Geburtshilfe Frauenheilkd 2008; 68 - PO1_4
DOI: 10.1055/s-2008-1075774

Dichoriote Geminigravidität kompliziert durch HELLP-Syndrom bei konservativem Management einer Plazenta increta

C Bryan 1, M Klesen 1, T Krauß 1
  • 1Frauenklinik Detmold – Klinikum Lippe GmbH, Detmold

Einleitung: Die Inzidenz der Plazenta accreta und increta hat in den letzten Jahren weltweit deutlich zugenommen und beträgt derzeit ca. 1:2500 Geburten. Risikofaktoren sind vorangegangener Kaiserschnitt, Myomenuklaetion oder Abrasio(nes) sowie Mehrlingsschwangerschaften. Die Entität geht mit einer signifikant höheren peripartalen Morbidität und Mortalität einher. Hierzu zählen vor allem massive Blutungen, Gerinnungsstörungen und Infektionen. Durch Vaginalsonographie kann die Diagnose häufig bereits präpartal gestellt werden. Als Behandlungsoption kommt als invasive Therapie die Sectio-Hysterektomie und als konservative Therapie ein Belassen der Plazenta in situ mit/ohne nachfolgender Methotrexat-Therapie plus/minus Embolisation der zuführenden Gefäße in Frage.

Fallbericht: Die Zuweisung 42-jährigen I-Gravida erfolgte in der 30+5 SSW wegen Zervixinsuffizienz und Plazenta praevia bei dichorioter Geminigravidität zur stationären Beobachtung und Lungenreifeinduktion.

Im Aufnahmeultraschall Plazenta praevia des führenden Geminus bei verkürzter Zervix, die sich sowohl im B-Bild als auch im Power-Doppler als außergewöhnlich gefäßreich darstellte. Eine Abgrenzung zur Plazenta konnte vaginalsonographisch nicht sicher erfolgen. In der Spekulumuntersuchung zeigt sich im Bereich der Zervix ein gefäßreicher Bezirk, der als prolabierende Plazenta interpretiert wird. Eine Abgrenzung zur Zervix kann nicht erfolgen. PAP- und HPV-Abstriche mit unauffälligen Befunden. Bei vorzeitiger Wehentätigkeit zunächst Induktion der Lungenreife mit 2×12mg Bethametason i.m. und Tokolyse mit Nifidepin.

Ausführlichen Gespräche mit der Patientin über die geburtshilfliche Situation mit Erläuterung der peripartalen Risiken und Aufzeigen der Therapieoptionen Sectio-Hysterektomie versus konservativer Therapie mit MTX. Im Sinne eines „informed consent“ geplante primäre Sectio in der 32+0 SSW mit Belassen der Plazenten in situ. Im Anschluss Beginn der medikamentösen Therapie (5 Zyklen Methotrexat 50mg/m2KOF i.v.; q1w, Tag 1; Folsäure 6mg i.v; q1w, Tag 2).

Am 1. postoperativen Tag entwickelt die Patientin Symptome einer schweren Präeklampsie. Deutlich gesteigerte Reflexe, Leberwerterhöhung, schwere Oligurie mit Erhöhung des Kreatinins und der Harnsäure, Hb- und Haptogobinabfall und Anstieg des freien Hbs als Zeichen der intravasalen Hämolyse. Zunächst keine Thrombozytopenie. Beginn einer Therapie mit Prednisolut 2 x tgl. 50mg i.v., Eklampsie-Prophylaxe mit Magnesiumsulfat 1g/h i.v. Transfusion von 2 Erythrozytenkonzentraten. Am 2. postoperativen Tag polyurische Phase, Normalisierung der Nierenretentionswerte, langsamer Abfall der Leberwerte.

Nach der zweiten MTX-Gabe erneut Anstieg der Leberwerte und jetzt auch Abfall der Thrombozyten, Nadir 80.000/µl. Weiter Therapie mit Prednisolut i.v.. Schließlich deutlicher Abfall des ß-HCG und der Leberwerte, Anstieg der Thrombozyten. Im weiteren Verlauf laborchemisch kein Hinweis für erneuten Schub des HELLP-Syndroms. Sonographisch, dopplersonographisch und kolposkopisch langsamer Regress der Plazenta increta.

Bei Erstellung des Abstracts sind die Plazenten noch in situ.