Geburtshilfe Frauenheilkd 2008; 68 - PO3_7
DOI: 10.1055/s-2008-1075802

Hypnotherapie bei Ovarialkarzinom – Case Report

J Reinhard 1, H Hüsken-Janßen 2, W Hatzmann 3, S Schiermeier 3
  • 1Frauenheilkunde/Marien Hospital Witten – Frauenklinik der Universität Witten/Herdecke, Witten
  • 2Deutsche Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie (DGH), Coesfeld
  • 3Gynäkologie und Geburtshilfe – Frauenklinik der Universität Witten/Herdecke, Witten

Die moderne Hypnotherapie wurde stark vom amerikanischen Psychiater Milton H. Erickson geprägt, der seit etwa 1940 an der Entwicklung einer differenzierten und stark auf die subjektive Realität des Patienten zugeschnittenen Form der Hypnotherapie arbeitete. Erickson hatte am eigenen Leib die Wirksamkeit der Selbsthypnose zur Schmerzbewältigung erfahren (mit 17 und 51 Jahren erkrankte er an Kinderlähmung und litt die letzten Jahrzehnte seines Lebens unter chronischen Schmerzen).

Unsere Patientin wurde stadiengerecht an einem Ovarialkarzinom operiert (Tumorstadium pT3c pN0 (0/34) G3 M0) und erhielt nach entsprechender Aufklärung und Einwilligung eine adjuvante Chemotherapie nach dem Protokoll der Ovar11-Studie. Obwohl die Tochter der Patientin vor 2 Jahren an einem Mammakarzinom verstarb und die Patientin die Erziehung und Betreuung ihrer beiden Enkelkinder übernommen hatte, lehnte sie zunächst eine psychoonkologische Betreuung ab. Als die Patientin eine schwere fieberhafte Leukopenie bekam und sich zunächst keine Besserung durch die Antibiotikatherapie ergab, zeigte sie depressive Verstimmungen und Weinkrämpfe. Unsere Patientin stimmte einer Hypnosesitzung zu und beschrieb in der Nachbesprechung eine Szene, in der sie mit ihrer Tochter am Meer saß. Sie konnte diese Zeit erneut durchleben, war sie doch für sie eine der schönsten Situationen ihres Lebens, obwohl sie durchsetzen musste, dass ein Urlaub nur mit ihrer Tochter ohne Begleitung ihres Ehemanns, des Schwiegersohns und der Enkelkinder erfolgte. Unsere Patientin zeigte eine deutliche Besserung ihrer Symptomatik und bot keine weiteren Weinkrämpfe. Am übernächsten Tag erfolgte eine erneute Hypnosesitzung, in der die Patientin erneut ihren Wohlfühlort aufsuchen konnte, diesmal auch wieder am selben Strand, jetzt aber alleine. Die Patientin war völlig überrascht: „Ich war am Meer und habe es richtig gespürt“. Diese Erfahrung und die Möglichkeit, diese Erfahrungen durch eine für sie konzipierte CD zu ankern, die sie täglich zur Hause und während der Chemotherapie hörte, half ihr auch weiterhin.

Im weiteren Verlauf entwickelte die Patientin eine starke Diarrhoe, so dass sie zunächst den Abbruch der Chemotherapie wünschte; Stuhlproben und Coloskopie waren unauffällig, eine Medikation bewirkte keine Besserung. Erneut wurde eine Hypnotherapiesitzung durchgeführt, in der eine neue Ressource durch Fragmentierung vertieft wurde und dann zur besseren Bewältigung des überaktiven Darms genutzt werden konnte. 3 Stunden nach der Sitzung beschrieb die Patientin, dass sie weniger oft zur Toilette gegangen ist und Distanz zum eigenen Erleben gewonnen hatte. Sie konnte lockerer darüber denken – sie konnte sogar über sich selbst lachen. Durch die erstellte CD konnte die Patientin die Diarrhoe im weiteren Verlauf nicht deutlich reduzieren, kam aber deutlich besser damit klar und wünschte keinen Abbruch der Chemotherapie. Die Patientin zeigte im weiteren Verlauf nicht mehr so große Angst vor ihrem nächsten Chemotherapiezyklus und wünschte vor Beginn jeder weiteren Chemotherapie eine Hypnosesitzung.

Schlussfolgerung: Das zentrale Prinzip moderner Hypnotherapie nach Milton Erickson (1959) ist das Konzept der Utilisation, insbesondere das der Ressourcenaktivierung und des „Reframing“. Jeder Patient verfügt über spezifische individuelle Lernerfahrungen und Fertigkeiten, die unter Umständen als Ressource für eine Veränderung genutzt werden können. Neue Erfahrungen oder Verhaltensweisen werden nicht durch direkte Suggestion hervorgerufen, sondern bereits vorhandene, dem Patientin im gegenwärtigen Kontext nicht verfügbare Verhaltensweisen werden utilisiert, um das Therapieziel zu erreichen. Durch Destabilisierung gewohnter Muster wird die Evokation vorhandener Ressourcen zu einer neuen Gestaltung geführt. In diesem Sinne stellt die hypnotische Trance eine Unterbrechung gewohnter Denkmuster dar und hilft Nebenwirkungen zu bewältigen.

Schlüsselwörter: Hypnose, Ovarialkarzinom