Ernährung & Medizin 2008; 23(1): 38
DOI: 10.1055/s-2008-1074489
Expertenrat
© Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Diabetes-Risiko durch Selen-Supplementation?

Ulrich Rothe
Further Information

Publication History

Publication Date:
20 March 2008 (online)

Ein Patient von uns hat in der „Süddeutschen Zeitung” einen Artikel gelesen, in dem beschrieben wurde, dass eine Langzeitanwendung von Selen ein um 50% erhöhtes Risiko birgt, an Diabetes zu erkranken. Ist dieser Artikel als relevant einzustufen? Wenn ja, worauf ist dies zurückzuführen?

Die Informationen gehen auf eine randomisierte prospektive Doppelblindstudie mit 1312 Teilnehmern zurück, in welcher Forscher von der State University of New York in Buffalo (USA) und der Warwick Medical School in Coventry (England) einen Zusammenhang zwischen Selenzufuhr und Hautkrebsrisiko über durchschnittlich 7,7 Jahre untersuchten und zugleich dieses Datenmaterial zusätzlich auf ein mögliches Diabetesrisiko hin nachträglich auswerteten [1]. Die Ausgangsgruppe wurde randomisiert und in zwei Untergruppen eingeteilt: Die Mitglieder der einen Gruppe erhielten täglich 200 µg Selen, die der anderen ein Placebo (Kontrollgruppe). Bei Studienbeginn war der Selenspiegel im Blut in beiden Gruppen etwa gleich. Er wurde in regelmäßigen Abständen wiederholt gemessen und war im Durchschnitt in der Gruppe, die Selen einnahm, stets höher. Von den Studienteilnehmern hatten 1202 zu Studienbeginn nach eigenen Angaben keinen Diabetes. Nach Randomisierung unterschieden sich die beiden Untergruppen nicht signifikant in Eigenschaften wie Alter, Geschlecht, Gewicht (Body Mass Index) und Raucherstatus.

Nach durchschnittlich 7,7 Jahren Nachbeobachtung zeigte sich ein deutlicher Unterschied in der Diabeteshäufigkeit: Von den 600 Teilnehmern, die täglich 200 µg Selen einnahmen, erkrankten 58 (9,7 %) an einem Typ-2-Diabetes, während in der Kontrollgruppe 39 von 602 Patienten (6,5 %) erkrankten. Das entspricht einem um den Faktor 1,55 erhöhten Risiko. Bei den Studienteilnehmern, die zu Beginn bereits relativ hohe Selenkonzentrationen im Blut hatten, war das Risiko, an Diabetes zu erkranken, sogar 2,7-mal höher. Das deckt sich mit einer früheren Untersuchung [2].

Literatur

  • 1 Stranges S, Marshall J R, Natarajan R. et al . Effects of long-term Selenium supplementation on the incidence of type 2 diabetes: A randomized trial.  Ann Intern Med. 2007;  147 217-223
  • 2 Selen und Diabetes - Gibt es einen Zusammenhang? Deutsches Diabetes-Zentrum, Meldung vom 27.4.2007. www.diabetes-deutschland.de/108_5050.htm
  • 3 Bleys J, Navas-Acien A, Guallar E. Selenium and diabetes: More bad news for supplements.  Ann Intern Med. 2007;  147 271-272

Ulrich Rothe
Johannes Schwarzbeck
Dr. Wolf Wilczek

Apotheke des Klinikums der Universität Regensburg

Franz-Josef-Strauß-Allee 11

93053 Regensburg

    >