Zeitschrift für Palliativmedizin 2008; 9(1): 3-4
DOI: 10.1055/s-2008-1082348
Forum

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Kongressbericht - Forum Palliativmedizin - Das Lebensende gestalten

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Publication Date:
11 July 2008 (online)

 

Das "Forum Palliativmedizin", das vom 23.-24. November 2007 in Berlin stattfand, war ein lebendiger und im besten Sinne bun-ter Marktplatz (lat. forum), auf dem verschiedene Themen der Palliativmedizin engagiert und kompetent vorgetragen und diskutiert wurden. Mit knapp 500 Teilnehmern übertraf die Besucherzahl alle Erwartungen und unterstrich damit die Aktualität des Themas und die hohe Qualität des Programms.

Durch sehr gute und abwechslungsreich gestaltete Vorträge erfüllte die hochkarätig besetzte Referentenliste aus verschiedenen Professionen und Disziplinen die in sie gesetzten Hoffnungen. Die Räumlichkeiten der Aesculap Akademie im Langenbeck-Virchow-Haus an der Charité sorgten für ein angenehmes und passendes Ambiente. Friedemann Nauck ist mit diesem Forum ein hervorragender öffentlicher Auftakt seiner Professur in Göttingen gelungen, mit Wirkung weit über Berlin und Göttingen hinaus [Abb.].

Das Forum Palliativmedizin in Berlin war mit etwa 500 Teilnehmern sehr gut besucht (Bild: C. Ostgathe).

Vor der offiziellen Eröffnung des Forums trafen sich am Freitag Vormittag 60 Teilnehmer in 3 Workshops zum Liverpool Care Pathway (LCP), einem Behandlungspfad zur Betreuung sterbender Patienten im Krankenhaus. Von jeweils 2 Referenten wurden die Ziele und die Struktur des LCPs interaktiv vorgestellt und gemeinsam mit den Teilnehmern erarbeitet. Der LCP wird seit einigen Jahren erfolgreich in Großbritannien eingesetzt und nun erstmalig im deutschsprachigen Raum (St. Gallen und Oldenburg) implementiert.

Nach der Begrüßung durch die Veranstalter (Nauck und Burmeister) eröffnete Klaus Aurnhammer den Themenblock mit einem fesselnden und nachdenklich stimmenden Vortrag und Schauspiel zum Thema "Zeit - ein Thema in der Palliativmedizin nicht nur am Lebensende". Aus verschiedenen Blickwinkeln zeigte er sehr authentisch die Vielfältigkeit und Bedeutungsvielfalt von Zeit im palliativen Setting auf. Steffen Eychmüller und Mona Mettler aus St. Gallen/Schweiz stellten anschließend den LCP als ein Qualitätsprojekt zur Sterbebegleitung außerhalb der Palliativstationen und Hospizen auch dem Plenum vor. Lukas Radbruch und Gabriele Lindena zeigten im Weiteren die Möglichkeiten und Grenzen der Hospiz- und Palliativerhebung (HOPE) auf, welche Daten von deutschen Palliativstationen, Hospizen, onkologischen Stationen und ambulanten Diensten erhebt. Ob hieraus eine Art Qualitätssiegel entstehen kann, bleibt offen.

Der 2. Themenblock des 1. Tages widmete sich ganz der palliativen Sedierung am Lebensende. Aus ethischer (Alfred Simon), juristischer (Volker Lipp) und medizinischer (Christof Müller-Busch) Sicht sowie aus dem Blickwinkel eines Teams (Nina Eulitz, Dirk Eggebrecht) wurde dieses schwierige Thema sehr kritisch, breitgefächert und praxisnah diskutiert. Es zeigte sich, wie wichtig auf der einen Seite das vorsichtige Abwägen, kritische Hinterfragen und gute Hinhören gerade in Grenzsituationen sind und auf der anderen Seite klare Definitionen und Kriterien, um sich deutlich von der aktiven Sterbehilfe abzugrenzen und hier kein undurchsichtiges Grau entstehen zu lassen. Eine philosophische Betrachtung von Birgit Jaspers zu den Grenzen der Palliativmedizin rundete diesen Tag ab. Am Abend wurde zur geselligen Runde und Austausch in die wunderbare Kulisse des Medizinhistorischen Museums geladen.

Der 1. Themenblock am 2. Tag widmete sich ganz der Qualifizierung und Lehre. Bernadette Fittkau-Tönnesmann, Frank Elsner und Christoph Ostgathe trugen sehr versiert und kompetent sowie lebendig und anschaulich den derzeitigen Stand und die vielfältigen Möglichkeiten der Fort- und Weiterbildung sowie der universitären Lehre im Bereich Palliativmedizin in Deutschland vor. Es wurde deutlich, dass es für eine qualitativ hochwertige Palliativversorgung gut ausgebildete und kompetente Menschen braucht. Die Vorträge zu "Lehre durch Patientenbegleitung" und "Schauspieler als Patient" zeigten die Vielfältigkeit in der Lehrmethode, aber auch die Notwendigkeit einer möglichst praxisnahen Ausbildung auf.

Der 2. Themenblock warf zum Abschluss den Fokus auf 4 aktuell wichtige Themen der Palliativmedizin. Mit der Frage "Wer ist der Palliativmediziner der Zukunft?" wagte Eberhard Klaschik den Blick in die Zukunft. Welche Fachbereiche werden in Zukunft dominieren? Wird es einen Facharzt für Palliativmedizin geben? Relativ sicher erscheinen die Notwendigkeit zu einer weiteren Qualifizierung und eine gute Balance zwischen integrativer und abgrenzender Positionierung zu anderen Fachbereichen. Und der zukünftig gute Palliativmediziner braucht neben den Managementqualitäten sicherlich auch weiterhin vor allem kommunikative und menschliche Kompetenz.

Volker Amelung referierte in einem spannenden und pointierten Vortrag zu den Management- und Führungsstrukturen innerhalb des deutschen Gesundheitssystems. Gerade jetzt, wenn es über das neue Gesetz zur spezialisierten ambulanten Palliativversorgung mehr Geld geben wird, ist eine stärkere politische Positionierung durch die Palliativmedizin nötig, da sonst die Gelder in andere Töpfe verschwinden und die Chance auf einen strukturellen Fortschritt wieder vertan werden.

Der Onkologin Claudia Binder gelang in einem authentischen und persönlichen Vortrag die o.g. Balance zwischen Integration und Abgrenzung bei der Frage nach der Grenze zwischen Palliativmedizin und Onkologie. Ohne politischen Standesdünkel, sondern aus der täglichen Praxis sprechend, wies sie die jeweiligen Grenzen und Gemeinsamkeiten der beiden Fachbereiche auf und plädierte für ein ehrliches und offenes Miteinander. Der Theologe Reiner Anselm schloss mit der Vorstellung neuer Studienergebnissen den Vormittag ab. Er zeigte, dass erst eine sehr differenzierte Analyse von Fragen und Antworten aus Patienten- bzw. Angehörigensicht zum Lebensende eine vorsichtige Schlussfolgerung zulässt - die in der aktuellen Diskussion um Sterbehilfe und Patientenverfügung gar nicht selbstverständlich ist.

Das "Forum Palliativmedizin-Das Lebensende gestalten" wurde von Friedemann Nauck mit Abschlussworten und guten Wünschen beendet. Ihm ist ausdrücklich für diese gelungene, inhaltsreiche und lebendige Tagung zu danken. Dass die Teilnehmer vorwiegend nicht aus der bekannten Palliativszene kamen, spricht für dieses Forum. Hier sind die Öffnung nach außen und die Positionierung in das politische Zentrum nach Berlin für das Anliegen der Palliativmedizin sehr hilfreich. Die 2 Tage Berlin haben Lust auf mehr gemacht!

Dr. Steffen Simon, Oldenburg

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