Aktuelle Dermatologie 2008; 34(7): 282-285
DOI: 10.1055/s-2008-1077470
Tagungsbericht

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Dermatologische Laboratoriumsdiagnostik – wissenschaftlich begründet, praxisrelevant und wirtschaftlich

7. Leipziger Labor-Workshop 2008Dermatologic Laboratory Diagnostics – Scientifically Justified, Relevant for Practice, and Economically7th Leipzig Laboratory Workshop 2008P.  Nenoff1 , G.  Hamm2
  • 1Laboratorium für medizinische Mikrobiologie, Mölbis
  • 2Hautarztpraxis Halle (Saale)
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Publication History

Publication Date:
06 August 2008 (online)

Einleitung

Am 12. Januar 2008 fand in Leipzig der nunmehr 7. Workshop „Dermatologische Laboratoriumsdiagnostik – wissenschaftlich begründet, praxisrelevant und wirtschaftlich” als Veranstaltung des Berufsverbandes Deutscher Dermatologen statt. Die von Prof. Dr. Uwe-Frithjof Haustein, Leipzig, moderierte Tagung wurde von etwa 70 Hautärzten aus ganz Deutschland besucht.

Am Anfang stand ein berufspolitisches Referat von Dr. med. Bernhard Rochell, Kassenärztliche Bundesvereinigung/Dezernat 3 in Berlin, zum aktuellen Stand der vertragsärztlichen Vergütung, basierend auf dem neu eingeführten EBM 2008, und die Konsequenzen für die Laborreform. Die Zuhörer interessierte hierbei bevorzugt die Frage, inwieweit der Dermatologe auch in Zukunft spezialisierte Laborleistungen der Kategorie O III selbst erbringen und vor allem gegenüber der KV abrechnen kann. Herr Dr. Rochell versicherte, dass das dermatologische Fachlabor auch weiter Bestand haben wird!

Der Hauptvortrag von Frau Prof. Dr. med. Heidelore Hofmann, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie der Technischen Universität München widmete sich dem Thema „Sinnvolle und differenzierte Labordiagnostik der Lyme-Borreliose”.

Neu war in diesem Jahr, dass sich zwei auf dem Gebiet der dermatologischen Labordiagnostik tätige Firmen mit Kurzvorträgen vorstellen konnten. Das war zum einen die Firma GA Generic Assays GmbH aus Berlin. Der Geschäftsführer von GA Generic Assays, Herr Dr. rer. nat. Dirk Roggenbuck, stellte dar, dass die erst seit wenigen Jahren bestehende Firma in Kooperation mit der MEDIPAN GmbH heute mehr als 200 Testbestecke für die Diagnostik von Autoimmunerkrankungen herstellt und vertreibt.

Interessant war seine prognostische Einschätzung der Entwicklung auf dem Diagnostika-Markt: Durchschnittlich rund 40 % der benötigten Informationen für eine Diagnose werden durch Laborleistungen erhoben. Demgegenüber belaufen sich die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen für Laborleistungen sowohl im niedergelassenen als auch im Krankenhausbereich auf nur jeweils etwa 4 % der Gesamtausgaben dieser Bereiche. Für ein mittelständisches Diagnostika-Unternehmen ergibt sich damit folgendes Bild:

kein nennenswertes Wachstum in Deutschland im Laborsektor Zuwächse nur im Selbstzahlerbereich zu verzeichnen (OTC, IGEL) Verdrängungswettbewerb sehr hoch Abrechnungssystem innovationsfeindlich Einführung von Fallpauschalen auch im Laborsektor zu erwarten Bedarf an individuellen Gesundheitsleistungen (IGEL) steigt Zunahme der Bedeutung der indikationsbasierten Diagnostik

Zukünftige Schwerpunkte der Labordiagnostik sind damit u. a. eine patientennahe Diagnostik (point of care testing, OTC) und die Multiparameterdiagnostik.

Als Vertreter der Firma ADALTIS/Freiburg i. Br. präsentierte Herr Dr. Klaus-Peter Löbig die Produktlinien dieser seit 2002 bestehenden Diagnostika-Firma. Hervorgegangen aus der Firma „Serono Diagnostics” Freiburg i. Br. bietet ADALTIS heute diagnostische Erzeugnisse u. a. für die Diagnostik IgE-vermittelter Allergien sowie verschiedene Immunoassays zur Diagnostik von Infektionserkrankungen und Autoimmunerkrankungen an.

Herr Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Tietz vom Institut für Pilzkrankheiten in Berlin stellte einen Patienten mit chronisch-mukokutaner Kandidose als eine diagnostische und therapeutische Herausforderung vor. Das fachärztliche Praxislabor ist gefragter denn je, auch im Lichte neuer Antimykotika, die für die Dermatologie interessant sind. Hierzu zählen Anidulafungin, Caspofungin und Posaconazol. Diese Präparate sind imstande, Patienten mit schwersten Mykosen zu heilen. Ein Paradebeispiel ist die chronisch mukokutane Kandidose. Es handelt sich um eine Infektion durch Candida (C.) albicans, seltener durch C. tropicalis, C. dubliniensis oder C. parapsilosis, die den herkömmlichen Therapien weitgehend widersteht. Es sind Haut und Schleimhäute befallen, oftmals von Kindheit an und vor dem Hintergrund eines humoralen oder zellulären Immundefekts. Bei dem im Vortrag vorgestellten Patienten wurde ein IgG-Klasse 3-Mangel diagnostiziert. Auf die Beseitigung des Immundefekts sprechen jedoch nur die wenigsten Patienten an. Im Mittelpunkt steht die antimykotische Therapie. Der Patient wurde seit der Kindheit mehrfach erfolgreich mit Fluconazol behandelt. Heute ist der Stamm gegenüber Fluconazol und Voriconazol resistent ([Abb. 1]). Mykoseärzte sollten Methoden der Resistenz-Bestimmung im Praxislabor vorhalten, um derartige Phänomene rechtzeitig erkennen zu können.

Abb. 1 Resistogramm eines Candida albicans-Stammes, isoliert von einem Patienten mit chronisch-mukokutaner Kandidose. Durchführung mittels Mikrodilutions- bzw. Breakpointverfahren (Fungitest®, biorad, München). Es besteht eine In-vitro-Resistenz gegenüber den Azolen Ketoconazol, Itraconazol und Fluconazol, wohingegen Amphotericin B und 5-Flucytosin in vitro empfindlich sind. (Aufnahme von Herrn Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Tietz, Institut für Pilzerkrankungen, Berlin)

Aufgrund der Resistenzsituation kam es bei dem Patienten erneut zu Soor und einem vollständigen Befall aller Fingernägel. Er wurde daraufhin mit Posaconazol behandelt. Darunter kam es zur Abheilung aller klinischen Symptome. Der Vorteil dieses Wirkstoffes besteht in der oralen Anwendbarkeit, einer sehr guten Verträglichkeit, hohen Wirksamkeit und fehlender Kreuzsensibilität mit anderen Azolpräparaten. Therapien mit Caspofungin oder Anidulafungin (beide intravenös) kommen ebenso in Betracht, sind aber aufgrund ihres therapeutischen Aufwandes im ambulanten Bereich ungeeignet. Aufgrund der hohen Rezidivneigung der Erkrankung wird der Patient mit einer Erhaltungsdosis von 800 mg/Woche weiterbehandelt, unter Kontrolle der Pilzkulturen im Praxislabor. Wie das vorliegende Beispiel zeigt, besteht bei schweren Mykosen das Ideal der Patientenbetreuung in der Einheit von fachärztlichem Speziallabor und Therapie.

Herr Dr. med. Johannes Mayer, Haut- und Laborarzt aus Kitzingen, steuerte interessante labordiagnostisch relevante Kasuistiken auf dem Gebiet der Dermatomykologie bei.

Frau Priv.-Doz. Dr. med. Kirsten Jung aus der Praxis für Dermatologie und Immunologie in Erfurt referierte über Untersuchungen von allergologisch bedeutsamen Kreuzreaktionen. Ihr Thema lautet „Das Kreuz mit den Insekten: War es die Biene oder die Wespe?”

Rationale Labordiagnostik bei IgE-vermittelten Erkrankungen war das Thema des praxisrelevanten Vortrages von Herrn Priv.-Doz. Dr. med. Jörg Kleine-Tebbe vom Allergie- und Asthma-Zentrum Westend (AAZW) in Berlin. In der Allergie-Praxis werden folgende Ziele mithilfe der Diagnostik verfolgt:

Nachweis oder Ausschluss allergischer Sensibilisierungen (erhöhte Allergiebereitschaft) Beweis oder Ausschluss einer klinisch relevanten Allergie (manifeste Erkrankung)

Die Stufen-Diagnostik bei allergischen Erkrankungen beruht auf einer individuellen Anamnese als Grundlage der anschließenden Allergietests. Traditionell wird in Deutschland der Hauttest (Prick-Test) zum Allergie-Screening bei IgE-vermittelten Erkrankungen verwendet. Bei Kindern wird häufig das IgE im Serum zum primären Allergie-Screening bestimmt, besonders wenn aufgrund des Alters der Hauttest nicht zumutbar erscheint.

Bei Jugendlichen und Erwachsenen wird die IgE-Bestimmung im Anschluss an den Hauttest für zusätzliche Informationen eingesetzt. In Einzelfällen hat sich bei komplexen Fragestellungen und widersprüchlichen Ergebnissen ein zellulärer Test mit basophilen Leukozyten bewährt, der bei positivem Ergebnis ebenfalls eine allergische Sensibilisierung anzeigen kann.

Provokationstests, entweder mit Inhalations-Allergenen an der Schleimhaut oder mit Nahrungsmittel-Allergenen oral durchgeführt, gelten als Gold-Standard, um die klinische Relevanz allergischer Sensibilisierungen zu demonstrieren. Sie dienen bei Negativexposition zum Ausschluss einer allergischen Reaktion oder bei wichtigen Fragestellungen zum Nachweis der klinischen Relevanz bestimmter Allergenquellen.

Die Konzentrationen der (allergenspezifischen) IgE-Antikörper im Serum werden logarithmisch dargestellt, da keine lineare Normalverteilung für Antikörpertiter besteht. Neben der quantitativen Angabe in kU/l werden häufig semiquantitative Klassen zur groben Einordnung der Ergebnisse angegeben. Aufgrund unterschiedlicher Allergenextrakte, Reagenzien und Assay-Designs sind die Werte für die IgE-Bestimmung von verschiedenen Herstellern nicht direkt vergleichbar. Selbst bei Verwendung identischer Assays können die Werte verschiedener Labors ebenfalls variieren. Dies beruht auf heterogenen Laborstandards, unterschiedlicher Ausbildung und Erfahrung und auf der internen und externen Qualitätssicherung der betreffenden Labore. Die interne Qualitätskontrolle berücksichtigt den ansteigenden, mittleren und im Plateau abflachenden Teil der Standardkurve, sowie die routierende Bestimmung von wichtigen Allergenquellen zur Überprüfung der Validität. Zusätzlich bieten verschiedene Institutionen (www.instant.ev.de, www.dgkc.de, www.immqas.org.uk) Ringversuche für IgE-bestimmende Labors an. Die regelmäßige Teilnahme und bedarfsweise Nachschulung des Laborpersonals verbessert die Ergebnisqualität und eignet sich daher gut zur externen Qualitätskontrolle.

Bei der Interpretation gilt sowohl für den Nachweis von IgE-Antikörpern, als auch von anderen Allergie-Tests, dass ein positives Ergebnis eine Sensibilisierung (= Allergiebereitschaft) anzeigt, und nicht unbedingt einer manifesten Allergie entspricht. Nur bei korrespondierenden Symptomen ist von einer klinisch relevanten Allergie auszugehen, die im Zweifelsfall durch einen Provokations-Test bestätigt wird.

Eine Fallbeschreibung einer ANCA-assoziierten Konjunktivitis durch Frau Dr. med. Gudrun Hamm, Hautärztin aus Halle/Saale, erweiterte das Spektrum der auf der Tagung besprochenen Themen um die Autoimmundiagnostik in der Dermatologie. Vorgestellt wurde die Krankheitsgeschichte einer 60-jährigen Patientin mit einer seit einem Jahr bestehenden, gering ausgeprägten, aber schmerzhaften Konjunktivitis, die einer inkompletten WEGENER'schen Granulomatose zuzuordnen war ([Abb. 2]).

Abb. 2 ANCA-assoziierte Konjunktivitis bei einer 60-jährigen Patientin, letztlich war das Symptom einer inkompletten WEGENER'schen Granulomatose zuzuordnen. (Aufnahme von Frau Dr. Gudrun Hamm, Halle)

Mehrere Jahre vorausgegangen waren verschiedene Allgemeinsymptome (Raynaud-Anfälle, Haarausfall, Gewichtsverlust, Fieberschübe, Gelenkschmerzen, Leistungsminderung) und seit 2003 in Schüben auftretende aphthöse Mundschleimhautentzündungen assoziiert mit Sinusitiden/Otitiden und zerebralen Durchblutungsstörungen. Die Diagnose stützte sich auf die entzündlichen Atemwegssymptome und den Nachweis von PR-3/C-ANCA.

Auto-AK gegen das zytoplasmatische Proteinase-3-Antigen humaner neutrophiler Leukozyten sind für den Morbus Wegener hoch spezifisch (Krankheitsspezifität > 95 %) und geeignet zur Kontrolle von Krankheitsaktivität und Therapieerfolg.

Haut- und Schleimhautveränderungen in Assoziation mit pathologischen Auto-Antikörperbefunden können als Frühsymptome von Autoimmunerkrankungen (AIK) oft jahrelang schweren Organmanifestationen oder dem „Vollbild” vorausgehen. Die Früherkennung von AIK auf der Basis einer sorgfältigen dermatologisch-klinischen Diagnostik in Verbindung mit einer gezielten Auto-Antikörper-Bestimmung spart Kosten und verhindert bei frühzeitiger Therapie nicht selten die bekannten fatalen und lebensbedrohlichen Verläufe.

Den Abschluss bildete ein Vortrag auf dem Gebiet der Dermatomikrobiologie von Prof. Dr. med. Pietro Nenoff, Laboratorium für medizinische Mikrobiologie in Mölbis, zu einer atypischen Mykobakteriose der Haut durch Mycobacterium abscessus bei einer immunkompetenten Frau. Eine 60-jährige nicht immunsupprimierte Patientin litt an chronischen Ulzerationen und Abszedierungen an Fersen und Malleoli beider Füße ([Abb. 3 a]). Histologisch war eine granulomatöse Entzündung mit Darstellung säurefester Stäbchen, jedoch ohne fibrinoide Nekrosen erkennbar. Der wiederholte Nachweis von atypischen Mykobakterien, letztlich differenziert als Mycobacterium abscessus, führte zur Diagnose einer atypischen Mykobakteriose der Haut. Die Behandlung zunächst mit Clarithromycin und Rifabutin, später mit der Kombination von Ethambutol, Minocyclin, Clofazimin und Azithromycin war erfolgreich.

Mycobacterium abscessus hat von allen schnell wachsenden Mykobakterien-Arten die höchste Pathogenität und ist resistent gegenüber den meisten tuberkulostatischen Chemotherapeutika ([Abb. 3 b]). Medizinische Bedeutung hat dieses nicht tuberkulöse Mykobakterium wegen der Kontamination traumatischer Wunden und als Erreger von Haut- und Weichteilinfektionen nach chirurgischen Eingriffen.

Abb. 3 a Kutane Mycobacterium abscessus-Infektion bei einer immunkompetenten Frau. Ulzerierte, livid-rote, knotige, unterminierte, mit Krusten belegte Infiltration an der rechten Ferse. (publiziert: P. Nenoff, Rüdiger Uhlemann, T. Grünewald, Hans Nenning, S. Grunewald, Uwe Paasch. Atypische Mykobakteriose der Haut durch Mycobacterium abscessus bei einer immunkompetenten Frau. Hautarzt 2007; 58: 1051 – 1057).

Abb. 3 b Antibiogramm (E-Test) des Mycobacterium abscessus-Isolates: Sparfloxacin und Clarithromycin resistent, darüber hinaus waren Isoniazid, Streptomycin, Ethambutol, Rifampicin, Rifabutin, Pyrazinamid, P-Aminosalicylsäure, Cycloserin, Capreomycin, Thiosemicarbacon, Ethionamid/PTH und Chinolone (Ciprofloxaxin/Ofloxacin) ebenfalls resistent.

Prof. Dr. med. Pietro Nenoff

Haut- und Laborarzt/Allergologie
Laboratorium für medizinische Mikrobiologie

Straße des Friedens 8
04579 Mölbis

Email: nenoff@mykologie-experten.de

URL: http://www.mykologie-experten.de

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