Aktuelle Ernährungsmedizin 2008; 33 - A8_3
DOI: 10.1055/s-2008-1079433

Ernährung am Ende des Lebens – wieviel muss sein, wie wenig darf sein?

R Lenzen-Roßimlinghaus 1
  • 1Evangelisches Zentrum für Altersmedizin

Der Aufnahme von Nahrung und Flüssigkeit kommt nicht nur eine zentrale biologische Funktion zu, sie erfüllt darüber hinaus eine wesentliche soziale, religiöse und symbolische Funktion. Neben der bedarfsgerechten Sicherung der Nährstoffzufuhr sind auch die Stabilisierung verschiedenster Körperfunktionen zur Aufrechterhaltung einer selbständigen Lebensgestaltung zentrale Ziele der Ernährungstherapie.

Während im jungen Alter meistens Aspekte des möglichst langen Lebens in guter Gesundheit und Selbständigkeit im Zentrum der persönlichen Wünsche stehen, tritt am Ende des Lebens häufig für den betroffenen Menschen ein Wechsel des eigenen Empfindens, der persönlichen Ziele und Wünsche ein. Die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme verliert für den alten Menschen am Ende des Lebens seine zentrale Bedeutung. In dieser Situation ergibt sich für die Angehörigen, die Pflegenden und die Ärzte oft die Frage, wieviel Ernährungstherapie medizinisch notwendig, ethisch vertretbar und auf der anderen Seite vom Patienten gewünscht ist. Aspekte von „Verhungern und verdursten lassen“ stehen dem der „Zwangsernährung“ gegenüber.

Die Minderung der Aufnahme von Nahrung und Flüssigkeit ist Teil des natürlichen Sterbeprozesses, der durchaus Wochen und Monate vor dem Tod einsetzt und fortschreitet, bis der Kranke schließlich in einen präfinalen Dämmerzustand fällt. Dieses Terminalstadium des Lebens ist weitgehend unabhängig von der Art der zugrunde liegenden Erkrankung.

Um das Vorgehen bei terminal kranken Patienten bezüglich der Ernährungstherapie festzulegen, empfiehlt es sich, folgende ethischen Fragen, am besten im Dialog mit dem Patienten und mit allen an der Versorgung des Patienten beteiligten Personen zu klären: Besteht ein Hunger- und Durstgefühl? Sind das Hunger- und Durstgefühl auf oralem Weg zu stillen? Was wünscht der Patient in dieser Situation? Leidet der Patient unter dem Nährstoff- und Flüssigkeitsdefizit?

Erfahrungen aus der Geriatrie und der Palliativmedizin haben gezeigt, dass auch die Wünsche und Belastungen der Angehörigen häufig zu Maßnahmen führen, die nicht immer im Sinne des Patienten sind. In solcher Konstellation muss eine ausführliche Beratung der Angehörigen über die vorliegenden Zusammenhänge unter Darstellung von Nutzen und Risiken sowie unter Berücksichtigung des Patientenwillens als dem obersten Entscheidungsprinzip erfolgen. Ratsam ist es, solche Beratungen in palliativmedizinisch ausgerichteten Teamsitzungen durchzuführen.