Z Geburtshilfe Neonatol 2008; 212 - P132
DOI: 10.1055/s-2008-1079035

Akute Lungenblutung bei extrem Frühgeborenen: Notfall-Behandlung mit rekombinantem Faktor VII

C Poralla 1, HJ Hertfelder 2, J Oldenburg 2, A Müller 1, A Franz 1, P Bartmann 1, A Heep 1
  • 1Universitätsklinik Zentrum f. Kinderheilkunde, Bonn
  • 2Institut für Experimentelle Hämatologie und Transfusionsmedizin des Universitätsklinikums Bonn, Bonn

Hintergrund: Eine Lungenblutung ist eine akute, lebensbedrohliche Komplikation unter Beatmung bei Frühgeborenen (FG). Der Einsatz von rekombinantem aktivierten Faktor VII (rFVIIa) zur extrinsisch vermittelten Gerinnungsaktivierung könnte in dieser Situation ein neues Therapiekonzept darstellen. Wir berichten über 3 FG, die im Rahmen eines individuellen Heilversuches mit rFVIIa behandelt wurden. Patienten und Methode: Patient 1: 2. Zwilling, Geburtsgewicht 742g (7. Perc.), Gestationsalter 27+2 SSW, Donator bei fetofetalem Transfusionssyndrom, Entbindung per Sectio bei pathologischem CTG. Patient 2+3: Diamniote-dichoriale Gemini, Geburtsgewicht 650g (60. Perc.) bzw. 615g (40. Perc.), Gestationsalter 23+4 SSW, Entbindung per Sectio bei vorzeitigem Blasensprung/vorzeitiger Wehentätigkeit. Verlauf: Aufgrund eines Atemnotsyndroms wurden Kind 1 nCPAP und die Kinder 2 und 3 SIMV beatmet. Alle Kinder zeigten postnatal ein altersentsprechend niedriges Hämostasepotential (FII, FV, FVII, AT III. Fibrinogen) und wurden mit 0,2mg Vitamin K i.v. substituiert. Kind 1 entwickelte in der 36. Lebensstunde eine Lungenblutung mit rasch progredienter respiratorischer Insuffizienz und Hb-Abfall (12,1g/dl/8,0g/dl), Kind 2 und 3 in der 75. Lebensstunde (Hb-Abfall 11,9g/dl/8,1g/dl bzw. 13,1g/dl/10,7g/dl). Akuttherapie der Lungenblutung: HFO-Beatmung, bronchoalveoläre Lavage mit Surfactant/NaCl 0,9% 1:5, EK-Gabe, Kind 1 zusätzlich FFP. rFVIIa (NovoSeven®) wurde nach Abnahme der Gerinnungsanalytik einmalig i.v. (6 kiE/kgKG) verabreicht.

* Perzentilen n. Heep A. et al. Z Geburtshilfe Neonatol 2007; 211: 28

F VII 1. Lebenstag

F VII vor rFVIIa

F VII 2–4 Std. nach rFVIIa

Kind 1

24% (25.-50. Perc.)*

30% (50.-75. Perc.)*

>200%

Kind 2

17% (25. Perc.)*

11% (10.-25. Perc.)*

>200%

Kind 3

15% (10.-25. Perc.)*

18% (25.-50. Perc.)*

186%

Ergebnisse: Unter der Therapie mit rFVIIa kam es bei allen Kindern zum Sistieren der Lungenblutung innerhalb von Minuten. Der Anstieg der FVII-Aktivität im Serum um Faktor 10–20 wurde 2–4 Stunden nach rFVIIa-Gabe beschrieben. Bei Kind 2 und 3 konnte die rFVIIa-Gabe die Progredienz einer vorbefundlichen IVH nicht verhindern. Bei keinem der behandelten Kinder waren klinisch oder sonographisch Zeichen einer Gefäßthrombosierung nachweisbar. Schlussfolgerung: Extrem FG zeigen altersentsprechend niedrige FVII-Aktivitäten. Die Anwendung von rFVIIa bei den von uns beschriebenen Patienten zeigt einen positiven Einfluss auf den Verlauf einer akuten, lebensbedrohlichen Lungenblutung ohne jedoch die Progredienz einer IVH zu verhindern. Weitere prospektive Untersuchungen sollten diese Erfahrungen prüfen.