Fremdbeurteilung von akuten Schmerzen bei Neugeborenen und Säuglingen anhand dreier verschiedener Skalen: Vergleich derVAS, NIPS und des BSN

Einleitung: Die Schmerzbeurteilung bei Neugeborenen und Säuglingen erfolgt als Fremdbeurteilung durch Schmerz-Skalen, die sich hinsichtlich der Auswahl der Einzelitems, des Score-Ranges, in der Qualität ihrer Validierung sowie in der Einfachheit der Anwendung unterscheiden. Fragestellung: Drei Skalen wurden auf die Anwendbarkeit im klinischen Alltag, die Zuverlässigkeit und Differenzierbarkeit von Schmerzen untersucht (visuelle Analogskala (VAS), Neonatal Infant Pain Scale (NIPS), Berner Schmerzskala für Neugeborene (BSN), subjektive Indikatoren). Methode: Beobachtet wurden 40 Termingeborene und Säuglinge beim Windelwechsel und einer Blutentnahme (postnatales Alter: 6,9±12,1 Wochen (0–44)). Die Prozeduren wurden auf Video aufgezeichnet und zeitgleich von jeweils zwei intensivmedizinisch erfahrenen Ärzten und Schwestern zuerst anhand der VAS bewertet, dann wurde die Einschätzung zum Therapiebedarf gegeben und in der Folge wurden NIPS und BSN beurteilt. Ergebnisse: Die mittleren Werte für NIPS, BSN und VAS betrugen während des Windelwechsels 3,26±2,92 bzw. 5,65±4,90 und 0,55±0,81; bei der Blutentnahme 6,32±1,29 bzw. 10,59±3,15 und 5,29±1,32. Alle Skalen zeigten in gleichem Maße eine signifikante Steigerung des Wertes für die Blutentnahme (p≤0,001) im Vergleich zum Windelwechsel. Therapiebedürftige Schmerzen entsprechend den in der Literatur beschriebenen Cut-off-Werten [1,2] (NIPS ≥4, BSN ≥9, VAS ≥4) beim Windelwechsel zeigten gemäß der VAS 0%, gemäß BSN 38,9% und NIPS 47,4% der Kinder. Bei der Blutentnahme ergibt sich entsprechend VAS bei 84,2%, BSN bei 88,2% und NIPS bei 94,7% der Kinder eine Therapiebedürftigkeit. Wird als Gold-Standard die Entscheidung der vier Rater bezüglich der Notwendigkeit einer Schmerztherapie zu Grunde gelegt, so zeigten sich für NIPS und BSN Übereinstimmungen von jeweils 92,5% (während des Windelwechsels NIPS 85,7%, BSN 90.5%, während der Blutentnahme NIPS 100%, BSN 94,7%). Die durchgeführten Bland-Altmann-Plots [3] der Scorewerte der jeweiligen Skala zeigen gute Übereinstimmungen zwischen allen Skalen. Alle Werte lagen innerhalb±2SD. Diskussion: NIPS und BSN zeigen sehr gute Übereinstimmung in der Entscheidung zum Therapiebedarf (95%). Die Bewerter übten Kritik an der mangelnden Differenzierbarkeit der NIPS, die sich z.B. im Mittelwert der Blutentnahme ausdrückt (6,32±1,29 bei maximalem Score von 7). Auch bei der nicht schmerzhaften Prozedur des Windelwechsels zeigt die NIPS in 47,4% Schmerz an. Dies liegt ebenfalls an der schlechteren Möglichkeit der Differenzierung. Alle drei Scores sind gut geeignet therapiebedürftige Schmerzen zu erkennen, aufgrund der guten Differenzierbarkeit und hohen Zuverlässigkeit scheint die Berner Schmerzskala Vorteile vor der NIPS zu haben.

Literatur:

[1] Suraseranivongse S et al.. Br J Anaesth. 2006

[2] Gessler P, Cignacco E. Klin Padiatr. 2004

[3] Bland JM, Altman DG. Lancet. 1986