Das pulmonale Surfactant-System ist für eine normale Funktion unserer Lunge unabdingbar. Bei einer Reihe von Lungenerkrankungen zeigen sich quantitative oder qualitative Störungen des Surfactant-Systems, die eine therapeutische Intervention mit exogener Surfactant-Subsitution rechtfertigen. Beim Atemnotsysndrom des unreifen Neugeborenen ist diese Therapie zur lebensrettenden klinischen Routine geworden. Aber auch bei anderen Lungenerkrankungen stellt die exogene Surfactant-Substitution eine interessante Therapieoption dar. Dabei ist die Surfactant-Inhalation gerade für spontanatmende Patienten und die nicht unmittelbar lebensbedrohlichen Indikationen die einzig sinnvolle Applikationsform. Nachfolgend wird das pulmonale Surfactant-System erläutert, Veränderungen bei verschiedenen Lungenerkrankungen beschrieben und damit die klinische Rationale für die Surfactant-Inhalation abgeleitet. Schließlich wird der Stand der Forschung zur inhalativen Surfactant-Therapie zusammengefasst. Im anschließenden Beitrag von T. Hofmann wird dann eine konkrete therapeutische Entwicklung zur inhalativen Surfactant-Therapie detailliert vorgestellt.
Physiologie des pulmonalen Surfactant-Systems:
Pulmonaler Surfactant ist ein Substanzgemisch, welches überwiegend aus Phospholipiden (80–90%), neutralen Lipiden (5–10%) und wenigstens vier Proteinen (5–10%) besteht. Das vorherrschende Lipid ist Dipalmitoylphosphatidylcholin (DPPC), welches ganz wesentlich die biophysikalische Funktion der Reduktion der Oberflächenspannung an Grenzflächen von Luft und Gewebe vermittelt. Zusätzlich spielen anionische Phospholipide, überwiegend Phosphatidylglycerol, aber auch Phosphatidylinositol und Phosphatidylserin bei der Sicherstellung notwendiger biophysikalischer Funktionen eine wichtige Rolle.
Die sogenannten surfactantspezifischen Proteine (SP)-A, SP-B, SP-C und SP-D, mit Buchstaben benannt nach der Reihenfolge ihrer Entdeckung, werden nach ihrer Hydrophilie (SP-A und SP-D) und Hydrophobie (SP-B und SP-C) unterschieden. SP-A und SP-D werden auch zu den Kollektinen gezählt, da sie neben einer zuckerbindenden Lektindomäne am C-Terminus einen kollagenartigen Abschnitt für ihre räumliche Orientierung und Struktur aufweisen. Durch diese Strukturdeterminanten spielen beide Surfactantproteine eine wichtige Rolle bei der unspezifischen Infektabwehr gegen alle an ihrer Oberfläche zuckertragenden Mikroorganismen und Fremdpartikel. Zusätzlich übernimmt SP-A durch Bindung an Phosphoipide eine wichtige Funktion für die extrazelluläre Anordnung der Phospholipide. Die hydrophoben Proteine SP-B und SP-C haben ein deutlich geringeres Molekulargewicht als die hydrophilen Proteine und sind für die optimale biophysikalische Funktion der Phospholipide essenziell. Sie bewirken eine schnelle und drastische Reduktion der Oberflächenspannung auf Werte um nahe Null. Das Fehlen von SP-B im pulmonalen Surfactant ist mit dem Leben nicht vereinbar.
Surfactant wird überwiegend von den Alveolarepithelzellen vom Typ II synthetisiert. Allerdings kann auch in oberen Abschnitten des Bronchialbaums eine Phospholipidsynthese stattfinden. Nach der Sekretion der Surfactantkomponenten in den Extrazellularraum der Alveole erfolgt eine strukturelle Umwandlung der lamellären Speicherform in tubuläres Myelin und schließlich multilamelläre Vesikel, bevor die Bildung einer überwiegend einlagigen Grenzschicht am Übergang zwischen alveolärer Hypophase und Luft erfolgt.
Die physiologischen Funktionen des pulmonalen Surfactant-Systems sind die mechanische Stabilisierung der Alveolen, die Stabilisierung der kleinen Atemwege, eine Schutzfunktion vor Lungenödem sowie eine Beteiligung an der unspezifischen Erreger- und Infektabwehr. Neuerdings sind auch adaptive Immunphänomene beschrieben worden, die gerade bei allergischen Atemwegserkrankungen von Bedeutung sind.
Störungen des Surfactant-Systems bei verschiedenen Lungenerkrankungen:
Die am längsten bekannte Störung des pulmonalen Surfactant-Systems geht auf das Jahr 1959 zurück, als Avery und Mead nachweisen konnten, dass das Fehlen einer oberflächenaktiven Substanz im direkten Zusammenhang mit dem Auftreten von steifen Lungen bei unreifen Neugeborenen mit Atemnotsyndrom (IRDS) steht. Damit wurde die aus dem Jahr 1929 stammende Erkenntnis von Neergaard's, dass in der Lunge eine oberflächenaktive Substanz vorhanden sein muss, klinisch relevant. Mit dieser bahnbrechenden Beschreibung hat die therapeutische Gabe von Surfactant vor jetzt knapp 50 Jahren begonnen.
Auch für das akute Atemnotsyndrom des Erwachsenen sind Störungen des pulmonalen Surfactant-Systems vielfach beschrieben worden. Anders als beim IRDS besteht das Defizit an oberflächenaktivem Surfactant nicht in einem primär quantitativen Mangel. Beim ARDS kommt es im Rahmen des pulmonalen Entzündungsgeschehens und insbesondere durch den Zusammenbruch der alveolokapillären Membran zur Inaktivierung von Surfactant durch einströmendes Plasma und die alveoläre Aktivierung von Gerinnungsfaktoren. Als therapeutische Konsequenz leitet sich hieraus die exogene Surfactant-Substitution ab, um der Surfactant-Inaktivierung entgegen zu wirken und wieder funktionsfähiges Surfactant bereitzustellen. Seit gut 20 Jahren wird in klinischen Studien versucht, die Wirksamkeit dieses therapeutischen Ansatzes zu beweisen. Neben zahlreichen Hinweisen für die Wirksamkeit dieses Therapieansatzes in Heilversuchen und kleineren Studien sind bislang alle kontrollierten klinischen Studien bezüglich Verbesserung der Mortalität negativ verlaufen. Es bleibt zu hoffen, dass momentan laufende Entwicklungsprogramme, die aus den konzeptionellen Fehlern bei der Versuchsplanung der Vergangenheit lernen konnten, eine klinisch relevante Wirksamkeit der Surfactant-Substitutionstherapie, nämlich Verbesserung der Mortalität beim ARDS demonstrieren können.
Beim allergischen Asthma bronchiale findet sich nach einer Allergenprovokation eine biophysikalische Dysfunktion, die insbesondere durch einströmende Plasmaproteine ausgelöst ist. Daneben kommt es durch den Einstrom von Lipoproteinen aus dem Blut zu einer Änderung der Phospholipid-Zusammensetzung, teilweise auch zu einem Abbau vorhandener Surfactant-Phospholipide durch Aktivierung von Phospholipasen. Bei den Surfactant-Proteinen sind nach Allergenprovokation ebenfalls Veränderungen nachgewiesen worden. So kommt es zu einer Erniedrigung von SP-A, während die übrigen Surfactantproteine vorübergehend ansteigen.
Bei der Lungenfibrose haben neuere Daten ebenfalls Störungen des Surfactant-Systems entdeckt. Hier wurden Mutationen im SP-C-Gen nachgewiesen. Auch kommt es zu Veränderungen der Phospholipidzusammensetzung und über die Funktionsbeeinträchtigung des SP-C zur Surfactant-Dysfunktion und damit im weiteren Verlauf zur Attenuierung der Compliancestörung der Lunge.
Inhalative Surfactant-Therapie:
Während die Surfactant-Therapie beim Atemnotsyndrom des Neugeborenen sicher und sinnvoll durch eine intratracheale Applikation vorgenommen wird und auch beim intubierten Patienten mit ARDS die intratracheale Gabe von Surfactant den Applikationsweg der Wahl darstellt, so hat die inhalative Surfactant-Therapie insbesondere bei der letztgenannten Indikationen dennoch eine Bedeutung. Hierbei sind vor allem die Möglichkeit des frühzeitigen Behandlungsbeginns noch vor der Intubation sowie eine eventuell bessere Dosis-Wirkungs-Beziehung bei Inhalation versus Instillation bedeutsam. Letzteres ist gerade wegen der extrem hohen Kosten einer auf Körpergewicht bezogenen Therapie erstrebenswert. Mit heute kommerziell erhältlichen Surfactant-Präparaten und einer mittleren Surfactant-Dosis von 100mg/kg kämen rechnerisch Therapiekosten von etwa 45.000 Euro für eine Einmalgabe zustande. Wegen der raschen Inaktivierung des applizierten Surfactant sind repetitive Gaben in den bislang durchgeführten klinischen und präklinischen Untersuchungen eher die Regel als die Ausnahme, was die Therapiekosten in irrationale Höhen schraubt.
Interessanterweise hat sich im Tiermodell des akuten Lungenversagens gezeigt, dass die inhalative Therapie gegenüber der Instillation bezogen auf die geschätzte deponierte Dosis von Surfactant bis zu 10-fach effektiver zu sein scheint. Ein Problem der Surfactant-Verneblung war bislang die immer noch unzureichende Effektivität der Aerosolgeneratoren, die zum einen relativ hohe Substanzverluste während der Verneblung, zum anderen aber auch technische Probleme wie Schaumbildung und mechanische Inaktivierung der Substanz zur Folge hatten. Erst in letzter Zeit sind Vernebler-Systeme oder Prototypen verfügbar, mit denen sich eine erheblich effektivere und funktionserhaltende Verneblung von Surfactant realisieren lässt.
Für das Asthma bronchiale liegen nur kleinere klinische Studien vor. In einer randomisierten, placebo-kontrollierten Studie konnte bei Asthmatikern im akuten Anfall eine Verbesserung der Lungenfunktion mit Anstieg der FEV1 und der Oxygenierung durch die inhalative Gabe eines natürlichen Surfactant-Präparats demonstriert werden. Auch die inhalative Gabe von synthetischem Surfactant (ALEC) reduzierte bei Asthmatikern die durch Allergeninhalation induzierte bronchiale Obstruktion, während die Spätreaktion nicht signifikant unterschiedlich war. Hierbei wurden hohe Surfactant-Dosen mit einem Vernebler-Prototyp generiert und inhaliert. Ein anderes Surfactantpräparat (Exosurf) verbesserte nach zweiwöchiger Inhalation ebenfalls im Vergleich zur Placebo-Behandlung die Lungenfunktionsparameter bei Patienten mit chronisch-obstruktiver Bronchitis. Im Gegensatz zu diesen positiven Befunden fanden andere Autoren bei Kindern mit leichter Atemwegsobstruktion keine Besserung der Lungenfunktion und der bronchialen Hyperreagibilität durch inhalative Surfactant-Therapie. Neuere Therapieansätze mit den immunologisch aktiven Surfactant-Proteinen SP-A und SP-D lassen sich bislang nur im Tiermodell überprüfen, da keine zugelassenen Präparate bzw. GMP-produzierte Proteine für den Einsatz beim Menschen vorliegen. Interessanterweise reduziert ein rekombinantes Fragment des humanen SP-D die allergische Entzündung im Tiermodell, verringert die bronchiale Hyperreagibilität und hemmt die akute Bronchokonstriktion. Möglicherweise stellen die hydrophilen Proteine SP-A und SP-D interessante Therapieansätze bei Patienten mit allergischem Asthma bronchiale dar, wobei der grundsätzliche Wirksamkeitsnachweis beim Menschen noch aussteht.
Zusammenfassung und Ausblick:
Die inhalative Therapie mit Surfactant ist für ausgewählte Erkrankungen durchaus eine attraktive Option. Insbesondere für Patienten mit akuter Lungenschädigung und drohendem ARDS könnte die inhalative Therapie zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine Intubation abwenden und den Krankheitverlauf günstig beeinflussen. Wegen der hohen Kosten sind zum jetzigen Zeitpunkt sicherlich nur Erkrankungen mit einem „Unmet need“ in Erwägung zu ziehen. Mit der Entwicklung effektiver synthetischer Präparate lassen zukünftig sicherlich auch andere Lungenerkrankungen mit positiver Kosten-Nutzen-Relation behandeln. Voraussetzung ist hierfür jeweils eine effektive Aerosolherstellung, die es erlaubt, große Mengen sicher und in möglichst kurzer Zeit an den Wirkort zu bringen.