Z Geburtshilfe Neonatol 2008; 212 - SEM8
DOI: 10.1055/s-2008-1079068

Besonderheiten der Versorgung I: Mekoniumaspiration, Hydrops, Pierre-Robin-Syndrom

E Mildenberger 1
  • 1Kinderklinik, Klinikum der Johannes-Gutenberg Universität, Mainz

Mekoniumaspiration

Intrauterine Hypoxien führen zur Minderdurchblutung des Darms mit anschließender Hyperperistaltik und Ausstoß von Mekonium. 9–15% aller Neugeborenen werden aus grünem Fruchtwasser geboren. In 4% dieser Fälle kommt es zum Mekoniumaspirationssyndrom. Dieses betrifft typischerweise hypotrophe oder übertragene Neugeborene, deren plazentare Sauerstoffreserven unter der Geburt nicht ausreichen. Das Mekonium wird bereits bei den fetalen Atemanstrengungen aspiriert und führt zu ungleichmäßiger Verstopfung kleiner Atemwege. Pharyngeales Absaugen vor dem ersten Atemzug erbrachte in einer pospektiv randomisierten Studie keine Vorbeugung vor der Mekoniumaspiration. Tracheales Absaugen ist bei vitalen Neugeborenen nachteilig. Erbsbreiartiges Fruchtwasser ist jedoch eine Indikation zum sofortigen trachealen Absaugen nicht vitaler Neugeborener. Dazu benutzt man entweder einen Mekonium-Aspirator oder man führt einen dicken Absaugkatheter in die Trachea ein. Sobald die Atemwege frei sind, sind Oxygenierung und Ventilation zu etablieren, eine eventuelle arterielle Hypotension durch Volumengabe zu normalisieren und eine ausreichende Energieversorgung durch Glukoseinfusion zu gewährleisten. Beatmung und CPAP sind möglichst zu vermeiden, denn diese erhöhen bei inhomogener Gasverteilung die Gefahr des Air trapping. Ist Beatmung nötig, sollten ein niedriger PEEP, kurze Inspirations- und lange Expirationszeiten angewendet werden. Um einem Pneumothorax (Inzidenz 20%) vorzubeugen, kann Sedierung oder Relaxation sinnvoll sein. Die Ausstattung für eine Notfallpunktion muss bereitliegen. In mehreren Studien wurde ein günstiger Effekt der Instillation von natürlichem Surfactant bei Mekoniumaspiration gezeigt. Mekonium induziert eine chemische Pneumonitis, die durch bakterielle Superinfektion kompliziert werden kann. Daher wird die Gabe von Antibiotika grundsätztlich empfohlen. Bei der Mekoniumaspiration kommt es häufig zur persistierenden pulmonalen Hypertension des Neugeborenen. Zusätzliche Faktoren wie Hypoxie, Azidose und Kälte sollten ausgeschaltet werden. Bereits bei Aufnahme eines Kindes mit Mekoniumaspiration sind die ECMO-Eintrittskriterien zu prüfen.

Hydrops fetalis

Der Hydrops fetalis ist eine seltene (Inzidenz 1:4000), höchst bedrohliche Störung. Beim immunologischen Hydrops und den intrauterinen Infektionen ist die Anämie ursächlich, bei anderen Hydropsformen ensteht sie durch Verdünnung. Es besteht eine Herzinsuffizienz – ursächlich für den Hydrops oder auf dem Boden einer Anämie oder Flüssigkeitsüberladung entstanden. Außerdem besteht eine Ateminsuffizienz – durch mechanische Faktoren (Aszites, Pleuraerguß) oder durch Lungenhypoplasie (Behinderung der intrauterinen Entwicklung der Lungen) bedingt. Schließlich kommen einige der Kinder aufgrund eines Polyhydramnion zu früh zur Welt und leiden zusätzlich an einem Atemnotsyndrom. Bei Geburt eines Neugeborenen mit Hydrops sollte man sich bereitlegen: mehrere große Abbocaths, Nabelgefäßkatheter, Blutaustauschtransfusions-Set und ein passendes Erythrocytenkonzentrat für den Teilaustausch während der Erstversorgung, Blutentnahmeröhrchen und Stoffwechselscreening-Karte. Ist eine Blutgruppenunverträglichkeit ursächlich, ist entsprechendes Match-Blut für den späteren Blutaustausch auf der Station zu bestellen. Ein Neugeborenes mit Hydrops fetalis wird wegen des Trachealödems primär intubiert. Hebt sich der Thorax auch bei hohem Spitzendruck und PEEP nicht, sollte Aszites abpunktiert werden. Ggf. ist die Pleurapunktion der nächste Schritt. Eine zweite Person legt einen Nabelvenenkatheter, misst den ZVD, entnimmt Blut zur Diagnostik und legt einen Nabelarterienkatheter. Dann werden Portionen á 2–3ml/kg Blut entnommen und durch Erythrocytenkonzentrat ersetzt. Bei hohem ZVD oder Zeichen des Lungenödems, führt man einen Defizitaustausch durch. D.h. es werden rd. 20% mehr Blut abgenommen als transfundiert. Während dieses Teilaustausches erhält das Kind eine Infusion von 5ml Glukose 10%/kg x h, nach dem Teilaustausch 1–2mg Furosemid/kg i.v. Erst wenn das hydropische Neugeborene stabilisiert ist (Hämatokrit 30%, ZVD 8–10cm H2O, suffiziente Beatmung, pH >7.2), kann es auf die Station verlegt werden.

Pierre-Robin-Syndrom

Das Pierre-Robin-Syndrom hat drei Komponenten: 1. Retrognathie/Mikrognathie, 2. Gaumenspalte, 3. eine dadurch bedingte Glossoptose. Diese kann eine Verlegung der Atemwege erheblichen Ausmaßes auslösen. Vielfach genügt es, die Neugeborenen in Bauchlage zu verbringen. Ist dies nicht ausreichend, kann ein Guedel-Tubus der Größe 00 die Atemwege freihalten. Nach Möglichkeit sollte die Intubation vermieden werden. Diese ist schwierig, weil man die Zunge mit dem Laryngoskop nicht weit genug nach vorne bringen kann. Bewährt haben sich Instrumente, mit denen die Zunge durch eine zweite Person aus dem Mund heraus gezogen wird. Z.B. eine Zungenzange, deren Ärmchen mit Gummi bewährt sind. Andere Modelle haben spitze Enden, mit denen man beißzangenartig die Zunge packt.