Geburtshilfe Frauenheilkd 2008; 68 - FV1_2
DOI: 10.1055/s-2008-1075744

Vermehrte Anzahl zerebellärer Körnerzellen nach pränataler LPS-Applikation bei Schaffeten nach Amniozentese – ein mögliches neues Tiermodell zur Erforschung von Autismus

HE Hürter 1, M Gantert 2, IAJ van Kooten 3, HWM Steinbusch 4, H van Engeland 3, Y Garnier 2, PR Hof 5, BW Kramer 6, P Mallmann 2, C Schmitz 4
  • 1Geburtshilfe und Frauenheilkunde – Klinikum der Universität zu Köln, Köln
  • 2Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe – Klinikum der Universität zu Köln, Köln
  • 3Department of Child and Adolescent Psychiatry – Rudolph Magnus Institute of Neuroscience, University Medical Centre Utrecht, Utrecht, Niederlande
  • 4Department of Neuroscience – European Graduate School for Neuroscience, University of Maastricht, Maastricht, Niederlande
  • 5Department of Neuroscience – Mount Sinai School of Medicine, New York, USA
  • 6Department of Pediatrics and Neonatology – University Hospital of Maastricht, Maastricht, Niederlande

Autismus ist eine neurologische Entwicklungsstörung mit einer ausgeprägten genetischen Komponente und mehreren bekannten Risikofaktoren aus der Umwelt, so zum Beispiel auch Infektionen. Der Ursprung der Entstehung dieser Erkrankung ist wahrscheinlich schon in der pränatalen Entwicklung zu suchen. Wir vermuten, dass fetale Schafe, die durch Amniozentese dem bakteriellen Endotoxin Lipopolysaccharid (LPS) ausgesetzt waren, morphologische Veränderungen im Cerebellum zeigen, vergleichbar mit jenen, die man in Kleinhirnen von autistischen Patienten gefunden hat. In unserem Tiermodell wurde LPS am 110. Gestationstag (GA 147) in das Fruchtwasser injiziert. Unter Verwendung hoch-präzisierter designbasierter Färbemethoden untersuchten wir mittlere Gesamt- und schichtspezifische Volumina, sowie durchschnittliche Gesamtzahlen von Körner- und Purkinjezellen (PC) in den Kleinhirnen von 6 LPS-infizierten Schaffeten und 3 Kontrolltieren. Die Ergebnisse der gegenwärtigen Studie zeigten keine Veränderungen der Gesamtvolumina der Kleinhirne, noch der Volumina der Molekularschicht, äußerer und innerer Körnerzellschicht und der weissen Substanz. Interessanterweise zeigten die LPS-infizierten Tiere jedoch eine statistisch signifikante Zunahme (+20.4%) der mittleren Gesamtzahl an Körnerzellen im Vergleich zu den Kontrollen, wohingegen sich die Anzahl der PCs in beiden Gruppen nicht unterschied. Diese scheinbar paradoxen Ergebnisse können erklärt werden durch (1) die Entstehungszeit dieser Neuronen. So entwickeln sich Purkinjezellen pränatal, die Körnerzellen jedoch postnatal. Es könnte auch sein, dass (2) eine direkte Korrelation zwischen der PC- und der Körnerzellanzahl im Cerebellum besteht. Diese Ergebnisse könnten anhand eines Tiermodells zu unserem Verständnis der biologischen Basis für interindividuelle Unterschiede in den morphologischen Veränderungen der Gehirne von Autismuspatienten beitragen.