Z Geburtshilfe Neonatol 2008; 212 - P102
DOI: 10.1055/s-2008-1079006

Kongenitale ischämische Volkmann'sche Kontraktur bei einem Frühgeborenen der 32. SSW

F Hermann 1, N Koehler 2, M Hirschburger 3, A Hahn 4, M Heckmann 2
  • 1Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Gießen
  • 2Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie, Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Gießen
  • 3Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax-, Transplantations- und Kinderchirurgie, Gießen
  • 4Neuropädiatrie, Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Gießen

Hintergrund: Die angeborene ischämische Volkmann'sche Kontraktur ist ein ebenso seltener (bisher weniger als 30 beschriebene Fälle) wie eindrucksvoller klinischer Befund beim Neugeborenen. Neben einem umschriebenen, nekrotischen Hautdefekt imponiert ein motorisch-neurologisches Defizit der betroffenen Extremität mit begleitender ödematöser Schwellung distal der Läsion. Ätiologie und Pathogenese: Äußerst heterogen sind die in der Literatur postulierten Hypothesen zur Entstehung des erstmals 1980 als eigene Entität beschriebenen Krankheitsbildes und umfassen intrauterine Ischämien aufgrund einer Druckerhöhung innerhalb des betroffenen Kompartments durch Blutungen, Ödeme, vaskuläre Insuffizienz oder externe Kompression. Als Risikofaktoren werden schwere Entwicklung der Extremität, Oligohydramnion, mütterlicher Diabetes, vorzeitiger Blasen- sprung, Präeklampsie, Frühgeburtlichkeit und Zwillingsschwangerschaften genannt. Klinischer Fallbericht: Wir betreuen in unserem Zentrum ein Zwillingsfrühgeborenes der 31+4. SSW, Entbindung per Sectio caesaria bei pathologischem CTG und Doppler-Sonographie des hier berichteten ersten Zwillings bei zuvor komplikationsloser Schwangerschaft. Bereits unmittelbar postnatal fiel eine 2×3cm große, scharf begrenzte, bullöse Effloreszenz dorsal am rechten Unterarm mit einer ausgeprägten ödematösen Schwellung und Muskelhypotonie bei fehlender Spontanmotorik distal der Läsion auf. Im weiteren Verlauf diskrete Größenzunahme mit Granulierung und Nekrosebildung sowie im kapillären Endstromgebiet der Finger bei adäquater Durchblutung. Die pulsierende A. radialis war palpatorisch und mittels Arterien-Doppler darstellbar, lokal und systemisch keine Zeichen einer inflammatorischen Reaktion. Unter konservativ physio- therapeutischen Maßnahmen waren ein Rückgang der ödematösen Schwellung, eine adäquate Wundheilung im Nekrosegebiet, aber auch motorisch-neurologische Fortschritte zu verzeichnen. Defizitär blieben Streckung des Handgelenks, die Fingerstrecker im Grundgelenk sowie die Strecker im Grund- und Endgelenk des Daumens, vereinbar mit einer isolierten Parese des R. interosseus posterior des N. radialis. Diskussion: Die kongenitale ischämische Volkmann'sche Kontraktur stellt das Residuum einer intrauterinen, ischämischen Schädigung zumeist der distalen, oberen Extremität dar. Neben einer intensiven physiotherapeutischen Frühbehandlung ist die interdisziplinäre dermatologische, chirurgische und neuropädiatrische Betreuung anzustreben. Motorisch-neurologisch sind leider nur einzelne Fälle einer Restitutio ad integrum beschrieben. Differentialdiagnostisch sind eine neonatale Gangrän, kongenitale Varizellen- und Herpesinfektion, eine Aplasia cutis congenita, ein amniotisches Band-Syndrom, subkutane Fettnekrosen und eine Epidermiolysis bullosa zu bedenken.

Volkmann 1

Volkmann 2