Z Geburtshilfe Neonatol 2008; 212 - P97
DOI: 10.1055/s-2008-1079001

Akute perinatologische Probleme und langfristige Behandlungsoptionen bei einem männlichen Neugeborenen mit Aphallie und Analatresie

G Hillebrand 1, P Glosemeyer 2, K Helmke 3, I Akkurt 4, D Singer 1
  • 1Sektion Neonatologie u. päd. Intensivmedizin, Klinik für Kinder- u. Jugendmedizin, UKE, Hamburg
  • 2Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin, UKE, Hamburg
  • 3Klinik für Kinderradiologie, UKE, Hamburg
  • 4Altonaer Kinderkrankenhaus, Hamburg

Die Aphallie ist eine sehr seltene, meist nicht-syndromal auftretende Fehlbildung der Genitalregion bei chromosomal männlichen Neugeborenen, gehäuft assoziiert mit einer Analatresie. Bei Betroffenen sind akute, perinatologische Probleme, die vorwiegend aus der Harnabflussstörung resultieren, abzugrenzen von Fragen der langfristigen Behandlung, die sowohl chirugische als auch psychosoziale Aspekte beinhalten. Kasuistik: Reifes männl. Neugeborenes der 38. SSW., Oligohydramnion seit der 28. SSW, sowie fetalsonografischer Nachweis einer „Enterolithiasis“. Geburt per Sectio c., respiratorische Adaptationsstörung, Spontanpneumothoraces, Beatmungspflichtigkeit, radiologisches Bild einer hypoplastischen Lunge. Zytogenetik: 46 XY. Befund einer Aphallie bei normal angelegtem Skrotum mit bds. deszendierten Hoden. Zudem V.a. Analatresie bei atypischem Anus ohne radiäre Fältelung. Radiologisch Nachweis einer Analatresie mit Fistelverbindung zwischen der vorderen Rektumwand und einer verkürzten, aus der Blase nach dorsal ziehenden Urethra sowie gemeinsamer Mündung dieser Strukturen in eine perineale Kloake. Stabilisierung der respiratorischen Situation im Verlauf, Extubation am 5. Lebenstag. Anlage eines suprapubischen Blasenkatheters und eines tiefen, doppelläufigen Anus praeter. Planung der mehrstufigen operativen Therapie. Diskussion: Der Urinabfluss über eine vesikoenterale Fistel mit Urineinleitung in das Rektum/Kolon und dortiger vermehrter Resorption hat vermutlich das Oligohydramnion und damit die beschriebenen respiratorischen Probleme verursacht. Die Aphallie mit assoziierter Analatresie als zugrundeliegende Fehlbildung erfordert eine neonatologische Intensivbetreuung und komplexe, mehrstufige Korrekturverfahren, unmittelbar postnatal ist die Sicherstellung der Urin- und Stuhldrainage vordringlich. Die früher praktizierte operative Korrektur dieser Fehlbildung mit Umwandlung in ein weibliches Genitale, begründet durch das bessere kosmetische Ergebnis, wäre mit einer Kastration verbunden, und kann aufgrund aktueller Studien zur langfristigen Geschlechtsidentität nach solchen Umwandlungen nicht empfohlen werden.