Zusammenfassung
Anliegen Diese Arbeit untersucht die in der jüngeren Literatur vertretene Ansicht, dass Hitler
seinen Aufstieg zur Macht unter anderem einer hypnotischen Behandlung verdanke, der
er sich als Gefreiter wegen einer hysterischen Erblindung im Oktober 1918 unterzogen
habe und die für eine weitreichende Persönlichkeitsveränderung verantwortlich gemacht
wird. Methode Mithilfe von literarischen und historischen Quellen wird die Plausibilität dieser
Annahme in drei Argumentationssträngen überprüft. Ergebnisse Eine Hypnosebehandlung Hitlers oder auch weitreichende Verhaltensänderungen in jener
Zeit sind zwar nicht ausgeschlossen, aber sehr unwahrscheinlich. Schlussfolgerungen Die Hypothese, Hitler habe 1918 eine dauerhafte Persönlichkeitsveränderung durchgemacht,
sei es aufgrund eines psychischen Traumas oder einer psychiatrischen Intervention,
sollte aufgegeben werden.
Abstract
Objective This paper inquires the hypothesis that Hitler's rise to power was in part due to
a hypnotic therapy he had undergone when being treated for hysterical blindness at
an army hospital in the town of Pasewalk in October 1918 – as recent contributions
have argued. Edmund Forster, his psychiatrist at that time, is supposed to have suggested
to Hitler that he would be ordained as Germany's redeemer in times of defeat, thus
causing a profound change in his patient's personality. Methods Following three lines of argument, this paper examines if such an assumption can
be made plausible. Firstly, it takes a close look at the main historical source which
is the novel The Eyewitness, written in German language by the Czech-Jewish author Ernst Weiß. Then it asks if
Forster is likely to have chosen hypnosis as a method of treatment. Finally, it exploits
the work of the even lesser known author Alexander Moritz Frey who happened to serve
close to Hitler as a medical orderly in WW I, thus trying to validate whether or not
Hitler really underwent a change of personality in autumn 1918. Results Although the eventualities of such a hypnotic treatment or a profound change in Hitler's
behaviour in that time cannot be disproved, both seem highly unlikely. Conclusions One should altogether abandon the notion of Hitler having suffered a permanent change
of personality in 1918, be it due to psychiatric treatment or to psychological trauma
itself.
Schlüsselwörter
Hitler - Psychiatriegeschichte - Hypnose - Erster Weltkrieg - Belletristik
Key words
Hitler - history of psychiatry - hypnosis - First World War - fiction
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Dr. med. Peter Theiss-Abendroth
Kanzlerweg 1
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eMail: theiss-abendroth@gmx.net