Diabetologie und Stoffwechsel 2008; 3 - A37
DOI: 10.1055/s-2008-1076184

Wie häufig stellen niedrige oder hohe Hämotokrit-Werte eine Störvariable bei der Blutzuckermessung dar?

N Hermanns 1, W Trosbach 2, A Ahollinger 2, B Kulzer 1, T Haak 1
  • 1Forschungsinstitut der Diabetes Akademie Bad Mergentheim (FIDAM), Bad Mergentheim, Deutschland
  • 2Diabetesklinik Mergentheim, Bad Mergentheim, Deutschland

Einleitung: Die Blutzuckerselbstkontrolle ist ein unverzichtbarer Bestandteil einer modernen Diabetestherapie. Bei der Bestimmung des Glucosegehaltes im kapillären Vollblut stellt der Hämatokritgehalt des Blutes eine potentielle Störgröße dar: Ein niedriger Hämotokrit-Wert führt zu falsch hohen Blutzuckermessergebnissen, ein hoher Hämotokrit-Wert zu falsch niedrigen Blutzuckertestresultaten. In dieser Untersuchung wurde die Verteilung der Hämotokrit-Werte in einer großen klinischen Stichprobe von Diabetespatienten analysiert, um herauszufinden, wie häufig diese Fehlerquelle bei Diabetikern auftritt.

Methodik: Im Rahmen der Diagnostik wurde in einer stationären Behandlungseinrichtung bei allen Diabetespatienten ein Hämotokrit-Wert bestimmt (Analysers K-4500, Sysmex): 3799 Diabetespatienten (45,4% weiblich; 57,7% Typ-2-Diabetes; 40,4 Typ-1-Diabetes und 1,9% sekundäre Diabetesformen) nahmen an dieser Erhebung teil. Der mittlere HbA1c Wert betrug 8,6±1,8%, die durchschnittliche Diabetesdauer 14.2±11,0 Jahre.

Ergebnisse: Der mittlere Hämotokrit-Wert betrug 41,5±4,4% (Frauen 40,1±3,7%; Männer 42,6±4,7%; Median 41,9; Interquartil Range 39,1% –44,3%). Einen niedrigen Hämotokrit-Wert <25% hatten 0,2% der Stichprobe, einen Hämotokrit-Wert <30% 1,6% und einen Hämotokrit-Wert <35% 8,2% der Gesamtstichprobe. Bei 23,4% der Probanden lag der Hämotokrit-Wert zwischen 35% und 40%, bei 49,1% Personen zwischen 40% und 45%, 18,1% wiesen einen Hämatokrit-Wert zwischen 45% und 50% auf. Ein hoher Hämotokrit-Wert über 50% bzw. über 55% lag bei 1,2% bzw. 0,1% der Gesamtstichprobe vor. Bemerkenswert war, dass die Gruppe der Dialysepatienten (n=17) einen signifikant geringeren Hämotokrit-Wert hatte (34.9±2,9% vs. 41,5±4,4% p<.01) als die Gesamtgruppe. Von den Dialysepatienten hatten 5 (29,4%) einen Hämotokrit-Wert <35,0%; alle Dialysepatienten wiesen einen Hämatokrit-Wert <40,0% auf.

Schlussfolgerung: Extrem niedrige oder hohe Hämotokrit-Werte unter 30% und über 55% können das Ergebnis einer Blutzuckermessung im Vollblut um 10–15% verfälschen. Bei 1,6% Diabetikern unserer Stichprobe lag ein Hämotokrit-Werte unter 30% vor, der zu einer falsch hohen Blutzuckermessung führt. Der Einfluss hoher Hämotokrit-Werte (über 55%), die zu einer Unterschätzung des aktuellen Blutzuckers führen, ist mit 0,1% sehr gering. Aufgrund dieser Daten kann davon ausgegangen werden, dass Verzerrungen der Blutzuckerselbstmessung in Folge hoher bzw. niedriger Hämotokrit-Werte in der klinischen Praxis eine eher untergeordnete Rolle spielen. Besondere Aufmerksamkeit ist jedoch bei Dialysepatienten geboten, da es bei ihnen zu Verzerrungen der Ergebnisse der Blutzuckerselbstkontrolle aufgrund niedriger Hämotokrit-Werte kommen kann.