Aktuelle Ernährungsmedizin 2008; 33 - V1
DOI: 10.1055/s-2008-1079440

Schlechte Vorhersagbarkeit des Ruheenergieverbrauchs bei Frauen mit Adipositas

B Wilms 1, S Schmid 1, B Ernst 2, M Thurnheer 2, B Schultes 1, 2
  • 1Medizinische Klinik I, Universität Lübeck, Deutschland
  • 2Interdisziplinäres Adipositaszentrum, Kantonsspital St. Gallen, Rorschach, Schweiz

Einleitung: Der Ruheenergieverbrauch (REE) ist eine sehr konstante Größe und stellt bei inaktivem Lebensstil mit ca. 70% den Hauptanteil des 24-Stunden-Energieverbrauchs dar. Die Kenntnis des REE ist daher für die Durchführung von ernährungsmedizinischen Therapiemaßnahmen von essentieller Bedeutung. Eine Messung des REE mittels indirekter Kalorimetrie ist in der Praxis meist nicht möglich, so dass häufig Formeln zur Berechnung des REE eingesetzt werden. Wie genau diese Formeln jedoch den REE tatsächlich voraussagen können, ist insbesondere bei Menschen mit Adipositas weitgehend unbekannt.

Methoden: Wir testen die Genauigkeit von 11 etablierten REE-Formeln an einem Kollektiv von 160 adipösen Frauen (Alter: 41.3±13.2 Jahre; BMI: 42.8±7.5kg/m2). Die Körperzusammensetzung wurde mittels Bioelektrischer Impedanzanalyse (BIA) bestimmt (Fettmasse: 56.4±15.5kg, Fettfreie Masse: 57.5±8.2kg) und der REE mittels indirekte Kalorimetrie gemessen (REE-IK: 1919.9±299.2kcal/d).

Ergebnisse: Bei 7 der getesteten Formeln war der errechnet REE (RRE-F) kleiner als der gemessene REE-IK (alle P<0.001), bei 1 Formel größer als der REE-IK (P<0.05) und bei 3 Formeln unterschieden sich REE-IK und REE-F nicht (alle P>0.36). Obwohl sich bei allen Formeln eine enge Korrelation zwischen dem REE-IK und dem REE-F fand (alle r>0.782, P<0.001), konnte selbst die beste Formel bei mehr als 27% der untersuchten Frauen den REE-IK nicht mit einer ausreichenden Genauigkeit von±10% angeben. Eine Bland-Altman-Analyse zeigte zudem, dass alle 11 Formeln zu einer systematischen Überschätzung des REE bei niedrigen und zu einer systematischen Unterschätzung des REE bei hohen REE-IK Werten führten (Lineare Regression: r>0.221, P<0.05 für alle Formeln).

Schlussfolgerung: Alle der 11 getesteten Formeln zeigten eine mangelhafte Vorhersagequalität des REE bei adipösen Frauen. Selbst die beste Formel führte zu einer Über- bzw. Unterschätzung des REE um mindestens 130kcal bei mehr als 27% der Frauen. Auch die Verwendung von BIA-Daten verbesserte die Vorhersagegenauigkeit nicht. Somit besteht zur Zeit keine ausreichend gute Alternative zur Durchführung einer indirekte Kalorimetrie, wenn man den REE bei adipösen Frauen mit einer akzeptablen Genauigkeit bestimmen möchte.