Analysen verwendet wurde (Niveau des Reliabilitätsindikators α: 0,71; Score reicht von – 6 = schlechte Vereinbarkeit bis + 6 = gute Vereinbarkeit).

Eine Adjustierung für multiples Testen erfolgte nach Bonferroni-Holm (ausgehend vom Signifikanzniveau α = 0,05; 22 statistische Hypothesentestungen über die gesamte Stichprobe; neues Signifikanzniveau als αX angegeben, wo sinnvoll). Bei allen angewandten Tests ergaben das parametrische und nicht-parametrische Verfahren ein übereinstimmendes Ergebnis (t-Test vs. MWU-Test; ANOVA vs. Kruskal-Wallis-Test). Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird im Ergebnisteil nur das primär angewandte Testverfahren angegeben. Alle statistischen Analysen wurden mit SPSS Statistics Version 22 (IBM, New York, USA) durchgeführt.


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Ergebnisse

Rücklauf und Basisdaten

Insgesamt wurden 5685 Ärzte in Weiterbildung zur Teilnahme eingeladen (4319 über die DGIM, 1366 über den BDI). Von 80 Teilnehmern wurde eine Doppelmitgliedschaft in DGIM und BDI angegeben. 90 Teilnehmer haben die Umfrage frühzeitig abgebrochen (davon 49 % bis zum Themenbereich 2 und 100 % bis zum Themenbereich 5). Bei 1587 komplett bearbeiteten Fragebögen ergibt sich eine Rücklaufquote von 28 % (1587/5605).

Die Basisdaten aus der vorliegenden Befragung im Vergleich zur Vorbefragung 2014 sind der [Tab. 1] zu entnehmen.

Tab. 1

Basisdaten der Befragungen 2014 und 2016 im Vergleich.

Merkmal

Jahr der Befragung

2014

2016

Teilnehmer gesamt

1696

1587

Rücklaufquote

25 %

28 %

Geschlecht (w : m)

60 % : 40 %

61 % : 39 %

Alter (Jahre)

32,4 ± 3,9[1]

32,2 ± 3,71

Weiterbildungsjahr

4,2 ± 1,91

4,2 ± 2,01

Bundesländer

16

16

Nationalität

deutsch : andere

91 % : 9 %

88 % : 12 %

Erwachsene im Haushalt

1 : ≥ 2

32 % : 68 %

23 % : 77 %

Kinder im Haushalt

keine : ≥ 1

66 % : 34 %

65 % : 35 %

zeitliche Arbeitsweise

Voll- : Teilzeit

87 % : 13 %

85 % : 15 %

Angestrebter 1. Facharzt[2]

Innere Medizin

67 %

69 %

Innere Medizin mit SP

33 %

27 %

Trägerschaft des Arbeitgebers

öffentlich

59 %

58 %

freigemeinnützig

25 %

25 %

privat

16 %

17 %

Versorgungstyp

Universitätsklinikum

20 %

22 %

Maximalversorgung

28 %

31 %

Grund-/SP-Versorgung

50 %

45 %

SP = Schwerpunkt.

1 Mittelwert ± Standardabweichung.


2 In der Umfrage von 2016 zusätzlich Antwortoption „Sonstiges“. Die restlichen 4 % Teilnehmer haben hier v. a. Facharzt Allgemeinmedizin angegeben.


Zusätzlich (im Vergleich zu 2014) wurde in der vorliegenden Befragung nach dem primären Einsatzort im Krankenhaus gefragt: 57 % (912/1587) arbeiteten primär auf einer Normalstation, 23 % (371/1587) in der Intensiv-/Rettungsmedizin, 8 % (119/1587) in Ambulanzen, 6 % (93/1587) in einem Funktionsbereich und weitere 6 % (92/1587) in sonstigen Bereichen.

Nach dem Karriereziel befragt, gaben 8 % (120/1587) Facharzt im Krankenhaus, 32 % (502/1587) Oberarzt im Krankenhaus, 2 % (34/1587) Chefarzt im Krankenhaus, 40 % (643/1587) Facharzt in Niederlassung, 6 % (99/1587) eine akademische Laufbahn und 12 % (189/1587) sonstige Ziele an ([Tab. 2]).

Tab. 2

Karriereziele der Befragten im Vergleich: Frauen und Teilzeitkräfte geben weniger ambitionierte Ziele an und favorisieren den ambulanten Bereich.

Karriereziel

Gesamt

Männer

Frauen

Vollzeit

Teilzeit

Facharzt KH

n (%)

 120 (9 %)

 28 (5 %)

 92 (11 %)

  92 (8 %)

 28 (14 %)

Facharzt NL

n (%)

 643 (46 %)

215 (39 %)

428 (51 %)

 533 (45 %)

110 (54 %)

Oberarzt KH

n (%)

 502 (36 %)

215 (39 %)

287 (34 %)

 439 (37 %)

 63 (31 %)

Chefarzt KH

n (%)

  34 (2 %)

 29 (5 %)

  5 (1 %)

  34 (3 %)

  0 (0 %)

Akademische Laufbahn

n (%)

  99 (7 %)

 66 (12 %)

 33 (4 %)

  95 (8 %)

  4 (2 %)

Gesamt

n (%)

1398 (100 %)

553 (100 %)

845 (100 %)

1193 (100 %)

205 (100 %)

p < 0,001

p < 0,001

Gezeigt sind die Karriereziele der Befragten differenziert nach Geschlecht und Arbeiten in Voll- oder Teilzeit. 189 Teilnehmer haben „Sonstige Ziele“ gewählt und sind in die Analyse nicht eingeschlossen. Die Karriereziele innerhalb der oben genannten Differenzierungen unterschieden sich statistisch signifikant (jeweils Chi2-Test mit p < 0,001). KH = Krankenhaus, NL = Niederlassung.

Frauen gaben im Vergleich zu Männern und in Teilzeit Arbeitende im Vergleich zu Vollzeitkräften durchschnittlich weniger ambitionierte Karriereziele im Krankenhaus und eher eine spätere ambulante Tätigkeit als Wunschziel an (jeweils Chi2 mit p < 0,001; Cramér’s V = 0,24 und 0,13).


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Modell der beruflichen Gratifikationskrisen

Es wurden die adjustierten (d. h. für den Umfang der verwendeten Fragebogenversion und Skalierung bereinigten und damit vergleichbaren) Werte der Subskalen (Punktwerte zwischen 0 und 100) und daraus der Gratifikationskrisenquotient (syn. ER-Ratio) berechnet. Das Ausmaß einer Gratifikationskrise war unter den Teilnehmern mit einer ER-Ratio von 1,8 ± 1,2 (Mittelwert±Standardabweichung) stark ausgeprägt (Skala Verausgabung 80 ± 16, Skala Belohnung 51 ± 15). Dabei kann die Skala Belohnung in drei Subbereiche differenziert werden. Im Vergleich zum Bereich Arbeitsplatzsicherheit (Mittelwert 5,9 ± 1,2, Bereich 2 – 8 Punkte, Mittelwert/maximale Punktzahl: 74 %), ergaben sich niedrigere relative Prozentwerte für die Bereiche Wertschätzung (4,7 ± 1,3, Bereich 2 – 8, 59 %) und Aufstiegschancen (7,2 ± 1,6, Bereich 3 – 12, 60 %). Die Verausgabungsneigung (gesamt 57 ± 18) war unter den Teilnehmerinnen ausgeprägter als unter den Teilnehmern (59 ± 18 vs. 53 ± 18; t-Test, p < 0,001, 95 %-KI [4,18 – 7,87]; Cohen’s d = 0,33). Mit Fortschreiten der Weiterbildung ist eine Verstärkung der Gratifikationskrisen zu beobachten (≤ 3. Jahr vs. 4.–5. Jahr vs. ≥ 6. Jahr: 1,6 ± 0,9 vs. 1,9 ± 1,4 vs. 2,0 ± 1,3; ANOVA/Tukey, p < 0,001; Eta2 = 0,02; ≤ 3. vs. 4.–5. Jahr, p < 0,001, 95 %-KI [– 0,44 – (– 0,12)]; ≤ 3. vs. ≥ 6. Jahr, p < 0,001, 95 %-KI [– 0,55 – (– 0,18)]; 4.–5. Jahr vs. ≥ 6. Jahr, p > 0,05). Bezüglich Krankenhausträger und Arbeiten in Voll- oder Teilzeit ergab sich kein statistisch signifikanter Unterschied (ANOVA/Tukey und t-Test jeweils mit p > 0,05).

Die Ausprägung der Gratifikationskrise korreliert mit der Einschätzung einer negativen Entwicklung der Behandlungsqualität über die letzten Jahre (p < 0,001, Pearson’s r = 0,28).

Im Vergleich zur Befragung 2014 zeigte sich ein insgesamt sehr ähnlicher Befund (2014: ER-Ratio 1,9 ± 1,4, Skala Verausgabung 81 ± 15, Skala Belohnung 50 ± 15, Skala Verausgabungsneigung 56 ± 18). Statistisch unterschieden sich die ER-Ratio von 2014 und 2016 nicht signifikant (1,9 ± 1,4 vs. 1,8 ± 1,2; t-Test; p = 0,013 (α9 = 0,006), 95 %-KI [0,02 – 0,20], Cohen’s d = 0,09).


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Arbeitsbedingungen im Berufsalltag

Nach der augenblicklichen Berufszufriedenheit befragt, gaben 38 % (608/1587) der Teilnehmer an, sehr oder eher zufrieden zu sein, 36 % (567/1587) waren unentschieden und 26 % (412/1587) waren eher oder sehr unzufrieden mit ihrer Situation (Befund 2014: 40 % [674/1696] vs. 30 % [513/1696] vs. 30 % [509/1696]). Statistisch ergab sich im Vergleich von 2014 zu 2016 kein signifikanter Unterschied (MWU-Test, p > 0,5). Die zwei mit Abstand prominentesten Gründe für Kritik unter den Unentschiedenen/ Unzufriedenen (979/1587) waren eine hohe zeitliche Arbeitsbelastung mit 47 % (461/979) und eine mangelnde Qualität der ärztlichen Weiterbildung mit 38 % (374/979) (Mehrfachauswahl unter 15 Antwortmöglichkeiten). Im ärztlichen Arbeitsalltag wurden im Median 30 % (Interquartilsabstand/IQR 25 – 40) der Arbeitszeit mit/am Patienten (z. B. Visite, Aufnahme, Untersuchungen), 30 % (IQR 20 – 40) der Arbeitszeit mit patientenbezogenen Aufgaben (z. B. Fallbesprechungen, Schreiben von Arztbriefen) und weitere 30 % (IQR 20 – 40) mit nicht originär ärztlichen Aufgaben (z. B. Befunde und Termine organisieren) verbracht.

Nachfolgend gaben die Teilnehmer auf einer Skala von –5/sehr negativ bis + 5/sehr positiv an, wie sich ihrer Meinung nach die Qualität der ärztlichen Patientenversorgung über die letzten Jahre verändert habe. Im Median ergab sich ein Wert von –1 (IQR –2 – 0).

Aus Unzufriedenheit über ihre Arbeitsbedingungen haben bereits 45 % (708/1587) der Teilnehmer eine Konsequenz gezogen: Den Arbeitsplatz gewechselt haben 32 % (509/1587), die Arbeitszeit reduziert haben 18 % (290/1587), die ärztliche Tätigkeit aufgegeben haben 2 % (25/1587) und ins Ausland gegangen sind 4 % (67/1587). Weitere 47 % (752/1587) haben mindestens eine dieser Optionen in Betracht gezogen (Mehrfachauswahl möglich).


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Ärztliche Fort- und Weiterbildung

45 % der Teilnehmer (713/1587) haben mit Antritt der ersten Anstellung einen Arbeitsvertrag über die gesamte Weiterbildungszeit erhalten. Arbeitnehmer an universitären Häusern (346/1587) erhalten deutlich seltener einen solchen Weiterbildungsvertrag (12 vs. 54 %; Chi2, p < 0,001, Cramér’s V = 0,35). Je nach Arbeitsvertrag unterschieden sich die Teilnehmer nicht in Bezug auf ihre Zufriedenheit im Beruf oder dem Ausmaß von Gratifikationskrisen (MWU- und t-Test jeweils mit p > 0,05).

Die Weiterbildung erfolgt nur bei 22 % (345/1578) der Befragten im Rahmen eines strukturierten Weiterbildungscurriculums. Diejenigen mit einem strukturierten Weiterbildungscurriculum haben eine statistisch signifikant niedrigere ER-Ratio (1,6 ± 1,3 vs. 1,9 ± 1,1; t-Test, p < 0,001, 95 %-KI [0,16 – 0,47], Cohen’s d = 0,25) und eine höhere Arbeitszufriedenheit als jene ohne Weiterbildungscurriculum (MWU-Test, p < 0,001, r = 0,19; [Tab. 3]). 54 % (852/1587) der Teilnehmer glauben, dass sie den angestrebten Facharzt innerhalb der vorgesehenen Regelweiterbildungszeit erreichen werden. 83 % (1314/1587) der Befragten meinen jedoch, dass sie die nach Logbuch geforderten Weiterbildungsinhalte nicht in der Regelweiterbildungszeit erlernt haben werden. Befragt nach der Form des geforderten jährlichen Weiterbildungsgespräches gaben 23 % (366/1587) ein strukturiertes und konstruktives Gespräch, 50 % (798/1587) ein beiläufiges Gespräch, das scheinbar eher dem Zweck der Dokumentation dient, und 27 % (423/1587) an, dass gar keine Gespräche stattfinden würden. Die hohe Qualität von Weiterbildungsgesprächen ist dabei mit einer geringeren Ausprägung von Gratifikationskrisen (1,4 ± 0,7 vs. 1,9 ± 1,3 vs. 2,0 ± 1,2, ANOVA/Tukey, p < 0,001, Eta2 = 0,04; strukturiert vs. beiläufig, p < 0,001, 95 %-KI [– 0,71 – (– 0,36)]; strukturiert vs. gar nicht, p < 0,001, 95 %-KI [– 0,83 – (– 0,53)]; beiläufig vs. gar nicht, p > 0,05) und einer höheren Zufriedenheit im Beruf (Kruskal-Wallis/MWU, p < 0,001; strukturiert vs. beiläufig, p < 0,001, r = 0,27; strukturiert vs. gar nicht, p < 0,001, r = 0,36; beiläufig vs. gar nicht, p > 0,05) assoziiert.

Tab. 3

Positiver Einfluss eines strukturierten Weiterbildungscurriculums und strukturierter Weiterbildungsgespräche auf die psychosoziale Arbeitsbelastung und Zufriedenheit im Beruf.

Gibt es bei Ihnen ein strukturiertes WB-Curriculum mit von Beginn an fest geplanten Lerninhalten/ Rotationen? (n=1587/100%)

ja

(n = 354/22 %)

nein

(n = 1233/78 %)

ja

(n = 354/22 %)

nein

(n = 1233/78 %)

1,6 ± 1,3

<

1,9 ± 1,1

3,5 ± 0,9

>

3,0 ± 1,0

psychosoziale Arbeitsbelastung (ER-Ratio)

Zufriedenheit im Beruf[1]

p < 0,001

p < 0,001

In welcher Form findet an Ihrer Klinik das jährlich geforderte WB-Gespräch statt? (n = 1587/100 %)

strukturiert

(n = 366/23 %)

beiläufig

(n = 798/50 %)

gar nicht

(n = 423/27 %)

strukturiert

(n = 366/23 %)

beiläufig

(n = 798/50 %)

gar nicht

(n = 423/27 %)

1,4 ± 0,7

<

1,9 ± 1,3

2,0 ± 1,2

3,6 ± 0,9

>

3,0 ± 0,9

2,9 ± 1,0

psychosoziale Arbeitsbelastung (ER-Ratio)

Zufriedenheit im Beruf1

p < 0,001

p < 0,001

Angaben jeweils als Mittelwert±Standardabweichung. WB = Weiterbildung.

1 Zufriedenheit im Beruf 5-fach skaliert zwischen 5 = „sehr zufrieden“ und 1 = „sehr unzufrieden“ (in der Tabelle sind zum besseren Verständnis Mittelwerte angegeben; in der statistischen Analyse wurden die Daten als ordinalskaliert betrachtet, Details s. Text).


42 (668/1587) bzw. 54 % (858/1587) der Teilnehmer waren der Meinung, dass der Besuch externer Fortbildungen für den Erwerb der laut Weiterbildungsordnung zum Ende der Regelweiterbildungszeit zu erlernenden Kompetenzen unerlässlich bzw. hilfreich sei. Nur 4 % (61/1587) halten externe Fortbildungen in diesem Kontext für nicht notwendig.


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Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Ohne Kinder (65 % der Teilnehmer, 1032/1587) arbeiteten 4 % (29/653) der Frauen und 2 % (8/379) der Männer in Teilzeit. Waren Kinder vorhanden (35 % [555/1587]), erhöhte sich der Anteil der in Teilzeit arbeitenden auf 50 % (160/320) der Frauen und 15 % (34/235) der Männer. 64 % (148/231) der in Teilzeit arbeitenden Männer und Frauen fühlten sich dadurch in Hinblick auf das Fortkommen in der Weiterbildung benachteiligt. Die wesentlichen Gründe (neben einer Verlängerung der Weiterbildungszeit) aus dem Freitextfeld waren:

  • Rotationen in Funktionsbereichen und Intensiv-/Notfallmedizin erschwert

  • häufig Überstunden und damit ähnliches Arbeitspensum wie eine Vollzeitstelle für weniger Lohn

  • geringere Wertschätzung und Karrierechancen

  • häufiger Einsatz als Springer mit wenig Kontinuität im Arbeitsalltag und in der Weiterbildung

80 % (442/555) der Befragten mit Kindern haben Elternzeit genommen. Im Median nahmen Frauen 12 (IQR 12 – 14) und Männer 2 Monate (IQR 2 – 4) Elternzeit. Je höher die angestrebte Position im Krankenhaus ist (Karriereziele Habilitation, FA in Niederlassung und „sonstiges“ nicht berücksichtigt), desto kürzer ist die in Anspruch genommene Elternzeit: Ziel Facharzt 13,3 ± 8,4 vs. Ziel Oberarzt 8,4 ± 6,4 vs. Ziel Chefarzt mit 3,9 ± 3,6 Monaten (ANOVA/Tukey, p < 0,001, Eta2 = 0,09; FA vs. OA, p = 0,002, 95 %-KI [1,51 – 7,74]; FA vs. CA, p = 0,004, 95 %-KI [2,49 – 15,79]; OA vs. CA, p > 0,05).

Die weiteren Fragen und Antworten aus dem Themenbereich Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind [Tab. 4] zu entnehmen. Nach Faktoren befragt, die eine gute Balance zwischen Arbeit und Privatleben erleichtern bzw. ermöglichen würden, wurden die folgenden drei mit Abstand am häufigsten ausgewählt: Weniger Überstunden 59 % (327/555), besser planbare/ regelmäßigere Arbeitszeiten 49 % (273/555) und flexiblere Gestaltung der Arbeitszeiten 48 % (269/555) (13 Faktoren, Mehrfachauswahl möglich).

Tab. 4

Fragen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Antworten der 555 Teilnehmer der Befragung mit Kind(ern). Die absolute Anzahl an Antwortenden pro Antwortkategorie ist in Klammern angegeben.

trifft voll zu/eher zu

teils, teils

trifft eher nicht/nicht zu

4.2 Ich bin zufrieden mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie an meinem Arbeitsplatz.

15 % (80)

27 % (151)

58 % (324)

4.3 Es gibt regelmäßig Situationen, in denen ich familiäre Aufgaben zugunsten der Arbeit vernachlässigen muss oder umgekehrt.

76 % (424)

15 % (84)

9 % (47)

4.4 Ich fühle mich bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie von meinem Arbeitgeber unterstützt (z. B. durch flexiblere Gestaltung der Arbeitszeiten).

16 % (86)

25 % (141)

59 % (328)

4.5 Ich fühle mich bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie von meinen Kollegen unterstützt (z. B. durch flexiblere Gestaltung der Arbeitszeiten).

27 % (149)

35 % (196)

38 % (210)

4.7 Familienfreundlichkeit wird an meinem Arbeitsplatz bspw. in Fortbildungsangeboten, Newslettern sowie Unterstützungsangeboten thematisiert und gehört somit zur Unternehmenskultur.

17 % (94)

24 % (143)

59 % (327)

4.8 Ich habe mich bisher gegen mehr familiäre Verantwortung entschieden, weil dies mit meinem beruflichen Werdegang nicht vereinbar war.

23 % (26)

18 % (99)

59 % (330)

4.9 Rücksicht auf Mitarbeiter mit familiären Verpflichtungen geht häufig zu Lasten von Mitarbeitern ohne familiäre Verpflichtungen.

60 % (333)

24 % (135)

16 % (87)

Aus den Fragen 4.2, 4.4 und 4.5 wurde ein Summenscore zur quantitativen Abschätzung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gebildet (s. Methoden, der Score reicht von –6 = schlechte Vereinbarkeit bis + 6 = gute Vereinbarkeit). Es ergibt sich für alle Teilnehmer mit Kindern (555/1587) ein mittlerer Summenscore von –1,6 ± 2,6. Hohe Werte des Scores korrelieren negativ mit der Neigung zu Gratifikationskrisen (Pearson’s r = – 0,35, p < 0,001) und positiv mit der Zufriedenheit im Beruf (Spearman’s rho = 0,37, p < 0,001).

Des Weiteren zeigte sich eine Abhängigkeit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie vom primären Einsatzort im Krankenhaus (Option „sonstiges“ ausgeschlossen): Normalstation – 1,8 ± 2,5 vs. Intensivstation/Rettungsstelle –1,5 ± 2,3 vs. Funktionsbereich – 1,0 ± 2,5 vs. Ambulanz –0,6 ± 3,2. Diese Analyse verlor allerdings nach Korrektur für multiples Testen ihre statistische Signifikanz (ANOVA/Tukey, p = 0,014, α8 = 0,006). Arten von Krankenhaustypen oder -trägerschaften unterscheiden sich bezüglich des Scores ebenfalls nicht (jeweils ANOVA/ Tukey mit p > 0,05).


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Vereinbarkeit von klinischem Arbeitsalltag mit Wissenschaft

15 % (237/1587) der Befragten waren weder promoviert noch strebten sie dies an. 33 % (531/1587) der Teilnehmer waren nicht promoviert, planten bzw. arbeiteten aber an einer Dissertation und 52 % (819/1587) der Befragten waren zum Zeitpunkt der Umfrage promoviert. 81 % (1288/1587) der Befragten gaben an, weder derzeit wissenschaftlich zu arbeiten noch dies in Zukunft vorzuhaben. Als wesentlicher Grund dafür wurde mit absteigender Frequenz gewählt: Keine Zeit neben der klinischen Tätigkeit (28 %, 359/1587), anderes ist mir wichtiger (25 %, 323/1587), an meiner Klinik/Abteilung besteht keine Möglichkeit dazu (21 %, 268/1587), fehlendes wissenschaftliches Interesse (13 %, 163/1587), Wissenschaft für angestrebte Karriere bedeutungslos (12 %, 153/1587) und sonstiges mit 1 % (22/1587).


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Diskussion

Ziel der vorliegenden Befragung ist es, wesentliche Konfliktfelder im Arbeitsleben und der Weiterbildung junger Ärzte in der Inneren Medizin zu beschreiben. Dabei wird durch einen zur Vorbefragung von 2014 relevanten Anteil gleicher Fragen (bei unterschiedlichen Stichproben und nicht bekanntem Anteil von Teilnehmern, die an beiden Befragungen teilgenommen haben) eine gewisse Verlaufsbeurteilung über den Zeitraum von zwei Jahren möglich. Neuer Schwerpunkt der aktuellen Befragung ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Im Vergleich zur Vorbefragung von 2014 zeigt sich ein im Wesentlichen unveränderter Befund unter anderem im Hinblick auf das Ausmaß der Gratifikationskrisen und die allgemeine Zufriedenheit im Beruf. Dies ist nicht unbedingt zu erwarten gewesen, setzt der Ärztemangel doch Kliniken seit einiger Zeit unter Druck, mit besseren Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen für sich als attraktive Arbeitgeber zu werben. Andererseits sind die Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen – hier seien exemplarisch die anhaltende Erarbeitung einer neuen Musterweiterbildungsordnung und die weiterhin nicht gesonderte Vergütung von Weiterbildung im DRG-System zu nennen – unverändert geblieben.

Der durchschnittliche Gratifikationskrisenquotient ist weiterhin sehr hoch (wie auch die Werte der Subskalen). In der Befragung von 2014 hatten wir bereits die möglichen Konsequenzen von Gratifikationskrisen skizziert. Sie sind eine Gefahr für die Gesundheit der betroffenen Ärzte [12] [13] [14] und die Qualität der Patientenversorgung [15] [16] [17] [18] [19]. Außerdem können sie zur erhöhten Personalfluktuation am Arbeitsplatz [20] und einer Abwanderung von Ärzten aus der direkten Patientenversorgung führen. Die Daten der aktuellen Befragung stützen die vorgenannten Risiken, die Auswirkungen auf die gesamte Krankenversorgung haben können.

Als wesentliche Probleme in der ärztlichen Weiterbildung werden von den Teilnehmern die zeitliche Arbeitsbelastung und die mangelnde Qualität der ärztlichen Weiterbildung angegeben. Zwei Maßnahmen am Arbeitsplatz, die die ärztliche Weiterbildung verbessern können und mit einer geringeren Ausprägung von Gratifikationskrisen und einer höheren Zufriedenheit im Beruf assoziiert sind, sind regelmäßige und strukturierte Weiterbildungsgespräche sowie ein strukturiertes Weiterbildungscurriculum. Zu häufig ist die ärztliche Weiterbildung ein wenig beachtetes „Nebenprodukt“ im ärztlichen Arbeitsalltag. Die oben genannten Maßnahmen zeigen, dass eine gute Weiterbildung vor allem Zeit, Struktur und Feedback erfordert. Problematisch ist, dass so ein lohnenswerter und von allen an der Weiterbildung Beteiligten zu erbringender Einsatz durch das System derzeit wenig honoriert wird.

Die beiden vorgenannten Maßnahmen können auch als Surrogatparameter guter ärztlicher Führung verstanden werden. Ein wirksames und etabliertes Konzept, Ärzte in Führungspositionen als Weiterbilder zu schulen, sind sogenannte „Train-the-Trainer”-Programme [21]. Es ist wünschenswert, dass solche Programme in der Zukunft breite Aufmerksamkeit und Einsatz erfahren.

In den Zeitraum der ärztlichen Weiterbildung fällt naturgemäß häufig die Familienplanung. Durch Kinder steigt der Anteil von Frauen in Teilzeit (4 auf 50 %) deutlich stärker als bei Männern (2 auf 15 %). Diese Beobachtung ist nicht auf Ärzte begrenzt, sondern trifft für die deutsche Gesamtbevölkerung zu [22]. Auch bei der Aufteilung der Elternzeit zeigt sich ein überwiegend traditionelles Bild (Partnerin:Partner, 12:2 Monate).

Problematisch am Arbeiten in Teilzeit ist, dass ein Großteil (64 %) sich dadurch im Hinblick auf Tätigkeiten im Arbeitsalltag, die Weiterbildung und die Karriere benachteiligt fühlt. Frauen und Arbeitende in Teilzeit geben weniger ambitionierte Karriereziele an und wollen eher im ambulanten Bereich arbeiten. Die Beobachtung, dass die Familiengründung vor allem für Frauen einen Karriereknick bedeutet, ist gut belegt [23].

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf korreliert positiv mit der Zufriedenheit im Beruf und negativ mit der Ausprägung von Gratifikationskrisen. Diese Beobachtung spiegelt sich auch in Befragungen zur Zufriedenheit im Berufsverlauf wider. Während Ärzte mit Kindern nach vierjähriger Weiterbildung im Vergleich zu Kollegen ohne Kinder zufriedener mit ihrem Berufsverlauf sind, zeigen sich Ärztinnen mit Kindern vergleichsweise am wenigsten zufrieden [24].

Das traditionelle Arrangement der Partnerschaft mit Nachteilen für die Karriere von Ärztinnen ändert sich nur langsam [25]. Dies wird auch durch Daten dieser Befragung bestätigt: Nur eine Minderheit der Ärzte mit Kindern arbeitet in Teilzeit und die Frauen schultern den Großteil der Elternzeit. Dabei ist gerade vor dem Hintergrund von 60 % Ärztinnen in Weiterbildung und des bestehenden Ärztemangels eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen gesellschaftlich von zentraler Bedeutung.

Wichtige Faktoren, die eine bessere Vereinbarkeit erlauben würden, sind für die Betroffenen vor allem zeitliche: weniger Überstunden, besser planbare und regelmäßigere sowie flexiblere Gestaltung von Arbeitszeiten. Eine Hilfestellung, welche Anforderungen ein familienfreundlicher Arbeitsplatz erfüllen sollte, bietet auch die Bundesärztekammer [26].

Als wesentliche Limitationen dieser Befragung sind neben dem Anteil nicht validierter Fragen die Möglichkeit einer Stichprobenverzerrung (möglicher Einfluss durch eine höhere Teilnahme unzufriedener Kollegen) und die (für elektronische Fragebögen erwartete) geringe Teilnahmequote zu nennen.

Ferner ist als Einschränkung zu erwähnen, dass durch die anonymisierten und damit unabhängigen Stichproben 2014 und 2016 unklar bleibt, wie groß der Anteil derer ist, die an beiden Befragungen teilgenommen haben. Gerade für diese Gruppe wäre eine Verlaufsbeurteilung interessant gewesen. Im Fall einer weiteren Befragung sollte dieser Anteil zumindest quantitativ ermittelt werden.

Die Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen geben weiterhin für einen relevanten Anteil junger Ärzte in der stationären Inneren Medizin Anlass zur Kritik. Die Folgen der oben genannten Belastungen können einen weitreichenden Einfluss auf das Berufsleben der Betroffenen und die Krankenversorgung insgesamt haben. Schwierigkeiten in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gehen vor allem zu Lasten von Frauen. Der Aufgabe, das große Potenzial von Ärztinnen in der Medizin besser zu nutzen, muss in Zukunft höchste Priorität eingeräumt werden.

Kernaussagen
  • Im Vergleich zur Vorbefragung von 2014 ergibt sich für die wesentlichen vergleichbaren Problemfelder ein stabiler und damit weiterhin kritischer Befund.

  • Die psychosoziale Arbeitsbelastung ist weiterhin sehr hoch mit negativen Folgen für die Behandlungsqualität, die Gesundheit der Ärzte und die Personalfluktuation.

  • Für eine gute ärztliche Weiterbildung sind Zeit, Struktur und Feedback wesentliche Faktoren.

  • Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird von den Befragten als unzureichend empfunden. Insbesondere Teilzeitarbeit scheint mit Nachteilen behaftet.

  • Die unzureichende Vereinbarkeit von Beruf und Familie trifft besonders Frauen. Dem Ziel, das große Potenzial von Ärztinnen in der Medizin besser zu nutzen, muss in Zukunft höchste Priorität eingeräumt werden.


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No conflict of interest has been declared by the author(s).

Danksagung

Die Autoren danken allen an diesem Projekt beteiligten Mitgliedern der Nachwuchsgruppen von DGIM und BDI, sowie den Vorständen und Geschäftsstellen für die wichtige Unterstützung!


Korrespondenzadresse

Dr. med. Matthias Raspe
Medizinische Klinik m.S. Infektiologie und Pneumologie
Campus Virchow Klinikum
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin