Schlüsselwörter
infektiöse Endokarditis - Antibiotika - Herzchirurgie
Einleitung
Die Erstbeschreibung der infektiösen Endokarditis geht auf den Internisten Sir William
Osler im Jahr 1885 zurück. Auch heute ist diese Erkrankung noch eine besondere Herausforderung
für Diagnostik und Therapie. Die infektiöse Endokarditis ist selten, ihre Inzidenz
liegt bei 3 – 10 Erkrankten pro 100 000 Menschen. Trotz frühzeitigerer Diagnosestellung
und verbesserter chirurgischer Therapie hat sich an der Gesamtprognose mit einer Letalität
von 20 – 30% seit Jahrzehnten nichts geändert [1].
Grundlegend wird die Endokarditis einer nativen Klappe abgegrenzt von einer Prothesenendokarditis,
die in Abhängigkeit vom zeitlichen Abstand zwischen primärer Klappenoperation und
sekundärer Protheseninfektion unterteilt wird in eine Früh- und eine Spätprothesenendokarditis.
Die betroffenen Patientenpopulationen unterliegen diversen Veränderungen mit einem
ansteigenden Anteil nosokomial bedingter Infektionen. Patienten mit infektiöser Endokarditis
sind oft multimorbid und in einem kritischen klinischen Zustand. Der klinische Verlauf
der Erkrankung und ihrer Komplikationen bedingt oft ein Maximum an kardialen und extrakardialen
Therapiemaßnahmen, die mit einem letalen Verlauf assoziiert sein können. Bei fast
allen Patienten mit infektiöser Endokarditis ist daher ein interdisziplinäres Vorgehen
zwingend notwendig. Aktuelle Entwicklungen zur Verbesserung der Prognose dieser lebensbedrohlichen
Erkrankung orientieren sich an den 3 Bausteinen Prävention, Diagnostik und Therapie.
Prävention
Antibiotikaprophylaxe
Hinsichtlich der Prävention der infektiösen Endokarditis sind wesentliche Modifikationen
in den Leitlinien von 2007 bzw. 2009 erfolgt. Diese haben in den Leitlinien von 2015
weiterhin Bestand [2]. Basierend auf vorherigen Leitlinien mit einer Antibiotikaprophylaxe, die sich praktisch
auf alle Patienten und auf alle invasiven und nicht invasiven medizinische Eingriffe
erstreckte, ergab die wissenschaftliche Aufarbeitung, dass dieses aggressive Vorgehen
mit keinem definierten Patientenvorteil im Sinne einer reduzierten Endokarditisrate
verbunden war. Darüber hinaus wurde deutlich, dass vermeintlich invasive Eingriffe
mit potenzieller Bakteriämie, insbesondere zahnärztliche Eingriffe, nicht kausal mit
dem Auftreten einer infektiösen Endokarditis verbunden sind [3]. Die zunehmenden Resistenzen gegen Antibiotika waren ein weiterer Aspekt, die Indikationen
zur präventiven Antibiotikagabe bei der infektiösen Endokarditis an aktuelle wissenschaftliche
Daten anzupassen.
Praxistipp
Aktuell ergibt sich die Empfehlung zur Antibiotikaprophylaxe ausschließlich bei Höchstrisikopatienten.
Dies betrifft alle Patienten mit Klappenprothesen, einschließlich transkathetergestützter
Klappen oder rekonstruierter Klappen unter Verwendung von prothetischem Material,
alle Patienten mit überstandener Endokarditis und Patienten mit angeborenen zyanotischen
Vitien bzw. sanierte Vitien unter Verwendung von prothetischem Material. Keine Notwendigkeit
einer Antibiotikaprophylaxe ergibt sich bei sonstigen Klappenerkrankungen (z. B. Mitralklappenprolaps).
Regional werden die Leitlinien sehr unterschiedlich umgesetzt. So wurde im britischen
NHS-System vorübergehend ganz auf eine Antibiotikaprophylaxe verzichtet. Hinsichtlich
der klinischen Auswirkungen der restriktiven Antibiotikaprophylaxe liegen keine eindeutigen
Daten vor [4]. In einer überwiegenden Anzahl von Studien wird von keiner erhöhten Inzidenz der
infektiösen Endokarditis berichtet, sodass sich im Allgemeinen die Beschränkung der
Antibiotikaprophylaxe auf Höchstrisikopatienten durchgesetzt hat.
Praxistipp
Hinsichtlich der Notwendigkeit einer Antibiotikaprophylaxe bei dentalen Eingriffen
sollte beachtet werden, dass neben der eigentlichen präventiven Antibiotikagabe vor
allem das Einhalten einer guten Mundhygiene und regelmäßige zahnärztliche Kontrollen
im Vordergrund stehen. Dies impliziert auch die Einbindung von Eltern von Kindern
mit angeborenen Herzfehlern in diese Empfehlungen und Vorschriften.
Für die praktische Umsetzung der Prophylaxe bei zahnärztlichen Eingriffen gilt Amoxicillin
(oral oder intravenös) als Standardantibiotikum. Dabei gibt man 2 g oral oder intravenös
bzw. 50 mg/kg bei Kindern. Im Fall einer Allergie kann auf Clindamycin in einer Dosierung
von 600 mg oral bzw. intravenös bei Erwachsenen oder 20 mg/kg bei Kindern ausgewichen
werden. Alternativ kommen auch Cephalosporine, Vancomycin, Azithromycin, Clarithromycin
oder Linezolid infrage. Dabei sollte das Antibiotikum 30 – 60 Minuten vor dem Eingriff
gegeben werden.
Praxistipp
Wurde das Antibiotikum präinterventionell nicht gegeben, sollte die Prophylaxedosis
postinterventionell verabreicht werden.
Oberflächenmodifikation von prothetischem Material
Ein weiterer präventiver Ansatz bestand in der antibakteriellen Oberflächenmodifikation
von prothetischem Material wie z. B. Herzklappen. Leider waren die bisherigen klinischen
Ergebnisse enttäuschend, sodass diese Form der Prävention gegenwärtig keine klinische
Bedeutung hat [5].
Impfung
Die Impfung bei Hochrisikopatienten bzw. bei Höchstrisikopatienten gegen bestimmte
Bakterienstämme (z. B. Staphylococcus aureus) scheint eine attraktive präventive Maßnahme
zu sein. Aktuelle Anwendungen sind jedoch rein experimentell, da bisherige klinische
Studien z. T. mit schweren Nebenwirkungen verbunden waren [6].
Diagnosestellung und Bildgebung
Diagnosestellung und Bildgebung
Die rasche und korrekte Diagnosestellung der infektiösen Endokarditis ist nach wie
vor eine besondere Herausforderung. Dies ist von zentraler klinischer Bedeutung, da
eine Verzögerung der Diagnose und daher eine verspätete Therapie mit Komplikationen
und einer wesentlichen Prognoseverschlechterung assoziiert ist.
Klinik
Das klinische Krankheitsbild hat vielfältige Manifestationen und Ausprägungen. Dazu
gehören die akute Sepsis, aber auch subfebrile Temperaturen, Zeichen der Herzinsuffizienz
oder ein Apoplex. Auch asymptomatische Verläufe sind möglich. Die klinische Diagnose
einer infektiösen Endokarditis ist deshalb schwierig, weil häufig unspezifische oder
nicht kardiale Symptome bei der Erstmanifestation dominieren. Typisch sind Appetitlosigkeit,
Nachtschweiß und Abgeschlagenheit. Dabei entsteht der dringende Verdacht auf eine
Endokarditis aus den folgenden Konstellationen [2]:
-
Fieber kombiniert mit einem neu aufgetretenen Herzgeräusch
-
Fieber in Kombination mit einem vorbekannten Klappenvitium bzw. kongenitaler Veränderung
(z. B. bikuspide Aortenklappe) ohne sonstigen Fokus
-
Fieber in Kombination mit vaskulären bzw. immunologischen Phänomenen wie embolischen
Ereignissen, Apoplex, Hautläsionen im Sinne von Janeway-Läsionen (kleine schmerzlose
Flecken an Händen und Füßen), Osler-Knoten (bläulich-rote schmerzhafte Indurationen
an den Fingern und Zehen), Roth-Spots (Einblutungen in der Retina) und Rheumafaktoren
-
prolongiertes Schwitzen, kombiniert mit Gewichtsverlust, Appetitverlust und allgemeinem
Krankheitsgefühl [2]
Praxistipp
Die native infektiöse Endokarditis verläuft oft unerkannt über Wochen bis Monate,
sodass eine adäquate medikamentöse bzw. kardiochirurgische Therapie oft erst spät
beginnt. Im Gegensatz dazu steht der aggressivere und oft dramatischere klinische
Verlauf bei einer Prothesenendokarditis, insbesondere bei Staphylokokkeninfektion.
Die positive Blutkultur bleibt weiterhin die wesentliche Grundlage zur definitiven
Sicherung einer infektiösen Endokarditis. Um die diagnostische Sicherheit zu erhöhen,
empfiehlt es sich, die Blutkultur vor Beginn der empirischen antibiotischen Therapie
abzunehmen. Dabei sollte es sich in Abhängigkeit vom klinischen Zustand des Patienten
um 2 – 3 Blutkulturen aus verschiedenen venösen Quellen handeln.
Hinsichtlich einer leitliniengerechten Diagnosestellung standen lange Zeit die Duke-Kriterien
in Form von Major-Kriterien (mindestens 2 positive Blutkulturen vor Beginn einer antibiotischen
Therapie, positiver Befund in der Echokardiografie) und Minor-Kriterien (z. B. Fieber,
prädisponierende Herzklappenerkrankung, immunologische Vorerkrankung) im Vordergrund
[7]. Der zunehmende Anteil von Patienten mit einer Protheseninfektion bzw. Infektionen
intrakardialer Devices hat gezeigt, dass die reine Anwendung der ersten Duke-Kriterien
nur mit einer unzureichenden Sensitivität in der Diagnosestellung einer Endokarditis
verbunden ist. Somit mussten die Kriterien diagnostisch und klinisch angepasst und
erweitert werden. Dies betrifft insbesondere Fälle mit der Verdachtsdiagnose einer
infektiösen Endokarditis, aber fehlenden echokardiografischen oder mikrobiologischen
Nachweisen.
In den letzten Jahren haben insbesondere bildgebende Verfahren neben der Echokardiografie
entscheidend zu einer verbesserten Diagnosestellung der infektiösen Endokarditis beigetragen:
Dies soll im Weiteren detaillierter dargestellt werden.
Fallbeispiel
Über ein peripheres Haus wird ein 58-jähriger Patient mit der Verdachtsdiagnose einer
Aortenklappenendokarditis zugewiesen. Der Patient klagt über eine seit 4 Tagen zunehmende
Dyspnoe mit Fieber, Schüttelfrost und atypischen Angina-pectoris-Beschwerden. Nebenbefundlich
besteht ein massiver Alkoholabusus mit mehrfachen frustranen Entzugsversuchen.
Echokardiografisch werden eine Aortenklappenendokarditis und eine hochgradige Aortenklappeninsuffizienz
diagnostiziert ([Tab. 1], [Tab. 2]).
In Blutkulturen werden grampositive Kokken einschließlich Staphylococcus aureus nachgewiesen,
die Laborkontrollen ([Tab. 3]) ergeben den Hinweis auf ein progredientes infektiöses Geschehen mit renaler und
hepatischer Insuffizienz.
Es wird eine resistenzgerechte Antibiose mit Flucloxacillin und Vancomycin begonnen.
Am dritten stationären Tag entwickelt der Patient eine intermittierende Asystolie,
worauf er in der Kardiochirurgie vorgestellt und notfallmäßig operiert wird: Die infizierten
Klappen werden entfernt, ein ausgiebiges Débridement durchgeführt und ein Conduit
mit Ersatz der Aortenklappen und Aorta ascendens implantiert ([Abb. 1]).
Bedingt durch einen anhaltenden septischen Verlauf mit Nierenversagen, respiratorischer
Insuffizienz und hoher Katecholaminpflichtigkeit kommt es zu einem prolongierten intensivmedizinischen
Verlauf. Letztlich kann der Patient am 25. Tag in die Anschlussheilbehandlung entlassen
werden. Die antibiotische intravenöse Therapie wird für weitere 4 Wochen fortgeführt.
Erläuterung: Der Fall verdeutlicht zum einen den bei infektiöser Endokarditis primär oft unspezifischen
klinischen Verlauf, aber auch die Aggressivität und Progredienz einer Infektion mit
Staphylococcus aureus. Bedingt durch einen sekundären Organausfall kommt es häufig
zu prolongierten Verläufen, die z. T. im septischen Multiorganversagen enden und die
eingeschränkte Prognose für Patienten mit Prothesenendokarditis begründen.
Abb. 1 Implantation eines klappentragenden Conduits bei ausgeprägter Aortenklappenendokarditis
mit Abszessbildung.
Tab. 1 Echokardiografieparameter bei Aortenklappenendokarditis.
Parameter
|
Sollwert
|
Istwert
|
LA (linker Vorhof)
|
20 – 40 mm
|
40
|
LV-EDD (linksventrikulärer enddiastolischer Durchmesser)
|
33 – 55 mm
|
59
|
LV-ESD (linksventrikulärer endsystolischer Durchmesser)
|
26 – 42 mm
|
47
|
IVS (interventrikuläres Septum)
|
5 – 12 mm
|
13
|
LVPW (linksventrikuläre Hinterwand)
|
5 – 12 mm
|
13
|
Bulbus aortae
|
22 – 44 mm
|
35
|
Aorta ascendens
|
23 – 38 mm
|
n
|
LVEF (linksventrikuläre Ejektionsfraktion)
|
> 50%
|
45
|
RA (rechter Vorhof)
|
28 – 40 mm
|
n
|
RV (LAX) (rechter Ventrikel in langer Achse)
|
< 30 mm
|
35
|
RVSP (rechtsventrikulärer systolischer Druck)
|
< 35 mmHg
|
n
|
VCI (V. cava inferior)
|
< 20 mm
|
26
|
Tab. 2 Echokardiografiebefunde bei Aortenklappenendokarditis.
Struktur
|
Befund
|
TAPSE = „tricuspid annular plane systolic excursion“
|
Mitralklappe (Morphologie/Funktion)
|
Mitralklappe morphologisch unauffällig, gut öffnend, geringe lnsuffizienz; hier kein
sicherer Anhalt für Vegetationen
|
Aortenklappe/Aorta (Morphologie/Funktion)
|
hochgradige Aorteninsuffizienz, Aortenklappe deutlich verdickt mit mehreren Zusatzstrukturen,
Anzahl der Taschen nicht sicher bestimmbar, exzentrischer Insuffizienzjet durch NCC
bis ins mittlere Drittel des linken Ventrikels
|
rechtes Herz
|
rechter Ventrikel vergrößert und mit gering eingeschränkter Pumpfunktion, TAPSE 18 mm
|
Trikuspidalklappe (Morphologie/Funktion)
|
Trikuspidalklappe schlecht einsehbar, soweit beurteilbar morphologisch unauffällig
mit geringer Insuffizienz
|
Pulmonalklappe (Morphologie/Funktion)
|
Pulmonalinsuffizienz I. Grades
|
Perikard
|
von apikal, parasternal und subkostal ist kein signifikanter Perikarderguss nachweisbar
|
Tab. 3 Verlauf der ersten Tage im Spiegel der Laborwerte.
Parameter
|
Ref.-Bereich
|
Einheit
|
Tag 1 21:26
|
Tag 2 23:49
|
Tag 3 05:33
|
Tag 3 18:22
|
Tag 4 06:05
|
L = erniedrigt, LL = stark erniedrigt, H = erhöht, HH = stark erhöht
MCV = „mean corpuscular volume“, MCH = „mean corpuscular hemoglobin“, MCHC = „mean
corpuscular haemoglobin concentration“, INR = „international normalized ratio“, PTT = partielle
Thromboplastinzeit, ALAT = Alaninaminotransferase, GPT = Glutamat-Pyruvat-Transaminase,
ASAT = Aspartataminotransferase, GOT = Glutamat-Oxalazetat-Transaminase
|
Hämatologie
|
kleines Blutbild
|
Leukozyten
|
3,9 – 10,2
|
Gpt/l
|
HH 18,0
|
|
HH 27,2
|
HH 27,8
|
HH 24,2 ↓
|
Erythrozyten
|
4,3 – 5,75
|
Tpt/l
|
L3,06
|
|
L2,87
|
L2,87
|
L3,00
|
Hämoglobin
|
8,39 – 10,7
|
mmol/l
|
L6,00
|
|
LL5,70
|
LL5,70
|
L6,00
|
Hämatokrit
|
0,395 – 0,505
|
|
L0,29
|
|
L0,28
|
L0,28
|
L0,30
|
MCV
|
80 – 99
|
fl
|
96,1
|
|
95,8
|
98,6
|
H 99,7
|
MCH
|
1,67 – 2,08
|
fmol
|
1,96
|
|
1,99
|
1,99
|
2,00
|
MCHC
|
19,6 – 22,4
|
mmol/l
|
20,4
|
|
20,7
|
20,1
|
20,1
|
Thrombozyten
|
150 – 370
|
Gpt/l
|
LL40*1
|
|
LL39 →
|
LL140 →
|
LL90
|
Thrombo i. Citr.
|
150 – 370
|
Gpt/l
|
Mat. fehl
|
|
|
|
|
Differenzialblutbild/autom.
|
Neutrophile
|
42 – 77
|
%
|
H 81,8
|
|
|
|
|
Lymphozyten
|
20 – 44
|
%
|
L13,7
|
|
|
|
|
Monoyten
|
2,0 – 9,5
|
%
|
4,4
|
|
|
|
|
Eosinophile
|
0,5 – 5,5
|
%
|
L0,0
|
|
|
|
|
Basophile
|
0,0 – 1,75
|
%
|
0,1
|
|
|
|
|
Neutrophile abs.
|
1,5 – 7,7
|
Gpt/l
|
H 14,7
|
|
|
|
|
Lymphoyzten abs.
|
1,1 – 4,5
|
Gpt/l
|
2,47
|
|
|
|
|
Monozyten abs.
|
0,10 – 0,90
|
Gpt/l
|
0,80
|
|
|
|
|
Eosinophile abs.
|
0,02 – 0,50
|
Gpt/l
|
0,00
|
|
|
|
|
Basophile abs.
|
0,00 – 0,20
|
Gpt/l
|
0,01
|
|
|
|
|
Gerinnung
|
Quick
|
70 – 130
|
%
|
L53
|
L52
|
L50
|
L46
|
L36
|
INR
|
0,85 – 1,15
|
|
H 1,46
|
H 1,48
|
H 1,53
|
H 1,63
|
H 1,98
|
akt. PTT (neu)
|
25,1 – 37,7
|
s
|
H 38,4
|
H 38,0
|
H 38,9
|
H 45,1
|
H 46,5
|
akt. PTT (alt)
|
25 – 40
|
s
|
36,8
|
38,4
|
38,1
|
H 40,8
|
H 40,5
|
Thrombinzeit
|
14 – 21
|
s
|
|
|
|
15,7
|
|
Fibrinogen
|
1,8 – 4,0
|
g/l
|
3,15
|
|
3,00
|
|
|
Antithrombin III
|
80 – 120
|
%
|
L60
|
|
|
|
|
klinische Chemie
|
Eisen
|
11 – 28
|
µmol/l
|
L7,6
|
|
|
|
|
ALAT/GPT
|
< 0,85
|
µcat/l
|
|
|
H 1,72
|
|
HH 6,51 ↑
|
ASAT/GOT
|
< 0,85
|
µcat/l
|
|
|
H 3,46
|
|
HH 20,3
|
γ-GT
|
< 1,00
|
µcat/l
|
|
|
|
|
0,43
|
Bildgebende Verfahren
Echokardiografie
Die Echokardiografie bleibt weiterhin die Basis zur Diagnosesicherung der infektiösen
Endokarditis. Sie ist schnell durchführbar, einfach zu wiederholen und hat eine hohe
diagnostische Sensitivität. Unabhängig davon, ob es sich um eine native Endokarditis
oder eine Prothesenendokarditis handelt, dient die transthorakale Echokardiografie
(TTE) als primäres bildgebendes Verfahren. Bei klinischem Verdacht auf eine infektiöse
Endokarditis ist immer zusätzlich eine transösophageale Echokardiografie (TEE) indiziert
([Abb. 2]).
Abb. 2 Transösophageale Echokardiografie bei nativer Doppelklappenendokarditis mit Vegetationen
auf der Mitralklappe (Pfeil) und Aortenklappe (gestrichelter Pfeil).
Dabei muss beachtet werden, dass die Interpretationen der Echokardiografie – je nach
Erfahrung des Untersuchers – oft erheblich voneinander abweichen. Daher sollten auch
extern bereits durchgeführte Echokardiografien immer intern kontrolliert werden. Bei
anfänglich unauffälligem Befund muss je nach klinischem Verlauf eine TTE- und TEE-Kontrolle
innerhalb von 5 bis 7 Tagen durchgeführt werden.
Im Rahmen der postoperativen Kontrolle bzw. Therapiekontrolle bei medikamentöser Therapie
ist die Echokardiografie das Basisinstrument zur bildgebenden Erfolgskontrolle. Eine
TEE ist in folgenden Fällen erforderlich:
-
Bei einem operativen Eingriff zur Behandlung der infektiösen Endokarditis ist sie
bei allen Patienten unmittelbar präoperativ notwendig und dient der definitiven Festlegung
der operativen Strategie, insbesondere unter dem Aspekt einer radikalen Sanierung.
-
Nach Sanierung der Herzklappen ist sie zwingend erforderlich, um noch intraoperativ
den Erfolg der OP zu kontrollieren.
Vor Entlassung ist zumindest eine TTE notwendig. Unabhängig davon, ob es sich um eine
konservativ oder operativ behandelte infektiöse Endokarditis handelt, ist bei klinischen
Komplikationen (erneutes Fieber, neues Herzgeräusch, erneute AV-Blockierungen) eine
sofortige echokardiografische Nachuntersuchung indiziert. Dabei müssen die Voraufnahmen
zurate gezogen werden, um die Befunde richtig interpretieren zu können.
Praxistipp
Bei infektiöser Endokarditis ist insbesondere nach komplexen kardiochirurgischen Eingriffen
die Rücksprache mit dem Operateur zwingend notwendig, um die echokardiografischen
Befunde richtig einschätzen und einordnen zu können.
Bei Patienten, die konservativ-medikamentös behandelt werden, ist eine regelmäßige
echokardiografische Verlaufskontrolle des Klappenstatus indiziert, um evtl. fortschreitende
Klappeninsuffizienzen und Vegetationen oder Abszesse nachweisen zu können. In welchem
Abstand diese Untersuchungen am besten stattfinden und mit welcher Modalität, richtet
sich u. a. nach dem Primärbefund, dem klinischen Verlauf und dem nachgewiesenen mikrobiologischen
Befund.
Praxistipp
Die frühzeitige Vorstellung der echokardiografischen und klinischen Befunde in einem
kardiochirurgischen Zentrum kann wesentlich dazu beitragen, dass die weitere Therapiestrategie
bei infektiöser Endokarditis individuell optimiert wird.
Bei Verdacht auf eine native infektiöse Endokarditis liegt die Sensitivität einer
TTE bei 50 – 90% und die Spezifität bei 90% [8]. Bei einer Prothesenendokarditis reduziert sich die diagnostische Sensitivität der
TTE auf 40 – 70%. Neben der primären Diagnose ergeben sich durch die TTE Hinweise
auf die Ventrikelfunktion und auf die hämodynamischen Auswirkungen der Klappenläsion.
Außerdem kann das Ausmaß einer anterioren aortalen Protheseninfektion abgeschätzt
werden, die sich in der TEE nur unzureichend darstellen lässt [9]. Die Indikation einer TEE ergibt sich bei unzureichendem diagnostischem Befund in
der TTE, bei Verdacht auf intrakardiale Komplikationen und dem Vorhandensein von intrakardialem
prothetischem Material bzw. intrakardialen rhythmologischen Systemen (z. B. Schrittmachersonden,
Defibrillatorsonden).
Weitere bildgebende Verfahren
Die kardiale Computertomografie (CT) ist eine wesentliche zusätzliche bildgebende Maßnahme in den Fällen, in denen
die pathologische Anatomie echokardiografisch nur unzureichend dargestellt werden
kann. Sie hat dementsprechend Eingang in die Leitlinien gefunden [10]. Mögliche Vorteile hat die kardiale CT in der Darstellung der paravalvulären Anatomie
und Pathologie und dementsprechend bei Komplikationen, die von paravalvulären Abszessen
([Abb. 3]) bis hin zu aortomitralen Dehiszenzen reichen können. Dies kann ganz entscheidende
Konsequenzen für die weitere kardiochirurgische Therapie haben. Zusätzlich sind im
Fall einer Protheseninfektion weniger Artefakte als bei der echokardiografischen Untersuchung
zu finden [11]. Außerdem liefert die kardiale CT eine zusätzliche Darstellung der Koronararterien
mit möglicher Diagnostik einer koronaren Herzgefäßerkrankung. Insgesamt ist die CT-gestützte
Darstellung paravalvulärer Läsionen ein leitliniengestütztes Hauptdiagnosekriterium
für die infektiöse Endokarditis [11].
Abb. 3 CT einer Aortenprothesenendokarditis mit Verdacht auf paraaortale Abszessbildung
(Pfeil).
Ob bei infektiöser Endokarditis eine präoperative Koronarangiografie durchgeführt wird, ist eine individuelle Entscheidung, speziell im Fall einer Aortenklappenendokarditis
mit ausgeprägten Vegetationen. Insbesondere bei bereits vorhandenen Bypässen kann
die selektive Bypassdarstellung sinnvoll sein. Bei zu hohem Risiko einer Embolisation
ist die Koronar-CT zu bevorzugen.
Ein neuer diagnostischer Einsatzbereich ergibt sich durch die Kombination von CT und
metabolischer Bildgebung durch 18-Fluorodexoxyglukose-Positronen [11]. In den aktuellen Leitlinien erweitert das 18-FDG-PET/SPECT die diagnostischen Kriterien für eine Prothesenendokarditis als Hauptindikationskriterium
für eine Prothesenendokarditis.
Praxistipp
Der besondere diagnostische Stellenwert von CT und 18-FDG-PET/SPECT bei infektiöser
Endokarditis ergibt sich insbesondere bei Patienten mit Verdacht auf eine Spätprothesenendokarditis
mit unklarem echokardiografischem Befund. Hingegen ist die Aussagekraft der Methode
innerhalb der ersten 3 postoperativen Monate deutlich eingeschränkt.
Neben der kardialen Diagnose einer infektiösen Endokarditis haben weiterführende diagnostische
Übersichtsuntersuchungen anderer Organsysteme eine relativ hohe Rate an sekundären
subklinischen Komplikationen wie Embolien, Hämorrhagien oder Abszessen aufgezeigt.
Bei einer routinemäßigen zerebralen MRT konnte bei 80% der Patienten ein pathologischer Befund eruiert werden [12]. Entsprechende Untersuchungsergebnisse liegen für andere Organsysteme vor und haben
damit zur Absicherung der Diagnose „infektiöse Endokarditis“ beigetragen. Dementsprechend
gilt nach den aktuellen Leitlinien der bildgebende Nachweis eines embolischen Ereignisses
als neues Minor-Kriterium einer infektiösen Endokarditis.
Insgesamt bleibt abzuwarten, inwieweit eine routinemäßige Anwendung bildgebender Verfahren
neben der Echokardiografie bei der infektiösen Endokarditis mit einem definitiven
prognostischen Vorteil verbunden ist.
Praxistipp
Wenn ein embolisches Ereignis Erstmanifestation einer infektiösen Endokarditis ist,
ist es entscheidend, an die Möglichkeit einer primären kardialen Ursache zu denken
und eine entsprechende Diagnostik (Echokardiografie!) durchzuführen.
Mikrobiologie
Aufgrund des erhöhten Anteils nosokomial bedingter Infektionen überwiegt das entsprechende
Keimspektrum bei einer infektiösen Endokarditis. Staphylococcus aureus ist dabei mit
30% der Hauptvertreter und verursacht oft einen sehr aggressiven und komplikationsreichen
klinischen Verlauf. Dies betrifft die native Endokarditis im gleichen Maße wie die
Prothesenendokarditis [13]. Weitere Hauptgruppen sind orale Streptokokken (20%), sonstige Streptokokken (10%)
und Enterokokken (5%). Bei Patienten mit negativen Blutkulturen konnten differenziertere
Blutkulturtechniken unter Einsatz der Massenspektroskopie zur schnelleren Identifizierung
von Bakterien beitragen. Molekulare diagnostische Maßnahmen wie die Polymerasekettenreaktion
(PCR) haben die mikrobiologischen diagnostischen Möglichkeiten bei kulturnegativer
Endokarditis erweitert [14].
Therapie
Antibiotische Therapie
Die Einführung der antibiotischen Therapie war Grundvoraussetzung für eine Verbesserung
der Prognose der infektiösen Endokarditis. Die aktuellen Therapieempfehlungen für
eine differenzierte Antibiotikatherapie bei infektiöser Endokarditis gehen aus den
Leitlinien von ESC und AHA hervor.
Therapieverkürzung
Bei der antibiotischen Therapie wird ein zunehmendes Augenmerk darauf gelegt, dass
die Therapieeffizienz einerseits und die Gesamtrisiken und medikamentenassoziierten
Nebenwirkungen andererseits in einem balancierten Verhältnis stehen. Dies umfasst
insbesondere auch eine Verkürzung der Medikamentengabe. Bei Patienten mit oralen Streptokokken
als Auslöser und einer unkompliziert verlaufenden infektiösen Endokarditis war eine
nur 14-tägige antibiotische Kombinationstherapie mit Penicillin und einem Aminoglykosid
klinisch sicher und effektiv. Umgekehrt mehren sich in aktuellen Studien die Hinweise
auf einen möglichen toxischen Effekt von Aminoglykosiden ohne definitiven klinischen
Nutzen. Dies betrifft insbesondere renale Nebenwirkungen. Konsequenterweise sind Aminoglykoside
in bestimmten mikrobiologischen Konstellationen aus den Leitlinienempfehlungen herausgenommen
worden [15].
Die Wirksamkeit und bessere Verträglichkeit einer kürzeren antibiotischen Therapie
(2 Wochen) sollte durch weitere klinische Studien belegt werden. Dies betrifft beispielsweise
Patienten nach radikaler operativer Klappensanierung.
Orale Anwendung
In der Applikation der Antibiotika spielt die orale Anwendung bei infektiöser Endokarditis
eine zunehmende Rolle. Dies erklärt sich durch die Möglichkeit, dadurch den Krankenhausaufenthalt
zu verkürzen und auf intravenöse Zugangswege (z. B. Verweilkanülen, ZVK) verzichten
zu können. Bei drogenabhängigen Patienten mit nativer Rechtsherzendokarditis konnte
die Gleichwertigkeit einer oralen Therapie mit Ciprofloxacin und Rifampicin demonstriert
werden [16]. Eine randomisierte Studie zur Analyse einer partiellen oralen Therapie bei infektiöser
Endokarditis wurde in Dänemark initiiert [17]. Ähnlich wie bei der Therapiedauer bleiben die Ergebnisse entsprechender randomisierter
Studien die Voraussetzung zur gesicherten oralen Antibiotikatherapie bei Endokarditis.
Die wesentlichen Herausforderungen einer erfolgreichen Antibiotikatherapie bei infektiöser
Endokarditis sind eine zunehmende bakterielle Toleranz und Resistenzlage [18].
Praxistipp
Eine prinzipielle orale antibiotische Therapie kann gegenwärtig nicht empfohlen werden
und muss ggf. individuell streng geprüft werden. Insbesondere bei der Prothesenendokarditis
muss die intravenöse Antibiotikatherapie postoperativ konsequent (4 – 6 Wochen) fortgesetzt
werden.
Chirurgische Therapie
Indikationen
Indikationen einer chirurgischen Therapie bei infektiöser Endokarditis sind eine Klappendestruktion
mit daraus resultierender Herzinsuffizienz, eine unkontrollierte Infektion und die
Prävention einer Embolisierung:
-
Hinsichtlich der akuten Herzinsuffizienz stehen die Aortenklappen- und Mitralklappeninsuffizienz
durch Klappendestruktion im Vordergrund. Oft ist dabei ein notfallmäßiges kardiochirurgisches
Vorgehen erforderlich. Klinisch sind bei diesen Patienten die respiratorische Insuffizienz
bei Lungenödem und der kardiogene Schock am häufigsten.
-
Eine unkontrollierte Infektion äußert sich durch anhaltend positive Blutkulturen trotz
adäquater Antibiotikatherapie und adäquater Kontrolle septischer Emboliequellen. Im
Fall einer Prothesenendokarditis durch Staphylokokken ist oft die erneute kardiochirurgische
Therapie unvermeidlich.
-
Vegetationen sind die wesentliche Emboliequelle bei infektiöser Endokarditis und dementsprechend
eine mögliche Indikation zum operativen Eingriff. Ausgehend von retrospektiven Studien
ergibt sich bei Vegetationen größer 10 mm ein deutlich erhöhtes Embolierisiko mit
konsekutiver OP-Indikation. Allerdings ist nicht nur die Größe, sondern auch die Lokalisation
der Vegetation zu berücksichtigen (frei flottierend in den Ausflusstrakt vs. fest
am Rand anheftend). Zu beachten ist, dass es sich bei Ausbildung und Größenänderung
von Vegetationen um einen fließenden Prozess handelt, der regelmäßig echokardiografisch
überwacht werden sollte.
Praxistipp
Die infektiöse Endokarditis ist eine progressive und aggressive Erkrankung, bei der
der Faktor Zeit oft eine prognostisch wesentliche Rolle spielt. Dementsprechend handelt
es sich bei einer infektiösen Endokarditis praktisch immer um eine dringliche Operation
– ggf. auch um eine Notfall-OP, speziell bei akuten und hochgradigen Klappeninsuffizienzen.
Vorgehen
Die chirurgische Vorgehensweise bei infektiöser Endokarditis verfolgt verschiedene
Ziele:
-
komplette Resektion infizierter Klappen und Fremdkörper (z. B. Prothesen)
-
radikales Débridement und Sanierung paravalvulären Gewebes bzw. möglicher Abszesshöhlen
-
Wiederherstellung der kardialen Kontinuität und Funktionalität einschließlich der
Klappenfunktion durch Klappenrekonstrunktion bzw. Klappenersatz
-
Entfernung möglicher Emboliequellen (z. B. Vegetationen)
Die Möglichkeit zur Klappenrekonstruktion ergibt sich vor allem bei der Mitralklappenendokarditis,
wobei dabei keine Kompromisse hinsichtlich der Radikalität der Sanierung gemacht werden
dürfen.
Hinsichtlich möglicher prognostischer Vorteile unterschiedlicher Implantate (biologisch
vs. mechanisch, Homograft vs. kommerzielle Conduits) konnten in den letzten Jahrzehnten
(!) keine entscheidenden klinisch-prognostisch relevanten Unterschiede festgestellt
werden [19]. Inwieweit die Oberflächenmodifikationen von Implantaten, die in aktuellen experimentellen
Verfahren zur Anwendung gekommen sind, zu einer Verbesserung der Prognose beitragen,
bleibt abzuwarten.
Praxistipp
Für die Prognose scheint weniger die Implantatauswahl als vielmehr das radikale chirurgische
Vorgehen wichtig zu sein. Dabei reicht die Komplexität der Eingriffe vom „einfachen“
Klappenersatz bis hin zu höchst komplexen kardiochirurgischen Eingriffen mit der Notwendigkeit
sehr differenzierter Operationstechniken. Der Erfahrung des Operateurs mit dem kardiochirurgischen
Krankheitsbild einer infektiösen Endokarditis kommt dabei eine besondere Bedeutung
zu.
Therapie infektiöser Herde
Parallel zum kardiochirurgischen Eingriff ergibt sich oft die Notwendigkeit einer
Sanierung primär infektiöser Foci (dentale Genese, Weichteilinfektionen, infektiöse
Knochenerkrankungen) oder aber die Sanierung embolisch oder septisch bedingter Komplikationen
(z. B. Milzabszess). Dies kann zur Vermeidung von Rezidiven entscheidend sein und
verdeutlicht die Notwendigkeit einer interdisziplinären Therapie. Kommt es zu einem
septischen Schock, ist neben der chirurgischen Therapie mit Entfernung des infizierten
Materials eine Sepsistherapie (u. a. Vasopressoren, massive Volumengabe) notwendig.
Oft hat die chirurgische Therapie in diesem Fall eine schlechtere Prognose als bei
nicht septischen Patienten [6].
Prognose und Risiko-Scores
Der Anteil chirurgisch behandelter Patienten bei infektiöser Endokarditis liegt bei
50 – 60% mit Überlebensraten über 80% nach 6 Monaten [18]. Insgesamt ist die Prognose der infektiösen Endokarditis nach chirurgischer Therapie
im Langzeitverlauf mit Überlebensraten von 40 – 60% nach 10 Jahren jedoch immer noch
schlechter als bei der elektiven Klappenchirurgie [20]. Welche Faktoren (z. B. Klappenkomplikationen, extrakardiale Komplikationen) dabei
zur schlechteren Prognose beitragen, ist weiterhin unklar.
Hinsichtlich einer verbesserten prognostischen Abschätzung chirurgisch behandelter
Patienten mit infektiöser Endokarditis sind in den letzten Jahren Scores entwickelt
worden, die spezifische Risikokonstellationen bei diesen Patienten berücksichtigen
[21]. Wesentliche Faktoren, die sich prognostisch auswirken können und ggf. gegen ein
operatives Vorgehen sprechen, sind präoperatives Leber- und Nierenversagen, Herzinsuffizienz
mit hämodynamischer Instabilität und präoperativer Apoplex. Die klinisch relevante
Implementierung eines Risiko-Scores bei infektiöser Endokarditis lässt sich anhand
des PALSUSE-Scores zeigen [22]. Dieser Score umfasst die Parameter Patientenalter > 70 Jahre, kardiale Destruktion,
Staphylokokkeninfektion, Notfalleingriff, weibliches Geschlecht und einen Euro-Score
> 10 als prädiktive Faktoren der Hospitalmortalität: Bei einem PALSUSE-Score von 0
fand sich eine Mortalität von 0%, bei einem Score von > 3 eine Mortalität von 45%
[22].
Die präoperative Anwendung solcher Risiko-Scores bei infektiöser Endokarditis könnte
insbesondere bei Hochrisikopatienten mit einer Vielzahl prädiktiver Risikofaktoren
eine Entscheidungshilfe für die Indikation zur Operation sein. Dies schließt auch
ein konservatives Vorgehen bei Patienten ein, bei denen eigentlich eine Operation
indiziert wäre, die aber aufgrund der Akkumulation der genannten Risikofaktoren inoperabel
sind. Speziell in dieser absoluten Hochrisikopatientengruppe wäre eine randomisierte
Studie mit konservativ vs. operativ versorgten Patienten von höchster klinischer Relevanz,
lässt sich jedoch logistisch wie ethisch-medizinisch nur schwer umsetzen.
Praxistipp
Mit der Anwendung von Risiko-Scores bei infektiöser Endokarditis soll Höchstrisikopatienten
mit infektiöser Endokarditis nicht der operative Eingriff vorenthalten werden. Vielmehr
soll die verbesserte individuelle Therapie dazu beitragen, den optimalen Operationszeitpunkt
in dieser Höchstrisikogruppe zu finden. Für Patienten mit infauster Prognose ergibt
sich zusätzlich eine Grundlage, von einem operativen Eingriff Abstand zu nehmen und
rein palliative bzw. konservative Maßnahmen anzubieten.
Fallbeispiel
Die Notfallaufnahme stellt in der Kardiochirurgie einen 24-jährigen jungen Mann mit
den folgenden Aufnahmediagnosen vor:
-
akute infektiöse Endokarditis der Mitral- sowie der Trikuspidalklappe mit Nachweis
von Staphylococcus aureus und resultierender Mitralklappeninsuffizienz II. – III.
Grades sowie Trikuspidalklappeninsuffizienz III. Grades
-
Drogenabhängigkeit (Mischintoxikation mit Amphetaminen, Metamphetaminen, Methadonabbauprodukten,
Benzodiazepinen und THC)
-
Hepatitis C
-
Linksherzinsuffizienz NYHA III
-
Hypothyreose
-
multiple embolische Hirninfarkte mit kleinster linksokzipitaler Einblutung
-
Sepsis
-
Milzinfarkt
-
bipulmonale Infiltrate
-
multiple Mikroembolien der Haut
Aufgrund der klinischen Gesamtsituation wird sofort eine transösophageale Echokardiografie
durchgeführt. Direkt im Anschluss werden notfallmäßig die Mitral- und die Trikuspidalklappe
durch Bioprothesen ersetzt.
Im alles andere als komplikationslosen Verlauf ergeben sich die folgenden Diagnosen:
-
akute Bronchitis mit Nachweis von Staphylococcus aureus
-
akute pulmonale Insuffizienz nach Thoraxoperation
-
akute Blutungsanämie
-
Koagulopathie
-
Thrombozytopathie
-
Nierenversagen
-
AV-Block III. Grades
-
Hyponatriämie
-
hochgradige proximal betonte schlaffe Tetraparese mit Verdacht auf Pyramidenbahnläsion
zu beiden Beinen (nach Reflexstatus)
-
schweres hirnorganisches Psychosyndrom
-
Verdacht auf kortikale Blindheit bei multiplen zerebralen Embolien
-
Mallory-Weiss-Blutung Ösophagus
-
Pleuraerguss rechts
20 Tage nach der ersten Operation wird die Implantation eines Herzschrittmachers (Zweikammersystem)
erforderlich. Der Patient wird am 39. Tag in die neurologische Anschlussbehandlung
verlegt.
Fallerläuterung: Dieser Fall verdeutlicht einen möglichen komplexen Verlauf bei Patienten mit infektiöser
Endokarditis, insbesondere bei vorherigem Drogenabusus. Dies betrifft den Befall der
Trikuspidalklappe (typisch bei intravenösem Drogenabusus), den hohen Anteil typischer
Komplikationen der Endokarditis (mit Sepsis, neuroembolischen Ereignissen, Organembolien
und Klappendestruktion mit konsekutiver Insuffizienz) als auch den langen postoperativen
Verlauf, der insbesondere auf neurologische Komplikationen zurückzuführen ist. Insbesondere
bei Drogenabusus muss von einer hohen Rezidivrate ausgegangen werden.
Fallbeispiel
In der herzchirurgischen Klinik wird ein 86-jähriger Patient mit Z. n. Doppelklappenersatz
und Verdacht auf Prothesenendokarditis vorgestellt. Der Patient ist in einem hochseptischen
Zustand mit sekundärem Nieren- und Leberversagen und respiratorischer Insuffizienz
mit konsekutiver Intubation.
Echokardiografisch bestätigt sich der Befund einer ausgeprägten Prothesenendokarditis
mit paravalvulärer Aortenprothesen- und Mitralklappenprotheseninsuffizienz. Prinzipiell
ist damit ein operativer Doppelklappenersatz indiziert. Da der Patient aber inoperabel
ist, wird in Absprache mit den internistischen Kollegen und Angehörigen von einer
erneuten Operation abgesehen und ausschließlich die antibiotische Therapie fortgeführt.
Der Patient verstirbt 2 Tage später im septischen Multiorganversagen.
Fallerläuterung: Patienten mit Prothesenendokarditis sind oft in einem sehr schlechten Allgemeinzustand
und haben eine infauste Prognose. Dies betrifft insbesondere ältere Patienten mit
sekundärem Organversagen und schwerem septischem Krankheitsbild mit hochdosierter
Katecholamintherapie. Über die Möglichkeit einer Operation muss dabei individuell
entschieden werden. Die z. T. infauste Prognose rechtfertigt in manchen Fällen den
Verzicht auf einen operativen Eingriff.
Operationszeitpunkt
Die Festlegung des Operationszeitpunktes bei infektiöser Endokarditis ist seit Jahren
Gegenstand von Diskussionen [23]. Dies betrifft insbesondere Patienten mit einem präoperativen neurologischen Ereignis,
wie es bei 20 – 40% aller Patienten mit infektiöser Endokarditis vorliegt. Weil keine
randomisierten Daten, sondern ausschließlich monozentrische Ergebnisse vorliegen,
kann keine eindeutige Empfehlung für ein „frühzeitiges“ (innerhalb der ersten 48 Stunden
nach zerebralem embolischem Ereignis) oder ein „verzögertes“ operatives Vorgehen (1 – 2
Wochen nach neurologischem Ereignis) gegeben werden. In den aktuellen Ergebnissen
wird tendenziell die frühzeitige Operation favorisiert, insbesondere unter dem Aspekt,
eine weitere zerebrale Embolisation zu verhindern [24].
Wesentliche Entscheidungshilfen für die Festlegung der Operationsindikation und des
Operationszeitpunktes sind der echokardiografische Befund – und dabei insbesondere
das Vorhandensein von Vegetationen (Größe und Struktur) – und CT-Verlaufskontrollen
zum Nachweis bzw. Ausschluss von Einblutungen, Infarkten und Ödemen. Bei Patienten
mit einem präoperativen zerebralen thromboembolischen Ereignis sind tägliche echokardiografische
Kontrollen obligat. Insbesondere bei Patienten mit ausgeprägtem intrazerebralem Infarktareal
ist eine CT-Verlaufskontrolle zum Ausschluss frischer Einblutungen und Ödeme vor Anwendung
der extrakorporalen Zirkulation zwingend erforderlich, um den notwendigen operativen
Eingriff nach zerebroembolischen Ereignissen zeitgerecht durchführen zu können.
Fallbeispiel
Ein 47-jähriger Patient wird von der Neurologie zugewiesen. Er hat am Vortag einen
Schlaganfall erlitten, als dessen Ursache sich eine Aortenklappenendokarditis mit
ca. 2,5 cm großen flottierenden Vegetationen und hochgradiger Aortenklappenendokarditis
findet. In der CT ist ein demarkiertes Infarktareal im Okzipitallappen ohne Blutung,
Begleitödem und Hirndruckzeichen nachweisbar.
In Absprache mit Neurologen und Radiologen wird die Indikation zum sofortigen operativen
Eingriff gestellt und ein biologischer Aortenklappenersatz durchgeführt. Der postoperative
Verlauf gestaltet sich komplikationslos, die neurologischen Ausfallerscheinungen gehen
postoperativ zurück, sodass der Patient am 10. postoperativen Tag in die neurologische
Anschlussheilbehandlung entlassen werden kann.
Fallerläuterung: Zerebroembolische Komplikationen bei Endokarditis betreffen 20 – 40% aller Patienten
mit infektiöser Endokarditis. Die Indikation zum operativen Eingriff und insbesondere
die Festlegung des Operationszeitpunktes stellen besondere Herausforderungen an das
Endokarditis-Team und sind seit Jahren Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen.
Dabei gilt es, das Risiko weiterer zerebroembolischer Komplikationen abzuwägen gegen
das Risiko einer Verschlechterung des Neurostatus unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine
mit Vollheparinisierung bei gestörter Blut-Hirn-Schranke. Im vorliegenden Fall wurde
bei hohem Risiko einer erneuten Embolisation und fehlenden Zeichen einer frischen
intrazerebralen Blutung oder eines Ödems die Entscheidung für einen operativen Eingriff
getroffen. Insgesamt bleibt die Festlegung des Operationszeitpunktes eine interdisziplinäre
Entscheidung zwischen Herzchirurgen, Neurologen, Internisten und Radiologen und verdeutlicht
die Notwendigkeit eines Endokarditis-Teams zur Entscheidungsfindung.
Hinsichtlich der chirurgischen Therapie ergeben sich durch die vermehrte Anwendung
kathetergestützter Klappeneingriffe neue Herausforderungen in der Therapie der infektiösen
Endokarditis. Gelten Patienten aus dieser Patientengruppe primär als inoperabel, ergibt
sich in der Situation einer Prothesenendokarditis eine sehr komplexe Therapieentscheidung.
Aufgrund kleiner Patientenzahlen sind Ergebnisse einer Multicenterstudie am aussagekräftigsten.
Insgesamt sind die Inzidenzen einer Endokarditis vergleichbar mit den Ergebnissen
bei konventionellen Klappenprothesen. Die Ergebnisse der chirurgischen wie auch der
konventionellen Therapie sind mit Krankenhausmortalitäten von 40 – 80% erwartungsgemäß
sehr schlecht [25].
Stellenwert des Endokarditis-Teams
Wie beschrieben stellt das Krankheitsbild der infektiösen Endokarditis besondere Herausforderungen
an Diagnostik und Therapie, die verschiedene Organsysteme betreffen können und daher
verschiedene medizinische Abteilungen involvieren. Es ist dementsprechend naheliegend,
die Therapieentscheidungen nicht ausschließlich auf eine betreuende Abteilung zu beschränken,
sondern die Diagnose- und Therapieoptionen interdisziplinär zu diskutieren und festzulegen.
Darüber hinaus erfordert die Komplexität der Erkrankung in vielen Fällen die Verlegung
in spezialisierte Abteilungen, die entsprechende interdisziplinäre Expertise in den
Behandlungen insbesondere der komplexen infektiösen Endokarditis haben. Das in den
aktuellen Leitlinien geforderte Endokarditis-Team, das aus verschiedenen Fachbereichen
zusammengesetzt sein soll (Kardiologe, Kardiochirurg, Mikrobiologe, Neurologe, Radiologe
und Anästhesist), trägt dieser Philosophie [26] Rechnung, wobei die konkrete Umsetzung sicherlich in jedem einzelnen Zentrum unterschiedlich
aussehen wird. Inwieweit sich daraus ein prognostischer Vorteil ergibt, bleibt abzuwarten.
Praxistipp
Die richtige klinische Einschätzung und korrekte Therapieauswahl bei Patienten mit
einer infektiösen Endokarditis ist häufig ein hochdifferenzierter Entscheidungsprozess,
der oft große Erfahrung erfordert. Die frühzeitige Kontaktaufnahme von peripheren
klinischen Häusern mit einem Referenzzentrum für Endokarditis kann sicherlich einen
wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Prognose darstellen.
Fazit
Die infektiöse Endokarditis ist trotz wesentlicher Verbesserungen in Prävention, Diagnose
und Therapie eine besondere Herausforderung geblieben. Dies ergibt sich insbesondere
aus der über Jahrzehnte gleichbleibenden Gesamtletalität von 20 – 30%. Hinsichtlich
der Prävention gilt die Antibiotikaprophylaxe bei Hochrisikopatienten weiterhin als
Standard. Mögliche Ansätze zur Verbesserung der Prognose ergeben sich durch eine frühzeitigere
Diagnose durch erweiterte Diagnostik (CT, PET) und ein differenzierteres Therapieregime
mit Optimierung der Indikationsstellung zum operativen Eingriff und Festlegung des
Operationszeitpunktes. Die Antibiotikatherapie unterliegt, in Abhängigkeit vom Keimspektrum
und von pharmakologischen Erkenntnissen, Modifikationen, die sich an der Abwägung
von Therapieerfolg und toxischen Nebenwirkungen orientieren. In der chirurgischen
Therapie steht weiterhin die Radikalität in der Entfernung infizierten Materials und
Gewebes im Vordergrund. Große multizentrische randomisierte Studien sind in dieser
Patientengruppe schwer zu realisieren, wären aber in bestimmten Fragestellungen von
hoher klinischer Relevanz. Das Endokarditis-Team kann über einen interdisziplinären
Diagnostik- und Therapieansatz möglicherweise dazu beitragen, die Prognose zu verbessern.
Kernaussagen
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Die infektiöse Endokarditis ist eine seltene, aber seit Jahrzehnten weiterhin lebensbedrohliche
Erkrankung mit einer anhaltenden Gesamtletalität von 20%. Es werden 2 klinische Verlaufsformen
unterschieden: die native Endokarditis und die Prothesenendokarditis.
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Die Diagnose der Erkrankung orientiert sich neben den klinischen Symptomen einer Infektionserkrankung
und mikrobiologischen Verfahren an der Bildgebung, vor allem der transthorakalen und
transösophagealen Echokardiografie. Extrakardiale Komplikationen tragen dabei oft
zur Verzögerung der Diagnosestellung bei.
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Die Therapie einer infektiösen Endokarditis orientiert sich an 2 Eckpfeilern: der
medikamentös-antibiotischen Therapie und der kardiochirurgischen Sanierung. Dabei
ergibt sich oft die Notwendigkeit eines kombinierten Vorgehens. Die kardiochirurgische
Therapie strebt eine Wiederherstellung der Klappenfunktionen unter radikaler Entfernung
infizierten Materials an.
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Die Prognose der Erkrankung ist wesentlich an eine frühzeitige Diagnosesicherung gebunden.
Die Festlegung der adäquaten Therapie setzt ein interdisziplinäres Vorgehen voraus.
Spezielle Risiko-Scores könnten zur verbesserten individuellen Therapie beitragen.
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Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag
ist Prof. Dr. med. habil. Sems Malte Tugtekin, Dresden.