Intensivmedizin up2date 2008; 4(4): 289-307
DOI: 10.1055/s-2008-1077636
Allgemeine Prinzipien der Intensivmedizin

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Corticoide in der Therapie von Sepsis und ARDS

Didier  Keh, Olaf  Ahlers
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
23. Oktober 2008 (online)

Preview

Kernaussagen

Bedeutung

Die Therapie mit Corticosteroiden bei septischem Schock oder ARDS wird seit Jahren kontrovers beurteilt. Beim septischen Schock wird Hydrocortison aufgrund der relativen Nebennierenrindeninsuffizienz gegeben, beim ARDS Methylprednisolon zur Hemmung der Inflammation. Empfehlungen für den septischen Schock stützten sich vorwiegend auf eine Studie bei Patienten mit vasopressorrefraktärem Schock, in der eine hämodynamische Stabilisierung und ein Überlebensvorteil bei Patienten mit relativer Nebennierenrindeninsuffizienz beobachtet wurde.

Aktuelle Daten

  • In der CORTICUS-Studie führte die Therapie mit niedrig dosiertem Hydrocortison zu einer signifikanten Verkürzung der Schockphase um 2,5 Tage, unabhängig vom Nachweis einer relativen Nebennierenrindeninsuffizienz. Der hämodynamische Effekt war nicht mit einem Überlebensvorteil verbunden. Es wurden signifikant mehr Hyperglykämien (> 150 mg/dl) und Hypernatriämien (> 150 mmol/l) sowie eine erhöhte Zahl sekundärer Infektionen im Behandlungsarm beobachtet.

  • Aktuelle Metaanalysen ergaben, dass niedrig dosiertes Hydrocortison beim septischen Schock, unabhängig von der relativen Nebennierenrindeninsuffizienz, die Schockdauer signifikant reduziert; ein signifikanter Effekt auf die 28-Tage-Letalität war nicht nachweisbar. Unter Einbeziehung von Patienten mit schwerer Sepsis ohne Schock in eine Metaanalyse war eine signifikante Letalitätsreduktion erkennbar.

  • Bei Patienten mit schwerem ARDS ergab eine aktuelle Metaanalyse, dass die frühzeitige und längere Therapie mit Methylprednisolon mit einer Reduktion der Beatmungsdauer um 5,6 Tage und Reduktion der Letalität verbunden war.

  • Ein signifikant erhöhtes Risiko für sekundäre Infektionen, eine schwere Immunsuppression oder Steroid-induzierte Myopathie war durch die Applikation moderat dosierter Steroide beim septischen Schock oder ARDS auf der Grundlage bisheriger Studien nicht nachweisbar.

Empfehlungen

  • Die Surviving Sepsis Campaign 2008 empfiehlt eine Therapie mit 200 – 300 mg/Tag Hydrocortison nur bei Patienten mit septischem Schock, die trotz adäquater Volumen- und Vasopressortherapie schlecht hämodynamisch stabilisiert werden können. Ein Funktionstest der Nebennierenrinde wird für die Indikationsstellung nicht empfohlen.

  • Bei Patienten mit schwerer Sepsis ohne Schock ist Hydrocortison nicht indiziert. Hydrocortison sollte etwa 7 Tage appliziert werden. Eine Dosisreduktion über einige Tage zur Reduktion von Rebound-Effekten sowie eine kontinuierliche Infusion wegen besserer Steuerung der Glucoseeinstellung erscheint vorteilhaft.

  • Eine Expertengruppe empfiehlt bei frühem schweren ARDS (PaO2/FiO2<200) und bei protrahiertem ARDS vor dem Tag 14 die Gabe von 1 mg/kgKG Methylprednisolon für 14 Tage, gefolgt von langsamer Dosisreduktion über 2 Wochen.

CIRCI-Konzept

Eine Expertengruppe empfiehlt, den Begriff relative Nebennierenrindeninsuffizienz durch „critical illness related corticosteroid insufficiency” (CIRCI) zu ersetzen. CIRCI beinhaltet neben der verminderten Cortisolsynthese eine für den Schweregrad der Erkrankung unzureichende zelluläre Cortisolaktivität (Steroidresistenz) mit der Folge einer persistierenden Inflammation, die durch längerfristige Applikation moderat dosierter Steroide überwunden werden könnte.

Literatur

Priv.-Doz. Dr. med. Didier Keh

Charité Universitätsmedizin Berlin
Universitätsklinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin CCM/CVK
Campus Virchow-Klinikum

Augustenburgerplatz 1
13353 Berlin

Telefon: 030 450 551039

Fax: 030 450 7551039

eMail: didier.keh@charite.de