Z Geburtshilfe Neonatol 2008; 212 - P84
DOI: 10.1055/s-2008-1078988

Eine intrazerebrale Blutung als Initialsymptom eines kongenitalen anaplastischen Astrozytoms

A Wacker 1, F Neunhoeffer 2, M Kumpf 1, A Roth 1, BE Will 3
  • 1Abt. für Kinderkardiologie, Universität, Tübingen
  • 2Abteilung für Hämatologie und Onkologie, Universität, Tübingen
  • 3Klinik für Neurochirurgie, Universität, Tübingen

Angeborene Tumoren des zentralen Nervensystems sind extrem selten. Die Inzidenz liegt bei 2,9 auf 100 000 Lebendgeborenen. Im Neugeborenenalter handelt es sich überwiegend um neuroektodermale Tumoren und Medulloblastome, anaplastische Astrozytome sind eine Rarität. Klinisch werden die Kinder entweder unmittelbar postpartal oder in den ersten 3 Monaten durch intrazerebrale Blutungen oder Krampfäquivalente auffällig. Wir berichten über ein weibliches, reifes, eutrophes Neugeborenes (GG 3600g, APGAR 9/10/10), das am 2. Lebenstag zunächst durch schrilles Aufschreien, intermittierendes Zittern und Bradykardien auffiel. Im weiteren Verlauf zeigte das Neugeborene zusätzlich Krampfäquivalente und einen erhöhten Muskeltonus. Die durchgeführte Schädelsonographie wies eine intrazerebrale Blutung auf, so dass das Kind intubiert und in unsere Klinik verlegt wurde. Bei Aufnahme waren die Pupillen weit und lichtstarr. Die Computertomographie des Schädels zeigte eine massive, links parieto- occipitale, nur teilweise geronnene intrazerebrale Blutung mit extrem raumfordernder Wirkung und lateraler, sowie axialer Einklemmung. In der anschließend durchgeführten Notfalloperation wurde eine große, links-occipitale, intrazerebrale Blutung mittels osteoplastischer Trepanation ausgeräumt. Histologisch zeigte das entnommene Gewebe den Befund eines anaplastischen Astrozytoms, makroskopisch fiel jedoch kein Tumor auf. Die Gerinnungsdiagnostik war unauffällig. Serielle sonografische Untersuchungen zeigten postoperativ eine rückläufige Mittellininenverlagerung und eine Wiederentfaltung des linken Seitenventrikels. Die postoperative Magnetresonanztomographie (MRT) zeigte weiterhin keinen Tumor. Das Neugeborene konnte zunächst in gutem Zustand nach Hause entlassen werden. Erst die MRT Verlaufskontrolle nach 6 Wochen zeigten einen malignen Tumor im Bereich der Blutung. Kongenitale anaplastische Astrozytome zeigen einen sehr variablen Verlauf mit Überlebensraten, die sich deutlich von denen im Erwachsenenalter unterscheiden. In der Literatur werden bei einer kompletten Tumorresektion Überlebensraten bis zu 40% angegeben. Insbesondere bei einer Blutung sollte differentialdiagnostisch an einen malignen Tumor auch im Neugeborenenalter gedacht werden. Eine radikale Tumorresektion, eine adjuvante Therapie und eine fehlende Überexpression von p53 und EGFR in den Tumorzellen verbessern die Prognose deutlich.