Z Geburtshilfe Neonatol 2008; 212 - P61
DOI: 10.1055/s-2008-1078964

Lamotrigin-Intoxikation verursacht epileptische Krampfanfälle und Koma

I Heesen 1, C Krämer 1, I Koch 2, C Nonhoff 1
  • 1Kinderklinik, Diakoniewerk Kaiserswerth, Düsseldorf
  • 2Giftnotruf Berlin, BBGes, Berlin

Einführung: Lamotrigin ist ein seit mehr als 10 Jahren bekanntes Antiepileptikum, welches die pathologische Freisetzung von Glutamat und die dadurch hervorgerufenen repetitiven Aktionspotentiale hemmt. Im Zusammenhang mit einer Intoxikation von Lamotrigin wurden als bekannte Symptome Nystagmus, Ataxie, Bewusstseinsstörungen und Koma, sowie auch Atemdepression beobachtet. In der Literatur ist bislang nur ein Fall eines Erwachsenen beschrieben, bei dem es durch eine Intoxikation in suizidaler Absicht zu einem Status epileptikus kam. Kasuistik: Wir berichten über ein 2 ½ Jahre alten Mädchen mit einer akzidentelle Ingestion von 2–3g Lamotrigin, entsprechend 150–230mg/kgKG (therapeutische Initialdosis 25mg/kgKG/d). Das zuvor gesunde Mädchen wurde in unsere Notfallambulanz komatös und mit den klinischen Zeichen eines generalisierten tonischen Status epilepticus eingeliefert. Das Koma hielt fünf Tage an und das Kind war erst nach sieben Tagen neurologisch unauffällig. Therapiepflichtige Krampfanfälle traten bis 16 Stunden nach Aufnahme auf. Diagnostik: Lamotrigin-Serumkonzentration mit dem höchsten Messwert 20 Stunden nach Ingestion von 73,4µg/ml (51,5µg/ml zwei Stunden nach Ingestion, 0,7µg/ml acht Tage nach Ingestion). EKG: Tachykardie ohne Reizleitungsstörung. Hypokaliämie am 3. Tag nach dem Ereignis (3,07mmol/l i.S.). Schädel CT und MRT, Liquor, laborchemische Parameter unauffällig. Therapie: Neurologisches Monitoring und symptomatische Therapie des Status epilepticus mit Diazepam, Clonazepam und Phenobarbital. Eine primäre Giftentfernung konnte bei zu großem Zeitintervall bis zur Diagnosestellung der Intoxikation bei initial unklarer Anamnese nicht erfolgen. Unter der Vorstellung einer hepatischen Enzyminduktion wurde Phenobarbital verabreicht, welches aber wahrscheinlich keinen Effekt zeigte. Zusammenfassung: Dies ist der erste Bericht über eine Intoxikation mit Lamotrigin in solcher Höhe und der dadurch ausgelösten Symptomatik eines Status epilepticus und Koma bei einem Kind. Die lange Halbwertszeit und der langsame hepatische Abbau erschwerten den Verlauf erheblich. Eine Gabe von Phenobarbital zur Enzyminduktion ist nach unserer Erfahrung kritisch zu betrachten. Die Symptomatik war bei unserer Patientin voll reversibel.