Z Geburtshilfe Neonatol 2008; 212 - HV30
DOI: 10.1055/s-2008-1078780

Diagnostik, Tipps und Pitfalls von Channelopathien bei Neugeborenen

D Keller 1
  • 1Kardiologie und Interdisziplinäre Notfallstation, Universitätsspital Basel, Basel, Schweiz

Die molekulare Kardiologie ist zu einem wichtigen, integrativen Mittel zum Verständnis der Ätiologie, Pathogenese und Entwicklung von hereditären Rhythmusstörungen, den so genannten Channelopathien, geworden. Aufgrund der aktuellen Forschung in diesem Gebiet können zunehmend Einblicke in die Mechanismen des plötzlichen Herztodes gewonnen werden, die teilweise bereits zu therapeutischen Ansätzen führen. Zu den häufigsten Channelopathien gehören das Long QT Syndrom und das Brugada Syndrom, welche beide zu malignen ventrikuären Rhythmusstörungen und zum plötzlichen Herztod führen können. Beim Long QT Syndrom unterscheidet man 10 verschiedene Phänotypen, wobei die häufigsten (>95%) die Typen 1, 2 und 3 betreffen. Die Typen 1 und 2 werden bedingt durch Mutationen in den kardialen Kaliumkanal-Genen KCNQ1 und KCNH2. Der Typ 3 wird verursacht durch Mutationen im Gen SCN5A, kodierend für den kardialen Natriumkanal. Die Diagnose wird beim Erwachsenen auf dem 12-Ableitungs-Oberflächen EKG gestellt aufgrund einer verlängerten QTc Zeit von >460ms und spezifischer Merkmale, welche die ST-Strecken- und T-Wellen Morphologie betreffen. Das Brugada Syndrome ist ebenfalls bedingt durch Mutationen im Gen SCN5A, welche zu einem Funktionsverlust des Natrium-Kanales führen im Gegensatz zum Long QT Syndrom Typ 3. Typische EKG-Veränderungen beim Erwachsenen betreffen spezifische Merkmale des J-Punktes und der ST-Strecken- und T-Wellen Morphologie. Weitere Channelopathien sind das Short QT Syndrom, aber auch Entitäten, die zu Bradykardien führen, wie der hereditäre AV-Block oder die angeborene Sinusknotenerkrankung. Beim Neugeborenen und Säugling bis zum ersten Lebensjahr kann die Diagnose dieser Channelopathien schwierig sein aufgrund physiologischer EKG-Veränderungen wie z.B. die T-Wellen Inversion oder ein erhöhter J-Punkt. Deshalb ist es bei Neugeborenen mit V.a. eine Channelopathie wichtig, die Eltern mittels eines EKG zu untersuchen, da die meisten Channelopathien autosomal-dominant vererbt werden. Eine genetische Untersuchung sollte beim Index-Patienten mit einem möglichst klaren Phänotyp durchgeführt werden. Wird eine Mutation gefunden, kann diese innerhalb der Familie gesucht werden, um asymptomatische Krankheitsträger zu identifizieren und zu beraten mithilfe genotyp-basierter Daten bezüglich Beginn der Erkrankung und Ansprechen auf Beta-Blocker, wie z.B. beim Long QT Syndrom. Wird die entsprechende Mutation nicht nachgewiesen bei Familienmitgliedern, braucht es keine weitere Nachsorge.